Serge Jeanneau +1 1 8 81 serge.jeanneau@bis.org. Märkte für derivative Instrumente Der Gesamtumsatz der von der BIZ erfassten börsengehandelten Finanzderivate ging im vierten Quartal zurück. Nach einer Zunahme um 1% im Vorquartal sank das Handelsvolumen um 1% auf $ 17 Bio. (Grafik.1). Das Geschäft war in allen wichtigen Marktrisikokategorien (Festzinsen, Aktienindizes, Devisen) schwächer, wobei aber der Umsatz der Aktienindexkontrakte nur geringfügig zurückging. Als sich die Aktienmärkte der USA und Europas in der zweiten Oktoberwoche zu erholen begannen, entwickelte sich das Geschäft in jenem Monat ungewöhnlich dynamisch. In den folgenden beiden Monaten schwächte es sich dann aber weltweit so stark ab, dass der Umsatz im vierten Quartal unter dem des Vorquartals zurückblieb. Im Berichtszeitraum wurden sowohl im Börsen- als auch im ausserbörslichen Geschäft neue, innovative Kontrakte vorgestellt, darunter auch Kontrakte auf Wirtschaftsdaten (s. Kasten weiter unten). Für das Jahr als Ganzes stieg der Gesamtumsatz der Finanzkontrakte um 17% auf $ 9 Bio. Umsatz börsengehandelter Futures und Optionen Quartalszahlen, Bio. US-Dollar Nach Kontrakttyp Nach Region Langfristiger Zinssatz Kurzfristiger Zinssatz Aktienindex 1 Asien und Pazifik Europa Nordamerika 1 1 1 8 8 98 99 1 98 99 1 Quellen: FOW TRADEdata; Futures Industry Association; eigene Berechnungen. Grafik.1 BIZ-Quartalsbericht, März 3 35
Umsatzrückgang infolge geringeren Interesses an Zinskontrakten Der Umsatz von börsengehandelten Zinskontrakten fiel im vierten Quartal um 13% auf $ 15,3 Bio., nachdem er im Vorquartal um 1% zugenommen hatte. Hauptverantwortlich für den Rückgang in absoluten Zahlen waren die Kontrakte auf kurzfristige (Geldmarkt-)Zinssätze, wertmässig das mit Abstand grösste Segment der börsengehandelten Finanzderivate. Hier fiel der Umsatz um 13% auf $ 13,1 Bio. 1 Eine Besonderheit des Zinsgeschäfts im vierten Quartal war der ausgeprägte Rückgang des US-Handels im kurzfristigen Bereich. Der Umsatz kurzfristiger US-Kontrakte die USA sind der grösste Markt für kurzfristige Instrumente verringerte sich um nahezu % auf $ 7 Bio. Im Oktober war der Umsatz kurzfristiger US-Kontrakte lebhaft, weil die Wende an den Aktienmärkten die Händler veranlasste, ihre Erwartungen in Bezug auf das künftige Wirtschaftswachstum und mögliche Lockerungen der Geldpolitik zu korrigieren (s. Überblick). Nach Angaben von Marktteilnehmern hatten der Rekordzuwachs bei den Hypothekenrefinanzierungen in der ersten Oktoberwoche und der drohende Krieg im Nahen Osten die implizite Volatilität von kurzfristigen Zinsoptionen und Swaptions auf historische Höchststände getrieben. Jedoch sackte der Umsatz wieder drastisch ab, nachdem die überraschende Senkung der US-Notenbankzinsen um einen halben Prozentpunkt am. November den Marktteilnehmern suggerierte, dass die Notenbankzinsen jetzt eine Zeitlang stabil bleiben würden. Mit der saisonbedingten Auflösung von Positionen im Dezember ging der Umsatz noch weiter zurück. Einbusse bei kurzfristigen US-Kontrakten...... angesichts gelockerter US-Geldpolitik Volatilität der wichtigsten Anleihemärkte Gleitender 5-Tages-Durchschnitt 1-jährige US-Schatzanweisung 1 1-jährige deutsche Staatsanleihe 1 1-jährige japanische Staatsanleihe 1 8 8 8 GARCH¹ Implizit² Juli 1 Jan. Juli Jan. 3 Juli 1 Jan. Juli Jan. 3 Juli 1 Jan. Juli Jan. 3 1 Auf Jahresbasis umgerechnete bedingte Varianz der täglichen Schwankung der Anleiherenditen aus einem GARCH- Modell (1.1). Durch den Preis von Call-Optionen am Geld implizierte Volatilität. Quellen: Bloomberg; Angaben der einzelnen Länder; eigene Berechnungen. Grafik. 1 Einschl. Kontrakte auf Eurodollar-, EURIBOR- und Euroyen-Sätze. 3 BIZ-Quartalsbericht, März 3
