Update: Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden Prof. Dr. Steve Strupeit Homepage 1
Stand: 14.09.15 (19:45 Uhr) 2
Aktuelles Wissen AWMF 3
Evidenz-basierte Praxis (evidence-based practice) Externe Evidenz Erwiesene Wirksamkeit Arbeitsbündnis Entscheidung über Intervention und/oder Diagnoseverfahren Interne Evidenz Zielklärung, Anamnese, Diagnose: Individual Biografisch Ökonomische Anreize und Vorschriften Vorschriften / Leitlinien / Richtlinien / Gesetzliche Regelungen Quelle: Behrens & Langer 2004 [modifiziert durch Verfasser] 4
Expertenstandards? Expertenstandards sind auf einem professionell abgestimmte Leistungsstandards, die auf wissenschaftlichem Niveau oder auf einer einheitlichen Expertenmeinung beruhen Expertenstandards legen ein Qualitätsniveau fest, das wissenschaftlich begründet ist und den State of the Art = den aktuellen Stand der Wissenschaft in der Pflege beschreibt und dadurch zur Professionalität beiträgt Expertenstandards? Entwicklung von evidenzbasierten Expertenstandards durch das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Nationales Netzwerk koordiniert durch die Hochschule Osnabrück Fördert Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis Verbessert Qualität der betriebsintern entwickelten Standards (Instrument zur Qualitätsentwicklung) 5
Rechtsverbindlichkeit SGB V 70 (1) Satz 1: Die Krankenkassen und Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung [ ] zu gewährleisten. SGB XI 11 (1) Satz 1: Die Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen [...] entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinisch pflegerischen Erkenntnisse. Entwicklungsverfahren von Expertenstandards 1. Auswahl der Themen 2. unabhängiger Expertenarbeitsgruppen 3. Entwicklung eines Expertenstandards mit Literaturstudie (Erstentwurf) 4. Konsensus-Konferenz 5. modellhafte Implementierung 6. Implementierung in der eigenen Einrichtung 6
DNQP-Verfahren Alle 5 Jahre Überarbeitung der existierenden Expertenstandards Gründe: Haltbarkeit von Wissen ist begrenzt Rahmenbedingungen und Qualitätsniveaus könnten sich ggf. geändert haben bspw. Sozialgesetzgebung, Zuständigkeiten im Versorgungssystem 1. Aktualisierung (09/15) 7
Aufbau der Expertenstandards 1. Präambel Wichtige Hinweise zum Standard 2. Tabellarische Darstellung Standardaussage in Struktur-, Prozessund Ergebniskriterien 3. Kommentierung Ohne Kommentierung kann der Standard nicht implementiert werden 4. Literaturstudie Zur Transparenz werden alle eingeschlossen Studien aufgezeigt 5. Glossar Verwendete Begriffe werden erklärt 6. Anlage Assessments, Instrumente Zielsetzung Aufgabe der Pflege Förderung und Erhaltung des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements und des Wohlbefindens der Betroffenen. Nur wenn das gesundheitsbezogene Selbstmanagement nicht oder nur bedingt möglich ist, übernehmen und begleiten Pflegefachkräfte primär temporär und sekundär dauerhaft die Durchführung der Wundversorgung und/oder Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe. 8
Struktur Prozess Ergebnis S1a Die Pflegefachkraft verfügt über aktuelles Wissen und kommunikative Kompetenz, Menschen mit einer chronischen Wunde zu identifizieren und deren Einschränkungen, Krankheitsverständnis und gesundheits bezogene Selbstmanagementfähigkeiten sensibel und verstehend zu erkunden. S1b Die Einrichtung verfügt über eine intra und interprofessionell geltende Verfahrensregelung zur Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Sie stellt sicher, dass eine pflegerische Fachexpertin zur Verfügung steht und hält erforderliche Materialien für Assessment und Dokumentation bereit. P1a Die Pflegefachkraft erfasst im Rahmen der pflegerischen Anamnese bei allen Patientinnen/Bewohnerinnen das Krankheitsverständnis, wund und therapiebedingte Einschränkungen