GEMEINDE GÄRTRINGEN BÜRGERMEISTER Gemeinderatsdrucksache Nr. 058 / 2015 Gärtringen, den 19.05.2015 Az : 20-902.00-Al/Wi. Vorstellung der Bewertung des Anlagevermögens der Gemeinde Gärtringen I Vorlage zur Beratung im Gemeinderat am 14.07.2015 II Beschlussantrag Kenntnisnahme der Bewertungsverfahren. III Begründung 1. Die Gemeinden in Baden-Württemberg müssen bis zum Jahr 2020 auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) umstellen. Mit Einführung des NKHR haben die Gemeinden ihre Bücher in Form der doppelten Buchführung darzustellen ( 77 Abs. 3 GemO). Aus 95 Abs. 2 GemO wird ersichtlich, dass der Jahresabschluss aus einer Ergebnis-, Finanz- und aus einer Vermögensrechnung (Bilanz) besteht. (Drei-Komponentenrechnung). 1
Die Ergebnisrechnung beinhaltet die ergebniswirksamen Vorgänge der Verwaltungstätigkeit (werden wir reicher oder ärmer?). Sie ist mit einer handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung vergleichbar. Ihr Ergebnis erhöht oder reduziert die Kapitalposition in der Vermögensrechnung (Bilanz). Die Ergebnisrechnung übernimmt im Wesentlichen die Funktion des Verwaltungshaushalts. Die Finanzrechnung enthält sämtliche Ein- und Auszahlungen einer Rechnungsperiode. Die Finanzrechnung gibt unterjährig und beim Jahresabschluss Auskunft über die Liquiditätslage. Sie zeigt die Änderungen des Bestands an liquiden Mitteln, da der Saldo der Finanzrechnung die Position der liquiden Mittel in der Vermögensrechnung (Bilanz) erhöht oder reduziert. Im Unterschied zur handelsrechtlichen Kapitalflussrechnung wird sie ganzjährig geführt und nicht nachträglich abgeleitet. Die Finanzrechnung übernimmt mit der Investitions- und Finanzierungsabrechnung Elemente des Vermögenshaushalts und des Sachbuchs für haushaltsfremde Vorgänge. Die Vermögensrechnung (Bilanz) beinhaltet wie die kaufmännische Bilanz die Gegenüberstellung von Vermögen und dessen Finanzierung. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das gesamte Vermögen erfasst und bewertet ist. 2. Die Erfassung und Bewertung des Vermögens stellt eine wesentliche Grundlage für die Bilanz dar Die Bewertung des Vermögens ist die Basis für die Einführung des NKHR und die Erstellung einer Eröffnungsbilanz ( 52 GemHVO neu). Um die Kommunalverwaltungen bei der Einführung des NKHR, speziell bei der Vermögenserfassung und Bewertung zu unterstützen, hat eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Gemeinden, Städten und Landkreisen sowie der kommunalen Landesverbände einen Leitfaden zur Bilanzierung erarbeitet. Dieser Leitfaden ist inhaltlich mit dem Innenministerium und der Gemeindeprüfungsanstalt Baden- Württemberg (GPA) abgestimmt und gibt den Kommunen eine praktikable Handlungshilfe, vor allem auch im Hinblick auf die Anwendung von Vereinfachungsregeln. Um den Überblick über das Vermögen zu erhalten, müssen zunächst alle Vermögensgegenstände einzeln bewertet werden ( 43 Abs.1 Nr. 2 GemHVO neu). Zu den Vermögensgegenständen einer Gemeinde gehören sowohl hochwertige Wirtschaftsgüter wie z. B. Straßen oder Gebäude, aber auch Wirtschaftsgüter wie PC s oder Rasenmäher mit geringerem Wert. Die Gesamtheit dieser Vermögensgegenstände wird auf der Aktivseite der Bilanz (linke Bilanzseite) abgebildet. Dagegen stellt die Passivseite (rechte Bilanzseite) unter anderem die Kapitalposition (Eigenkapital), die Rückstellungen und die Verbindlichkeiten dar. Für die Bewertung des gemeindeeigenen Vermögens müssen primär die Anschaffungs- und Herstellungskosten (AHK), vermindert um die Abschreibungen, also den Werteverzehr, zu Grunde gelegt werden ( 62 Abs. 1 GemHVO neu). Sind die AHK nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu ermitteln, dürfen die Kommunen Vereinfachungsregeln anwenden ( 62 Abs. 2 bis Abs. 6 GemHVO neu). Hierbei sind die einzelnen Bewertungsschritte nachvollziehbar zu dokumentieren. 2