Umsatz von Kontrakten auf Staatsanleihen Quartalsumsatz von Futures, Bio. US-Dollar USA Deutschland Japan und Vereinigtes Königreich 5-jährig 1-jährig 3-jährig 5 -jährig 5-jährig 1-jährig 1 1 Japan, 1-jährig Vereinigtes Königreich, 1-jährig 5 8 3 3 1 1 1 1 1 Quellen: FOW TRADEdata; Futures Industry Association; eigene Berechnungen. Grafik.3 Starker Rückgang bei Anleihekontrakten...... besonders in Japan In Europa erhöhte sich der Umsatz kurzfristiger Instrumente geringfügig auf $ 9,8 Bio. Die monatliche Geschäftsentwicklung verlief ähnlich wie am US-Markt. Der Umsatz erreichte im Oktober ein Rekordhoch und ging dann in den folgenden beiden Monaten allmählich zurück, er verharrte jedoch im gesamten Berichtszeitraum auf historisch hohem Niveau. Aufgrund dieses Unterschieds nahm der europäische Handel im kurzfristigen Bereich im Vergleich zum US-Handel zu. Der Umsatz an den europäischen Börsen hatte in der ersten Jahreshälfte etwa % des Umsatzes an den US-Börsen betragen; in der zweiten Jahreshälfte stieg er dagegen auf fast %. Der Handel mit Kontrakten auf Staatsanleihen sank weltweit um 1% auf $, Bio., wobei sich dieser Rückgang geografisch weitgehend gleichmässig verteilte (Grafik.3). Der Handel mit Kontrakten auf deutsche Staatsanleihen dem grössten Markt für derartige Kontrakte ging um 13% auf $ 1,9 Bio. zurück. Wie bei den kurzfristigen europäischen Kontrakten erreichte der Handel mit Kontrakten auf deutsche Staatsanleihen im Oktober eine Rekordmarke und ging dann in den folgenden beiden Monaten zurück. Von diesem Rückgang waren die meisten Futures und Optionen betroffen, am stärksten jedoch der Bund-Kontrakt. Optionen auf Futures auf -jährige deutsche Bundesschatzanweisungen (sog. Schatz-Kontrakte) bildeten eine bemerkenswerte Ausnahme; ihr Umsatz stieg um 5%. Bei diesen Optionen ist seit Anfang ein beträchtliches Wachstum zu verzeichnen; sie werden inzwischen fast so lebhaft gehandelt wie Optionen auf Bund-Futures. Schatz- Kontrakte werden häufig eingesetzt, um Positionen auf mögliche Änderungen der Notenbankzinsen einzugehen. Der Umsatz von Kontrakten auf japanische Staatsanleihen ging noch stärker zurück als der Umsatz von Kontrakten auf deutsche Staatsanleihen, nämlich um 8% auf $ 1,3 Bio. Im September war er noch kräftig gestiegen, als die Anleger auf die potenziellen steuerlichen Auswirkungen der Bankenreform reagierten. Weitere Meldungen über die Reformen im Finanzsektor hatten im BIZ-Quartalsbericht, März 3 37
Oktober einigen Einfluss auf den Markt für japanische Staatsanleihen, doch die Auswirkungen auf den Derivativumsatz scheinen begrenzt gewesen zu sein. Im Vergleich zu den Kontrakten auf deutsche und japanische Staatsanleihen ging der Handel mit Kontrakten auf US-Schatztitel etwas weniger stark zurück, nämlich um % auf $ 7,1 Bio. Bei den meisten Futures und Optionen war ein Umsatzrückgang zu verzeichnen, wenn auch der Handel mit Kontrakten auf 1-jährige Schatzanweisungen infolge einer geringfügigen Umsatzsteigerung bei den Optionen ganz leicht zulegte. Eine bemerkenswerte neuere Entwicklung am US-Markt war die allmähliche Verdrängung des CBOT-Kontrakts auf 1-jährige Notes staatsnaher Körperschaften ( Agencies ) durch die eigenen Futures des CBOT