sowie Möglichkeiten des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements. P1b Die Pflegefachkraft holt eine medizinische Diagnose ein. Für das wundspezifische Assessment zieht sie, insbesondere zur Ersteinschätzung und Dokumentation der Wunde, eine pflegerische Fachexpertin hinzu und bindet diese nach Bedarf in die weitere Versorgung ein. Handlungsebene 1 E1 Die Dokumentation enthält differenzierte Aussagen zu: - Mobilitäts und anderen Einschränkungen, Schmerzen, Wundgeruch, Exsudat, Ernährungsstatus, psychische Verfassung, individuelles Krankheitsverständnis, Körperbildstörung, Ängste; - Wissen der Patientin/Bewohnerin und ihrer Angehörigen über Ursache und Heilung der Wunde sowie gesundheitsbezogene Selbstmanagementkompetenzen; - Spezifische medizinische Wunddiagnose, Rezidivzahl, Wunddauer, lokalisation, größe, rand, umgebung, grund und Entzündungszeichen. Handlungsebene 1 Sprachliche Anpassungen NEU: Vertretung des pflegerischen Fachexperten notwendig NEU: pflegerischer Fachexperte kann sowohl MA der Einrichtung sein, als auch von extern hinzugezogen werden jedoch! abrechnungs- und haftungsrechtliche Aspekte beachten Expertenarbeitsgruppe sieht alleinige Kooperation mit Sanitätshäusern oder Home Care Unternehmen für kritisch 9
Handlungsebene 1 Anpassung: Qualifikationen im Bereich der Wundbehandlung Anpassung: Aufnahme weiterer validierter Assessmentinstrumente im Bezug auf die Lebensqualität NEU: Die Expertenarbeitsgruppe hat sich für die Übernahme der Nomenklatur, welche in der S3-Leitlinie Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz (AWMF) verwendet wird, ausgesprochen Handlungsebene 2 Struktur Prozess Ergebnis S2 Die Pflegefachkraft verfügt über aktuelles Wissen zur Behandlung wund bedingter Einschränkungen, zu krankheitsspezifischen Maßnahmen je nach Wundart (z. B. Bewegungsförderung, Druckverteilung oder Kompression), zur Wundversorgung, zur Grunderkrankung und zur Rezidiv und Infektionsprophylaxe sowie zum Hautschutz und zur Hautpflege. P2 Die Pflegefachkraft plant gemeinsam mit dem Patienten/Bewohner und seinen Angehörigen unter Einbeziehung der beteiligten Berufsgruppen Maßnahmen zu folgenden Bereichen: wund und therapiebedingte Beeinträchtigungen, wundspezifische Erfordernisse, Grunderkrankung und Rezidivprophylaxe, Vermeidung weiterer Schäden, Umsetzen medizinischer Verordnungen. E2 Eine individuelle, alltagsorientierte Maßnahmenplanung, die die gesundheitsbezogenen Selbstmanagementkompetenzen des Patienten/Bewohners und seiner Angehörigen berücksichtigt, liegt vor. 10
Handlungsebene 2 Sprachliche Anpassungen und kleine inhaltliche Ergänzungen bspw. Diabetisches Fußulcus: allgemeine Diabetesbehandlung, Umgang mit druckentlastenden Hilfsmitteln, Rezidivprävention, Hautpflege, Schuhversorgung Anpassung: gemeinsame Maßnahmenplanung mit Patienten/Bewohnern und Angehörigen Anpassung: Ergänzung von Interventionen und Maßnahmen und deren Beschreibung Handlungsebene 2 Anpassung: Aussagen zu Interventionen teilweise gestrichen, dafür Querverweise auf andere Expertenstandards bspw. Ernährung Anpassung: Querverweise auf aktuelle Leitlinien der AWMF Ergänzung: Die Planung kann in verschiedenen Dokumenten hinterlegt sein und muss nicht explizit Inhalt des Pflegeplans sein. 11
