Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Bern Finanzierung öv

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Transkript:

Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Bern Finanzierung öv Amt für öffentlichen Verkehr des Kantons Bern

Diese Broschüre zeigt die Kosten auf, die im öffentlichen Regional- und Ortsverkehr im Kanton Bern entstehen, und erläutert die Verteilung dieser Kosten auf Bund, Kanton und Gemeinden. Kosten des öffentlichen Verkehrs Der Umsatz der Transportunternehmungen im öffentlichen Regional- und Ortsverkehr im Kanton Bern beläuft sich jährlich auf über 1.2 Milliarden Franken. Von diesen Ausgaben können die Transportunternehmungen nur einen Teil über direkte Verkehrserträge (Billette und Abonnemente) erwirtschaften. Der grössere Teil sind Abgeltungen und Investitionshilfen, für die die öffentliche Hand als Bestellerin der Leistungen aufkommt. Kantone und Bund führen mit den Transportunternehmungen Offertverfahren durch. In einer Vereinbarung wird die Abgeltungssumme für die vereinbarte Leistung zum Voraus festgelegt. Finanzflüsse im öffentlichen Verkehr des Kantons Bern (2014) Geldzufluss Transportunternehmungen Beiträge der öffentlichen Hand Aufleitung Kanton / Gemeinden Investitionsbeiträge 138 Mio. Tarifverbunde 21 Mio. Bund / Dritte 61 Mio. Kanton 77 Mio. Tarifverbunde 21 Mio. 1/3 Anteil Gemeinden 123 Mio. Abgeltungen Ortsverkehr 72 Mio. Kanton Ortsverkehr 72 Mio. Abgeltungen 305 Mio. Kanton 149 Mio. Kanton Infrastruktur 50 Mio. 2/3 Anteil Kanton 246 Mio. Abgeltungen Infrastruktur 108 Mio. Bund 156 Mio. Bund Infrastruktur 58 Mio. Markterlöse Ortsverkehr 131 Mio. Markterlöse 292 Mio. Markterlöse Infrastr. 59 Mio. Abb. 1: Finanzflüsse im öffentlichen Verkehr des Kantons Bern 2

Beteiligung des Bundes an Abgeltungen / Ausgaben des Kantons Mit der Kantonsquote legt der Bund für jeden Kanton das Ausmass der Beteiligung an der Finanzierung des öffentlichen s fest (Abgeltungen). Für den Kanton Bern beträgt dieser Anteil derzeit 55 %. Der Bund beteiligt sich nicht an den Kosten im Ortsverkehr. Der Kanton Bern tritt hingegen sowohl im Ortsverkehr als auch im als Besteller auf. Die Ausgaben des Kantons teilen sich wie folgt auf: - 221 Mio. Franken Abgeltungen Verkehr ( 67 % und Ortsverkehr 33 %) - 50 Mio. Franken Betriebsabgeltungen Infrastruktur - 21 Mio. Franken Tarifverbunde / Tarifmassnahmen - 85 Mio. Franken Investitionsbeiträge Kostendeckungsgrad 75.0% 65% Der Kostendeckungsgrad definiert den Anteil der Erträge an den Linienkosten. Über den Kanton und alle Unternehmungen betrachtet ergibt sich ein Kostendeckungsgrad von 48.9 %. Dieser ist in ländlichen Regionen aufgrund der kleineren Nachfrage geringer als in städtischen. Das Betreiben dieser Linien ist für die öffentliche Hand für die gleiche Betriebsleistung somit aufwändiger als in der Stadt. Da das Verkehrsangebot in Städten und Agglomerationsräumen jedoch ungleich dichter ist, fällt trotzdem ein sehr erheblicher Aufwand des Kantons in Agglomerationen an. 50.0% 25.0% 0.0% 35% 39% 51% 49% Infrastruktur Bahn Regionale Bahnlinien ø alle Sparten Regionale Buslinien Ortsverkehr Abb. 2: Kostendeckungsgrade im öffentlichen Regional- und Ortsverkehr Der Kostenverteilschlüssel Die Gesetzgebung im Kanton Bern bestimmt, dass die Gemeinden einen Drittel des Gesamtaufwandes des Kantons für den öffentlichen Verkehr mittragen (Gesetz über den öffentlichen Verkehr Art. 12 und Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich Art. 29). Von den etwa 369 Millionen Franken jährlich werden somit den Gemeinden 123 Millionen Franken belastet, 246 Millionen Franken verbleiben dem Kanton. Die Beträge der Gemeinden sind durch den Kostenverteilschlüssel festgelegt. Ein Drittel wird aufgrund