Vollwertkost für's Bodenleben

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Transkript:

Bodenfruchtbarkeit Vollwertkost für's Bodenleben Sepp Braun aus Freising ist einer der Pioniere des Öko-Landbaus und der Bodenfruchtbarkeit. Seit fast 20 Jahren arbeitet er biologisch. Hier seine An- und Einsichten. Auszüge aus dem Interview sowie viele weitere interessante Beiträge können Sie im dlz- Sonderheft 19 "Perspektive Bio" nachlesen, das im www.dlv-shop.de erhältlich ist. Was waren Ihre Gründe für die Umstellung auf Öko- Landbau? Braun: Im Wesentlichen waren es drei Gründe: 1.) Der Abwehrkampf gegen den Flughafen München in den 90-ern. 2.) Meine Landjugendarbeit. Kritische Leute der KLJB sagten damals: So wie Du Landwirtschaft betreibst, das ist Vergewaltigung der Natur. Ich hatte gelernt: Hohe Erträge sind gleichzusetzen mit hoher Bodenfruchtbarkeit den ganzen Schmarrn, der einfach nicht stimmt. Ich begann, meinen Weg zu überdenken. 3.) Tschernobyl 1986. Damals waren meine vier Töchter klein. Was dort passiert ist, hat mir gezeigt, dass Menschen nicht alles, was machbar ist, tun dürfen. Wir haben gegenüber der Schöpfung eine Verantwortung. So wie Du Landwirtschaft betreibst, das ist Vergewaltigung der Natur. Wie lange bewirtschaften Sie Ihre Flächen schon biologisch? Braun: Lange habe ich gar nicht geglaubt, dass Bio überhaupt funktioniert und besseren integrierten Anbau mit vielen Tricks gemacht: 1984 umgestellt auf pfluglos, dann auf Beetverfahren. Hier habe ich komplett mit Drescher und anderen Maschinen auf 2,50 m-spur gearbeitet, um die Bodenbelastung zu reduzieren. Dann in Doppelreihen mit 6 cm Abstand, wo der Reihenabstand von 20 cm den Lichteinfall besser ausnutzt. Die Bestände trocknen schneller und die Pflanzengesundheit ist besser. Das waren für mich die Ansätze bis zur Umstellung 1988. Gleichzeitig habe ich mich mit Grundlagen beschäftigt. Seit 1994 mache ich lediglich Minimalbodenbearbeitung auf 7 cm Bearbeitungstiefe ohne Lockerung. Was war im Ackerbau rückblickend denn die größte Herausforderung? Braun: Die meiste Angst hatte ich vor Klettenlabkraut oder Disteln. Aber auch davor, ob die Nährstoffversorgung aufrecht erhalten werden kann. Diese Ängste sind heute komplett weg. Wie haben Sie das geschafft? Braun: Anfangs habe ich viel gehackt und gestriegelt, weil ich gewohnt war, die Natur zu beherrschen. Ich war der Meinung, dass ich Unkräuter bekämpfen muss. Heute habe ich wegen der hohen Artenvielfalt im Grünland und auf Weiden weder Distel noch Ampfer. Im Acker habe ich als Saatgutvermehrer den Ampfer konsequent ausgezogen. Außerdem verliert Ampfer bei gleichmäßiger guter Durchwurzelung seine Bedeutung. Und wenn mal einer drinsteht, gehört er auch dort hin, weil jede Pflanze ihre Bedeutung hat. Da ich den Mist kompostiere, habe ich keine schnell löslichen Dünger, bei denen die Auswaschungsgefahr groß wäre. Jede Pflanze hat ihre Bedeutung Während der Kompostierung werden fruchtbare Stoffe gebildet wie im Boden. Die versetzen den Organismus Boden-Pflanze in die Lage, sich selbst gegen Krankheiten und Schädlinge 1 Klaus Strotmann, dlz agrarmagazin

