Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen Vorstellung und Aufgaben der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) für Kinder und Jugendliche Dr. med. Astrid Kimmig, Oberärztin, Leitung PALUNA Susanne Haase, Pflegerische Leitung PALUNA 9. Tübinger Fachtagung für die Kinderkrankenpflege 16.09.2016
Agenda 12.04.2016 Fallbeispiel (in dieser Version entfernt) Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Vorstellung von PALUNA: Team der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche 2
Definition der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Unter Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen versteht man die aktive und umfassende Versorgung, die Körper, Seele und Geist des Kindes gleichermaßen berücksichtigt und die Unterstützung der betroffenen Familie gewährleistet. Sie beginnt mit Diagnosestellung und ist unabhängig davon, ob das Kind eine Therapie mit kurativer Zielsetzung erfährt. Es ist Aufgabe der professionellen Helfer, das Ausmaß der physischen, psychischen wie sozialen Belastung des Kindes zu erkennen und zu minimieren. Statement des International Meeting for Palliative Care in Children, Trento (IMPaCCT) zitiert nach Zernikow, C. Hasan: Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Palliativmedizin 2013; 14(04): 157-172 4
Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Eine wesentliche Aufgabe der Palliativmedizin ist die Auseinandersetzung mit dem oder den Therapiezielen. Klärung Welche Ziele sind medizinisch erreichbar und vom kranken Kind oder Jugendlichen sowie der Familie gewünscht? Welche Ziele sind medizinisch unerreichbar nach dem aktuellen Wissensstand? Therapieziele können sich im Verlauf ändern und müssen regelmäßig überprüft werden. Therapeutische Maßnahmen müssen sowohl medizinisch indiziert sein als auch den Therapiezielen entsprechen. 5
Therapie und Therapieziel-Änderung im palliativen Krankheitsverlauf Therapiephase Stadium Lebensdauer Therapieform Therapieziel Palliativ-Therapie- Phase Unheilbare fortschreitende Erkrankung Nicht prognostizierbar (Monate bis Jahre) Spezifische Therapie und symptomatische Therapie Prophylaxe Symptomkontrolle Lebensverlängerung Palliativ-(Care)- Phase Symptome durch Fortschreiten der Grunderkrankung Tage bis Wochen oder Monate Symptom-orientierte Therapie evtl. zusätzlich spezifische Therapie Prophylaxe Symptomkontrolle Terminalphase Symptome im Endstadium der Erkrankung Stunden bis Tage Symptom-orientierte Therapie Symptomkontrolle Sterbephase Symptome des unmittelbaren Sterbens Minuten bis Stunden Maximale Symptomorientierte Therapie bis hin zur palliativen Sedierung Symptomkontrolle 6 Nach: C. Bausewein: Leitfaden Palliativ Care, München 2015, S. 5
Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Kommunikation Offene und ehrliche Kommunikation von der Diagnosestellung an ist die wichtigste Grundvoraussetzung für das Vertrauen von Kindern und Eltern, das für eine kurative Therapie sowie für eine gute Palliativversorgung notwendig ist. Wir können (und wollen) Kindern und Jugendlichen nichts vormachen! 7
Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen: Kommunikation Offene und ehrliche Kommunikation ist ein Prozess nicht nur ein einzelnes Gespräch. Dieser bedarf verlässlicher und erreichbarer Ansprechpartner. Alles was gesagt wird, muss wahr sein, nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden. Man sollte dem Anderen die Wahrheit hinhalten, wie einen Mantel, dass er hineinschlüpfen kann, und sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen (Max Frisch, Tagebücher, 1966-71). 8
Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Einbeziehen der ganzen Familie in die Kommunikation und die Versorgung Kinder sind immer mit ihrer gesamten Familie betroffen. Bedürfnisse der Kinder und der Familie müssen aktiv erfragt werden, um sie bestmöglich und individuell begleiten zu können. Einbeziehen der Eltern und Geschwister sowie weiterer Angehöriger in Gespräche, Pflege, kleine Hilfen etc. hilft den kranken Kindern und hilft später den verwaisten Familienmitgliedern bei der Bewältigung ihrer Trauer. Psychosoziale und seelsorgerische Begleitung für alle betroffenen Angehörigen. 9
Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Symptomkontrolle Bestmögliche Symptomkontrolle - an die Bedürfnisse des Kindes und der Familie angepasst ist die Voraussetzung, das frühe Lebensende lebenswert zu gestalten. Vgl. B. Zernikow, C. Hasan: Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Palliativmedizin 2013; 14(04): 157-172 10
11 Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen: Symptomkontrolle Symptome in der Lebensendphase bei Kindern: Schmerzen 95% Appetitlosigkeit 75% Müdigkeit 70% Übelkeit / Erbrechen 58% Dyspnoe 57% Angst 46% Obstipation 43% (Ergebnis von Elternbefragungen - 255 Kinder und Jugendliche, die in den Jahren 1990-1997 an Krebs verstorben sind) Wolfe et al. Symptoms and suffering at the end of life in children with cancer. N Engl J Med. 2000 Feb 3;342(5):326-33. Goldman, A. Symptoms and suffering at the end of life in children with cancer correspondence N Engl J Med. 2000 Feb 3;342: 1997-9.
