Praxis für Traumatherapie in Altona Ralph Kortewille

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Transkript:

Familien unter traumatischem Stress- Leitgedanken und Fallbeispiele zur therapeutisch-beraterischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und deren Familien in Belastungssituationen Praxis für Traumatherapie in Altona Diplom-Psychologe Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Traumatherapeut Supervisor www.kortewille.com 1

Familien unter traumatischem Stress Übersicht - Erläuterung des Traumabegriffs und der Definitionen - Vorstellungsgründe - Besonderheiten bei der Diagnostik und Befunderhebung - Sprache - do s und dont s Haltung ist eine kleine Sache, die einen großen Unterschied macht! 2

Familien unter traumatischem Stress - haltenden Rahmen herstellen - psychosoziale Begleitung anbieten - spezifische Ausrichtung der Interventionen - mit dem Ziel eine therapeutische Behandlung vorzubereiten 3

Familien unter traumatischem Stress schicksalhafte oder vom Menschen hervorgerufene lebensbedrohliche, hochgradig ängstigende und ausweglose Situationen Korittko/Pleyer 2011 4

Traumatische Zange 5

Traumaspezifische Symptome Vermeidung Erstarrung emotionale Unerreichbarkeit Störung der Coregulation Übererregung expressed emotions Intrusionen/ Dissoziationen Fehlwahrnehmungen 6

Vorstellungsgründe (z.b.) Grundschulalter - Wahrnehmungsstörungen - Entwicklungsverzögerungen - Unruhe - Konzentrationsstörungen - Impulsivität, oppositionelles Verhalten - Ängste - misslingende soziale Integration - Konflikte um Regelakzeptanz - Störungen der Interaktion mit primären Bezugspersonen 7

(trauma-)psychologische Befunderhebung - ausführliche biografische Anamnese und Fremdanamnese - Testdiagnostik - Leistungstestung - ggflls. störungsspezifische Testdiagnostik - Traumaspezifische Testdiagnostik (z.b. CROPS/PROPS, IK-PTBS) - Interpretation der Symptomatik vor dem Hintergrund der Anamnese 8

9

Komplexe belastete Systeme - wechselseitige Beeinflussung - kumulative Wirkung von Stressoren - kumulative Chronifizierung - Erstarrung von Beziehungsmustern - Fehlwahrnehmungen und/oder Hocherregung 10

Traumadeterminiert: Organismus veränderte Neurobiologie Psyche veränderter Selbstwert Kommunikation Teil des eingefrorenen Mobilés vrgl. Korritko/ Pleyer 2011 11

Anamnestische Befunde pränatale Exposition - Gewalterlebnisse in utero - indirekte pränatale Funktionalisierung des Kindes 12

perinatale Exposition - schwierige Geburtsverläufe - sexuelle Missbrauchserlebnisse werden durch den Geburtsvorgang getriggert 13

Praxis für Traumatherapie in Altona postpartale Exposition - initiale Probleme das Kind anzunehmen - initial misslingende Versorgung - Regulationsstörungen - fehlendes Bindungsverhalten der KMu kann zu Vernachlässigung führen - Scheitern von Versorgung und Regulation 14

Befunde Auf der Elternebene - junge Elternschaft - Mütter (Väter) mit Erfahrungen von (z.t. multipler) Gewalt - körperliche Komorbiditäten (Adipositas, chron. Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen) - (teilweise wiederholte) Erfahrungen von Partnergewalt - gestörte Beziehungsmuster (z.b. symbiotische Eltern-Kind- Beziehungen) 15

Parentale Hilflosigkeit Pleyer (2004) 1. eine verengte oder verzerrte Art von Eltern, ihre Kinder wahrzunehmen, 2. eine Konfliktvermeidung im Umgang mit dem Symptomverhalten und Vermeidung von Präsenz, 3. eine Tendenz, die Erziehungsverantwortung zu umgehen oder sie an andere zu delegieren, und 4. die Tendenz, sich (in der Erziehung) zu isolieren und Kooperation mit Erziehungspartnern zu vermeiden. 16