zu helfen. In einer Handvoll Erde sind ja unvorstellbar viele Bodenlebewesen, die Enzyme, Fermente, Hormone und natürliche Antibiotika bilden. Die Pflanze ist in der Lage, diese Stoffe aufzunehmen......um sich quasi selbst zu helfen? Braun: Ja, im übertragenen Sinne funktioniert das so: Der Mehltaupilz greift den Weizen an. Der signalisiert dem Organismus Boden: Ich brauche ein natürliches Penicillin. Das stellt der dann zur Verfügung, die Pflanze nimmt es auf und schützt sich selbst. Wie ein gesunder Mensch, der sich im Winter gegen Grippe wehrt, weil sein Immunsystem o.k. ist. So habe ich gemerkt, dass es auch ohne moderne Hilfsmittel geht. Vorher habe ich 112 dt Wintergerste geerntet, da gebe ich mich jetzt nicht mit 20 oder 30 zufrieden, da bin ich ehrgeizig. Ich brauchte erst die Sicherheit, dass mir Bio auch Perspektiven bieten kann. Was würden Sie Berufskollegen empfehlen, die umstellen wollen? Braun: Ich würde mir als Basis erst mal genau den Boden anschauen. Für mich gibt es drei Säulen der Fruchtbarkeit: 1.) Bodenphysik: Verdichtungen sind zu vermeiden, um Porenvolumen und Bodenleben nicht durcheinander zu bringen. Durch Reduktion der Achslasten auf unter 5 t und bei max. 0,8 bar Reifendruck vermeide ich irreparable Schäden. Das heißt, dass wir uns von heutiger Technik, die wir so hochjubeln, verabschieden können. Die Grenze beim Mähdrescher und der genannten Achslast liegt bei 2,50 m Schnittbreite, bei einem Schlepper bei 80 bis 90 PS. Alle großen Maschinen werden dem Organismus Boden nicht gerecht. Ich bin aber nicht gegen moderne Technik. Flugzeuge nutzen Leichtbau, warum Landtechnik nicht? 2.) Bodenchemie: Die Biologie funktioniert nur, wenn auch die Chemie stimmt. 3.) Bodenbiologie: Die Bodenlebewesen müssen immer ausreichend ernährt sein. Wie wir unsere Tiere im Stall füttern, müssen wir es auch mit den Regenwürmern tun, gerade in Herbst und Winter. Wir haben heute auch deshalb so wenig Regenwürmer, weil wir ihnen bei einseitigen Fruchtfolgen und Pflugfurchen im Herbst das Futter entziehen. Also müssen Zwischenfrüchte her? Braun: Ja. Kein Bauer lernt, dass der Regenwurm Sommer- und nicht Winterschlaf hält. Darauf ist aber Rücksicht zu nehmen. In einem Versuch von Dr Johannes Bauchhenß von der LfL wurde Kleegras mit 250 Regenwürmern/m² im September umgebrochen. Zu der Zeit waren die Würmer schon wieder aktiv. Durch Pflügen sind fünf Prozent der 250 Tiere eingegangen, das lässt sich vielleicht tolerieren. Aber was die Katastrophe ist: Von September bis Mai sind weitere 50 Prozent verhungert. Also ist über Winter möglichst gute Bodenbedeckung nötig und viel Mulchmaterial. Wir brauchen Vollwerternährung für das Bodenleben. Weg von der Monokultur hin zu Mischsystemen Bei Zwischenfrüchten ist eine Vielfalt verschiedener Arten nötig, etwa Alexandrinerklee, Buchweizen, Sommerwicke, einjährige Luzerne, Kresse, auch Senf, Phacelia und Ölrettich, eben nicht als Monokultur. Das ernährt das Bodenleben im Winter gezielt. Ich empfehle, möglichst viel Kleegras in der Fruchtfolge zu fahren. Tiefwurzler wie Luzerne stabilisieren den Boden. Wurzelunkräuter, Ampfer und Distel, sind nichts anderes als ein Hilfeschrei, den Unterboden wieder zu lockern. Wer es über gute Mischung von Flach-, Mittel- und 2 Klaus Strotmann, dlz agrarmagazin

