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1. (85) 2. (161) 3. (67) 4. (18) 5. (2) 1. (119) 2. (154) 3. (49) 4. (6) 5. (7)

Transkript:

1 Interview Gresser I (Abgleich mit DVD, RN, 28.11.04) Start 1: Lehreralltag (0:00:01) Es ist aus meiner Sicht unheimlich ruhig hier heute. Manchmal, wenn man in Schulen kommt, sagen die Lehrer immer, es sei nur deswegen so ruhig, weil das Fernsehen da ist. Ist es hier auch deswegen so ruhig, weil wir hier sind? Es ist noch verhältnismäßig laut. Viele Besucher haben schon gefragt, woher die Ruhe in der Schule kommt. Die kommt einfach daher, dass jeder weiß, er macht das Richtige für sich, d.h. er ist zufrieden mit dem, was er macht und er weiß, dass ich mich um ihn kümmere. Er kann ganz sicher sein, er weiß, wenn er den Strecker hochstreckt, dann komme ich zu ihm. Wenn er was macht? Wenn er den Strecker hochstreckt. So sagen wir zu dem Meldevorgang, der stellt dann seinen Namen auf sein Blatt und dann weiß er ganz sicher dass ich komme, er muss kein Jahr oder keine zehn Jahre warten wie manche Kinder. Ich komme dann spätestens nach fünf Minuten und dann können wir uns um das Problem kümmern; das Problem ist dann auch meistens beseitigt und dann kann er wieder ganz zufrieden weiterarbeiten - und daher kommt die Ruhe. Auch für Lehrer? Das ist manchmal sehr viel Stress, also ein Lehrer hat keine Ruhe. Manchmal hat man allerdings eine zu große Ruhe, manchmal kommt man sich wirklich überflüssig vor und manchmal hätte man noch gerne zwei Kollegen dazu. Start 2: Freiarbeit (0:01:21) Erzählen sie uns doch mal: was findet hier heute morgen in dieser, sie nennen das "Freiarbeit", statt? Freie Arbeit, Freiarbeit,, ja, d.h. die Kinder können an den Inhalten weitermachen, bei denen sie einen Tag vorher aufgehört haben, d.h. sie suchen sich die Inhalte selber aus, das geht dann immer so stikkum. Es gibt Kinder, um die muss man sich ständig kümmern, also darum, wie sie arbeiten, was sie arbeiten. Es gibt Kinder, die sind schon so weit, dass sie das, was sie bearbeiten, selbständig machen können, da kontrollieren wir nur noch ganz wenig. Das ist letztlich mein Ziel: Kinder dahin zu bringen, dass sie selber ihre Dinge bearbeiten, sich selber kontrollieren, sich selber einzuschätzen können. Das können sie? Das üben wir jeden Tag.

2 Es gibt ja nicht wenige Leute, die glauben gar nicht, dass Kinder (oder jetzt schon fast Jugendliche) das können. Die meinen, man muss sie ordentlich an die Kandare nehmen, sonst klappt es nicht. Wenn man sie mag, geht es. Das ist wichtig? Ja, man muss ihnen das Gefühl geben, dass man sie annimmt, und das ist dann schlussendlich meine Aufgabe, nur dann funktioniert das. Und was machen sie, wenn sie jemanden nicht mögen? Dann versuche ich mich dahin zu bringen, dass es doch wieder klappt. Ist das häufig? Das kommt ganz selten vor, dann kann man sich auch im Team austauschen und solche Probleme besprechen. Das hilft einem auch wieder weiter. Man hat dann ab und zu eine Faust in der Tasche, aber die Faust muss dann eben in der Tasche bleiben. Haben sie viele so, wie soll man sagen, kleine Rituale? Z.B. habe ich gerade diesen grünen oder roten Punkt an dieser Tür gesehen,. Was sind das für welche? Haben sie das hier in dieser Klasse erfunden oder in der Schule? Nein, das habe ich auch damals von einem älteren Kollegen übernommen. Das soll einfach regulieren, dass immer nur einer rausgeht, dann weiß man: jetzt ist jemand draußen und der, der rauswill, weiß dann auch: ich kann jetzt noch nicht raus, ich muss warten, bis der wieder reinkommt. So hat das einfach irgendwo eine Ordnung. Denn so übersichtliche Ordnungen sind wichtig für Kinder. Selbst in dem Punkt. Woher kommt das Unterrichtsmaterial, das sie haben? Das ist zum Teil Montessori-Material und zum großen Teil selber gemacht. Also es gibt da so extra Regale, die man dann selber baut, weil sie in der richtigen Größe sein müssen und... selber heißt? Schreinern, polieren, ausschneiden. Das machen sie? Mache ich, ja und das ist letztendlich eine Lebensaufgabe. Man macht immer Material. Man guckt immer, dass es Material ist, dass den Ansprüchen der Kinder gerecht wird. Und ist das auch Material, das sie anderen weitergeben? Wenn jemand sagt: das würde ich doch gerne haben, das muss ich nicht neu erfinden? Selbstverständlich. Das geht, manches wird am PC gemacht, so weit es geht, und wenn es dann an die Kiste geht (so nennen wir die Dinge, die in solchen Holzkisten drin sind) dann muss man tatsächlich helfen, weil manche das nicht können. Man kann aber auch viele Dinge kaufen.

