Germanistisches Institut der Ruhr-Universität Bochum `Wortbildung des Deutschen Protokoll: Nazan Nizamogullari (Übung Germanistische Linguistik) Sitzung am 12.11.03 Daniel Händel M.A. WS 2003 / 04 I. Verfahren der Wortbildung: Komposition Die Hausaufgabe zu dieser Sitzung: Die Readerseiten 51 70 lesen! Nach einer kurzen Wiederholung des zuvor besprochenen Themas der letzten beiden Stunden, beginnt die Sitzung mit Beispielen für Komposita, die wir den Texten Siegfried & Roy: Jede Woche griff ein Tiger an und Rind-Attacke aus der Luft: Fliegende Kuh verletzt Frau entnehmen: Raubkatzen-Dompteur Schmusekätzchen-Image Tiger-Angriff Normalfall Krankenhaus Morgenpost Postzug Zusammensetzungen weisen in der Regel zwei Hauptglieder auf. Im einfachsten Falle sind diese ein-morphemig: A + B = M1 + M2 bzw. M2 + M1, doch können sie auch mehrmorphemig sein, wenn zu einem primären Kompositum weitere Grundmorpheme als Zusatzbestimmung treten und ein Dekompositum gebildet wird oder wenn Affixbildungen zu Kompositionsgliedern gemacht werden Reader S.51 Es werden folgende Kompositionstypen unterschieden: 1. Kopulativkomposition Das Kopulativkompositum fasst als Verbindung als zweier gleichgeltender Ist-Prädikationen den abschließenden Befund zusammen: nass-kalt D.h. das Kompositum ist in seinen zusammengesetzten Einheiten parataktisch bzw. gleichwertig. Die Einheiten entstammen der gleichen Wortart und dem gleichen Bezugsbereich. Die Produktivität des Kopulativkompositums ist sichtbar bei Substantiv und Adjektiv.
Kopulativkomposita sind z.b.: schwarz-weiß süß-sauer blau-grau Gott-König Dichter-Fürst Schauspieler-Autor 2. Determinativkomposition Solche Komposita sind im Vergleich zur Kopulativkomposita eindeutig hypotaktisch organisiert. Das Determinativkompositum ist in seiner einheitlichen Zusammensetzung hierarchisch angeordnet. Das wortschließende Zweitglied ein Substantiv oder Adjektiv legt die grammatische Funktionsklasse (Wortart und damit verbundene Kategorien wie z. B. Genus) des Gesamtkomplexes fest sowie die begriffliche Grundklasse, in die ein Bezeichnetes eingeordnet wird; das vorangestellte Erstglied in der Regel ein Substantiv, Adjektiv oder verbales Grundmorphem gibt intensivierende oder spezifizierende Zusatzmerkmale und trägt in der Regel den Hauptakzent des zusammengesetzten Wortes. Was als dominierendes Grundwort (M1 = Zweitglied) und zwar als Bestimmungswort (M2 = Erstglied) gewählt wird, ist bei der hypotaktischen Komposition entscheidend für die Einordnung oder Wertung des Bezeichneten. Reader S.52 Dazu beginnen wir mit Beispielen wie: Raubkatzen-Dompteur eine Person, die Raubkatzen zähmt Das Grundwort, Determinatum: der Dompteur Das Bestimmungswort, das Determinans: die Raubkatze Bei der hypotaktischen Komposition ist die Abfolge der Konstituenten von großer semantischer Bedeutung, denn das Grundwort kann nicht einfach mit dem Bestimmungswort die Reihenfolge tauschen, so würde die eigentliche Bedeutung im Kontext verloren gehen. Durch die Paraphrasierung analysieren wir die Bedeutungsstruktur und die semantische Beziehung zwischen den Konstituenten. z.b. Postzug Zug, der die Post bringt Zugpost Post, die mit dem Zug gebracht wird
Die Bedeutung ändert sich. Das Paraphrasieren ermöglicht einen anderen Blickwinkel auf die Bedeutung des Kompositums. Bei den parataktischen Kompositionen ist ein Wechsel der Konstituentenreihenfolge möglich, denn ob süß-sauer oder sauer-süß, die Bedeutung verändert sich nicht. Die folgende Tabelle zeigt eine Abgrenzung: parataktische Konjunktionen und oder aber denn hypotaktisch Konjunktionen dass weil während obwohl Zur Paraphrasierung von Determinativkomposita wird das Weltwissen gefordert, denn je nach dem Verständnis des Betrachters wird das Kompositum aufgefasst. Hierzu ein Beispiel: Fischfrau Meerjungfrau, Frau die Sternzeichen Fisch ist, weiblicher Fisch, die Frau des Fischmannes; Frau, die fischt; Frau, die wie ein Fisch aussieht; Frau, die gern Fisch isst; Frau, die schwimmen kann, wie ein Fisch; Frau, die sich verkleidet hat, wie ein Fisch; Frau, die Fisch verkauft Das folgende Beispiel verdeutlicht eine Linksverzweigung bei der Paraphrasierung von Komposita, die nach allgemeinem Weltwissen dargestellt wird: Tüllgardinenstange Tüllgardine Stange Tüll Gardine
Dieses Beispiel zeigt eine Rechtsverzweigung bei der Paraphrasierung: Metallgardinenstange Metall Gardinenstange Gardinen Stange Anschließend das Beispiel für eine beidseitige Verzweigung, um die Veranschaulichung noch weiter auszuführen: Schnellmontagegardinenstange Schnellmontage Gardinenstange Schnell Montage Gardinen Stange Die funktionale Analyse der Kompositionen ergibt, dass es drei verschiedene Verbindungen gibt: 1. der Subjekttypus Wasch-Frau eine Frau, die wäscht 2. der Objekttypus Falt-Karte eine Karte die gefaltet ist, bzw. werden kann a. der Adverbialtypus hat ein lokales, temporales oder instrumentales Grundwort z.b. Haltestelle
Zuletzt wird das Possessivkompositum angesprochen: Es ist ein literarisches Stilmittel und hat keine Grundwörter bzw. das Grundwort gehört meist zur Bezeichnungsklasse `Körperteil, und die gesamte Bildung wird zur Benennung einer Größe gebraucht, welche den genannten Körperteil `hat. Wie dieses Beispiel:. Schlau-Kopf Schlau Kopf Adjektiv: nähere Benennung Grundwort: (Substantiv) Körperteil Die Abschlussfrage der Sitzung lautet: Gibt es Komposita, die leicht missverstanden werden können? Nach kurzer Überlegung fallen diese Komposita: Ackerbau Frauenzimmer Altbaucharme Urinstinkt Blumentopferde Schweinelendchen Das Verstehen dieser Wörter ist jedem selbst überlassen, denn es wird, wie gesagt, je nach Weltwissen unterschiedlich paraphrasiert