Tiefwurzlern schafft, den Boden so zu stabilisieren, wie es die Natur vormacht, dem machen weder Distel noch Ampfer Probleme. Ab wann macht sich dann ein aktiveres Bodenleben bemerkbar? Braun: Versuche bestätigen, dass das ziemlich schnell geht. Auf einer LfL-Fläche wurde eine fünfjährige Dauerbrache mit Mulch angelegt. Ausgangsbestand waren 50 Regenwürmer. Nach fünf Jahren waren es 500. Das ist keine Lebensaufgabe. Wer das Bodenleben fördert, kann recht schnell Power in den Boden bringen. Aber immer unter der Beachtung, dass die Bodenphysik die richtigen Voraussetzungen schafft: Keine Bodenverdichtungen, um das nötige Porenvolumen zu erhalten. Das erreicht zum einen gezielte Bodenlockerung, zum anderen stabilisierende Durchwurzelung. Im lebendigen Boden leben bis zu 600 Regenwürmer/m², die dort 440 m Röhren bohren. Der Boden ist dann wie ein Sieb und nimmt pro Stunde und m² bis zu 150 l Wasser auf. Wenn wir heute in Bayern nur 16 Regenwürmer/m² zählen, wird sehr schnell klar, warum wir Überschwemmungsprobleme haben. Bodenverdichtung versiegelt Böden schleichend Niederschläge über 10 l/m² fließen oberflächlich ab. 600 Würmer/m² erzeugen pro ha und Jahr 80 t Kot, das sind 2,5 cm auf der Bodenoberfläche. Diese 80 t beinhalten pro Jahr 280 kg pflanzenverfügbaren Stickstoff, der keinen Cent kostet. Der Regenwurm ist als Indikator für die natürliche Bodenfruchtbarkeit anerkannt. Umgerechnet haben wir heute nur 5 Prozent natürliche Fruchtbarkeit: nicht mehr. Läuft die Umstellung von mineralisch auf organisch immer glatt? Braun: Mein Ziel ist, den Organismus Boden-Pflanze so lebendig zu machen, dass die Pflanzenernährung komplett aus dem Boden kommt. Ich muss die Pflanze nicht mehr über Umwege, wie Gülle oder Mist als schnell lösliche Dünger, versorgen. Stattdessen ist die mikrobielle Biomasse im Boden so aktiv, dass sich die Pflanzen kräftig entwickeln und hohe Erträge liefern. Und das gleichzeitig bei sehr guter Gesundheit. Schon seit den 50er Jahren ist bekannt, dass die Mineral- und Spurennährstoffe im richtigen Verhältnis zum Calcium stehen müssen. Das heißt nicht, mineralisch zu düngen, sondern das gesamte durchwurzelbare Bodenprofil anzuschauen. In den letzten 30 Jahren haben wir den Boden praktisch nicht durchwurzelt und nur kleine Teile des Bodenprofils verwendet. So haben wir eine Menge an Mineral- und Spurennährstoffen, die wir aus dem Bodenpool anzapfen könnten, zum einen mit Tiefwurzlern Luzerne wurzelt 3 m tief zum anderen Zwischenfrüchte und Kräuter, deren Wurzeln diese Stoffe lösen können. Im Bioanbau ist Basaltmehl ein Schlüssel, sehr mineral- und spurennährstoffreich. Damit ernähre ich das Bodenleben gezielt. Bei mir setze ich Gesteinsmehl über den Mist ein. Ich streue es im Stall ein und bringe es über Kompost aus, 400 bis 500 kg/ha jährlich. Welche Veränderungen im Krankheitsdruck haben Sie mit Kompost über die Jahre festgestellt? Braun: Erst mittelfristig werden Fruchtfolgekrankheiten durch andere Fruchtfolgen und Bodenfruchtbarkeit zurückgedrängt. Der Organismus