Gesundheitliche Wirkungen des Wanderns Vortrag auf der Jahrestagung Wandern 08.03.2014 in Selzen Petra Regelin Vizepräsidentin des Rheinhessischen Turnerbundes
Gliederung 1. Gesundheit ist eins der führenden Wandermotive 2. Einige Studienergebnisse 3. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Wanderns Immunsystem, Stoffwechsel, Herz, Kreislauf, Blutdruck, Knochenstabilität, Gelenkgesundheit 4. Erhaltung der Gehfähigkeit im Alter 5. Erhaltung der Gehirngesundheit durch Wandern Seite 2 www.rhtb.de
1. Gesundheit ist eins der führenden Wandermotive Profilstudien Wandern ab 2003: Frage: Es gibt viele Gründe zum Wandern. Welche sind Ihnen besonders wichtig? 2003 2004 2006 2008 2012 Etwas für die Gesundheit tun 59 % 62 % 69 % 70 % 70 % Übertroffen nur vom Motiv Die Natur erleben, sich bewegen, aktiv sein. 3
2. Einige Studienergebnisse 1960er Jahre: Postbotenstudie : Schalterbeamte hatten (gleicher Gesundheitszustand zu Beginn ihrer Tätigkeit) im Leben 3 Mal so viele tödliche Herzinfarkte wie Briefträger. Bei berufl. Aufstieg: Infarktschutz geht verloren. 1970/80er Jahre: Amerik. Langzeitstudien: Gesundheitseffekte von Bewegung hängen vom Kalorienverbrauch ab: Beinmuskeln sind der größte Kalorienverbraucher, gleicher Energieverbrauch, ob 1 km Gehen oder 1 km Joggen, man wandert länger als man joggen kann. 4
Studie Uni Halle, 2012: 7 Wochen, 10 x 1,5 Std., 3,8-5,6 km, 15 Std. körperl. Aktivität: Herzfrequenz sank von 130 auf 121 Schläge (Herz arbeitet ökonomischer, ist besser vor HK-Erkrankungen geschützt) Laktatspiegel sank von 2,37 auf 1,53 Millimol (Anstrengung sinkt) Blutdruck fiel signifikant Subjekt. Wohlbefinden stieg signifikant Bauchumfang reduzierte sich signifikant, aber keine Gewichtsreduktion (Muskelaufbau) Verbrauch von 500 Kal. pro Stunde 5
3. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Wanderns Immunsystem: Stärkt die körpereigenen Abwehrkräfte: Anzahl + Funktionsfähigkeit der Immunzellen nimmt zu Immunsystem kann schneller auf eindringende Keime reagieren. Menschen, die regelmäßig sanften Ausdauersport treiben scheinen seltener an Krebs zu erkranken: Die Fähigkeit zwischen eigenen und fremden Zellen zu unterscheiden, verbessert sich. Natürliche Killerzellen werden durch die Bewegung aktiviert, die Tumore im Frühstadium angreifen und zerstören können. Sanfter Ausdauersport, wie Wandern, beeinflusst das Risiko an Darm-, Brust- und Prostatakrebs zu erkranken, positiv. 6
3. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Wanderns Stoffwechsel: Biochemische Umwandlungsprozesse spezieller Stoffe im Körper, die dafür sorgen, dass die Körperfunktionen aufrechterhalten und die Energiegewinnung gewährleistet ist. Älterwerden Hormonproduktion geht zurück Stoffwechsel verlangsamt sich pro Lebensdekade um 5 % Kalorienbedarf sinkt (von 2.000 mit 20 Jahren auf 1.700 mit 40 Jahren bei Frauen) Wer genauso viel isst, wird dicker. Bewegung aktiviert den Stoffwechsel. Fettstoffwechsel: Zunahme des gesundheitsfördernden HDL- Cholesterins, Senkung des gesundheitsgefährdenden LDL-Cholesterins. Blutzuckerspiegel: Senkt den Blutzuckerspiegel und beugt Typ-2- Diabetes vor (Muskelaktivität verbraucht Zucker). 7
3. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Wanderns Herz, Kreislauf und Bluthochdruck: Herz und Kreislauf arbeiten auf Dauer ökonomischer, sodass mit geringerem Arbeitsaufwand der gleiche Effekt erzielt wird: Herzfrequenz sinkt, weil das trainierte Herz weniger Schläge braucht, um die gleiche Menge Blut durch den Körper zu pumpen (schlägt kräftiger) Schutz vor HK-Erkrankungen, wie Herzinfarkt. Blutdruck sinkt, weil die Blutgefäße sich weiten Schutz vor HK-Erkrankungen, wie Herzinfarkt. 8
3. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Wanderns Knochenstabilität: 200 Knochen bilden das Gerüst des Körpers Im Inneren des Knochens herrscht permanent Bewegung: Knochenaufbau- und Knochenabbauzellen in der Balance Ab dem 40. Lebensjahr: Aufbauzellen werden inaktiver Es wird mehr Knochenmasse ab- als aufgebaut Verlust an Knochensubstanz 1 % pro Jahr. Starke Muskeln machen stabile Knochen: Druck- und Zugbelastung aktiviert Aufbauzellen, je stärker der Muskel, umso stabiler der Knochen! Beim Wandern: Besonders wirksam ist Bergabgehen. 9
3. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Wanderns Gelenkgesundheit: Gelenke sind die Schaltstellen der Beweglichkeit: 2 Knochen treffen aufeinander, am Ende durch Knorpel geschützt (sonst Abreiben), Knorpel wird ernährt durch Gelenkflüssigkeit (Synovia). Im Alter: Nur ein gut ernährter Knorpel hält den Belastungen Stand, sanfte Bewegung fördert Produktion von Synovia. Ruht ein Gelenk länger: weniger Synovia Knorpel ist unterversorgt und wird brüchig. Wandern: Knorpel braucht Bewegung ständiger Wechsel von Beund Entlastung Synoviaproduktion gut ernährter, funktionsfähriger Knorpel widerstandsfähiger, vor Abnutzung geschützt! 10
4. Erhaltung der Gefähigkeit im Alter Besonders wichtig aufgrund der demografischen Entwicklung Erhaltung der Gehfähigkeit bedeutet Erhaltung der Selbstständigkeit
Funktionsprofil mit zunehmendem Alter
Nachlassende Mobilität
Mobilität im Alter
Wir bekommen Langlebigkeit heute quasi geschenkt. Aber: Die Lebensqualität für das hohe Alter müssen wir uns aber selbst erarbeiten. Bewegung hat dabei eine zentrale Bedeutung.
Grundprinzip: Bewegung erhält Funktionen Es gilt das biologische Grundprinzip: Die körperlichen und geistigen Funktionen, die wir nicht einsetzen, werden automatisch abgebaut. Der Körper erhält nur die Funktionen, die wir auch regelmäßig einsetzen und trainieren!
