Argumente für ein JA zur Initiative. «Für mehr bezahlbaren Wohnraum»

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Transkript:

Argumente für ein JA zur Initiative «Für mehr bezahlbaren Wohnraum» Chur, 28. September 2015 Argumente für ein JA zur Initiative «Für mehr bezahlbaren Wohnraum» Teil 1 Zusammenfassung: Chur mit einem massvollen Anteil bezahlbarem Wohnraum weiter bauen Wohnen ist in Chur zu teuer. Mittelstand, Familien oder Lernende können sich Chur in zu vielen Fällen nicht mehr leisten. Die Zahlen zeigen, dass die Mieten in Chur beinahe auf dem Niveau der Stadt Basel angekommen sind. In Basel sind die Löhne allerdings deutlich höher. Wohnen ist in Chur beispielsweise deutlich teurer als in Thun oder St. Gallen. Dazu bietet die Initiative eine machbare, pragmatische Lösung: Die Initiative beschränkt sich auf einen Grundsatzartikel. Die Massnahmen bleiben offen. Die Initiative lässt viel Spielraum. Die Zielsetzung von 12 Prozent ist realistisch und lässt viel Zeit. Chur kann weiter wachsen, bleibt für Investoren attraktiv. Familien des Mittelstandes gewinnen. Verfassung der Stadt Chur (vom 5. Juni 2005) c) Förderung von bezahlbarem Wohn- und Gewerberaum Art. 4a (neu) 1 Die Stadt setzt sich aktiv für den Schutz, die Erhaltung und die Erhöhung des Anteils von zahlbaren und qualitativ hochwertigen Wohnungen und Gewerberäumen ein. 2 Sie sorgt für eine stete Erhöhung der Anzahl Wohnungen, die sich im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern befinden, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip der Kostenmiete verpflichtet sind. Übergangsbestimmungen zur Art 4a (neu) Art. 57 1 Die Stadt setzt sich als vorläufiges Ziel innert 20 Jahren nach Annahme der Initiative durch das Stimmvolk einen Anteil von gemeinnützigen Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand (ausgenommen von dieser Berechnung sind Einfamilienhäuser und selbstgenutztes Wohneigentum) von mindestens 12 Prozent zu erreichen. 2 Der Stadtrat erstattet dem Gemeinderat während der in Abs. 1 genannten Frist alle zwei Jahre Bericht über das Erreichen dieser Ziele; namentlich über die Entwicklung des Anteils gemeinnütziger Wohnungen, zahlbaren Gewerberäumen sowie über die getroffenen Massnahmen zum Erhalt und zur Förderung preisgünstiger oder gemeinnütziger Wohnungen.

Teil 2 Argumente für die Initiative Wohnen ist in Chur zu teuer. Mittelstand, Familien oder Lernende können sich Chur in zu vielen Fällen nicht mehr leisten. Die Zahlen zeigen, dass die Mieten in Chur beinahe auf dem Niveau der Stadt Basel angekommen sind. In Basel sind die Löhne allerdings deutlich höher. Wohnen ist in Chur beispielsweise deutlich teurer als in Thun oder St. Gallen. Das Preisniveau in Chur ist, relativ zu anderen Städten, insbesondere bei Wohnungen im günstigen und mittleren Preissegment sehr hoch. Die Inserationsdauer der 50 Prozent günstigsten Wohnungen in Chur beträgt weniger als 20 Tage. Die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen ist folglich sehr gross. Diese Entwicklung ist verschiedenen Faktoren geschuldet. Vereinfacht lassen sich diese in vier Punkten zusammenfassen: 1. Gesellschaftlicher Wandel (steigende Wohnfläche pro Kopf, Zunahme von Singlehaushalten, Zuwanderung) 2. Der Wandel der Immobilie von der Wert- zur Ertragsanlage führt dazu, dass Immobilien horrenden Renditeansprüchen genügen müssen. Das schlägt auch auf die Boden- und Mietpreise durch. 