Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

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Transkript:

Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

Gem. 248 Abs. 2 S. 1 besteht ein Wahlrecht zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens Selbst geschaffen Im Sinne von selbst hergestellt Abgrenzung zu entgeltlich erworben immateriell Stofflose, unkörperliche Werte, die nicht monetär sind Anlagevermögen Dauernd dem Geschäftsbetrieb dienend ( 247) Für die in 248 Abs. 2 Satz 2 aufgeführten Vermögensgegenstände gilt abweichend ein Aktivierungsverbot 1

Voraussetzung für die Ausübung des Aktivierungswahlrechts ist das Vorliegen eines Vermögensgegenstands Allerdings ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Vermögensgegenstand bereits endgültig fertiggestellt ist Unklare/widersprüchliche Aussagen des Gesetzgebers lassen offen, wie konkretisiert der Vermögensgegenstand sein muss: [ ] mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden [kann], dass ein [ ] Vermögensgegenstand zur Entstehung gelangt [ ] 1 [ ] eine Aktivierung erst in Frage kommt, wenn die Vermögensgegenstandseigenschaft [ ] bejaht werden kann. 2 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30.07.2008, S. 60. 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss): Entwurf eines BilMoG, BT-Drucks. 16/12407 vom 24.03.2009, S. 85. 2

Resultierendes Dilemma: Unklarheit über die erforderliche Konkretisierung. Daher dürfte in der Praxis häufiger ein Rückgriff auf IAS 38.57 erfolgen. Danach setzt eine Aktivierung der in Rede stehenden Vermögensgegenstände voraus: 1. Möglichkeit der technischen Realisierbarkeit 2. Absicht, den Vermögensgegenstand fertigzustellen 3. Fähigkeit der Nutzung oder des Verkaufs 4. Nachweiserbringung über die Nutzenstiftung 5. Verfügbarkeit adäquater Ressourcen 6. Fähigkeit, die Ausgaben zuverlässig bestimmen zu können Jedoch verbleiben auch nach den IFRS bilanzpolitisch nutzbare Ermessensspielräume 3

Die Frage nach dem Vorliegen der notwendige Konkretisierung ist wohl eine Einzelfallentscheidung, die branchenspezifisch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann: Entnommen aus Hüttche, StuB 2008, S. 167. Im Hinblick auf die spätere Prüfung des Jahresabschlusses ist auf eine hinreichende Dokumentation zu achten Nach Möglichkeit ist ein spezielles F&E-Controlling einzurichten 4

Unabhängig vom Ausmaß der Konkretisierung ist die Aktivierung erst ab Eintritt in die Entwicklungsphase möglich Hintergrund: Nur Entwicklungskosten sind einbeziehungsfähig, für die Forschungskosten besteht ein Verbot ( 255 Abs. 2a) Definitionen von Forschung und Entwicklung ( 255 Abs. 2 a): Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Kurzum: Forschung ist die Suche nach neuen Wegen, Entwicklung die Anwendung neuer 1 Wege 1 Vgl. Küting/Ellmann, DStR 2010, S. 1300. 5

Im Regierungsentwurf zum BilMoG hat der Gesetzgeber Beispiele für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten genannt: Beispiele für Forschungsaktivitäten: Aktivitäten, die auf Erlangung neuer Kenntnisse ausgerichtet sind Suche nach Alternativen für Materialien, Produkte, Verfahren, etc. Entwurf von neuen Materialien, Produkten, Verfahren, etc. Endgültige Auswahl der Anwendung von Forschungsergebnissen Beispiele für Entwicklungsaktivitäten: Entwurf, Konstruktion, Testen von Prototypen und Modellen Entwurf, Konstruktion, Entwicklung einer Pilotanlage Entwurf von benötigten Werkzeugen, Gussformen, etc. 1 1 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30.07.2008, S. 131.. 6

Zusammenfassung der Ansatzvorschriften: Aktivierungsverbot Aktivierungswahlrecht Forschungsphase Entwicklungsphase Modifiziert entnommen aus Küting/Pfitzer/Ellmann, KoR 2008, S. 694. konkretisierter Vermögensgegenstand fertiggestellter Vermögensgegenstand Sofern keine Möglichkeit der Unterscheidung zwischen Forschung und Entwicklung besteht, ist eine Aktivierung untersagt ( 255 Abs. 2a S. 4) 7

Überblick über die Bewertungsvorschrift Zugangsbewertung zu Entwicklungskosten ( 255 Abs. 2a) Entwicklungskosten sind die Herstellungskosten nach Abs. 2 Begriff der Entwicklungskosten ersetzt den der Herstellungskosten Eine lediglich teilweise Einbeziehung von Pflichtbestandteilen ( 255 Abs. 2) in die Entwicklungskosten ist ausgeschlossen Es besteht nach h. M. ein Wahlrecht, sämtliche Entwicklungskosten ab Erfüllung der Aktivierungsvoraussetzungen anzusetzen oder sämtliche der gesamten Periode der Aktivierung Beispiel: Bei der Y-GmbH sind ab 01.07.2016 die Voraussetzungen zum Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens erfüllt (Fertigstellung der Vermögensgegenstände: 01.01.2017). Die vom 01.07. 2016 31.12.2016 angefallenen Entwicklungskosten betragen 10.000, die gesamten Entwicklungskosten des Geschäftsjahres 2016 betragen 20.000. Lösung: Setzt die Gesellschaft die Vermögensgegenstände an, können die Entwicklungskosten wahlweise mit 10.000 oder 20.000 bewertet werden. 8

Überblick über die Bewertungsvorschrift Bei der Folgebewertung ist zu beurteilen, ob der Vermögensgegenstand abnutzbar ist (im Zweifel ist aufgrund des Vorsichtsprinzips davon auszugehen) Regelmäßige Problematik: Bestimmung der Nutzungsdauer (im Zweifel ist gem. 253 Abs. 3 S. 3 eine Nutzungsdauer von zehn Jahre zugrunde zu legen) Die Vorschriften zur außerplanmäßigen Abschreibung entsprechen denen materieller Vermögensgegenstände Soweit selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aktiviert werden, besteht aus Gründen des Gläubigerschutzes eine Ausschüttungssperre ( 268 Abs. 8) 9

Bilanzpolitische Beurteilung Grundsätzliches Wahlrecht zur Aktivierung Ermessensspielraum, wann Vermögensgegenstand konkretisiert Ermessensspielraum bei Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung Ermessensspielraum bei Bestimmung der Nutzungsdauer Beachtung projektbezogener Stetigkeit bei Ansatz und Bewertung Bei Aktivierung: Angabepflicht im Anhang über den Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie den davon aktivierten Betrag ( 285 Nr. 22) Bilanzierung aufwendig 10

Relevanz in der Praxis Empirische Relevanz des Aktivierungswahlrechts Untersuchung im DAXplus Family Index Untersuchung börsennotierter deutscher Untern. 12 % 8,5 % 88 % - keine Ausübung des Wahlrechts keine Aktivierung im Einzelabschluss Aktivierung im Einzelabschluss 91,5 % - keine Ausübung des Wahlrechts Quelle: von Keitz/Wenk/Jagosch, DB 2011, S. 2449. Quelle: Froschhammer/Haller, KoR 2012, S. 20. 1 Untersuchung 270 öffentlicher Unternehmen: Keines nahm Aktivierung vor 1 Vgl. Papenfuß/Schmidt, DB 2012, S. 2590.. 11