Leitlinienkonformität rehabilitativer Maßnahmen nach Bandscheiben-Operation Zur Qualität der nachstationären Versorgung Maren Bauknecht (MPH), Dr. Bernard Braun, Dr. Rolf Müller ZeS (Zentrum für Sozialpolitik), Uni Bremen
Ausgangssituation Rückenerkrankungen Hohe epidemiologische Relevanz von Rückenerkrankungen Jahresprävalenz 70% Lebenszeitprävalenz von 80 bis 100% (GBE 2009) Hier sollen medizinische Leitlinien und Therapiestandards wirken, durch Vorgabe von Kriterien und Empfehlungen zur Verbesserung der Qualität der Versorgung und Ermöglichung einer Qualitätsprüfung therapeutischer Versorgung (DRV 2009). M. Bauknecht, ZeS 2
Ausgangssituation Leitlinien Es existieren zahlreiche nationale und internationale Leitlinien zur Therapie von Rückenerkrankungen, überwiegend Rückenschmerz ( low back pain ) Qualität der Leitlinien zu Rückenschmerz international inzwischen (von 2004 2009) zufriedenstellend bezogen auf Präsentation, diagnostische und therapeutische Empfehlungen ausbaufähig bezogen auf praktische Anwendbarkeit (Bouwmeester, van Enst, van Tulder 2009) Leitliniengerechte Versorgung führt zu geringen kurzfristigen Effekten, langfristige Effekte sind signifikant besser (weniger Therapie, weniger Schmerz) (McGuirk 2001) Wie kann eine Qualitätsprüfung der Versorgung (s.o.) mit Hilfe von Leitlinien aussehen? Ist ein Vergleich von Kriterien aus Leitlinien und Krankenkassen-Routinedaten möglich, um die Versorgungsqualität zu beurteilen? M. Bauknecht, ZeS 3
Datenbasis Datenbasis: Routinedaten GEK Versicherte 2000-2007 Beobachtungszeitraum: 2005 (N=1.172.281) Rückenerkrankungen (ICD10 M40-M54): Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens und Spondylopathien (M40-M49) Zervikale Bandscheibenschäden (M50) Sonstige Bandscheibenschäden (M51) Sonstige Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückens (M53) Rückenschmerzen (M54) Versicherte der GEK mit Diagnose M40-54 in 2005: N= 478.100 (=40% aller Versicherten) M40-49: N=110.500 M50: N=11.000 M51: N=45.000 M53: N=83.000 M54: N=228.600 M. Bauknecht, ZeS 4
Auswahl der Diagnosen Einschluss von Patienten mit Bandscheibenoperation (Verlaufsbetrachtung nach Ereignis Operation ) Ausschluss von Diagnosen, deren Vergabe in der Betrachtung von Erkrankungsverläufen uneinheitlich war (Umkodierungseffekte, haupts. M54) Stichprobe: Patienten mit Bandscheibenoperation aufgrund einer inzidenten Diagnose Bandscheibenschaden oder -verlagerung im Jahr 2005 (N=770) M50.1 M50.2 M51.1 M51.2 M. Bauknecht, ZeS 5
Eingeschlossene Leitlinien Recherche AWMF, DRV, Suchmaschine: Vier gültige Leitlinien in deutscher Sprache: DGOOC (2005), S1: Rehabilitation bei Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik und nach Bandscheibenoperation Universität Witten/Herdecke, Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (2006), S2: Leitlinie zur medizinischen Rehabilitation für Patientinnen und Patienten im erwerbsfähigen Alter nach lumbaler Bandscheibenoperation DRV (Deutsche Rentenversicherung) (2002-2005), S2: Leitlinien zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung bei Bandscheiben- und bandscheibenassoziierten Erkrankungen DGNC (Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie), gültig bis 2006, Aktualisierungsverfahren unklar): Leitlinie: Lumbaler Bandscheibenvorfall M. Bauknecht, ZeS 6
Vorgehen 1. Analyse der deutschen Leitlinien auf Empfehlungen zur postoperativen Versorgung, die als Kriterium zur Überprüfung der Versorgungsqualität in Routinedaten geeignet sind 2. Anwendung der Kriterien auf die Routinedaten 3. Identifikation der Übereinstimmungen oder Abweichungen zwischen Leitlinien-Kriterien und tatsächlicher Versorgung Kriterien aus Kassendaten, die postoperative Versorgung abbilden: Heilmittel Arzneimittel Rehabilitationsmaßnahmen M. Bauknecht, ZeS 7