auf 1-jährige Zinsswaps (Grafik.). Kontrakte auf Notes von US-Agencies waren Anfang eingeführt worden, vermochten aber nicht genügend Liquidität anzuziehen, um den Marktteilnehmern eine kostengünstige Absicherung zu ermöglichen. Futures auf Zinsswaps wurden im vierten Quartal 1 eingeführt. Ihr Umsatz bleibt zwar bei weitem hinter dem der CBOT-Kontrakte auf 1-jährige US-Schatzanweisungen zurück, er nimmt jedoch stetig zu. Die Preise für vergleichbare Agency-Notes und Swaps weisen eine hohe Korrelation auf. Das bedeutet, dass die beiden Kontrakte für die Absicherung und das Eingehen von Positionen auf Zinssätze nichtstaatlicher Schuldtitel im Prinzip nahezu austauschbar sein dürften. Allerdings wird der Kontrakt auf Agency-Notes physisch abgewickelt und ist damit für Händler etwas weniger attraktiv als der in bar abgewickelte Swapkontrakt. Anstieg bei US-Swapkontrakten Umsatz von Futures auf 1-jährige Notes von US-Agencies und Zinsswaps Nominalwert, Mrd. US-Dollar 1-jähriger Zinsswap 1-jährige Agency-Note 3 1 Q1 Q3 1 Q1 1 Q3 Q1 Q3 Quelle: FOW TRADEdata. Grafik. Die physische Abwicklung ist zumeist komplexer, da eine Lieferungsoption besteht, die dem Verkäufer eines Kontrakts die Möglichkeit gibt, die zur Erfüllung seiner Lieferverpflichtung erforderlichen Instrumente zu wählen. 38 BIZ-Quartalsbericht, März 3
Börsen führen im vierten Quartal innovative Kontrakte ein Im November führten One Chicago (ein Gemeinschaftsunternehmen der drei grossen Börsen in Chicago) und NQLX (ein Gemeinschaftsunternehmen von NASDAQ und Euronext.liffe) in den USA den Handel mit Futures auf einzelne Aktien ein. An beiden Börsen können ihre jeweiligen Kontrakte elektronisch gehandelt werden. Die Befürchtung, dass der Handel mit Futures auf einzelne Aktien negative Auswirkungen auf den Handel mit den zugrunde liegenden Aktien und auf deren Volatilität haben könnte, hatte in den frühen achtziger Jahren zu einem Verbot dieser Instrumente geführt. Zwar werden an einigen Börsen schon seit Jahren wieder Futures auf einzelne Aktien gehandelt, doch ist eine breite Akzeptanz auf dem Markt bisher ausgeblieben. Im Jahr machte das Transaktionsvolumen von Futures auf einzelne Aktien weltweit weniger als % des Handelsvolumens von Optionen auf einzelne Aktien aus. Im gleichen Monat führten One Chicago und NQLX auch Futures auf eine Reihe von an US-Börsen gehandelten Fonds ( exchange-traded funds, ETF) ein. Optionen auf ETF werden in den USA seit 1999 gehandelt. Futures auf derartige Instrumente wurden jedoch erst vor kurzem zugelassen. Gleichzeitig begann die Eurex als erste europäische Börse mit der Notierung von Futures und Optionen auf eine Reihe von nationalen und gesamteuropäischen ETF. ETF haben sich in den letzten Jahren rasch verbreitet, und die Börsen betrachten sie als vielversprechendes Feld für die Entwicklung neuer Kontrakte. Die Wertpapierbranche hatte die Befürchtung geäussert, Futures-Kontrakte auf Aktien oder Schuldtitel eines einzigen Emittenten könnten den Kassamarkt für die Basiswerte negativ beeinflussen. Der Shad-Johnson Accord von 198 enthielt ein Verbot von Futures auf einzelne Aktien; dieses wurde im Dezember mit der Verabschiedung des Commodity Futures Modernization Act aufgehoben. ETF sind an der Börse gehandelte Wertpapiere (oder Indexfonds), die auf einem Korb von treuhänderisch gehaltenen Aktien basieren. ETF können während des gesamten Handelstages zu Intraday-Preisen gekauft bzw. verkauft werden, und zwar im Gegensatz