3. Die Politik vertraute auf den Markt. Diesen kann es aber für Boden/Wohnungen/Immobilien so nicht geben, da klassische Marktmechanismen versagen. Beispielweise ist ein Marktaustritt nicht möglich (man kann nicht, nicht wohnen). Boden kennt keine Substitute und ist auch nicht vermehrbar. Das Angebot ist zudem sehr unelastisch und trifft gleichzeitig auf eine äusserst elastische Nachfrage. 4. Rückgang des genossenschaftlichen, gemeinnützigen Wohnungsbau. Von der aktuellen Situation profitiert kaum jemand. Nicht die Stadt, der SteuerzahlerInnen abhandenkommen, weil sie sich Chur nicht mehr leisten können. Nicht die MieterInnen, die oftmals fast die Hälfte des verdienten Geldes für die Miete aufbringen müssen. Nicht das Gewerbe, da die Leute weniger Produkte kaufen, weil sie viel zu viel Geld für die Miete ausgeben müssen. Nicht zukünftige WohneigentümerInnen, die sich ihr Eigenheim aufgrund steigender Preise nicht leisten können. Nicht die Umwelt, weil viele Personen in die Nachbargemeinden ziehen müssen, da Chur zu teuer ist, was wiederum die Zersiedelung der Landschaft und Schlafgemeinden fördert. Ziel einer fortschrittlichen Wohnbau- und Bodenpolitik muss es darum sein, einen sinnvollen Anteil von Immobilien den Marktmechanismen und der Spekulation zu entziehen. Ein Mittel das zu erreichen, ist die Förderung von gemeinnützigem, genossenschaftlichem Wohnungsbau. Dort kommt das Prinzip der Kostenmiete zur Anwendung. Vereinfacht heisst das: Es darf keine Rendite erwirtschaftet werden. Es werden nur die effektiven Kosten (+ Abschreibungen, Investitionsbeiträge) verrechnet. Darum sind gemeinnützige Wohnungen langfristig rund 20 Prozent günstiger als der Markt. Ein hoher Anteil von gemeinnützigen Wohnungen wirkt auch preisdämpfend auf den Gesamtmarkt. Das unter anderem aufgrund der im Mietrecht verankerten Orts- und Quartiersüblichkeit. Gemeinnützige Wohnbauträger bauen Wohnungen für den Mittelstand, für Familien oder für Personen in Ausbildung. Gemeinnütziger Wohnungsbau ist kein Sozialwohnungsbau und auch kein staatlicher Wohnungsbau! Auch in Chur finden sich dafür gute Beispiele, z.b. die Wohnbaugenossenschaft Am Mühlbach Chur. Bezahlbarer Wohnraum nützt allen. Die Attraktivität der Stadt wird gesteigert, die Durchmischung gestärkt und auch die Gewerbetreibenden profitieren, wenn am Ende des Monats mehr Geld für den Konsum bleibt. Ist die Forderung der Initiative realistisch? Die Forderung ist wissenschaftlich fundiert und stützt sich auf die Studie Das Potential des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in