Ergebnisse Übertragbare Kriterien: 1. Quantifizierbare Angaben: Zeitangaben für Therapiebeginn Zeitangaben für Kontraindikation therapeutischer Maßnahmen 2. Weiche Kriterien: Empfehlungen zu Therapieschwerpunkten (=Heilmittel) Definition: Kriterium gilt als erfüllt, wenn mind. 1/3 über dem Bezugskriterium Angaben zu Arzneimitteln oder Therapiefrequenz nicht überprüfbar Keine konkreten Empfehlungen zu Zeitpunkt der Gabe oder Dosis eines Arzneimittels in den Leitlinien Therapiefrequenz in den Daten nicht sichtbar M. Bauknecht, ZeS 8
Überblick Stichprobe Grafik 1: Patienten mit Op wegen Bandscheibenschaden oder -verlagerung nach erstmaliger Diagnose 1000 800 600 770 644 400 200 0 126 alle zervikal lumbal M. Bauknecht, ZeS 9
Heilmittel: Kriterium Möglichst aktive Nachbehandlung Aktiv : Physiotherapie, Ergotherapie, Bewegungstherapie Passiv : Wärme-, Kälte-, Elektrotherapie, Massagen 100 Grafik 2: Heilmittel nach OP (in %) 80 60 40 64% 26% 53% 30% 66% 25% "aktiv" "passiv" 20 0 alle zervikal lumbal M. Bauknecht, ZeS 10
Heilmittel: Kriterium Nachbehandlung dominiert von Krankengymnastik Grafik 3: Heilmittel nach OP (in %) 100 90 80 70 63% 65% 60 50 53% Physiotherapie (KG) Massagen 40 30 20 10% 18% 5% 17% 24% 8% 17% Wärme/Kälte Elektrotherapie 10 3% 6% 0 alle zervikal lumbal M. Bauknecht, ZeS 11
Heilmittel: Kriterium Innerhalb der ersten vier Wochen keine passiven Heilmittel im OP-Bereich Grafik 4: Verlauf der Erbringung passiver Heilmittel in den 6 Monaten nach Operation 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 14 28 56 84 180 14 28 56 84 180 14 28 56 84 180 Zervikal (N=126) Lumbal (N=644) Zervikal oder Lumbal (N=770) Tage post-op M. Bauknecht, ZeS 12
Überblick AHB oder Rehabilitationsmaßnahmen postoperativ (in %) 30 25 Grafik 5: Anzahl AHB/Reha postoperativ 20 15 10 5 15% 8% 4% 7% 18% 8% AHB Reha 0 alle zervikal lumbal M. Bauknecht, ZeS 13
AHB/Reha: Kriterien Beginn der Nachbehandlung 4-6 Wochen postoperativ und Nachbehandlung innerhalb der ersten drei Monate postoperativ Grafik 6: Verlauf Beginn AHB/Reha in den 6 Monaten nach Operation (lumbal) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 14 28 56 84 180 14 28 56 84 180 14 28 56 84 180 AHB (N=644) Reha (N=644) AHB oder Reha (N=644) Tage post-op M. Bauknecht, ZeS 14
Zusammenfassung Es konnten nur wenig überprüfbare Kriterien = Qualitätsindikatoren für eine leitliniengerechte Versorgung gefunden werden Kriterien beinhalten z.t. weiche Formulierungen wie möglichst, dominiert von Es besteht wenig Einheitlichkeit in den Leitlinien bzgl. der Formulierung der Kriterien (Nachbehandlung Beginn 4-6 Wochen post-op; in den ersten 3 Monaten post-op ) Die überprüften Kriterien der Leitlinien sind in der Therapie weitgehend erfüllt M. Bauknecht, ZeS 15
Empfehlungen Abstimmung der Leitlinien bzgl. Formulierungen der Kriterien Leitlinien geben Hinweise zur Einleitung stationärer Therapie; hilfreich könnte Ergänzung um Hilfestellungen zur Auswahl ambulanter oder stationärer Leistungen und positiver Entscheidungskriterien sein Aktualisierungsstatus der Leitlinien transparent machen M. Bauknecht, ZeS 16
Bauknecht, Maren; Braun, Bernard; Müller, Rolf (2009): GEK-Bandscheiben-Report. Versorgungsforschung mit GEK-Routinedaten. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 70. St. Augustin: Asgard. Dankeschön! Maren Bauknecht Abteilung 'Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung' Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) Universität Bremen Parkallee 39 / Barkhof D-28209 Bremen Phone: +49 (421) / 218-3311 Fax: +49 (421) / 218-7540 E-Mail: m.bauknecht@zes.uni-bremen.de M. Bauknecht, ZeS 17