Messen nosokomialer Infektionen Peter Walger Intensivmedizin, Infektiologie Johanniter Krankenhaus Bonn Task Force Infektiologie UKB Vorstand DGKH 07. Juni 2013 Nosokomiale Infektion Im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder ambulanten medizinischen Maßnahme, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand. Postoperativ (Chirurgie) Device-assoziiert (Intensivstation) Risiko-assoziiert (Alter, Onkologie) Erreger-assoziiert (MRSA, C. difficile, MRE) Endemisch (>90%) oder Ausbruch iatrogen/nicht-iatrogen schuldhaft ja/nein 1
Warum will Wer Was wissen? Das Messen von Krankenhausinfektionen Der Patient: Welches Risiko habe ich bei meinem Krankenhausaufenthalt / Eingriff? Der Klinikarzt: Welche Risiken hat mein Patient? Welche Qualität hat meine Arbeit? Wo liegt Potential zur Verbesserung? Die Klinik: Was schadet der Ökonomie? Was schadet dem Ruf des Hauses? Wo steht das Haus im Qualitätsvergleich? Ermittlung von Benchmarks (25-50-75% Quantil) Überschreiten induziert Handlungsbedarf Unterschreiten beruhigt Die Erfassungssysteme sind nicht geeignet, die Gesamtzahl der nosokomialen Infektionen festzustellen 2
Ausschuß für Gesundheit, 116. Sitzung, 25. 03. 2009 Zastrow (DGKH): 500.000 800.000 NI in Deutschland* 8% Sepsis = 40.000 Fälle,40% Letalität = 16.000 Tote (Bezug: SepNet) Juditzki (DKG) 400.000 600.000 NI** 10.000 15.000 Tote, eher weniger Beispiel ECDC: 300 Mio NI in Europa, 37.000 Tote, auf Deutschland berechnet: 7.500 Tote (?) *Geffers, Gastmeier, Rüden (RKI 2002): 500.000 800.000 NI ** Gastmeier, Geffers (DMW 2008): 400.000 600.000 NI Wieviele nosokomiale Infektionen gibt es? Stichproben als Basis für Hochrechnungen* Europa Diverse Studien Erfassungszeitraum Inzidenzrate (% pro Jahr) 1980 1994 6,1 9,3% WHO 14 Länder 1983 1985 8,4% (median) Deutschland NIDEP 1 1994 3,5% (mean) Deutschland DKG 1990 (DTI Daten 1987) 6,3% Deutschland NIDEP 2 1995 1998 6,9% Deutschland KISS seit 1996 500.000 800.000 NI* *aus: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 8 Nosokomiale Infektionen, RKI 2002 3
NIDEP-1 (3,5%): Zentrale Kritikpunkte Auswahl der Krankenhäuser mit geringer Rate Schwerkranker Niedrige Beatmungsrate (26,7%) Methode der Datenerhebung durch travelling surveillants Fehlende mikrobiologische Daten, Verlust von Fällen C. Ruef. Prevalence of Nosocomila infections Who Knows the true Rate? Infection 1997;25(4):203-5 Stellungnahme führender Krankenhaushygieniker, Mikrobiologen, Vertreter wiss. Fachgesellschaften und ärztlicher Standesorganisationen 1996 in Hyg Med 21(6):313-322.muß aufgrund der Verwendung der Prävalenzstudie und der dargestellten Mängel in der gesamten Durchführung dieser Studie festgestellt werden, daß die erhobenen Daten für eine Aussage zur Häufigkeit des Vorkommens von NI in deutschen Krankenhäusern und deren Bewertung ungeeignet sind.. Vielmehr sind die Daten der NIDEP-Studie geeignet, die dringend erforderlichen Qualitätsmassnahmen im Rahmen der Krankenhaushygiene in deutschen Krankenhäusern zu gefährden 4
Hochrechnungen auf der Basis publizierter NI-Raten (% pro Jahr) Zahl der vollstationären Patienten 2011: 18.774.027 NIDEP 1* (1994) 3,5% 657.091 KH mit eigenem MiBi-Labor Labor in anderer Stadt 5,08% 2,88% 953.720 540.692 DKG 1990 6,3% 1.182.763 NIDEP 2 (1995 1998) 6,9% 1.295.407 *Nosokomiale Infektionen in Deutschland Erfassung und Prävention. Daschner F et al. Band 56, BMG 1995 Weniger Blutkulturen weniger Infektionen? Gastmeier P et al. Anaesthesist 2011;60:902-907 Sofern 223 Intensivstationen ein externes Benchmarking der Mediane Intensivstationen Anzahl beabsichtigt der BK-Paare ist, muss im Jahr eine 2006: 60 Variationsbreite Adjustierung der ZVK-assoziierten 3,2 680/1000 Sepsisraten Patiententage entsprechend der BK-Frequenz erfolgen. Eine Ein Anstieg der BK-Frequenz um 100 BK/1000 Patiententage führte ausreichende zu einem 1,27-fachen Blutkultivierungsfrequenz Anstieg der Inzidenzdichte sollte sich der als ZVK-Sepsis Qualitätsparameter (95%-Konfidenzintervall, in der Intensivmedizin 95%-KI 1,01 1,26). etablieren. 5