Chur des Instituts für Bauen im alpinen Raum der HTW Chur im Auftrag des MV Graubünden. Um die Initiative zu erfüllen, müsste in den nächsten 20 Jahren in der Stadt Chur jede fünfte neu erstellte Wohnung gemeinnützigen Kriterien genügen. Das ist weniger als sich Städte wie Luzern oder Zürich zum Ziel gesetzt haben. Die Initiative ist moderat und realistisch. Wie lässt sich die Initiative umsetzen? Die Initiative formuliert bewusst einen Grundsatzartikel mit einer Zielformulierung. Welche Massnahmen zur Umsetzung ergriffen werden, wird also nicht eingeschränkt, damit der Spielraum bei der Umsetzung nicht unnötig beschnitten wird. Zur Zielerreichung stehen unterschiedliche städtebauliche Massnahmen zur Verfügung. Eine unvollständige Auswahl an geeigneten Massnahmen/Instrumenten:

o o o Abgabe von Land im Baurecht an Wohnbaugenossenschaften. Planungsrechtliche Grundlagen für spezielle Zonen mit einem Mindestanteil an Wohnbaugenossenschaften und/oder Kostenmieten schaffen. Ausnützungsboni werden nur vergeben, wenn ein Mindestanteil an Wohnungen erstellt wird, die gemeinnützigen Kriterien genügen. Weshalb insbesondere der Gemeinderat der Initiative zustimmen sollte Eine Untersuchung der Stadt Luzern hat gezeigt, dass die Steuereinnahmen pro Quadratmeter in Mittelstandsquartieren wesentlich höher sind als in jenen Quartieren, in denen sehr vermögende Personen leben. Das Steueraufkommen pro Quadratmeter ist für die Finanzpolitik der Stadt ein wichtiger Indikator. Das Stadtgebiet ist begrenzt. Gute Finanzpolitik berücksichtigt dies und versucht darum, die Steuereinnahme pro Quadratmeter zu mehren. Die Studie der HTW Chur kommt zum Schluss, dass das Bevölkerungswachstum in Chur namentlich durch die Anzahl neu erstellter Wohnungen begrenzt ist. Werden mehr und insbesondere mehr bezahlbare Wohnungen erstellt, gewinnt die Stadt neue SteuerzahlerInnen. In Anbetracht der aktuellen Finanzlage ist das ein erstrebenswertes Ziel. Da Chur nicht nur in die Breite wachsen kann, muss der oben beschriebene Effekt berücksichtigt werden. Nachhaltige Finanzpolitik in Chur bedeutet darum, das Steueraufkommen pro Quadratmeter zu erhöhen. Auch das spricht für die Förderung gemeinnütziger Wohnbauträger, denn sie ermöglichen es dem Mittelstand nach Chur zu ziehen. Das führt in der Summe zu mehr und nachhaltigeren Steuereinnahmen als das Bauen für sehr vermögende Personen. Die Sozialausgaben steigen an. Eine Untersuchung der Stadt Zürich kommt zum Schluss, dass steigende AHV-IV Ergänzungsleistungen (und anderen Sozialausgaben) wesentlich auf steigende Wohnzuschüsse zurückzuführen sind. Die öffentliche Hand subventioniert hier die Gewinne Privater. In Chur dürfte sich das ähnlich verhalten. Das ist nicht im Interesse der Stadt. Im neu entstehenden Quartier Chur West ist ein Drittel des Bodens im Besitz der Stadt Chur. Das Projekt Chur West bietet sich darum an, ein städtebaulich vorbildliches Vorhaben für nachhaltige Stadtentwicklung und bezahlbaren Wohnraum umzusetzen.

