Über Wittgensteins Logikbegriff in der Logischphilosophischen

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Transkript:

HU Berlin SS 06 Seminar Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus von Uwe Scheffler und Ulrich Schlösser Essay von Johannes Stein Über Wittgensteins Logikbegriff in der Logischphilosophischen Abhandlung Inhalt Zusammenfassung... 1 Zum logischen Raum...1 Konsequenzen...5 Die im Text in eckigen Klammern angegeben Zahlen beziehen sich auf die Paragraphen aus: Wittgenstein, Ludwig; 1921: Logisch-philosophische Abhandlung. Zusammenfassung Der im Traktat vertretene Begriff von Logik wird anhand einer geometrischen Analogie zum logischen Raum erläutert. Anschließend werden einige seiner Auswirkungen diskutiert. Zum logischen Raum Wittgenstein stellt eine Korrespondenz zwischen der Sprache und der Welt fest. Ihr zufolge besteht die Welt aus Tatsachen, und die Sprache aus Sätzen 1. Die Tatsachen können in elementare Sachverhalte, die Sätze in Elementarsätze zerlegt werden. Elementarsätze bestehen aus Zeichen, Sachverhalte aus einer Relation von Dingen. Die Welt setzt sich also aus (sehr vielen) Sachverhalten zusammen. All diese Sachverhalte haben die Eigenschaft, zu bestehen. Es handelt sich dabei jedoch noch nicht um alle Sachverhalte, die es gibt. Denn es existieren ebenfalls Sachverhalte für alle Möglichkeiten, wie die Welt sein könnte. Nichtbestehende Sachverhalte konstituieren zwar keine Tatsachen in der Welt, jedoch gibt es für jeden nichtbestehenden Sachverhalt einen nichtwahren Elementarsatz unserer Sprache. Interessant an Elementarsätzen und Sachverhalten ist, dass sie völlig unabhängig voneinander sind, es also keinen Sachverhalt/Elementarsatz geben kann, der von einem anderen abhängt. Dies macht es meines Erachtens nahezu unmöglich, ein konkretes Beispiel für einen Elementarsatz oder Sachverhalt in 1 Außerdem werden Gedanken als sinnvolle Sätze bezeichnet [4]. Man könnte also sogar von einer dreifachen Korrespondenz sprechen (Gedanke-Satz-Tatsache). Da Sätze Gedanken sinnlich wahrnehmbar ausdrücken [3.1], sind sie einander sehr ähnlich. Wir wollen uns vornehmlich mit Tatsachen und Sätzen beschäftigen, doch können viele der Aussagen, die im Folgenden über das Verhältnis von Sätzen und Tatsachen getroffen werden, auch auf Gedanken bezogen werden. 1

unserer Welt zu finden. Die einzige Möglichkeit, die Funktionsweise von Sachverhalten dennoch anschaulich zu illustrieren, ist deshalb die Konstruktion einer künstlichen, stark begrenzten und vereinfachten Modell-Welt, in der wir einige wenige Sachverhalte postulieren und zusätzlich annehmen, sie seien voneinander vollständig unabhängig. Dies will ich im Folgenden versuchen. Doch zunächst müssen wir klären, wo denn die nichtbestehenden Sachverhalte sind, wenn sie nicht Teil unserer Welt sind. Die Antwort ist kurz, aber kryptisch: Alle Sachverhalte, die bestehenden wie die nichtbestehenden, befinden sich im logischen Raum. Ein Elementarsatz bildet einen Sachverhalt mittels der gemeinsamen logischen Form ab [2.18]. Zur Veranschaulichung des logischen Raums greift Wittgenstein auf den Vergleich zum geometrischen Raum zurück [3.411]. Mir scheint, dass sich uns damit eine Möglichkeit bietet, den Charakter des logischen Raums zu untersuchen, und dies ganz im Sinne des Traktats auf eine konkrete und unspekulative Art zu tun. Deshalb wollen wir den Gedanken eines geometrischen Analogons zum logischen Raum nun etwas weiter verfolgen. Der einfachste mögliche logische Raum hat nur eine Dimension, und enthält genau einen Sachverhalt bzw. einen Elementarsatz: F W Auf der einzigen Dimensionsachse dieses Raumes gibt es darüberhinaus nur zwei Positionen: Wahr und falsch. (Man könnte ihn deshalb als binär bezeichnen.) In diesem Modell können wir jeden beliebigen Satz als Elementarsatz verwenden, da er offensichtlich nicht von einem anderen abhängen kann. Zum Beispiel Ich kann schwimmen. (S1) Damit bin auch ich ein Teil dieser Welt, nämlich ein Ding, das keinerlei weitere Eigenschaften besitzt, außer der, schwimmen zu können. Unabhängig davon, ob dieser Sachverhalt besteht oder nicht, spannt er den oben abgebildeten logischen Raum auf. Denn obwohl ein Sachverhalt selbst nur einen Teil des logischen Raums einnimmt, definiert er durch seine Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens bereits eine Dimensionsachse, also hier den gesamten logischen Raum [3.42]. Unsere Sprache umfasst damit schon zwei Aussagen: Ich kann schwimmen und Ich kann nicht schwimmen. Nehmen wir an, ich könnte schwimmen, so wäre die erste Aussage wahr, die zweite falsch. Der Sachverhalt, dass ich schwimmen kann, bestünde. (Wir müssen annehmen, dass der verneinende Satz aus logischer Sicht keinen neuen Sachverhalt hinzufügt, sondern sich auf den logischen Ort des Satzes bezieht, den er verneint [vgl. 4.0621, 4.064f]. Andernfalls wäre es offensichtlich unmöglich, irgendeinen unabhängigen Satz zu formulieren). Wie kommt man nun von unserem minimalistischen Beispiel zur logischen Struktur der wahren Welt? Ganz einfach, 2