Diagnose(n) und - Entwicklungstraumastörung/komplexe Traumafolgestörung und/oder - (reaktive) Bindungsstörung (mit Enthemmung) und - evtl. zusätzlich PTBS oder Anpassungsstörung - symptombezogene Diagnosen 17

Diagnose(n) Vorschlag für schriftliche Befunde F90.0 (z.a.) Einfache Aufmerksamkeitsstörung F98.0 (G) Sekundäre Enuresis noct. ( ) Die oben beschrieben Diagnosen verstehen wir vor dem Hintergrund, der in der frühkindlichen Anamnese beschrieben Belastungs- und Verlusterfahrungen nach den Kriterien von van der Kolk (2009) als eine F43.8 (G) Komplexe Traumafolgestörung/ Entwicklungstraumastörung 18

Von der Falldynamik zum Fallverstehen Erlernte (parentale) Hilflosigkeit Pathologisierung des Kindes Beziehungsschwierigkeiten 19

Übertragungsphänomene - eingeengte Perspektive/Tabuthemen/Vermeidung - Ängste/Misstrauen - Dissoziation/Numbing/Erregung - Kampf/Flucht/Erstarrung 20

Behandlungsansätze (do s und dont s) - Beruhigen, beruhigen, beruhigen - Hoffnung und Ressourcen (er-)finden - Helfer einbinden - Selbstverantwortung und Selbstbemächtigung als Ziele - Transparenz, Sicherheit, Kontrolle als Methoden - Psychoedukation - Transparenz über Ziele und Methoden - Beziehungsklärung als Methode der Kontrolle und Selbstbemächtigung anbieten. 21

Wie kommt das Mobilé wieder in Bewegung? Diagnostik Entpathologisierung/Psychoedukation Verantwortlichkeiten klären Entgiftung Trauma- Geschichte Umgangsregeln einüben 22

Besonderheiten der (trauma-) psychologischen Befunderhebung - eher geschlossene Fragen mit Wahlmöglichkeiten - ausgeprägt sachliche Sprache und sehr konkret - Kontakt anbieten, mit klarem Auftrag und Rahmensetzung - Hoffnung generieren 23

Mit Kindern sprechen - Rahmen sichern - (wenig bis) keine Emotionen!!! - Yes-Set anstreben - Von der Ressource zur Belastung zur Ressource - Je schlimmer, desto ein bisschen - Eine Geschichte (er)finden 24

25

Was der Vater schien, das kommt im Sohne zum Reden, und oft fand ich den Sohn als des Vaters entblößtes Geheimnis. Nietzsche 1883 26

VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT Praxis für Traumatherapie www.kortewille.com Mail: praxis@kortewille.com 27

Literatur Essau et. al. Häufigkeit der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Jugendlichen: Ergebnisse der Bremer Jugendstudie. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie S 27-37, 45 1999. Omer, Heim/ von Schippe, Arist Autorität durch Beziehung, Göttingen 2015 Korittko, Alexander/ Pleyer, Karl Heinz Traumatischer Stress in der Familie, 2011 Korritko, Alexander. Das erstarrte Mobilé: Trauma und Familie (ohne Jahr) Pleyer, Karl Heinz Parentale Hilflosigkeit, ein systemisches Konstrukt für die therapeutische und pädagogische Arbeit mit Kindern Co-traumatische Prozesse in der Eltern-Kind-Beziehung. In: systhema 2/2004, 18. Jahrgang, S. 132-149 Bovensiepen/Hopf/Molitor Unruhige und unaufmerksame Kinder- Psychoanalyse des hyperkinetischen Syndroms, 2004 Prior, Manfred Minimax Interventionen, 2015 und Therapie optimal vorbereiten, 2013 van der Kolk, Bessel Entwicklungstrauma-Störung: Auf dem Weg zu einer sinnvollen Diagnostik für chronisch traumatisierte Kinder Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 58 (2009) 8, S. 572-586 28

Links http://www.ipkj.de/fileadmin/pdfs/crops.pdf http://www.ipkj.de/fileadmin/pdfs/props.pdf http://www.martinsack.de/_downloads/interview_zur_komplexen_ptbs.pdf http://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/kliniken/kinder_jugendpsychiatrie/ praxismanual/praxismanual_stand_juni2011.pdf 29