der Anzahl Einwohner und zwei Drittel über das Verkehrsangebot in der jeweiligen Gemeinde berechnet. Bus 62.0% Seilbahn 0.3% Fernverkehr 4.2% S-Bahn/ Regionalzug 17.5% Die Belastung nach Einwohnern (1/3) begründet sich darin, dass alle Einwohner im ganzen Kanton ein Grundangebot zur Verfügung haben und dies auch abseits ihres Wohnortes benutzen. Die Aktualisierung der Einwohnerzahl erfolgt jährlich aufgrund von statistischen Angaben durch die Finanzdirektion. Die Belastung nach Verkehrsangebot (2/3) folgt dem Territorialitätsprinzip. Das Verkehrsangebot wird alle zwei Jahre vom Amt für öffentlichen Verkehr erhoben. Das Prinzip zur Erhebung des Verkehrsangebots ist in der Kostenbeitragsverordnung festgelegt und detailliert geregelt. Es beruht auf gewichteten Haltestellenabfahrten. Das heisst: Jede Abfahrt eines Verkehrsmittels an jeder Haltestelle auf Gemeindegebiet wird gezählt und mit einem vom Transportmittel abhängigen Faktor gewichtet. Tram 16.0% Abb. 3: Anteile öv-punkte (gewichtete Haltestellenabfahrten) der verschiedenen Verkehrsmittel 3

Mit dieser Gewichtung wird der unterschiedlichen Transportkapazität, dem grösseren Komfort, der anderen Haltestellendichte und den unterschiedlichen Kosten Rechnung getragen. Bei allen Diskussionen um einen möglichst gerechten Verteilschlüssel darf nicht vergessen werden, dass die zu verteilenden Kosten gleich bleiben. Andere Berechnungsarten würden je nach dem leichte Verschiebungen unter den Gemeinden ergeben, die Kosten insgesamt jedoch keinesfalls senken. Die Belastungen für die einzelnen Gemeinden sind sehr unterschiedlich: Sie bewegen sich für das Jahr 2015 pro Einwohner zwischen Fr. 46. (Grundbelastung ohne Verkehrsangebot) und Fr. 276. (Stadt Bern). Im Durchschnitt beträgt der Gemeindebeitrag jährlich Fr. 139. pro Einwohner. Auch als Steuerzahler des Kantons Bern trägt jeder Einwohner jährlich im Durchschnitt nochmals mit Fr. 278. zum Funktionieren des öffentlichen Verkehrs bei. Fragen und Antworten Die folgenden Fragen und Antworten sollen dazu beitragen, die häufigsten und wiederkehrenden Verständnisfragen zum Kostenverteilschlüssel zu beantworten. Es werden Fragen zum Prinzip des Verteilschlüssels beantwortet. Technische Detailfragen sind in der Kostenbeitragsverordnung geregelt. Die gemeindeweise Berechnung der öv-punkte wird den Gemeinden möglichst nachvollziehbar alle zwei Jahre auf der Grundlage des Fahrplanes vom Vorjahr ausgewiesen. Unsere Gemeinde hat keinen öv - wieso zahlen wir trotzdem einen Beitrag? Ein Drittel der Kosten wird aufgrund der Einwohnerzahl verteilt - unabhängig vom effektiven Angebot. Es darf davon ausgegangen werden, dass auch Einwohner aus Gemeinden mit einem kleinen oder gar keinem öv-angebot reisen und andernorts die Leistungen des öffentlichen Verkehrs benutzen. Im Jahr 2015 beträgt die Grundbelastung für jeden Einwohner rund Fr. 46.. Gegenwärtig bezahlen 39 Gemeinden im Kanton diesen Grundbeitrag, ohne über eine Haltestelle des öffentlichen Verkehrs auf ihrem Gemeindegebiet zu verfügen. Wieso wird der Fernverkehr in die Berechnung einbezogen, von dem ja auch die Gemeinden rundum profitieren und der zudem dem Kanton keine Kosten verursacht? Die Kosten werden zu zwei Dritteln nach dem Verkehrsangebot beurteilt. Berücksichtigt wird die Verkehrsgunst insgesamt, die ja auch einen wesentlichen Standortfaktor für die Gemeinde darstellt und ihr entsprechende Vorteile im Standortwettbewerb bringt. Der öv ist ein Gesamtsystem, das allen offen steht. Der Fernverkehr wird auch von Einwohnern ausserhalb der Standortgemeinde genutzt, dies gilt aber auch für alle anderen Angebote. Indem ein Drittel der Belastung über die Einwohnerzahl erfolgt unabhängig vom Angebot - wird diesem Aspekt bereits