Tiefzinsumfeld und BVG-Mindestzinssatz (Zinssituation im Kollektiv-Leben-Geschäft der CH-Lebensversicherer / Vollversicherungen) Vorbemerkungen: In den letzten Jahresberichten von Pensionskassen und Lebensversicherungsgesellschaften und in den Medien wurde immer wieder auf die aktuelle Zinssituation hingewiesen. Beispiele: "Schweizer Pensionskassen im Bann der tiefen Zinsen" Swisscanto 15.05.2013 "Anhaltend hohe Renditen im Tiefzinsumfeld erzielt" Swiss Life 14.08.2013 Im Rahmen des jährlich vorgesehenen Verfahrens zur Festlegung des BVG- Mindestzinssatzes für das folgende Jahr werden jeweils von allen Interessenvertretern Vorschläge zur Höhe des BVG-Mindestzinssatzes eingebracht. Die Festlegung des BVG- Mindestzinssatzes für 2014 wird wohl vom aktuellen Tiefzinsumfeld wesentlich geprägt werden. Die schweizerischen Lebensversicherer (LV) haben bisher bei den Vernehmlassungen zur Festlegung des BVG-Mindestzinssatzes jeweils intensiv für sehr tiefe Werte oder gar für die Aufhebung der entsprechenden Mindestvorschriften plädiert. Daher werden in diesem Faktenblatt vorallem die Verzinsungsverhältnisse der Lebensversicherer für die Jahre 2010 2012 (Tiefzinsumfeld) analysiert und dargestellt. Zu Vergleichszwecken werden auch Daten von autonomen Sammeleinrichtungen aufgeführt. Auch wenn die Lebensversicherer speziellen regulatorischen Bestimmungen unterliegen, sind die Resultate dieses Faktenblattes im Wesentlichen (trendmässig) auch für die gesamte obligatorische berufliche Vorsorge gültig. Die nachfolgende Faktendarstellung und die Thesen basieren auf versicherungstechnischen Ueberlegungen. Die Bewertungen erfolgen aus der Sicht der versicherten Personen (resp. Versicherungsnehmer). Fakten / Daten / Festlegungen: Datenbasis: - Für Lebensversicherer: Offenlegung der Betriebsrechnungen der beruflichen Vorsorge gemäss FINMA Weisungen. - Für autonome Sammelstiftungen: Jahresberichte gemäss Swiss GAAP FER 26 1) Tiefzinsumfeld Es existieren keine allgemein verbindliche Festlegungen (Definitionen) zu den Begriffen: Tiefzinsumfeld Niedrigzinssituation usw. Aufgrund der aktuellen Diskussionen kann die folgende Definition für Tiefzinsumfeld in der Schweiz angenommen werden: Tiefzinsumfeld = Jahre mit durchschnittlicher Rendite der 10-jährigen Bundesobligationen unter 2 Prozent. BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 1 von 8
Rendite 10-jähriger Bundesanleihen (CH) in % (Stichtage 30.09.) 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2.75 1.95 2.37 3.06 2.67 2.16 1.37 1.00 0.60 Tiefzinsumfeld Durchschnittliche Rendite der Bundesanleihe im Tiefzinsumfeld = 1 % 2) Realisierte Renditen im Kollektiv Leben-Geschäft der Versicherer. Rendite (Netto-Performance zu Marktwerten) in % a) Vollversicherer (Swiss Life / AXA): Die Marktführer Swiss Life und AXA decken über 60 % des Kollektiv-Leben-Geschäfts ab. Total (ungewichtet)* in % 5.8 5.9 6.1 5.9 * Durchschnitt Swiss Life / AXA b) Zum Vergleich :Autonome Sammelstiftungen (ASGA / CIEPP / NEST / PKG / Pro PK): Total (ungewichtet) in % 2.5 0.0 6.8 3.1 3) Verzinsung Vorsorgekapitalien Aktive in % Verwendung der Vermögenserträge (Anteil der aktiven Versicherten). a) Vollversicherer (Swiss Life / AXA): Total (ungewichtet) in % 2.3 2.3 1.9 2.2 b) Zum Vergleich: Autonome Sammelstiftungen (ASGA / CIEPP / NEST / PKG / Pro PK): Total (ungewichtet) in % 1.9 1.9 1.7 1.8 4) Technischer Referenzzinssatz für die Bewertung der Vorsorgekapitalien der Rentenbezüger Die Schweizerische Kammer der Pensionskassen-Experten hat in ihrer Fachrichtlinie 4 eine Obergrenze für den anzuwendenden versicherungstechnischen Zinssatz festgelegt. Die Festlegung basiert auf sehr vorsichtigen Annahmen und wird aufgrund der Auswertungen der Renditen der Bundesobligationen und der langjährigen, durchschnittlichen Performance des BVG-Indexes Pictet BVG 25 plus berechnet. Zusätzlich erfolgt noch ein Sicherheitsabzug von 0.5 bis 0.75 %. Referenzzinssatz in % 4.25 3.5 3.5 3.75 BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 2 von 8