zu herkömmlichen Investmentfonds-Anteilen, die normalerweise nur zu Tagesendpreisen ausgegeben bzw. zurückgenommen werden. Aktienindexkontrakte stabil Der Umsatz von Aktienindexkontrakten blieb nahezu unverändert und lag mit $ 17,3 Bio. nur leicht unter dem Stand des Vorquartals. Hinter diesem Gesamtergebnis verbergen sich jedoch erhebliche regionale Unterschiede. Rückgänge von % in den USA und 1% in Europa wurden durch eine Zunahme von 17% in Asien ausgeglichen. Die Expansion des Handels mit Aktienindexkontrakten in Asien spiegelt zu einem Grossteil die weiterhin dynamische Entwicklung dieser Kontrakte in Korea wider, ein Markt, der inzwischen 3% des weltweiten Umsatzes ausmacht. Geschäft mit börsengehandelten Finanzderivaten im Gesamtjahr weiterhin lebhaft lebhaftes Geschäft mit Aktienindexkontrakten Im Jahr als Ganzes stieg der Gesamtumsatz der von der BIZ erfassten börsengehandelten Finanzderivate um 17% auf $ 9 Bio., verglichen mit einem Anstieg von 55% im Vorjahr. Der Handel mit Aktienindexkontrakten wuchs um 3% auf $ Bio., wofür hauptsächlich die rasche Expansion bei den Optionskontrakten in Korea, die Entwicklung kontinentaleuropäischer Aktienindizes und der Erfolg von auf Privatanleger ausgerichteten Indexkontrakten in den USA verantwortlich waren. Der Umsatz von Zinsinstrumenten, dem grössten Segment des Marktes für BIZ-Quartalsbericht, März 3 39
börsengehandelte Finanzinstrumente, stieg um 15% auf $ 7 Bio. In Prozent ausgedrückt war das Wachstum bei den kurzfristigen Zinskontrakten mit dem der Kontrakte auf Staatsanleihen vergleichbar. Die Gesamtumsätze von Kontrakten auf Geldmarktinstrumente und auf Staatsanleihen beliefen sich auf $ 58 Bio. bzw. $ 79 Bio. Bei den Währungskontrakten schliesslich wurde ein bescheidener Anstieg von 3% auf $,9 Bio. verzeichnet. In diesem Segment ist es den Börsen bisher nicht gelungen, erfolgreich mit den ausserbörslichen Märkten zu konkurrieren. Erklären lässt sich dies im Wesentlichen dadurch, dass am internationalen Interbankmarkt ein breites Spektrum von liquiden kurzfristigen Absicherungs- und Handelsinstrumenten zur Verfügung steht. Economic Derivatives : neue Kontrakte auf Wirtschaftsdaten Blaise Gadanecz Im Oktober führten die Deutsche Bank und Goldman Sachs am Markt für ausserbörsliche Derivate eine neue Art von Optionen ein. Mit diesen Optionen können Marktteilnehmer Positionen auf wichtige gesamtwirtschaftliche Daten aus den USA eingehen, bevor sie bekannt gegeben werden. In diesem Kasten werden die innovativen Aspekte dieser Optionen beschrieben, und es wird dargelegt, welche Informationen sich aus den Preisen dieser Optionen ableiten lassen. Die terminierten Veröffentlichungen neuer gesamtwirtschaftlicher Daten aus den USA gehören zu den wichtigsten Informationsereignissen an den Finanzmärkten. Die am meisten beachteten Indikatoren sind der Beschäftigungsbericht, der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe, der Produzentenpreisindex (PPI) und die Einzelhandelsumsätze. All diese Daten werden monatlich bekannt gegeben und sind so terminiert, dass die Marktteilnehmer nicht nur den Tag ihrer Bekanntgabe, sondern auch die genaue Uhrzeit kennen. Der Beschäftigungsbericht zum Beispiel wird jeweils am Freitag um 1.3 Uhr (MEZ) veröffentlicht. 5-Jahres-Renditen an Veröffentlichungstagen Differenz gegenüber der zum Veröffentlichungszeitpunkt notierten Rendite der US-Schatzanweisung; Basispunkte. Jan. 3, ISM-Index, 1. Uhr MEZ 7. Feb. 3, US-Beschäftigung (ohne Landwirtschaft), 1.3 Uhr MEZ 15 1 5 - -5 1. 15. 1. 17. 18. - 1. 15. 1. 17. 18. Anmerkung: Renditen notiert in 5-Minuten-Intervallen von 1. Uhr bis 18. Uhr. Die vertikale Linie entspricht dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, die vertikalen Achsen der Differenz gegenüber der zum Veröffentlichungszeitpunkt notierten Rendite. Quellen: Bloomberg; eigene Berechnungen. BIZ-Quartalsbericht, März 3
