Drogenkonsum: Erklärungsmodelle u. ihre Konsequenzen Literaturempfehlungen zm Thema: Kappeler, M.: Drogen und Kolonialismus zur Ideologiegeschichte des Drogenkonsums. Verlag für interkulturelle Kommunikation, Frankfurt/M. 1991, Insbesone Der graue Alltag und Hunger nach starken Erfahrungen S. 328-337 Berger, H., Legnaro, A., Reuband, K.-H.: Jugend und Alkohol Trinkmuster, Suchtentwicklung und Therapie, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart Berlin Köln Mainz 1980
Drogenkonsum: Funktionen Welche Arten Drogeneinnahme gibt es? Drogenkonsum kann seiner Art nach sein: Sakraler Natur (rituell, heilig, religiös) Profaner Natur (weltlich, alltäglich) Medizinischer Natur Ästhetischer Natur Künstlerischer/Schöpferischer Natur Politischer Natur
Drogenkonsum: Funktionsbereiche Wozu können Drogen nützlich sein? Erleichterung von Kontakt u. Kommunikation: Erleichtern Kontaktaufnahme sowie Auflockern u. konventionelles Losbinden in Wartesituation u. Unterhaltung Entspannung: Auflockerung, Gefühl u. Verstand miteinan verbinden, Belastungen u. inneren Druck besänftigen o. loswerden, Soziale Anpassung: Zugang zu Freundesgruppen, Stärkung u. Unterstützung tatsächlichen o. angestrebten Gruppenzugehörigkeit Soziale Anerkennung/Prestige: soziale Anerkennung in o. Zugehörigkeit zu bestimmten Lebensstilen erreichen o. demonstrieren (u.a. auch Antizipation von Erwachsenenverhalten) Leistungsbeweis: Kraftprobe mit Spielcharakter o. als Kompensation (individuelle Unzulänglichkeiten durch demonstrativen Leistungsbeweis ausgleichen Ausdruck o. Signal: Protest durch bewusstes Verletzen gesellschaftlicher o. elterlicher Werte, auch Überforung, Krise, Hilfeersuchen ausschalten: Reduktion o. Betäuben von Wahrnehmung u. Empfindungen, nicht bei Sinnen sein zu müssen Prof. Dr. Gundula Barsch
Jugendlicher Drogenkonsum: symbolisch aufgeladen Was verbinden Jugendliche mit Drogenkonsum? Erwachsen-Sein u. Demonstration des Erwachsenenverhaltens Bewusste Verletzung von Erwachsenen gesetzten Grenzen Protest u. Kritik (an Eltern, Lehrern, sozialen Strukturen etc.) Streben nach intensiven Grenzerfahrungen = Spielart jugendtypischen exzessiven Verhaltens Teilhabe an subkulturellen Lebensstilen Ausdruck o. Signal für Überforung, Krisen, Hilfeersuchen Drogenkonsum bei Jugendlichen ist vielfach symbolisch aufgeladen: Das heißt: Es geht nicht um die pharmakologischen Effekte des Konsums, sonn um das, was man damit sozial ausdrücken kann!!! Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum nicht nur in Jugendkulturen Gesuchte Wirkungen Verschärfte o. gesteigerte Sinneswahrnehmung u. neue sinnliche Erfahrungen Steigerung Phantasiebereitschaft, veränn von Stimmungen u. kognitiver Orientierung, Anregung, Gedankenklarheit Künstlerische u./o. religiöse Impulse provozieren, mystische Erlebnisse Lösen von konventionellem Verhalten, geringere sexuelle Hemmungen, soziale Erleichterung Evidenzerlebnisse = spontan auftretende, unmittelbar gegebene Einsichten, zu denen im nüchternen Zustand nicht mit gleichen Spontaneität u. Gewissheit gelangt Illusion = Verkennen/Umdeuten von wahrgenommenen Gegenständen u. Verhaltensweisen Halluzinationen = nichtexistierende Gegenstände u. Eindrücke erleben Erheiterung, Freude, Wohlbefinden, Sorgenfreiheit, Schlaf, frei werden von Depressionen, Müdigkeit, weniger sich selbst wahrnehmen, Vergessen Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum: gesuchte Wirkungen Was erwarten Menschen vom Drogenkonsum? Stimmungen u. kognitive Orientierung, soziale Erleichterung, Selbstwahrnehmung, Innenbefindlichkeiten veränn Lösung von konventionellem Verhalten (z.b. Sexualität) Verschärfte u. gesteigerte Sinneswahrnehmung, Steigerung Phantasiebereitschaft, künstlerische u. religiöse Impulse provozieren, Evidenzerlebnisse = spontan auftretende, unmittelbar gegebene Einsichten, zu denen im nüchternen Zustand nicht mit gleichen Spontaneität u. Gewissheit gefunden wird Illusion = Verkennung/Umdeutung von wahrgenommenen Gegenständen und Verhaltensweisen Halluzinationen = Konfrontation mit nicht existierenden Situationen, Gegenständen