European Antimicrobial Resistance Surveillance Network (EARS) 2010 Morbiditäts- und Mortalitäts-Inzidenz nosokomialer Infektionen in Deutschland 400.000 600.000 NI pro Jahr nach KISS Todesfälle: 2,6% (NIDEP 2) = 10.400 15.600 5,9% (nach USA-Daten) = 23.600-35.400 Grundlage sind Erfassungen von device-assoziierten Infektionen (HWI, MV, KI) und postop. WI. Eher Unterschätzung, da nicht erfasst: Gastrointestinale Infektionen außer CDAD, Nicht-post-OP-Haut- Weichgewebe-Infektionen, Atemwegsinfektionen, Pneumonien bei Nicht-Beatmeten, erst poststationär auftretende postop. Infektionen, ambulante NI, Blutkultur negative Sepsis, etc. etc. 6
Prozent 25.06.2013 Schätzungen: Sepsisprävalenz Deutschland, SepNet Sepsis schwere Sepsis/Schock gesamt Patienten auf deutschen ICU Mittlere Krankheitsdauer Neuerkrankungen / Jahr 1.742 1.545 3.287 9,2 8,5 ~79.000 ~75.000 ~154.000 Todesfälle / Jahr ~20.000 ~40.000 ~60.000 Letalität ca. 25% ca. 55% ca. 40% Brunkhorst FM et al. Infection 2005;33(Suppl 1):3 Ursprung der Sepsis: 57% nosokomial 40% 35% 30% 25% 35% 57% 37% 20% 15% 20% 10% 5% 0% 8% k.a. ambulant nosokomial Krankenhaus nosokomial ITS Brunkhorst FM et al. Infection 2005; 33 (Suppl 1): 3 7
Sepsis-Letalität Schätzungen des SepNet 154.000 Sepsis-Fälle pro Jahr Davon 57% nosokomial = 87.780 Fälle Mittlere Letalität ca. 40% = 35.112 nosokomiale Todesfälle pro Jahr Nos. attributable: Pneumonie 8778 21945 und (= 10 BSI: 25%)* 2400 Todesfälle pro Jahr (KISS-Daten 75.000 Fälle schwerer Sepsis Davon 57% nosokomial = 42.750 Fälle Mittlere 1997 Letalität 2004 ca. 55% = (Gastmeier 23.512 nosokomiale P. et al. Anästhesiol Todesfälle Intensivmed pro Jahr Notfallmed attributable Schmerzther. 4124 2005;40(5):267-72) 10.312 *Nach KISS: 2.7 Mio Beatmungstage, VAP-Rate 8,1/1000, 22.000 VAP, attr. Mort. 10-25% = 2200 5500 Tote mit Beatmungspneumonie.einige..Wann Hunderttausend wird endlich von Patienten einer erkranken fairen Presse pro Jahr an der Krankenhausinfektionen, Öffentlichkeit vermittelt, die dass Zahl der die Toten meisten pro Jahr Krankenhausinfektionen schwankt der Presse unvermeidbar zwischen 5000 und sind?... 20.000....die Fakten: ca. 3,5% aller deutschen Patienten bekommen auf Allgemeinstationen eine Krankenhausinfektion, auf Intensivstationen ungefähr 15%....Nur 30% aller Krankenhausinfektionen sind vermeidbar, 70% sind der Tribut an eine moderne, lebensrettende Medizin. Deutsches Ärzteblatt Jg. 109 Heft 25 22. Juni 2012 8
SENIC Project (Study Prävention the Efficacy nosokomialer on Nosocomial Infektionen Infection Control) Woher kommen die 30%? Haley et al. Am J Epidemiol 1980;111:472 + 1984;121:282 Vorbildstudie zur Vermeidbarkeit nosokomialer Infektionen Vergleich 1970 mit 1975/76 (nach Einführung eines Infektionskontrollprogramm) 339.000 Krankenakten KH mit infection control: NI-Reduktion um 32% KH ohne infection control: NI-Erhöhung um 18% Neue (Historische) Perspektive Null Infektionen Anekdotische Berichte lassen vermuten, daß sich ZVK-assoziierte Infektionen (CLA-BSI) und Beatmungspneumonien (VAP) durch Bündelstrategien auf fast Null reduzieren lassen Der Keystone Report (Pronovost et al. NEJM Dec. 2006) demonstrierte eine phänomenale Reduktion der ZVK-BSI auf ICU s in 48 Michigan Hospitälern von (median) 2.7 auf 0/1000 ZVK- Tage (device-tage), (mean) - 66% (p < 0.002) Die APIC* hat Zero Tolerance als Slogan einer Vision 2012 übernommen Das Ziel Null Infektionen ( Targeting Zero ) findet breite Zustimmung *Association for Professionals in Infection Control and Epidemiology 9
Offensive Präventionsstrategie durch Targeting Zero Beispiel Verkehr 1970 : 19.193 Verkehrstote 2012: 3606 80% Reduktion Kontinuierliche Surveillance ohne Benchmarks Was hat Einfluß auf das Präventionsverhalten der Verkehrsteilnehmer gehabt? Konzertierte nationale Aktion: innovative PKW- Technologie, Verkehrssicherheit, Starßenbau, Leitplanken-Technologie, TÜV, Verkehrskontrollen, Blitzmarathon, 10