3 Interview Gresser II Start 3: Selbständigkeit, keine Noten (0:04:42). Wenn ein Schüler fertig ist - was passiert dann? Dann kommt er zu mir und holt sich einen Test oder eine Lernkontrolle, weil er nachweisen soll, dass er das, was er gerade gemacht hat, verstanden hat und das schauen wir dann gemeinsam an, d.h. er kontrolliert es zuerst selber und wir gucken uns dann an, wie er kontrolliert hat. Wenn das soweit befriedigend ist, dann kann man weiterarbeiten, das nächste Teil. Was dann kommt ist ihm klar, das ist so transparent, dass er weiß, was nach was kommt. So geht er dann durch die Aufgaben wie auf einer Leiter. Sind dann Noten eigentlich noch nötig? Noten sind dann eine Katastrophe, weil Noten grundsätzlich einen Vergleichsfaktor beinhalten und den brauchen wir nicht. Notwendig wäre, dass er mir sagt: ich kann das. Das reicht mir schon, und dann können wir mit ihm auch ausmachen: arbeitest du richtig, arbeitest du genau, könntest du vielleicht zügiger arbeiten oder könntest du vielleicht langsamer arbeiten... das ist dann maßgebend, ich brauche die Noten nicht zum Vergleichen und Noten sind nur zum Vergleichen da. Und sie brauchen sie auch nicht, ich sage es mal so brutal, als Peitsche? Nein überhaupt nicht, das eignet sich überhaupt nicht. Ich wende es ja auch deswegen nicht an, weil ich als Kind selber unter Noten gelitten habe. Gott sei Dank weiß ich deshalb, was das für Schmerzen sind. Versuchen sie, eine Schule zu machen, die ein Widerspruch ist, eine Lösung für das, was sie selbst mal erlebt haben? Eine Antwort. Eine Antwort? Ja, eine Antwort. Das ist eine Antwort auf die Bedürfnisse von den Kindern hier. Mit meinen Erfahrungen gebe ich eine Antwort auf das, was das Richtige für die Kinder ist - so, wie ich es mir denke oder interpretiere. Ich merke dann, ob es richtig ist oder nicht, weil wir sehr offen miteinander umgehen und wenn ich dann spüre, dass da was klemmt oder da entsteht so eine Spannung oder so eine Atmosphäre, die ungut ist, die nicht wahrhaftig ist, dann muss man was ändern. Das kann man dann auch und das mache ich dann auch. Um mal auf den Punkt zu kommen: das hat lange gedauert. Man hatte keine Vergleichsmaßstäbe oder Anleitungen, man musste das alles selber erarbeiten und da war dann das Team, die Auseinandersetzung im Team wichtig, die dann hinauf geht bis ins ganz Persönliche. Alleine schon, wenn man sich mit dem Begriff Freiheit auseinandersetzt. Wie frei bin ich, was kann ich zulassen? Das ist ja immer die uralte Sache. Wie ertrage ich das, dass der jetzt mal nichts macht? Wie lange ertrage ich das? Geht das oder geht das nicht? Kann ich das verantworten - und das ist dann spannend. Und wie viel Freiheit der anderen ertragen sie? Ich sage mal, es sind sechsundzwanzig verschiedene Menschen hier drin. Ich mache Unterschiede und ich versuche, den Kindern immer zu sagen, warum ich Unterschiede mache. Der eine ist halt der Sören und der