Drogenkonsum: Allgemeine Funktionen Mittel für Exkursionen aus dem Alltag Mittel, den Alltag besser zu meistern Mittel, den Alltag zu verschönen Mittel für eine Flucht aus dem Alltag Es gibt nicht "den" Drogenkonsum, sonn ganz verschiedene Umgangsweisen mit Drogen, die wieum völlig unterschiedliche Funktionen erfüllen. Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum: Umgangsweisen Drogenkonsum differenzieren nach Bezug zum Alltag! Versuchsweiser Konsum (1-3x) Hauptmotiv Neugier u. Gruppendruck Gelegentlicher Konsum (1-2x pro Monat) Konsum meist spontan u. ungeplant, wenn Droge leicht erhältlich, Hauptgründe geselliger Art, hat kein besones Gewicht für Lebensstil, eher ane Aktivitäten begleitend Regelmäßiger Konsum (1x o. mehrmals wöchentlich) Gewisse Gewöhnung u. Einbindung in Lebensstil, es werden Anstrengungen unternommen, Möglichkeiten des Konsums zu finden Starker Konsum (täglich o. periodische Exzesse) Drogen dominieren das Leben, Beschaffung u. Konsum binden Zeit, Denken, Kommunikation, Interessen u. Energien Unterstützungsleistungen differenzieren!! Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum: ein differenziertes Phänomen Droge Sucht Person Drogenmissbrauch Drogengebrauch Umwelt
Drogenkonsum: ein differenziertes Phänomen Das sogenannte Suchtdreieck symbolisiert: Droge Differenziertheit des Phänomens Drogenkonsum Größenordnungen bezüglich Verbreitung Einflussfaktoren für das Zustandekommen Effekte des Drogenkonsums Folgen bei problematischem Konsum Das Eisbergphänomen bei Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit Sucht Person Drogenmissbrauch Drogengebrauch Umwelt Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum: Genuss und Gebrauch Was ist Genuss? Der Konsum wird als besons angenehm empfunden = während des Gebrauchs wird die Befriedigung von Lust empfunden; es wird mit allen Sinnen genossen! Was ist Gebrauch? Der Konsum stellt eine nutzbringende, sinnvolle und hilfreiche Verwendung dar, die zur persönlichen, gesellschaftlichen und natürlichen Weiterentwicklung beiträgt.
Drogenkonsum: Was ist Missbrauch? Medizinische Vorgaben zur Vermeidung von Missbrauch Menge an konsumiertem Alkohol, mit körperliche Alkoholfolgeschäden sicher vermieden werden können. Über Mengen definiert! Maximal vertretbare Grenze für täglichen Alkoholkonsum: 40 g reiner Alkohol für Männer 20 g reiner Alkohol für Frauen u. Jugendliche 10 g reiner Alkohol = eine Trinkeinheit Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum: Missbrauch Ab wann kann man von Drogenmissbrauch sprechen? Kriterien nach DSM-IV: Wieholter Konsum, zu einem Versagen bei Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei Arbeit, in Schule o zu Hause führt Wieholter Konsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zur körperlichen Gefährdung kommen kann (Straßenverkehr, Arbeit, Sport) Wiekehrende rechtliche im Kontext des Konsums Andauern Konsum trotz ständiger, sich wieholen sozialer und zwischenmenschlicher, ausgelöst durch die Auswirkungen des Konsums (Streit, körperliche Auseinansetzungen) Nicht über Mengen definiert! Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogenkonsum: Missbrauch Ab wann kann man von Drogenmissbrauch sprechen? Schädlicher Gebrauch nach ICD-10: Durch die Konsummuster tritt eine tatsächliche Schädigung psychischen o physischen Gesundheit des Betroffenen ein. Definition: Nimmt Abstand von Kriterien wie Ablehnung des Konsumverhaltens o einer bestimmten Substanz durch ane o negative soziale Folgen wie Inhaftierung o Eheprobleme Lässt soziale und psychosoziale Folgen aber ganz unberücksichtigt.