Teil 3 Kommentar zur Botschaft & zum Gegenvorschlag Der Stadtrat hat seine Botschaft zur Initiative am 21. September 2015 publiziert. Die Botschaft suggeriert Annahmen, die unseres Erachtens nicht korrekt sind: 1. Die Initiative schränkt den Handlungsspielraum nicht ein. Der Stadtrat macht in seiner Botschaft u.a. die Aussage, dass die Initiative den Handlungsspielraum einschränkt. Das trifft nicht zu. Die Initiative schreibt lediglich ein Ziel vor, das innert 20 Jahren zu erreichen ist. Bewusst haben die InitiantInnen keine Massnahmen vorgeschrieben, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Ohne verbindliches Ziel ist das Anliegen allerdings zahnlos. 2. Genossenschaftlicher Wohnungsbau ist kein staatlicher Wohnungsbau. Der Stadtrat suggeriert in der Botschaft, dass Genossenschaften keine Privaten seien. Das ist schlicht falsch. Genossenschaften sind private Wohnbauträger. Ebenso bauen Genossenschaften keine Sozialwohnungen. Einen Beispiel für (privaten) genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau: www.bamchur.ch. Die Wohnbaugenossenschaft am Mühlbach ist privat, nicht subventioniert und baut Wohnungen für den Mittelstand und für Familien. Es ist uns ein Rätsel, wie der Stadtrat dazu kommt, Wohnbaugenossenschaften nicht als Private zu bezeichnen. Die Initiative stellt auf die Gemeinnützigkeit ab. Gemeinnützig können auch andere Rechtsformen (z.b. AG oder Einzelfirma) sein, sofern sie die Bedingungen der «Charta der gemeinnützigen Wohnbauträger» des Bundesamtes für Wohnungswesen erfüllen. 3. Private sind bei der Zielerreichnung nicht ausgeschlossen. Der Stadtrat schreibt, dass Private und/oder renditeorientierte WohnbauträgerInnen bei der Zielerreichung ausgeschlossen sind. Das ist nicht korrekt. Das Initiativtext wurde bewusst so formuliert, dass auch renditeorientierte WohnbauträgerInnen ihren Beitrag leisten können und sollen. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen hält fest, dass ein «( ) Anteil von gemeinnützigen Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand von mindestens 12 Prozent ( )» zu erreichen sei. Bewusst sprechen die InitiantInnen von Wohnungen und nicht von WohnbauträgerInnen o.ä. Darum werden auch Wohnungen von renditeorientierten WohnbauträgerInnen (z.b. Aktiengesellschaften oder Einzelpersonen) zu den 12 Prozent gezählt, wenn sie den Prinzipien der Gemeinnützigkeit, also insb. der Kostenmiete, genügen (welche in Art. 4a, Abs. 2 festgehalten ist). Ein Beispiel: Werden durch einen renditeorientierten Wohnbauträger 100 neue Wohnungen erstellt und 10 davon werden nach dem Prinzip der Kostenmiete vermietet, zählen diese 10 Wohnungen als gemeinnützig und zum entsprechenden Anteil. Mit den anderen 90 Wohnungen kann ein Gewinn erwirtschaftet werden. 4. Die InitiantInnen wollen nicht ausschliesslich den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern. In Abs. 1 zum neuen Verfassungsartikel sprechen die InitiantInnen bewusst von «zahlbaren» Wohnungen. Zahlbar ist ein «offener Rechtsbegriff» und lässt den entsprechenden Spielraum bei der Umsetzung. Keineswegs sagen darum die InitiantInnen, bezahlbarer Wohnraum sei ausschliessich mit Genossenschaften/gemeinnützigen Wohnbauträgern zu realisieren. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch renditeorientierte Wohnbauträger ihren Beitrag leisten. Wie diese ihren Beitrag zur Gemeinnützigkeit leisten können, wurde in Punkt 3 erläutert. Was aber klar ist: Die Gemeinnützigkeit ist das einzig objektive und messbare Kriterium. Wie soll ansonsten definiert werden, was förderungswürdig ist? Die Antwort bleibt der Stadtrat in der Botschaft schuldig. Soll die Stadt etwa renditeorientierten Wohnbauträgern Land zu tieferen Baurechtszinsen abgeben, wenn sich diese nicht zu einem gewissen Teil der Gemeinnützigkeit verpflichten? Wohl kaum. Die Stadt würde die Gewinne der Immobilienwirtschaft mit Steuergeldern subventionieren. Darum wurde bei der verbindlichen Zielformulierung in den Übergangsbestimmungen auf die Gemeinnützigkeit abgestellt. Aus ordnungspolitischen Überlegungen ist die Förderung von gemeinnützigen Wohnbauträgern richtig. Das sieht auch der Bundesrat so und das ist in Wohnbauförderungspolitik in der Schweiz üblich. Üblich ist die Förderung von selbst genutztem Wohneigentum, die Förderung von Neubau, Erwerb, Erneuerung oder Umnutzung preisgünstigen Wohnraums durch Eigentümer, die nach gemeinnützigen Grundsätzen handeln (Botschaft WFG, BBL 2002 2849) sowie die direkte Förderung gemeinnütziger Bauträger (für den Bund: Art. 2 Abs. 1 WFG). Der Bund hat sich bewusst für die Förderung gemeinnütziger Träger statt der generellen (und struktur- bzw. wettbewerbspolitisch fragwürdigen) Förderung des Wohnungsbaus entschieden (vgl. Botschaft WFG, BBL 2002 2829). Begründet wird dies folgendermassen:

«Der gemeinnützige Sektor nimmt nicht nur wichtige Versorgungsfunktionen im Interesse der Öffentlichkeit wahr. Er vereinigt auch gewisse Vorteile des selbstbewohnten Eigentums (z.b. Wohnsicherheit und Mitwirkung) mit solchen des normalen Mietverhältnisses (z.b. höhere Mobilität). Die Orientierung an der Kostenmiete führt zu einem Grundstock von preisgünstigen Wohnungen, der einen dämpfenden Einfluss auf die Entwicklung des generellen Mietzinsniveaus ausübt. Mit der Akzentverschiebung in der neuen Politik soll die Rolle des gemeinnützigen Wohnungsbaus gestärkt werden» (vgl. Botschaft WFG, BBL 2002 2850) Die Initiative entspricht auch der neueren gesetzlichen Praxis der Kantone und Gemeinden (z.b: 5 des Gesetzes über die Wohnbau- und Eigentumsförderung des Kantons Zürich, 4 der Gemeindeordnung der Stadt Zürich). Eine generelle Wohnbauförderung erscheint systemfremd und wird darum von den InitiantInnen bewusst nicht gefordert. 3.1 Beurteilung des Gegenvorschlags Über 2'300 ChurerInnen haben die Initiative unterschrieben und dem Komitee das Mandat erteilt, verbindlich für bezahlbaren Wohnraum einzutreten. Der Gegenvorschlag des Stadtrates ist nicht verbindlich. Glaubwürdige Politik braucht aber verbindliche Ziele. Ein unverbindlicher Artikel ohne praktische Auswirkungen und ohne Ziele widerspricht dem Mandat, das 2'300 ChurerInnen dem Initiativkomitee erteilt haben. Die InitiantInnen können die Initiative darum nicht zurückziehen. Der Gegenvorschlag ist missraten und steht im Widerspruch zur Argumentation des Stadtrates in der Botschaft. Wie wir ausgeführt haben, lässt es die Initiative zu, auch renditeorientierte Immobilienunternehmen an der Zielerfüllung (12% Anteil gemeinnütziger Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand) zu beteiligen. Der Gegenvorschlag des Stadtrates verhindert genau das. Der Gegenvorschlag ersetzt den bewusst gewählten und offenen Rechtsbegriff «zahlbar» durch «preisgünstig». Preisgünstig ist im Wohnbauförderungsgesetz des Bundes (WFG) definiert als Kostenmiete. In den Ausführungsbestimmungen wird neben der Kostenmiete auch noch eine Kostenlimite verankert. Auch der Begriff «preisgünstig» des Stadtrates ist so (=Kostenmiete) zu interpretieren, zumal er in der Botschaft explizit auf die Charta der gemeinnützigen Wohnbauträger