Am Markt für US-Schatztitel sind die stärksten Preisausschläge typischerweise innerhalb weniger Minuten um den Zeitpunkt dieser Bekanntgaben zu verzeichnen und einer deutlichen und sofortigen Reaktion der Marktteilnehmer auf die neuen Informationen zuzuschreiben. Die vorstehende Grafik illustriert die Reaktion des Marktes auf typische Überraschungen bei den gesamtwirtschaftlichen Daten. Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe im Dezember zeigte einen Anstieg bei den Auftragseingängen, bei der Produktion und bei anderen Indikatoren, was einen Höhenflug der Renditen von US-Schatzanweisungen bewirkte. Die Beschäftigtenzahlen (ohne Landwirtschaft) für den Januar zeigten ein überraschend starkes Beschäftigungswachstum. Anfänglich stiegen denn auch die Renditen, obgleich dieser Effekt im weiteren Tagesverlauf durch andere Faktoren neutralisiert wurde. Die innovative Eigenschaft dieser neuen Optionen besteht darin, dass sie die Existenz von Wirtschaftsmeldungen explizit anerkennen und es den Marktteilnehmern ermöglichen, Positionen auf die bekannt zu gebenden Daten einzugehen. In der Vergangenheit konnten Spekulanten lediglich eine Position auf die Stossrichtung einer möglichen Überraschung eingehen, also darauf spekulieren, dass die tatsächlichen Daten höher bzw. niedriger als erwartet liegen würden. War man beispielsweise der Meinung, dass die Beschäftigtenzahlen ausserhalb der Landwirtschaft stärker zunehmen würden, als es der Prognosemittelwert aus Expertenbefragungen nahe legte, dann konnte man eine Short-Position auf US-Schatztitel eingehen. Eine höhere Beschäftigtenzahl als erwartet würde nämlich auf wirtschaftliche Stärke hindeuten und damit zu rückläufigen Anleihekursen führen. Es gab jedoch bei der Positionierung keine Möglichkeit zu differenzieren, ob man im Vergleich zum Prognosemittelwert mit einer um 5 oder 1 höheren Beschäftigtenzahl rechnete. Mit den neuen Optionen ist dies jetzt möglich, da die Ausübungspreise sich jeweils auf die mögliche Höhe der bekannt zu gebenden Zahlen beziehen. Die Optionen werden nach dem Prinzip des Mindestzinstenders (sog. holländische Auktion) gehandelt, wobei die Abwicklung in bar auf der Grundlage des Unterschieds zwischen dem Ausübungspreis und der tatsächlichen Höhe des betreffenden Indikators erfolgt. Goldman Sachs agiert für alle ausgeübten Optionen als zentraler Kontrahent. Für Meldungen wie die Beschäftigten- Expertenprognosen und durch Optionspreise implizierte Wahrscheinlichkeiten US-Beschäftigung (ohne Landwirtschaft) September 1 ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe, Oktober Durch Optionspreise implizierte Wahrscheinlichkeit Expertenschätzungen in Prozent 5 15 3 1 15 5 < -5-15 bis -1 bis 5 15 bis < bis 7 9 bis 5 >5 1 Datenveröffentlichung des Bureau of Labor Statistics am. Oktober ; absolute Veränderungen, in Tausend. Datenveröffentlichung des Institute for Supply Management am 1. November, Prozentpunkte. Quellen: Bloomberg; Deutsche Bank; eigene Berechnungen. S. E. M. Remolona und M. J. Fleming (1999): Price formation