2.1. Bewertung des Vermögens der Gemeinde Gärtringen Die Gemeinde Gärtringen plant, zum 01.01.2019 auf das NKHR umzustellen. Hierfür sind sehr viele Vorarbeiten nötig. Den größten Anteil nimmt davon die Bewertung in Anspruch. Deshalb wurde diese bereits in Angriff genommen. Grundsätzlich gilt bei der Bewertung, dass AHK angesetzt werden müssen. Dies ist jedoch vor allem bei älterem Vermögen oft unmöglich. Deshalb gilt die Regelung, dass Vermögen, das vor dem 01.01.1974 angeschafft wurde, mit dem örtlichen Verkehrswert zum 01.01.1974 bewertet wird. Anschaffungen nach 1975 bis 6 Jahre vor der Eröffnungsbilanz (d.h. bei der Gemeinde Gärtringen bis zum 01.01.2013) können mit einem örtlichen Durchschnittswert bewertet werden, der auf das jeweilige Anschaffungsjahr rückindiziert wird. Für den Zeitraum ab dem 01.01.2013 müssen die tatsächlichen AHK angesetzt werden. vor dem 31.12.1974 1.1.1975-31.12.2012 1.1.2013-31.12.2018 ab 1.1.2019 Ansatz von Erfahrungswerten bezogen auf den 01.01.1974 Ermittlung der tatsächlichen AHK. Bei unverhältnismäßig hohem Aufwand: Ansatz von Erfahrungswerten bezogen auf das Anschaffungs- und Herstellungsjahr AHK aus laufender Anlagenbuchhaltung Doppische Buchhaltung mit Bilanz und Anlagebuchhaltung 2.1.1 Bewertung von Grundstücken Die rund 1.500 Grundstücke wurden einzeln aufgelistet und bewertet. Landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden mit Hilfe eines örtlichen Durchschnittswertes bewertet. Dieser beträgt für Rohrau 2 /m² und für Gärtringen 3 /m². Dieser Wert wurde auch für die Bewertung von Straßengrundstücken angesetzt. Baugrundstücke, deren AHK nicht ermittelt werden konnten, wurden mit dem Bodenrichtwert des Anschaffungsjahres bewertet. 2.1.2 Bewertung von Waldflächen Bei den Waldflächen wurden die Erfahrungswerte gemäß 62 Abs. 4 GemHVO angesetzt. Das bedeutet einen Grundstückswert i. H. v. 2.600 /ha und einen Wert für den Aufwuchs i. H. v. 7.200 /ha. Der Wert des Aufwuchses bleibt als fester Wert in der Bilanz erhalten; er unterliegt keiner planmäßigen Abschreibung. Ursache ist der Grundsatz nachhaltiger Forstwirtschaft, wonach nicht mehr Holz entnommen werden darf, wie nachwächst. 3
2.1.3 Bewertung von Gebäuden Bei der Bewertung der ca. 60 Gebäude (zzgl. An- und Umbauten und Außenanlagen) müssen grundsätzlich ebenfalls die Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt werden. Falls dies nicht möglich war, konnte auch hier von einem Vereinfachungsverfahren Gebrauch gemacht werden. Die Bewertung erfolgte dann nach dem Gebäudeversicherungswertverfahren. Dieses Verfahren beruht auf der Rückindizierung des Gebäudeversicherungswertes auf das Anschaffungsjahr. Jedes Gebäude wird durch die Gebäudeversicherung mit einem Wert in Goldmark bewertet. Dieser Wert wurde mithilfe einer Umrechnungstabelle in die aktuelle Währung umgewandelt. Der hierfür anzuwendende Schlüssel ist abhängig vom jeweiligen Herstellungsjahr des zu bewertenden Gebäudes (Rückindizierung). War das Herstellungsjahr nicht ermittelbar oder lag das Anschaffungsjahr des Gebäudes vor dem Jahr 1974, wurde generell auf den 01.01.1974 bewertet. 