Es wird erwartet, dass sich der Referenzzinssatz in den nächsten Jahren auf 2.5% bis 3.0% reduzieren wird. 5) BVG-Mindestzinssatz Der BVG-Mindestzinssatz ist der Mindestzinssatz für die Verzinsung der obligatorischen Altersguthaben der aktiven Versicherten. Dieser Zinssatz wird jährlich vom Bundesrat festgelegt. BVG-Mindestzinssatz in % 2.0 2.0 1.5 1.83 6) Bandbreite der Zinssätze Grafik: Vergleich Zinssätze 2010 2012 (Beispiel für Lebensversicherer VV (Vollversicherung)) 7.00% 6.00% 5.00% 4.00% 3.00% 2.00% 1.00% Realisierte Rendite VV Referenzzinssatz BVG-Mindestzinssatz Rendite Bundesanleihe 0.00% 2010 2011 2012 Kommentar / Bewertung: " Wie hoch müssten die Zinsen ohne die künstlichen Eingriffe der Zentralbanken sein? Swisscanto hat aufgrund der Wirtschaftslage und der Inflation ein Modell für einen "fairen" Zins berechnet. Für zehnjährige Eidgenossen sollte der faire Zins knapp unter 2% liegen,.." (Swisscanto / PK-Statistik 2013). Swisscanto betrachtet somit die ausgewiesenen Renditen der Bundesobligationen als nicht "fair" oder anders ausgedrückt als nicht marktgerecht. Die von Swisscanto berechnete "faire" Rendite von rund 2% für Bundesobligationen kann als Zinssatz für risikoarme, relativ sichere Kapitalanlagen betrachtet werden und müsste daher als zwingende unterste Limite für den BVG-Mindestzinssatz angenommen werden. Die Renditen der Bundesobligationen sind offensichtlich keine geeignete Grundlage für die Festlegung der Zinsparameter in der beruflichen Vorsorge, da diese auch im Tiefzinsumfeld BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 3 von 8
weit unter den effektiv erzielten Renditen der Lebensversicherer (Anbieter von Vollversicherungen nachfolgend kurz LV oder VV genannt) und anderen Vorsorgeeinrichtungen liegen. (Technischer Einschub / Hinweis: Die finanzmathematischen Modelle zur Bewertung von Finanzoptionen (z.b. Black-Scholes-Modell) basieren auf der Annahme, dass eine risikolose Anlagemöglichkeit besteht. Als risikolose Anlagemöglichkeit gelten oft die Staatsobligationen resp. deren Konditionen. Mit diesen finanzmathematischen Modellen können ua. auch allgemeine Aussagen zu Garantiekosten von einfachen Versicherungsprodukten abgeleitet werden (vergl. z.b. H. Schmeiser, Universität SG). Die entsprechende Anwendung auf die komplexen Verhältnisse in der beruflichen Vorsorge der CH (z.b. Mindestzinssatz) dürfte sehr schwierig sein und wird wohl nicht zu praxistauglichen Aussagen führen.) Die durchschnittlich erzielten Renditen (Nettoperformance zu Marktwerten) im Tiefzinsumfeld (2010 2012) der Lebensversicherer belaufen sich auf rund 5.9 %. Aus diesen Vermögenserträgen werden ua. die Altersguthaben der Versicherten verzinst. Im betrachteten Tiefzinsumfeld (2010-2012) wurden die Altersguthaben durchschnittlich mit rund 2.2 % verzinst, d.h. rund 0.4 % über dem durchschnittlichen BVG-Mindestzinssatz. Die Verzinsung der Vorsorgekapitalien der Rentner erfolgte zu 2.5% bis 3 % (geschätzt siehe Anhang 3). Beide Verzinsungen (Aktive und Rentner) wurden somit durch die erzielten Vermögenserträge ausreichend gedeckt. Im Vergleich zu den ausgewählten grösseren autonomen Sammelstiftungen haben die Lebensversicherer im Tiefzinsumfeld sowohl bei den realisierten Renditen und bei den Verzinsungen der Altersguthaben deutlich bessere Resultate erzielt. Die Lebensversicherer haben die relativ hohen Vermögenserträge im Tiefzinsumfeld weitgehend zur starken Erhöhung der Sicherheitsmargen verwendet (Senkung technische Zinssätze (siehe Anhang 3), ausserordentliche Deckungskapitalverstärkungen, Erhöhung der versicherungstechnischen Rückstellungen). Der gleiche Trend ist auch bei allen anderen Vorsorgeeinrichtungen (z.b. autonome VE) feststellbar. In einem vertretbaren Mass ist die Erhöhung der Sicherheitsmargen sinnvoll. Zum Ausgleich der Schwankungen des Kapitalanlageprozesses (z.b. Zinsanstieg) und zur zusätzlichen Absicherung bestehen zudem Bewertungsreserven per 31.12.2012 von rund 10 % der Kapitalanlagen. (Anhang 2). Es ist nun angezeigt, die versicherten Personen (vorerst insbesondere auch die aktiven versicherten Personen) an den relativ hohen Erträgen des Kapitalanlageprozesses in Form einer Erhöhung des BVG-Mindestzinssatzes direkt zu beteiligen. Die