Struktur Prozess Ergebnis S3a Die Pflegefachkraft verfügt über Steuerungs und Umsetzungskompetenzen bezogen auf die Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. S3b Die Einrichtung stellt sicher, dass verordnete Hilfs und Verbandmittel unverzüglich bereitgestellt werden und Materialien für einen hygienischen Verbandwechsel zur Verfügung stehen. Sie sorgt für eine den komplexen Anforderungen angemessene Personalplanung. P3a Die Pflegefachkraft koordiniert die inter und intraprofessionelle Versorgung (z. B. durch Arzt, pflegerischen Fachexperten, Physiotherapeut, Podologe und Diabetesberater). P3b Die Pflegefachkraft gewährleistet eine hygienische und fachgerechte Wundversorgung sowie eine kontinuierliche Umsetzung der Maßnahmenplanung unter Einbeziehung des Patienten/Bewohners und seiner Angehörigen. Handlungsebene 3 E3 Die koordinierten und aufeinander abgestimmten Maßnahmen sind sachund fachgerecht umgesetzt, ihre Durchführung und Wirkung fortlaufend dokumentiert. Der Patient/Bewohner und seine Angehörigen erleben die aktive Einbindung in die Versorgung positiv. Handlungsebene 3 NEU: Die Betonung einer unverzüglichen Bereitstellung von Materialien für einen hygienischen Verbandwechsel jedoch: insbesondere ambulante Pflegeeinrichtungen oder Langzeitpflegeeinrichtungen können nicht immer sofort aufgrund einer ärztlichen Verordnung handeln Unverzüglich bedeutet jedoch, dass die Einrichtung (u.a. durch Kooperationsverträge) die erforderlichen Schritte zur Anforderung der benötigten Materialien einleitet und die adäquate Versorgung des Menschen mit chronischer Wunde ohne Verzögerung beginnt 12
Die Wasserdiskussion Handlungsebene 3 Präzisierung: Auf Basis dieser Überlegungen hat sich die Expertenarbeitsgruppe mehrheitlich für den Einsatz von sterilen Wundspüllösungen für die Reinigung der hier behandelten chronischen Wunden ausgesprochen. Struktur Prozess Ergebnis S4a Die Pflegefachkraft verfügt über aktuelles Wissen und Kompetenz zu Information, Beratung, Schulung und Anleitung zum gesundheitsbezogenen Selbstmanagement. S4b Die Einrichtung stellt zielgruppenspezifische Materialien für Information, Beratung, Schulung und Anleitung zur Verfügung. P4 Die Pflegefachkraft schult zu Wundursachen und fördert die Fähigkeiten des Patienten/Bewohners und seiner Angehörigen zur Wundversorgung sowie zum Umgang mit wund und therapiebedingten Einschränkungen durch Maßnahmen der Patientenedukation. Sie unterstützt die Kontaktaufnahme zu anderen Berufs, Selbsthilfe oder weiteren Gesundheitsgruppen. Handlungsebene 4 E4 Der Patient/Bewohner und seine Angehörigen kennen die Ursache der Wunde sowie die Bedeutung der vereinbarten Maßnahmen und sind über weitere Unterstützungsmöglichkeiten informiert. Ihr gesundheitsbezogenes Selbstmanagement ist entsprechend ihrer individuellen Möglichkeiten gefördert 13
Handlungsebene 4 Sprachliche Präzisierung im Kontext der Patientenedukation = Information, Schulung, Beratung, Anleitung Struktur Prozess Ergebnis S5 Die Pflegefachkraft verfügt über die Kompetenz, den Heilungsverlauf der Wunde und die Wirksamkeit der gesamten Maßnahmen zu beurteilen. P5a Die Pflegefachkraft beurteilt in individuell festzulegenden Abständen, spätestens jedoch nach vier Wochen, die lokale Wundsituation (Wiederholung des wundspezifischen Assessments). P5b Die Pflegefachkraft überprüft unter Beteiligung eines pflegerischen Fachexperten spätestens alle vier Wochen die Wirksamkeit der gesamten Maßnahmen und nimmt in Absprache mit dem Patienten/Bewohner und allen an der Versorgung Beteiligten gegebenenfalls Änderungen daran vor. Handlungsebene 5 E5 Anzeichen für eine Verbesserung der durch die Wunde hervorgerufenen Beeinträchtigungen der Lebensqualität oder der Wundsituation liegen vor. Änderungen in der Maßnahmenplanung sind dokumentiert. 14
Sprachliche Anpassungen Handlungsebene 5 Modifikation: P5b: Die Pflegefachkraft überprüft unter Beteiligung einer pflegerischen Fachexpertin spätestens alle vier Wochen die Wirksamkeit der gesamten Maßnahmen und nimmt in Absprache mit der Patientin/Bewohnerin und mit allen an der Versorgung Beteiligten gegebenenfalls Änderungen daran vor. Prof. Dr. Steve Strupeit Diplom Pflegewirt (FH), BA, MScN, RbP, WTcert DGfW (Pflege), Mitglied der DNQP Expertenarbeitsgruppe Förderung und Erhaltung der Mobilität Hochschule München Kontakt: strupeit@hm.edu 15