Drogenkonsum: Missbrauch Ab wann kann man von Drogenmissbrauch sprechen? Verbunden mit erheblicher Selbst- u. Fremdgefährdung Beeinträchtigt das soziale Zusammenleben (Kriminalität, Verletzung von Pflichten) Nicht über Mengen definierbar! Schädigt die physische u. psychische Gesundheit KonsumentIn Verlust von Integrität sowie verantwortlicher Handlungs- u. Entscheidungsfähigkeit u. Würde Physische, psychische u. soziale Aspekte eingeschlossen!
Drogenkonsum: Missbrauch Situative Aspekte, die Konsum zum Missbrauch werden lassen: Durch Personen in einem ungeeigneten physischen u. psychischen Zustand (z.b. Schwangerschaft, prädisponierte Personen) Zur ungeeigneten Zeit Am ungeeigneten Ort (z.b. Leistungsbereiche wie Arbeit, Straßenverkehr, Kinbetreuung) In ungeeigneter Menge (allgemein o. in einer bestimmten Zeiteinheit) In ungeeigneter Form (ungenügende Qualität, ungeeignete Konzentration) Ermöglicht das Erfassen Variabilität von Missbrauch! Prof. Dr. Gundula Barsch
Der medizinische "Sucht"-Begriff Merkmale von Abhängigkeit nach ICD-10: Verminte Kontrollfähigkeit (! nicht Verlust) Nachweis einer Toleranz Zunehmend höhere Dosen Fortschreitende Vernachlässigung aner Lebenstätigkeiten und Interessen Eingeengte Verhaltensmuster im Umgang mit psychotrophen Substanzen Starker Wunsch o eine Art (!) Zwang, den Konsum unter allen Umständen fortzusetzen Mindestens drei Merkmale müssen im letzten Jahr vorhanden gewesen sein!
Abhängigkeit: Physische, psychische u. soziale Aspekte Welche Dimensionen hat Abhängigkeit? Physische Aspekte Psychische Aspekte Soziale Aspekte Entzugserscheinungen Toleranzentwicklung Sind eng miteinan verflochten! Intensives Verlangen Unfähigkeit zu Abstinenzperioden Ein lustbetontes Objekt, eine Gewohnheit o. den Konsum nicht o. nur schwer u. unter hohen Kosten aufgeben können Gewohnheit erhält zentralen Stellenwert Lebensstil u. soziale Beziehungen mit u. um den Konsum organisiert Vernachlässigung Verlernen aner Interessen, Fähigkeiten, Beziehungen u.ä.
Drogenkonsum: Umgangsweisen mit Alkohol in unserer Kultur 100 % erwachsenen Gesamtbevölkerung 5 % leben abstinent 95 % trinken Alkohol. Davon: 70-75 % gebrauchen Alkohol 25-20 % missbrauchen Alkohol situativ o permanent 5-7 % erfüllen die Kriterien einer Alkoholabhängigkeit
Drogenkonsum: ein normales menschliches Verhalten Warum ist Drogenkonsum normales Verhalten? (I) Drogenkonsum kann als zielgerichtete (zweckrationale) Handlung aufgefasst werden = kein Beigeschmack des Exotischen, Ähnlichkeit mit anen Handlungen. Verhalten vollzieht sich in einem gesellschaftlichen u. kulturellen Rahmen, sinngebend wird. Dabei motivieren Meinungen u. Vorstellungen menschliches Verhalten, unabhängig von Richtigkeit Aussagen. Die jeweils mit Drogenkonsum verfolgten Ziele sind individuell zu deuten. Sie unterscheiden sich nach Person u. ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Kultur, Generation sowie konsumierten Droge u. Menge = es gibt keine allgemeingültige Erklärung.
Drogenkonsum: ein normales menschliches Verhalten Warum ist Drogenkonsum normales Verhalten? (II) Die Ziele, die eine Person mit Drogenkonsum verfolgt, sind situationsspezifisch zu deuten = sie veränn sich im Verlauf des Konsums, Konsumkarriere, sind von Tag zu Tag beim selben Individuum verschieden. Langfristige Folgen des Konsums vieler Drogen können zum Grund für erneuten Konsum werden (Entzug, Reaktion Umwelt) = spätere Abhängigkeit kann als sich selbst aufrechterhalten geschlossener Kreislauf gesehen werden. Das Unterlassen des Drogenkonsums u. Drogenverzicht können ebenfalls als zielgerichtetes Handeln aufgefasst werden = Verhalten dauert an, weil es eine psychische, physische u. soziale Funktion hat u. Bedürfnisse erfüllt u. hört auf, wenn das Bedürfnis nicht mehr existiert o. ans gestillt wird. Prof. Dr. Gundula Barsch