Rechnung getragen. Die Festlegung einer Definition, was Fernverkehr ist, ist im Einzelfall problematisch. Vielerorts sind Angebote historisch gewachsen und weisen sowohl Aspekte des Fernverkehrs als auch des s auf. Massgebend soll daher das Angebot am Startort einer Reisekette sein (Qualität des Eintritts ins öv-system Schweiz). Oder anders formuliert: Der Zureisende aus der Agglomeration zahlt seinen Eintrittspreis schon am Startort, die Zentrumsgemeinde wird im Prinzip nur für die Reisende belastet, welche erst dort ins öv-system einsteigen (Anwohnerinnen, Velofahrer, Taxi, P+R, etc.). Gemeindebeiträge (in Fr. / Einwohner) 46-82 82-99 99-115 115-152 152-180 180-276 Abb. 4: Belastung der bernischen Gemeinden mit öv-beiträgen (Voraussichtlicher Beitrag 2015) 4

Die Angebotsqualität wird unabhängig von den jeweiligen effektiven Kosten beurteilt. Obwohl die Abfahrten des Fernverkehrs mit dem Faktor 4 gewichtet werden, fallen sie in einer Gesamtbetrachtung nur wenig ins Gewicht. Stadt Biel Fernverkehr 2.3% S-Bahn/Regionalzug 2.9% Standseilbahn 1.4% Regionalbus 5.8% Stadtbus (Linien 1-11) 87.5% Unsere Zentrumsgemeinde wird von öv-linien bedient, die nur den umliegenden Gemeinden etwas nützen. Wieso werden uns durch die Haltestellenabfahrten dieser Linie trotzdem Kosten angelastet? Eine Linie ins Zentrum nützt nicht nur den Gemeinden ausserhalb: Zunehmend wohnen Leute im Zentrum und haben ihren Arbeitsort in der Agglomeration. Aussagen, welche Linie wem nützt, sollten vermehrt einer Gesamtbetrachtung des Systems weichen. Für eine nachhaltige Bewältigung des Verkehrsaufkommens sind die Zentren auf einen guten öv angewiesen. Die Attraktivität der Zentren als Arbeits-, Wohn- und Freizeitort hängt von der Qualität des öv ab. Jede zusätzliche Haltestelle einer Linie erhöht die Verkehrsgunst der Standortgemeinde. Dies wird in der Berechnung des öv-angebots (öv-punkte) berücksichtigt. Können die Gemeinden Kosten sparen, wenn sie auf Haltestellen verzichten? Stadt Thun Bereits heute werden Haltestellen im Kostenverteilschlüssel gar nicht oder nur reduziert angerechnet, wenn sie weniger als 0.5 Einsteiger pro Kurs und/oder weniger als 100 Einwohner und Arbeitsplätze im Einzugsgebiet aufweisen. Das Weglassen von wichtigen Haltestellen bewirkt in der Tat eine Einsparung für die Gemeinde, hat aber eine verschlechterte Erschliessungswirkung (längere Anmarschwege) zur Folge. Bei unnötig dichter Haltestellenabfolge kann eine Reduktion aber erwünscht sein (Erhöhung der Reisegeschwindigkeit. Fernverkehr 4.6% S-Bahn/Regionalzug 2.6% Bus STI 92.8% Wieso zahlt der Kanton (und somit alle Gemeinden) Geld an den Ortsverkehr (Ortsbus, Städte), wenn der Bund ja nichts daran zahlt? In der Tat zahlt der Bund keine Abgeltungen an den Ortsverkehr. Der Gesetzgeber im Kanton Bern hat 1996 diese Ungleichbehandlung bewusst nicht nachvollzogen. Der Ortsverkehr wird seither alleine durch den Kanton bestellt und abgegolten. Dies gilt auch für Investitionshilfen an die Transportunternehmungen. Die Städte wurden dadurch einerseits finanziell entlastet. Andererseits kann auf die im Einzelfall problematische Trennung zwischen Orts- und verzichtet werden. Auch sind die Kompetenzen einheitlich geregelt und die gemeinde- und transportunternehmenübergreifende Planung wird erleichtert. Stadt Bern Fernverkehr 1.9% S-Bahn 6.9% Bus RBS 2.9% Tram 43.9% Bus Postauto 4.9% Bus Bernmobil 39.5% Abb. 5: Anteil öv-punkte der verschiedenen Verkehrsmittel in den Städten Biel - Thun - Bern Wie haben andere Kantone die Aufgabe der Verteilung der Kosten gelöst? Im Einzelfall existieren sehr unterschiedliche Berechnungsweisen (Einbezug Investitionen, Verkehrsverbunde, Agglomerationsverkehr, Gewichtung der Verkehrsträger etc.). Alle