4 andere ist der Thomas, und deswegen muss man das auch anders handhaben. Es ist die Schwierigkeit, das den Kindern transparent zu machen, aber es ist auch, denke ich, meine Aufgabe, den Kindern klar zu machen, dass es unterschiedlichste Persönlichkeiten gibt. Deshalb arbeiten wir hier ja auch so und darüber reden wir auch oft. Das verstehen sie auch, obwohl sie auch immer das Bedürfnis haben, genau so behandelt zu werden wie der andere, aber man muss einfach lernen, dass man nicht gleich ist. Wie lange machen sie Unterricht? Seit wann sind sie Lehrer? Jetzt sind es, ich muss selber überlegen, fünfundzwanzig Jahre. Ich habe eine ganz normale staatliche Ausbildung gemacht und bin eigentlich nur zufällig hierher gekommen. Ich habe immer schon so ein Aha im Kopf gehabt, habe die Not gesehen und durfte es dann hier anders machen. Das war ein großer Vorteil, denn man musste nicht versuchen, alleine etwas auszurichten sondern konnte seine eigenen Ideen, seine eigenen Visionen hier auch umsetzen. Heute geht es ums Team, das ist sehr wichtig, aber man war so eine Art Pionier und das war auch wichtig. Jetzt findet durch Pisa die Auseinandersetzung statt und man merkt, wir spüren: wir liegen genau richtig. Gibt es auch etwas so wie, sagen wir mal: Evaluation der Schule? Sie haben ja in Baden-Württemberg zentrale Prüfungen. Wie liegen sie da? Also wir in der Hauptschule, in der neunten Werkrealschule, liegen da sehr gut. Ich merke es ja, ich weiß ja auch, wie weit jeder ist, ich könnte jeden Tag genaue Auskünfte geben und darum kann ich sagen: jeder hier drin weiß, was er kann, hat etwas gelernt und zwar nicht bloß Mathematik sondern auch noch ganz andere Dinge. Wir gehen miteinander um und ich denke, das ist auch eine ganz wichtige Grundlage. Das bezieht sich auf unseren Marchthaler-Plan. Wie gehe ich mit jemandem um, auch wenn es schwierig wird. Start 4: Gegliedertes Schulsystem ( 0:09:48) Ist es eigentlich eine gute Idee, die Schüler nach der vierten Klasse in Realschüler, Hauptschüler usw...? Das ist eine Katastrophe. Unseres dreigliedriges Schulsystem ist eine glatte Katastrophe. Ich möchte das Kind nicht sein, das dann in der vierten Klasse gesagt kriegt: du bist nicht geeignet für was Besseres. Was Besseres ist Realschule oder Gymnasium. Einem Kind kann man das anders vermitteln, so dass es weitermachen kann in einem Bereich, in dem ihm nicht bescheinigt worden ist, zu mehr nicht fähig zu sein. Was da rauskommt ist, denke ich, vollkommen klar. Darum bleibt uns auch gar nichts anderes übrig als das abzuschaffen. Das wird aber schwierig, weil die Lobby groß ist und die Lobby, die befindet sich im Gymnasium. Dann machen sie eine neue auf. Würden wir gerne, ja aber da braucht man sehr viel Mut.

5 Interview Gresser III Start 4: Umgang mit "Null-Bock" - Schülern (0:10:48) Herr Gresser, eine Frage habe ich noch. Es gibt doch hier bestimmt auch Schüler, die irgendwann mal sagen: ich habe keinen Bock. Was sagen sie dann? Da unterscheide ich. Also z.b. frage ich mich, ob das jemand ist, von dem ich vermute, dass er sich vielleicht an irgend etwas nicht herantraut. "Keinen Bock" gibt es hier eigentlich nicht, da stecken dann meist ganz handfeste Dinge dahinter. Weil er sich an irgend etwas nicht herantraut oder weil etwas zu lange dauert oder weil er irgend etwas nicht versteht. Im schlimmsten Fall, sagen wir mal so, gehe ich einfach hin und sage, das machst du jetzt, probier das jetzt einfach. Und das andere Extrem ist, dass du es einfach lässt. Also, wir lassen ihn jetzt einfach keinen Bock haben. Aber oft sind es ganz andere Ursachen. Also hinter dem "kein Bock" versteckt sich so vieles, das muss man rauskriegen - und das kriegt man auch raus. Und wie kriegen sie das raus? Ich kenne ihn ja. Wie lernen sie ihn dann kennen? muss man ja dann fragen. Wenn man so arbeitet, kennt man ihn gut. Ich kenne ihn persönlich sehr gut, weil ich bei ihm daheim war und mit den Eltern geschwätzt habe, mit ihm geschwätzt habe, wir haben zusammen Mittag gegessen. Von all der Zeit, die wir hier zusammen verbringen, kenne ich ihn gut - und ich interessiere mich für ihn - ernsthaft