indem man weitere Dimensionen zum logischen Raum hinzufügt! Da jeder (atomare) Sachverhalt eine eigene Dimension benötigt, hätten wir es schnell mit sehr vielen Dimensionen zu tun. Betrachten wir einmal die prinzipielle Vorgehensweise: In einem zweidimensionalen Raum können bereits zwei Elementarsätze miteinander verbunden dargestellt werden (B1, linke Abbildung). Auch die Verknüpfung von drei Elementarsätzen können wir ohne weiteres abbilden, doch damit sind die Möglichkeiten der geometrischen Darstellung bereits erschöpft (B1, rechts). W, W,,W,W (B1) F, F,,F,W Der Übersichtlichkeit und des Platzes wegen wollen wir uns nun lediglich mit dem zweidimensionalen logischen Raum beschäftigen. Wir gehen also von einem geometrischen Modell wie dem linken in (B1) aus. Auf die Y-Achse unseres Systems legen wir (S1), für die X-Achse wählen wir den per Definition in unserem Modell elementaren Satz Das Schwimmbad ist geöffnet. (S2) Nun sind wir in der Lage, eine ganze Reihe von Sätzen zu bilden, in denen die einzelnen Elementarsätze entweder wahr oder falsch sind. Wittgenstein stellt zur Berechnung der Anzahl der zusammengesetzten Sätze folgende Formel auf [4.27]: n K n = v=0 n v (F1) In Worten ausgedrückt, wird in (F1) die Summe aller möglichen Kombinationen aus n Elementarsätzen berechnet. Diese Formel können wir zu K n =2 n (F1') vereinfachen. Während (F1) in Wittgensteins Herangehensweise das Prinzip besser beschreiben mag, ist (F1') im Zusammenhang mit (B1) anschaulicher: Auf jeder Dimension liegen zwei Punkte, und diese werden mit jedem anderen kombiniert. Das Ergebnis dieser Rechnung kann man sich anhand einer weiteren geometrischen Abbildung veranschaulichen: (B2) 3

Dabei stellen die schraffierten Bereiche die Wahrheitswerte der Elementarsätze dar. In Worte gefasst, werden in (B2) folgende Tatsachen dargestellt (v.l.n.r.): Nicht (S1) und nicht (S2), (S1) und nicht (S2), nicht (S1) und (S2), (S1) und (S2). So haben wir alle Eventualitäten unserer Modell- Welt geklärt, sie hat immer genau einen dieser vier Zustände. 1 Als nächstes wollen wir die Aussagen, die wir über diese Zustände der Welt machen können, untersuchen. Damit sind zum Beispiel Sätze der Art (S1) oder (S2) gemeint. Nach Wittgenstein besitzt jeder dieser Sätze eine Position im logischen Raum, welche sich aus den Wahrheitsbedingungen ergibt, die er an seine Elementarsätze stellt. Die Anzahl der möglichen Aussagen wird im Traktatus mit der Formel K n L n = K=0 K n K (F2) Angegeben [4.42], welche wir in Analogie zu (F1') nach L n =2 K n =2 2 n (F2') vereinfachen können. Wir müssen in (F2') also das Ergebnis von (F1') abermals als Exponent von 2 einsetzen. Die 16 resultierenden Möglichkeiten stellen sich geometrisch wie folgt dar: 2 (B3) 1 Betrachten wir den dreidimensionalen Teil von (B1), können wir in gleicher Weise feststellen, dass auch hier die Berechnung mit 2 hoch n funktioniert, das Ergebnis wären 2 hoch 3, also acht mögliche Kombinationen der drei Elementarsätze. 2 Spätestens hier bestätigt sich die Prognose, dass die Betrachtung der dreidimensionalen Darstellung zu unübersichtlich geworden wäre, denn nun müssten wir zwischen 2 hoch (2 hoch 3), also 256 Fällen, unterscheiden. 4