Der Alltag braucht körperliche Voraussetzungen Tätigkeit Treppen hinaufsteigen Treppe hinabsteigen Aufstehen aus einem Sessel Tasche tragen Sicher im Straßenverkehr Körperliche Voraussetzung Beinmuskeln, Ausdauer Balance, Beinmuskeln Beinmuskeln Arm- und Schultermuskulatur Balance, Gehfähigkeit, Ausdauer, Reaktionsfähigkeit, Schnelligkeit, Beweglichkeit der (Hals-) Wirbelsäule Fahren mit Bus und Bahn Beinmuskeln, Standfestigkeit, Balance, Armkraft Sich anziehen und waschen Haushalt versorgen Einkaufen Beweglichkeit, Standsicherheit, Balance Armkraft, Beweglichkeit der Wirbelsäule und des Schultergelenks, Balance Gehfähigkeit, Ausdauer, Armkraft, Beweglichkeit
4. Erhaltung der Gehfähigkeit im Alter Die Kernkompetenzen der Alltagsbewältigung: 1. Muskelkraft: Wandern 2. Standfestigkeit und Balance: 3. Beweglichkeit: 4. Gehfähigkeit und Mobilität:
5. Erhaltung der Gehirngesundheit durch Bewegung Neue Technik - Gehirn beim Arbeiten zusehen: Was passiert im Gehirn während Bewegung? Veränderungen bei regelmäßiger Bewegung? Vor 20 Jahren Kindheit: Gehirn aufgebaut und ausdifferenziert. Erwachsen: Gehirnstrukturen verändern sich nicht. Alter: unaufhaltsamer Abbau von Gehirnzellen. Heute permanenter Auf- und Umbau, Ausdifferenzierung. Nie Stillstand! Jede Aktivität, Erfahrung, Bewegung, Sinneseindruck verändert die Gehirnstrukturen. Neue Synapsen bilden sich bei spez. Reizen in Sekunden. Permanentes Benutzen hinterlässt tiefe Spuren. Wie? Bei Reizen wachsen Dendriten (Nervenfortsätze) auf andere Zellen gezielt zu, nehmen Kontakt auf, neue Synapsen Gigantische Nervenzellnetzwerke 1 Zelle mit 10.000 verbunden je komplexer, umso besser funktioniert das Denken. Bewegung spielt bei der Vernetzung der Gehirnzellen, beim Aufbau und der Erhaltung der Funktionen des Gehirns und bei der Gehirngesundheit eine zentrale Rolle.
Wirkungen von Bewegung auf das Gehirn a) Sauerstoff-Kick im Gehirn für mehr geistige Frische Sanfter Ausdauersport fördert Gehirndurchblutung um 20 %, intensiver Ausdauersport um 30 %. Während der Bewegung kurzfristig mehr O2 im Gehirn Energieschub für das Denken Empfehlung: Spaziergang vor anstrengender geistiger Aufgabe. b) Neue Blutgefäße fürs Gehirn Langfristige Wirkung: Neubildung kleiner Blutgefäße im Gehirn Bessere Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffe während Bewegung und in Ruhe bessere physiologische Voraussetzungen für Versorgung des Gehirns.
Wirkungen von Bewegung auf das Gehirn? c) Bewegung lässt Neuronale Netzwerke wachsen (fördert Leistungsfähigkeit des Gehirns) Bewegung stimuliert die Produktion von Proteinen, die Nervenwachstum im Gehirn fördern Dendriten wachsen, neue Synapsen. Folge: Mit Bewegung kann man sich schneller, leichter und besser auf geistige Anforderungen einstellen. d) Neue Gehirnzellen im Hippocampus (Adulte Neurogenese) Tierversuche: Bildung neuer Gehirnzellen im Hippocampus Hippocampus: Lernzentrum, Tor zum Gedächtnis Bewegung löst die Neubildung der Zellen aus.
Wirkungen von Bewegung auf das Gehirn? e) Bewegung hält das Gehirn jung Veränderungen der Gehirnstrukturen im Alter: Abnahme Gehirnmasse, Neuronale Netzwerke schrumpfen, Info-Weitergabe und Verarbeitung verlangsamt nur bei geistiger und körperlicher Inaktivität. Bewegung gleicht aus: Ältere brauchen für geistige Aufgaben größere Gehirnareale als Jüngere mehr kognitive Ressourcen für gleiche Leistung. Bei Ausdauersportlern keine Unterschiede im Gehirn im Vergleich zu jungen Sportlern Auswirkungen auf Aufmerksamkeit, Denkvermögen, Gedächtnisleistung. f) Bewegung senkt das Demenzrisiko Demenzrisiko um 30 bis 50 % reduziert Vermutung: Durch Bewegung entwickelt Gehirn Schutzfaktoren, die es besser schützen und länger bewahren vor dem Ausbruch einer Demenz. Bewegung in Lebensmitte besser Schutz im höchsten Alter. Bewegung bei Demenz: Verlauf verlangsamt sich, Symptome verbessern sich.
Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele! Verband für Turnen und Gymnastik, Leistungs-, Freizeit-, Fitness und Gesundheitssport Petra Regelin Petra.regelin@t-online.de Seite 24 www.rhtb.de