Boden-Pflanze kann die Aufgaben der Fungizide und Insektizide übernehmen. Die Anfälligkeit geht zurück, etwa für Blattläuse, weil die Menge an Marienkäfern zunimmt. Damit wird das System stabiler. Weil jeder weiß, dass die Krankheiten in den ersten Jahren nicht zurückgehen, gilt die Vermarktungssperre für zwei Jahre. Die ersten drei Jahre sind also schwierig. Daher ist es gut, mit Kleegras anzufangen, wenn es sich denn verwerten lässt. Kleegras wird nicht krank, das hat wenig Risiko. Sinnvoll ist, zunächst Hafer, Roggen oder Triticale anzubauen. Diese Arten sind von Haus aus vitaler. 3 Klaus Strotmann, dlz agrarmagazin

Langstrohige und standfeste Sorten bekommen wir leider nicht Gesund müssen sie sicher sein: Welche Rolle spielen Sorten überhaupt? Braun: Wir bräuchten eigentlich langstrohige und standfeste Sorten. Die gibt es ja auch. Aber gleichzeitig benötigen wir Sorten mit sehr hohen Einzelährenerträgen, die mit 350 Ähren/m² gut 60 bis 80 dt/ha erreichen. Die bekommen wir nicht. Leider sind Sorten aus der klassischen Getreidezüchtung für uns immer weniger geeignet. Wir kommen immer mehr zu Halbzwergen und brauchen im Bioanbau robuste Sorten. Ausreichende Standfestigkeit ist wichtig, damit sich Untersaaten gut etablieren lassen. Hohe Einzelährenerträge tragen dazu bei, dass sich die Untersaaten durch bessere Sonneneinstrahlung entwickeln. Diese Fragestellungen gibt es in der konventionellen Züchtung überhaupt nicht. Wie haben sich denn Ihre Erträge im Ackerbau entwickelt? Braun: Ich verzichte auf Eingriffe in den Boden. Ich weiß als Pflanzenbauer, dass ich, wenn ich gezielt eingreifen würde, über den erhöhten Sauerstoff im Boden sehr viel mineralisieren könnte. Ich habe in den letzten 18 Jahren drei Prozent Humus aufgebaut: Das ist eine ordentliche Menge. Derzeit erreiche ich im Getreide im Durchschnitt um die 50 dt/ha. Ich säe aber gemeinsam mit Getreide Kleegras und auch die Deckfrucht. Die bringt im Herbst viel Biomasse. Wir erreichen locker ein sehr intensives Ertragsniveau Der Klee steht einen halben Meter hoch, wenn der Weizen gedroschen wird. Sechs Wochen darauf kann ich es nutzen. Betrachte ich die gesamte Biomasseleistung von Deckfrucht, Stroh- und Kornertrag, an Kleegrasertrag beim Weizendrusch sowie beim Schnitt und zusätzlich die Wurzelbiomasse und den gebundenen Stickstoff, dann erreiche ich Biomasseerträge, die locker auf sehr intensivem Niveau liegen. Mein Ziel ist, Bodenfruchtbarkeit aufzubauen und darüber die Wasserhaltefähigkeit und die N- Nachlieferung zu erhöhen. So kann sich das Ertragsniveau von Jahr zu Jahr kontinuierlich verbessern. Ohne dass ich über Bodenlockerung oder andere Technik in das System eingreife. Heißt nicht eingreifen, pfluglos ist Pflicht? Was sind wichtige Änderungen in der Bodenbearbeitung? Braun: Ich halte nichts von der Diskussion Pflug oder pfluglos. Niemand muss direkt ohne Pflug arbeiten. Mir ist wichtig, dass jeder sich der Gesetzmäßigkeiten bewusst ist. Aus meiner Sicht ist im Bioanbau problemlos der Pflug einzusetzen. In der Zeit von Juli bis September legen die Regenwürmer ja einen Sommerschlaf ein und gehen in tiefere Schichten um 30 cm. Nach