Kantone kennen aber eigentlich das Prinzip, dass ein Teil der Kosten aus dem den Gemeinden weiterbelastet wird. Im Kanton Bern ist dies ein Drittel der Gesamtkosten (Zürich: 50 %, Aargau 40 %, Solothurn 37 %, Freiburg 45 %, Luzern 50 %, Waadt 30 %, Neuenburg 50 %, St. Gallen 50 %). Die einzelnen Kostenverteilschlüssel sind in der Art der Berechnung im Detail jeweils sehr unterschiedlich ausgestaltet. Das Prinzip berücksichtigt jedoch bei der Aufteilung unter den Gemeinden überall die beiden Faktoren Einwohner (z.t. absolute Steuerkraft) und Angebot. Die Gewichtung von Einwohnern und Angebot (im Kanton Bern 1/3 zu 2/3) ist jeweils unterschiedlich (Zürich: 20 zu 80, Solothurn: 2/7 zu 5/7, Freiburg: 20 zu 80, Luzern: 50 zu 50, Neuenburg und St. Gallen 25 zu 75). 5

Der Ortsverkehr bleibt in etlichen Kantonen Sache der Gemeinden oder Agglomerationen und erhält nur eine begrenzte finanzielle Unterstützung von Seiten der Kantone. Wieso kostet eine Busabfahrt gleichviel öv-punkte, unabhängig davon, ob der Kostendeckungsgrad einer Linie hoch oder tief ist? In die Betrachtung fliesst das Verkehrsangebot ein. Dieses bleibt dasselbe, ob ein Verkehrmittel nun gut oder schlecht ausgelastet ist. In der Angebotsbetrachtung fällt einzig in Betracht, ob zu der fraglichen Zeit eine Transportmöglichkeit besteht. Somit werden auch Kurse, die nach Bedarf verkehren, in das Angebot eingerechnet. Unsere Gemeinde muss für die Kosten einer Wendemöglichkeit des Busses aufkommen - dabei zahlen wir ja bereits über den öv-beitrag der Gemeinde an Investitionen für den öv. Mit dem öv-beitrag an den Kanton sind für die Gemeinden noch nicht alle Kosten des öffentlichen Verkehrs gedeckt. Der öffentliche Verkehr benutzt bei der Eisenbahn die Infrastruktur auf der Schiene: Diese Kosten werden über Infrastrukturbenutzungsgebühren der Transportunternehmungen und einer Leistungsvereinbarung mit dem Bund und z.t. mit den Kantonen gedeckt. Andererseits benutzen Busse - wie auch alle übrigen Verkehrsteilnehmer auf der Strasse - die Strasseninfrastruktur und verursachen Kosten. Diese trägt der Strasseneigentümer, d.h. in den meisten Fällen der Kanton (Tiefbauamt) oder die Gemeinden. Der Regierungsrat hat im Mai 2002 die Richtlinien über die Zuständigkeiten bei der Finanzierung von Investitionen im öffentlichen Verkehr ( Investitionsrichtlinien ) erlassen. Diese legen fest, für welche Investitionen die Transportunternehmung und für welche der Infrastrukturbesitzer aufzukommen hat. Dazu gehören beispielsweise Haltestellen, Busspuren oder Wendemöglichkeiten. Weitere Kosten können für Gemeinden entstehen, wenn sie als Besteller ein Zusatzangebot, das nicht im Grundangebot des Kantons enthalten ist, bestellen (zum Beispiel Schülerkurse). Auch bei Versuchsbetrieben zahlen die Gemeinden einen gesonderten Betrag. In diesen beiden Fällen wird das Angebot nicht in der Berechnung der öv-punkte einbezogen. In die gleiche Richtung fahren zwei Busse / zwei Züge beinahe zeitgleich ab. Wieso werden der Gemeinde die Abfahrten somit doppelt belastet, sie nützen dem Fahrgast ja nichts? In gewissen Fällen kann es vorkommen, dass beinahe zeitgleiche Abfahrten in die gleiche Richtung stattfinden. Meistens handelt es sich um zwei verschiedene Angebote (Schnellzug und Regionalzug) oder aber die Linien weisen einen gemeinsamen parallelen Abschnitt auf, fahren aber anschliessend unterschiedliche Endpunkte an. Ein solches Angebot kann sinnvoll sein, wenn zum Beispiel Umsteigebeziehungen stattfinden. In anderen Fällen erfolgt das Angebot so, dass auf der gemeinsam verlaufenden Strecke eine gleichmässige Staffelung der Kurse und somit eine Angebotsverdichtung erzielt werden kann. Verschiedene Angebote dienen einer unterschiedlichen