verweist, die ebenfalls preisgünstig anhand der Kostenmiete definiert. Kurzum: Absatz 1 des Gegenvorschlags verhindert den Einbezug privater, renditeorientierter WohnbauträgerInnen zur Bereitstellung von zahlbarem Wohnraum (z.b. Abgabe von Land im Baurecht mit tieferen Baurechtszinsen). Absatz 2 des Gegenvorschlags lässt dies auch nicht zu. Der Stadtrat verstrickt sich diesbezüglich in der Botschaft in Widersprüche. Kohärente Gesetzgebung sieht anders aus. Im Sinne von Art. 4a Abs. 1 der Initiative und des Gegenvorschlags ist es der Stadt möglich, gesetzgeberisch tätig zu werden und bezahlbaren Wohnraum gezielt zu fördern. Die alternative Formulierung («auch») des Gegenvorschlags führt insofern nicht zu einem anderen Ergebnis als die Initiative. Sie könnte gar als redundant betrachtet werden. Sie hat keine rechtlichen und/oder politischen Auswirkungen und ist darum im Grunde überflüssig. Die gemachten Ausführungen lassen uns zum Schluss kommen, dass bei der Erarbeitung des Gegenschlags und teilweise auch der Botschaft nicht mit der angebrachten Sorgfalt gearbeitet wurde. Das enttäuscht das Initiativkomitee und zeugt nicht davon, dass der Stadtrat das Thema bezahlbarer Wohnraum hoch gewichtet. Wir empfehlen Ihnen den Gegenschlag abzulehnen. Politik sollte nicht nur reden, sondern verbindliche Ziele setzten und konkrete Massnahmen ergreifen. Diesem Anspruch genügt der Gegenvorschlag nicht. Unabhängig davon, ob man das Anliegen der Initiative teilt oder nicht, sollte der Gemeinderat diesen Gegenvorschlag/diese Botschaft nicht goutieren.

Teil 4 Zahlen & Fakten zum Wohnungsmarkt in Chur 1. Mietpreise & Teuerung in der Schweiz Grafik/Datenquelle: SMV/BFS 2. Wie hoch sind die Mieten in Chur, verglichen mit anderen Städten? (Angaben ohne Nebenkosten) Mietpreise pro Monat (Median) in CHF ohne Nebenkosten CHF 1'570 CHF 1'670 CHF 1'500 CHF 1'330 CHF 1'170 CHF 1'380 CHF 1'370 CHF 1'000 CHF 500 CHF 0 3-Zimmer 4-Zimmer 3-Zimmer 4-Zimmer 3-Zimmer 4-Zimmer Quelle: Wüest & Partner Chur St. Gallen Basel 3. Wie hoch sind die Mieten der Region Chur, verglichen mit anderen Städten? Entwicklung der Angebotsmieten nach Regionen (Indexiert, 2004=100) 120 115 110 105 100 Region Chur Schweiz Region Bern Region Thun Region St.Gallen Region Basel-Stadt 95 90 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Meta-Sys AG & ImmoDataCockpit

4. Inserationsdauer in Chur Inserationsdauer in Tagen von Wohnungen in Chur nach Preisklassen 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Teure Wohnungen (90%-Quantil) Mittlere Wohnungen (50%-Quantil, Median) Günstige Wohnungen (10%-Quantil) Quelle: Meta-Sys AG & ImmoDataCockpit 5. Wo sind die Wohnungen der Churer Wohnbaugenossenschaften? 6. Wie hat sich der Anteil von Genossenschaftswohnungen in Chur verändert? Quelle: HTW, 2013

Anmerkung: Nicht alle Wohnungen in den 8.2% genügen zwingend gemeinnützigen Kriterien (vgl. HTW, 2013) 7. Trotz Tiefzinsumfeld steigen sowohl die Angebots- auch als die Bestandesmieten (Vgl. auch 1. mit Zahlen des BFS) Quelle: SMV 8. Der Wandel von der Wert- zur Ertragsanlage Im Jahr 2000 wurde die erste Immobiliengesellschaft an der Börse gelistet. 10. HTW-Studie und Charta der gemeinnützigen Wohnbauträger Die entsprechenden Dokumente können unter folgenden Links heruntergeladen werden: HTW Studie: https://drive.google.com/open?id=0b_uja5dilhpszdjmv3lws3novnc Charta: http://www.bwo.admin.ch/themen/wohnraumfoerderung/00150/00151/index.html?download= NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdH19fGym162epYbg2c_ JjKbNoKSn6A--&lang=de