Die Sätze, die in (B3) dargestellt sind, lassen den Elementarsätzen jeweils einen gewissen Spielraum. Wenn die Zustände der Sachverhalte, die von den Elementarsätzen abgebildet werden (und damit der Zustand der Welt) in den schraffierten Bereich eines Satzes fallen, ist er auch insgesamt wahr, andernfalls falsch. Die rechte Grafik der dritten Reihe zeigt zum Beispiel die Wahrheitsbedingungen des Satzes (S1) oder (S2), wobei das 'oder' hier einschließend zu verstehen ist, sodass auch der Fall (S1) und (S2) seine Wahrheitsbedingungen erfüllt. Ein exklusives 'oder' entspricht dagegen der zweiten Abbildung der dritten Reihe. Besonders interessant sind die zwei letzen Fälle von (B3). Beim Ersten der beiden füllt der Satz den logischen Raum vollständig aus, der zweite lässt ihn komplett leer. Wittgenstein nennt den ersten Fall eine Tautologie, den zweiten eine Kontradiktion. Die Tautologie würde, in Worte gefasst, etwa so klingen: ((S1) oder nicht (S1)) und ((S2) oder nicht (S2)). Sie legt sich also kein bisschen in ihrer Aussage über die Welt fest, sondern wäre in jedem der vier Zustände unserer Modell-Welt wahr. Die Kontradiktion dagegen klingt folgendermaßen: ((S1) und nicht (S1)) und ((S2) und nicht (S2)). Auch hier wird nichts über die Welt gesagt, denn der Satz ist, unabhängig vom Zustand der Welt, unwahr, und hat keine Position im logischen Raum. Konsequenzen Anhand der bisherigen Erläuterungen wird eine der zentralen Thesen des Traktats deutlich: Alles, was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen [4.116]. Jeder sinnvolle oder sinnlose Satz kann in der gerade gezeigten Art in seine elementaren Bestandteile zerlegt werden, deren Wahrheitswerte dann eindeutig bestimmbar sind. Aus der logischen Struktur des Satzes ergeben sich seine Wahrheitsbedingungen (B3), und diese zusammen mit den Wahrheitswerten der Elementarsätze (B2) ergeben dann den Wahrheitswert des gesamten Satzes. Jeder Satz, mit dem dieses Verfahren nicht zu eindeutigen, klaren Ergebnissen gelangt, ist Wittgenstein zufolge weder wahr noch falsch, sondern schlicht unlogisch und damit unsinnig. Was Wittgenstein mit unlogischen Sätzen meint, illustriert er durch eins seiner wenigen Beispiele: Der Satz Sokrates ist identisch ist unverständlich, weil 'identisch' als Eigenschaftswort keinen Sinn besitzt [5.473ff]. Aus logischer Sicht fallen solche Sätze in eine Klasse mit unartikulierten Lautäußerungen von Kleinkindern. Bezogen auf die geometrische Abbildung würde ihnen vielleicht ein Tintenklecks oder die Verwendung der Rückseite als Einkaufsliste entsprechen. Die Logik selbst ist zwar nicht unsinnig, jedoch sinnlos. Sie liefert keine Wahrheitswerte für die Elementarsätze, sondern ist tautologisch, und fügt den Sätzen nichts hinzu (Vergleichbar mit dem, was wir meinen, wenn wir ausrufen Ist doch logisch!, im Sinne von Ist doch offensichtlich ). 5

Die Logik dient lediglich dem Aufzeigen von Strukturen und dem Ziehen von Schlüssen. Die Wahrheitswerte der Elementarsätze, also gewissermaßen die Substanz, mit der die Logik arbeitet, kann nur empirisch, durch Untersuchung der Welt, ermittelt werden [4.11]. Theorien und Sätze aus vielen Bereichen der Philosphie, insbesondere der Metaphysik, Ethik und Ästhetik, sind demzufolge unsinnig. Die Logik kann nicht empirisch begründet werden, jedoch ist dies auch garnicht erforderlich: Sie ist apriorisch, da wir nicht (in Wittgensteins Sinn) unlogisch denken können [5.4731]. 6