Erschliessung. Während zum Beispiel auf einer Linie der Regionalzug die Groberschliessung sicherstellt, fährt auf einer parallelen Strecke ein Bus, der die Feinerschliessung übernimmt. Durch die unterschiedliche Erschliessungsart sind beide Angebote berechtigt. In einzelnen Fällen werden durch eine Haltestelle auch Einwohner der Nachbargemeinde erschlossen. Wird nun die Standortgemeinde gestraft, weil die Haltestelle zufällig auf ihrem Gebiet liegt und alle öv-punkte ihr angelastet werden? In der Kostenbeitragsverordnung ist im Fall von Bahnhaltestellen geregelt, dass das Angebot anteilsmässig und nach der Anzahl Einwohner und Arbeitsplätze im Einzugsgebiet der Haltestelle auf die Gemeinden aufgeteilt wird. Keine Aufteilung gibt es hingegen bei Bus- und Tramhaltestellen, deren Erschliessungswirkung auch geringer als diejenige einer Bahnhaltestelle ist. Wieso kostet der öffentliche Verkehr immer mehr und das ohne Änderung des Angebots? Die Effizienz des öffentlichen Verkehrs konnte in den letzten Jahren gesteigert werden (Abgeltungen pro Kurskilometer). Dies ist einerseits Rationalisierungen der Transportunternehmen und andererseits zunehmenden Erträgen zu verdanken. Der Kostendeckungsgrad wurde somit laufend erhöht. Dennoch sind die Kosten der Gemeinden für den öv in den letzten Jahren gestiegen. Dies kann verschiedene Gründe haben: Seit 2002 wird der Finanz- und Lastenausgleich unter de Bernischen Gemeinden (FILAG) zentral vorgenommen. Seither basiert die Berechnung der öv-beitrages zu einem Drittel auf der Einwohnerzahl (vorher: absolute Steuerkraft). Die zahlreichen indirekten und direkten Finanz- und Lastenausgleichssysteme sind durch den transparenten direkten Finanzausgleich ersetzt worden. Diese Änderung hat teilweise zu einer Verschiebung der öv-beiträge zwischen den Gemeinden geführt. Vor allem ist die Steigerung aber auf den 2008 eingeführten Neuen Finanzausgleich (NFA) zwischen Bund und Kantonen zurückzuführen. Die klarere Trennung von Aufgaben und Kosten hat im zu höheren Kostenanteilen für die Kantone geführt, in anderen Bereichen hingegen (z.b. Soziales) zu einer deutlichen Entlastung. In der Gesamtbilanz haben sich diese Änderungen für alle Gemeinden positiv ausgewirkt. Durch den reduzierten Finanzierungsanteil des Bundes macht der öffentliche Verkehr nun einen grösseren Anteil an den Gesamtausgaben von Gemeinden und Kanton aus. Der öffentliche Verkehr wird mehr benutzt. Dies führt dazu, dass bei etlichen Gemeinden vormals nicht zählende Haltestellen (weniger als 0.5 Ein- und Aussteiger pro Werktag) in zählende Haltestellen umgestuft werden müssen. Dies hat keine Auswirkung auf die Höhe der zu verteilenden Kosten, da diese gleich bleiben. Jedoch wird dadurch der öv-punkt billiger. Während für die betroffenen Gemeinden höhere Beiträge resultieren, sinken diese für die Gemeinden ohne Änderung der Haltestellenrelevanz leicht. Eine Anpassung der Kostenbeitragsverordnung führt auf das Jahr 2013 zu Verschiebungen zwischen den Gemeinden, weil einzelne Elemente geändert worden sind (Gewichtungsfaktoren der Verkehrsmittel, Aufteilung von Bahnstationen, Unterscheidung von "zählenden" und "nicht-zählenden" Haltestellen). Durch die grossen anstehenden Investitionen im öffentlichen Verkehr ist für die kommenden Jahre mit steigenden Kosten zu rechnen. Für die Budgetierung sind die Gemeinden mit der Finanzplanungshilfe der Finanzdirektion über die gültigen Prognoseannahmen (Kosten pro Einwohner und pro öv-punkt) im Bild. Impressum: Amt für öffentlichen Verkehr, 2014, www.bve.be.ch/öv. Basis für alle Daten ohne Jahresangabe ist das Jahr 2014. Die Berechnungsart ist in der Kostenbeitragsverordnung detailliert geregelt. (im Internet unter www.be.ch/gesetze > Erlass 762.415) 6