Grundsätze der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen Blick auf die Familie und deren weiteres Leben Für ihre Möglichkeit die Trauer zu bewältigen ist die Palliativtherapie im Einvernehmen mit den Eltern sehr wichtig. Dies sollte bei Entscheidungen mit berücksichtigt werden. Großer Bedeutung für die Trauerarbeit haben: die Möglichkeit des Abschiednehmens die gute Kommunikation mit allen Beteiligten das Einbezogensein der Angehörigen in die Therapie und Pflege. 12
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PALUNA - SAPV Team für Kinder und Jugendliche an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen PALUNA: Pädiatrisch-palliative Lebensbegleitung und Netzwerkarbeit SAPV: Spezialisierte ambulante Palliativversorgung Interdisziplinär Palliativfachpflegekräfte und Kinder-und Jugendfachärzte mit Zusatzweiterbildung für Palliativmedizin (kassenfinanziert), und Psychosozialer Dienst / Seelsorge (spendenfinanziert) in einem Team Ergänzung der häuslichen Versorgung und keinesfalls Ersatz der häuslichen Versorger ( On Top ) 14
PALUNA - Aufgaben nach Verordnung und Genehmigung von SAPV Assesment zur Palliativversorgung somatisch, psychisch, sozial, spirituell mit Palliativversorgungsplanung Koordination der häuslichen Versorgung, Vernetzung mit ambulanten und stationären Leistungserbringern, Kinder-und Jugendhospizdiensten, etc. nach Bedarf 24 Stunden Rufbereitschaft telefonisch und im Notfall aufsuchend für Familien, Kinder-und Jugendärzte, Häusliche Kinderkrankenpflege-(intensiv)dienste (alle häuslichen Versorgungspartner) 15
PALUNA - Aufgaben nach Verordnung (Kinderarzt) und Genehmigung von SAPV (Krankenkasse) Hausbesuche nach Bedarf Beratung zur Palliativversorgung: Beratung der Familien, Kinder-und Jugendärzte, Häusliche Kinderkrankenpflege-(intensiv)dienste, (aller häuslichen Versorgungspartner) Fallkonferenz interdisziplinär, wöchentlich zu jedem Patienten Dokumentation elektronisch (PalliDoc) 16
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PALUNA Patienten seit 01.04.2014 Patienten mit SAPV Verordnung 22 Patienten Alter: 3 Monate bis 25 Jahre Diagnosen: Krebserkrankungen 10 Patienten Neurologische Erkrankungen / SMB 7 Patienten Muskelerkrankung 1 Patient Stoffwechselerkrankung 2 Patienten Kurzdarmsyndrom und Niereninsuffizienz 1 Patient Angeborener Herzfehler 1 Patient Beratungen/Begleitungen ohne Verordnung Krebserkrankungen Neurologische Erkrankungen / SMB Angeborener Herzfehler (davon 2 verstorben im Krankenhaus) SAPV Patienten verstorben 2 Patienten 3 Patienten 1 Patient 6 Patienten 3 zu Hause, 3 im Krankenhaus (bei allen war dies jeweils der Wunschsterbeort der Familie / des Kindes) 19
PALUNA Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit 20