2.1.4 Bewertung von Infrastrukturvermögen Hierunter fallen Straßen, Wege, Plätze, Gewässer, Brücken, Tunnel, Kanal, Wasserleitungen, Brunnen etc. Das Anlagevermögen der Kanäle, Wasserleitungen und Friedhöfe wurde bereits im Rahmen der kostenrechnenden Einrichtungen Abwasser, Friedhöfe, des Eigenbetriebs Wasserwerk und des Zweckverbands Klärwerk geführt und können übernommen werden. Ein großer Brocken war die Bewertung der Straßen. Feldwege rd. 70 Datensätze Straßen, Wege, Plätze rd. 360 Datensätze Entsprechend ihrem Ausbaustandard bzw. ihrer Verkehrsbeanspruchung wurden die Straßen in verschiedene Straßenarten eingeteilt, die mit unterschiedlichen Abschreibungsdauern und Werten verbunden sind. 1 Straßenart Straßentyp Nutzungsdauer qm-o- Preis 2005 Straßenart I Hauptverkehrsstr. 40 Jahre 101,9133 Straßenart II Verkehrsstr., Industriestr. 40 Jahre 114,5892 Straßenart III Sammelstraßen 50 Jahre 70,1808 Straßenart IV Anlieger-/ Wohnstraßen 50 Jahre 107,9870 Straßenart V Asphaltierte Feldwege 50 Jahre 55,95 Straßenart VI Geschotterte Feldwege 20 Jahre 31,97 Waren die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht ermittelbar, so wurde ein aktueller pauschalierter qm-durchschnittspreis als Erfahrungswert angesetzt, der auf das Jahr der Herstellung zurück zu indizieren ist. 1 Die Straßenarten sind angelehnt an die RStO (Richtlinie für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen) 4
Dieser Durchschnittspreis enthält auch die Werte für die unselbständigen Straßenbestandteile (z.b. Straßenbegleitgrün, Beschilderung). Die zu den jeweiligen Baumaßnahmen empfangenen Investitionszuschüsse Erschließungsbeiträge, GVfG und Fördermittel - werden als Sonderposten in der Vermögensrechnung ausgewiesen und entsprechend der Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes aufgelöst. (insgesamt rd. 300 Datensätze) 2.1.5 Bewertung von beweglichem Vermögen 62 Abs. 1 S. 3 GemHVO sieht vor, dass bei beweglichen Vermögensgegenständen, deren Anschaffung oder Herstellung länger als sechs Jahre vor dem Stichtag für die Eröffnungsbilanz zurückliegt, von einer Inventarisierung und Aufnahme in die Vermögensrechnung abgesehen werden kann. Vermögensgegenstände, die unter der Wertgrenze von 410 netto liegen werden nicht aufgenommen. Das bewegliche Vermögen umfasst derzeit ca. 1.500 Datensätze. 3. Einführung des NKHR Die Einführung des NKHR beinhaltet nicht nur die Bewertung des Vermögens und die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz. Es erfordert eine ganzheitliche Umstrukturierung, die nicht nur die EDV und das Kämmereiamt betrifft. Es ist geplant, ab September eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Ämter einzurichten, um einen reibungslosen Umstellungsprozess zu gewährleisten. Ziel dieser Gruppe ist die Erarbeitung eines Produkthaushaltsplanes und die Einrichtung von Kennzahlen. Da die Koordination und Planung der Umstellung viele Ressourcen vor allem im Kämmereiamt binden wird, ist geplant, für die Jahre 2017/18 einen Doppelhaushalt zu erstellen. Ab 2019 wird es dann einen Haushalt in doppischer Form geben. Zur Vorbereitung darauf sind Schulungen für den Gemeinderat und die Verwaltung geplant. Diese werden Informationen zum Aufbau des neuen Haushalts, Abstimmung über die darzustellenden Kennzahlen und die enthaltenen Neuerungen zum Inhalt haben. Bürgermeister Kämmereiamt Riesch Wieland 5