der Getreideernte würgt das Pflügen keine Regenwürmer ab und nimmt ihnen auch keine Nahrung weg, denn die Würmer nehmen das Futter von der Bodenoberfläche auf. Der Bioanbau verwendet wenn es geht einen Zweischichtenpflug, damit nur die oberen 10 bis 15 cm gewendet werden. Im unteren Bereich bricht das den Boden Schichten erhaltend auf. In den jeweiligen Bodenschichten leben ungefähr die gleichen Mikroorganismen. Wer den gesamten Horizont von 0 bis 30 cm durchwühlt, bringt das Bodenleben total durcheinander. Wichtig ist, Schichten erhaltend zu arbeiten. 4 Klaus Strotmann, dlz agrarmagazin

Welches Grundverständnis von Boden und Pflanze ist für erfolgreiche Umsteller wichtig? Braun: Gut ausgebildete Ackerbauer haben eine gute Basis. Sie arbeiten ordentlich, ziehen sauber die Pflugfurche, säen sauber. Das ist im Bioanbau noch viel wichtiger als im konventionellen. Jede Fläche, die ich offen liegen lasse, bringt Quecke, Distel oder Ampfer. Der Bauer muss aber auch Einfühlungsvermögen haben für Boden und Pflanzen. Ich gehe davon aus, dass sich das wieder finden lässt, auch wenn es vergraben ist. Gut beraten ist, wer sich vor der Umstellung intensiv mit Bio beschäftigt. Weiterbildungsangebote sind auch wichtig. Berührungsängste zu Bios braucht niemand zu haben. Ich kann nachvollziehen, dass Umstellungswillige eine Scheu vor Bio haben. Sie werden möglicherweise aus der bäuerlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Ich habe diese Erfahrung gemacht. Ich war für viele ein Verräter, weil ich vorher intensiv gewirtschaftet hatte. Mittlerweile hat sich das aber wieder geändert. Der Erfolg bestätigt meinen Weg. Welche Perspektiven sehen Sie für den Bio- Landbau in Deutschland? Braun: Für mich ist es völlig klar, dass Bio die einzige Form der Landwirtschaft ist, die Zukunft hat. Ich sehe das gerade unter Herausforderungen wie Klima- und Hochwasserschutz oder Lebensmittelqualität. Entwickelter Bio-Anbau hat Chancen, die moderne Landwirtschaft nicht bieten kann. Dazu bräuchten wir aber und das ist dringend endlich faire Voraussetzung in der Forschung. Ministerin Schavan macht für die grüne Gentechnik jährlich 135 Mio. locker, die Fachagentur nachwachsende Rohstoffe bekommt 50 Mio., im Bundesprogramm Ökolandbau werden aber nur 5 Mio. für Forschung verwendet. Das ist kein fairer Wettbewerb. Würde Öko-Landbau in der Forschung richtig entwickelt, führte das zu unwahrscheinlich leistungsfähigen Systemen. Schon heute erreiche ich mit meinen Kühen 8000 bis 9000 kg Milch nur aus Grundfutter. Über den Regenwurmbesatz können wir große Mengen Stickstoff binden. Ich sehe meine Verantwortung der Schöpfung gegenüber. Bio würden alle Voraussetzungen schaffen, in Zukunft gesunde Lebensmittel nachhaltig zu erzeugen. Dazu muss sich einiges ändern, und das möglichst schnell. Herr Braun, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Klaus Strotmann. Das erhalten Sie unter www.dlv-shop.de oder telefonisch 089/12705-228, Fax -586 oder per email dlv.muenchen@dlv.de. Einzelheftpreis 11,25, Vorzugspreis für dlz agrarmagazin-abonnenten 9,20, jeweils zzgl. 2,95 Porto und Versandkosten. 5 Klaus Strotmann, dlz agrarmagazin