and liquidity in the US Treasury market: the response to public information, The Journal of Finance, Bd. LIV, Nr. 5, Oktober. S. auch C. Furfine (1): Wird der US-Anleihemarkt noch von Meldungen aus der Gesamtwirtschaft bestimmt?, BIZ-Quartalsbericht, Juni. An den Finanzmärkten bezeichnet man mit holländischer Auktion ein Tenderverfahren, bei dem Wertpapiere zunächst den höchsten Geboten zugeordnet werden, bis die Gesamtmenge der angebotenen Wertpapiere abgedeckt ist. Alle erfolgreichen Bieter zahlen dann einen Preis entsprechend dem Gebot des niedrigsten zum Zug kommenden Bieters. Die holländische Auktion wird manchmal auch als Mindestzinstender oder Einheitspreisauktion bezeichnet. BIZ-Quartalsbericht, März 3 1
zahlen ausserhalb der Landwirtschaft im Beschäftigungsbericht, den ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe und die Einzelhandelsumsätze haben Auktionen bereits stattgefunden oder sind geplant. Es ist vorgesehen, auch Optionen für europäische Gesamtwirtschaftsindikatoren anzubieten. Anhand der Optionspreise, die sich aus den Auktionen ergeben, lässt sich für die diversen möglichen Bekanntgabewerte die implizite Wahrscheinlichkeit berechnen. Es ist jedoch unbedingt zu beachten, dass es sich dabei um risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten handelt, worunter man in der Terminologie der modernen Finanztheorie Wahrscheinlichkeiten versteht, in die Risikoprämien eingerechnet sind. So hätte ein Bekanntgabewert, an dem den Anlegern nicht gelegen ist, eine implizite oder risikoneutrale Wahrscheinlichkeit, die höher wäre als die objektive oder empirische Wahrscheinlichkeit. Die vorstehende Grafik illustriert die Wahrscheinlichkeitsverteilung für zwei Meldungen, nämlich die Entwicklung der US-Beschäftigtenzahlen ausserhalb der Landwirtschaft im September und den ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe im Oktober. Für jede der beiden Meldungen gibt es zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Die eine basiert auf den Optionspreisen, wie sie zum Schluss der vor der Bekanntgabe abgehaltenen Auktion beobachtet wurden; die andere basiert auf der Häufigkeitsverteilung der Expertenprognosen. Die beiden Verteilungen unterscheiden sich, weil sie auf unterschiedlichen Populationen von Marktteilnehmern beruhen. Die impliziten Verteilungen weisen negativen Bekanntgabewerten tendenziell höhere Wahrscheinlichkeiten zu. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Verteilungen der Expertenprognosen empirische Wahrscheinlichkeiten widerspiegeln, während die aus den Optionspreisen abgeleiteten Verteilungen Marktrisikoprämien enthalten. Anhand dieses Vergleichs lässt sich abschätzen, wie risikoscheu die Anleger sind. Indem die Economic Derivatives einen zusätzlichen antizipativen Messwert für die Markterwartungen hinsichtlich der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Indikatoren darstellen, könnten sie dazu beitragen, dass die grundlegenden Wirtschaftsdaten wirksamer in die Preise von Finanzinstrumenten einfliessen. Die Optionspreise werden zum Teil durch die Wahrscheinlichkeiten bestimmt, die der Markt den diversen möglichen Preisen des Basiswerts am Fälligkeitstag der Option zumisst. Diese Wahrscheinlichkeiten lassen sich dadurch ableiten, dass Optionen mit unterschiedlichen Ausübungspreisen verglichen werden. Anhand dieser Wahrscheinlichkeiten lässt sich dann eine implizite Verteilung der Preise des Basiswerts errechnen. BIZ-Quartalsbericht, März 3