Höherverzinsung der Altersguthaben wird zudem von den Versicherten als Anerkennung der Leistungsfähigkeit der beruflichen Vorsorge zur Kenntnis genommen werden. Der BVG-Mindestzinssatz kann für 2014 ohne grosses versicherungstechnisches Risiko im Bereich 2.5% bis 3% festgelegt werden. Dieser Bereich entspricht auch den sehr vorsichtig festgelegten, mittelfristig erwarteten Werten für den Referenzzinssatz der Kammer der Pensionskassenexperten. Eine allfällige realisierte Minderverzinsung gegenüber dem BVG-Mindestzinssatzes von 1 % entspricht bei den Lebensversicherern ca. 3 bis 5 Promille (Schätzung) der Kapitalanlagen. Mit der Möglichkeit der künftigen Herabsetzung des BVG-Mindestzinssatzes könnten notfalls spätere langandauernde Rückgänge der realisierten Renditen der Vorsorgeeinrichtungen wieder aufgefangen werden (grundsätzlich einjähriges Risiko). Von vielen Exponenten wird die aktuelle Umverteilung der Vermögenserträge von den Aktiven zu den Rentnern beklagt. Grundsätzlich müssen die Umverteilungseffekte jedoch für BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 4 von 8
jede einzelne Vorsorgeeinrichtung gesondert und über lange Zeiträume ermittelt werden. Die Erhöhung des BVG Mindestzinssatzes bietet nun die Möglichkeit die aktuellen Umverteilungen der Vermögenserträge stark zu reduzieren. Thesen / Empfehlungen: These 1: Auch im Tiefzinsumfeld liegen die erzielten Renditen der Lebensversicherer (Vorsorgeeinrichtungen) weit über den Renditen der 10-jährigen Bundesanleihen und mehr als doppelt so hoch wie der durchschnittliche BVG-Mindestzinssatz. Es besteht somit ein deutliches Potential zur Erhöhung des BVG-Mindestzinssatzes. These 2: Mit einer Festlegung des BVG-Mindestzinssatzes für 2014 im Bereich 2.5% bis 3% entstehen für die Versicherungsgesellschaften (und auch für andere Vorsorgeeinrichtungen) keine zu hohen, versicherungstechnische Risiken. These 3: Die Festlegung des BVG-Mindestzinssatzes im Bereich 2.5% bis 3.0% würden die viel beklagten, aktuellen Umverteilungen der Vermögenserträge von den Aktiven zu den Rentnern stark reduzieren (geschätzt deutlich mehr als 50%). Jürg Jost Experte für berufliche Vorsorge Aktuar SAV www.risiko-rating.ch BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 5 von 8
Anhang 1 Vergleich Performance und Rendite Durchschnitt Swiss Life und AXA (ungewichtet) In % Netto-Performance zu Marktwerten 5.8 5.9 6.1 5.9 Netto-Renditen auf Buchwerten 3.2 3.1 3.7 3.3 Bemerkungen: Auch die Netto-Renditen zu Buchwerten liegen im Tiefzinsumfeld deutlich über dem BVG- Mindestzinssatz. Eine Festlegung des BVG-Zinssatzes im Bereich 2.5 % bis 3 % ist daher auch gemessen an Buchwerten durchaus vertretbar (keine Buchverluste). BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 6 von 8
Anhang 2 Bewertungsreserven per 31.12.2012 Durchschnitt Swiss Life und AXA (ungewichtet) 2010 2011 2012 Bewertungsreserven in Mio. CHF 2'024 3'570 5'037 Kapitalanlagebestand in Mio.CHF (Buchwert) 44'084 48'734 51'556 Bewertungsreserven in % Kapitalanlagebestand 4.6% 7.3% 9.8% Bemerkungen: Bewertungsreserven entstehen bei Abweichungen zwischen dem Marktwert und dem Buchwert von Kapitalanlagen. Infolge sinkender Zinssätze im Tiefzinsumfeld sind die Bewertungsreserven massiv gestiegen. Die Bewertungsreserven bilden eine Schwankungsreserve (Sicherheit) gegen volatile (schwankende) Entwicklungen der Kapitalmärkte und sind mit den Wertschwankungsreserven gemäss Swiss GAAP FER 26 vergleichbar. BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 7 von 8
Anhang 3 Rückgang durchschnittlicher technischer Zinssatz Grafik Swiss Life Medienorientierung Bemerkungen: Diese Grafik ist ein Beispiel für den allgemeinen Trend betreffend Reduktion des technischen Zinssatzes (hier Gesamtgeschäft der Swiss Life). Der durchschnittliche technische Zinssatz der Lebensversicherer für das Kollektiv-Leben-Geschäft wird nicht ausgewiesen. Es ist jedoch anzunehmen, dass dieser aktuell auch im Bereich 2.5 % bis 3 % liegen dürfte. Der aktuelle technische Zinssatz für neu entstehende laufende Renten beträgt z.b. 1.75% (AXA). BVG-Mindestzinssatz 2014 jj130823 Seite 8 von 8