Lebenswerte Städte und Gemeinden ver.di Vorschläge für eine ausreichende Finanzausstattung der öffentlichen Haushalte 1. Unser Leitbild Eine soziale und demokratische Gesellschaft muss nicht nur die Bürger- und Menschenrechte achten, sondern muss auch die materiellen Grundlagen für Demokratie, soziale Sicherheit und gesellschaftlichen Frieden schaffen. Es bedarf eines handlungsfähigen Staatswesens, das die öffentliche Infrastruktur und die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger garantiert, weiterentwickelt und materiell hinreichend ausstattet. Ein solches Staatswesen ist nur denkbar, wenn Partizipation, Demokratie, soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Friede dort ihren Ausgangspunkt nehmen, wo die Menschen leben. Deshalb ist der Staat insgesamt ausreichend zu finanzieren, besonders gilt dies jedoch für die Kommunen. Das Recht der Kommunen alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln (GG Art. 28 Absatz 2), wird von uns als gesellschaftliche Verpflichtung interpretiert. Alle müssen einen gleichberechtigten, diskriminierungsfreien und kostengünstigen Zugang zu allen Leistungen der Daseinsgestaltung und der Daseinsvorsorge haben. Politische Positionen, die die Zuständigkeit des Staates und seiner Gliederungen auf vermeintliche Kernaufgaben oder Hoheitsaufgaben beschränken und dieses Ziel durch systematischen Entzug der materiellen Ausstattung zu erreichen suchen, werden von uns abgelehnt. Eine im Mantel der Modernisierung daherkommende, in Wirklichkeit aber auf die Schwächung der Kommunen abzielende Ökonomisierung öffentlicher Leistungen und den damit verbundenen Abbau von Demokratie und sozialer Sicherheit - erteilen wir eine Absage. Solchen Bestrebungen setzen wir unser Leitbild einer demokratischen und sozialen Gesellschaft entgegen. Diese drückt sich aus in einer den Bedürfnissen der Menschen folgenden Struktur und Ausstattung der Kommunen. Das heißt u.a. Förderung und Sicherstellung der Möglichkeit zur diskriminierungsfreien Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Alle Förderung, Sicherstellung und Ausbau der Beteiligungsrechte Betroffener bei politischen Entscheidungen Förderung und Sicherstellung gleicher Bildungschancen, bereits im frühkindlichen Bereich ein umfassendes Angebot von sozialen und kulturellen Dienst- und Infrastrukturleistungen kostengünstige Angebote zur Sicherstellung der Mobilität von Bürgerinnen und Bürgern 1
die Sicherstellung gesellschaftlicher Grundversorgung mit Wohnraum, Gesundheitsdienstleistungen, Energie- und Wasserversorgung und ökologischer Umweltbedingungen ein andauerndes Entgegenwirken gesellschaftsspaltender Entwicklungen, z.b. durch lokale Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und die Sicherung sowie den Ausbau der Daseinsvorsorge. 2. Ausgangsbedingung: Die Situation der öffentlichen Haushalte Dank der raschen wirtschaftlichen Erholung nach dem Kriseneinbruch von 2009 hat sich die Situation der öffentlichen Haushalte vorerst etwas entspannt. Das Defizit sank 2011 gegenüber 2010 von über 100 auf 25 Milliarden Euro und betrug damit noch ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach den Projektionen im Stabilitätsprogramm soll die positive Entwicklung anhalten und ab 2014 in einen insgesamt ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt münden. Unterstellt ist dabei allerdings eine weiterhin stabile wirtschaftliche Entwicklung. Sollten die bisher ungelösten Strukturprobleme der europäischen Währungsunion zu einem erneuten wirtschaftlichen Absturz oder einer längeren Stagnationsphase führen, wird sich die Situation der öffentlichen Haushalte schnell wieder zuspitzen. Städte und Gemeinden weiterhin strukturell unterfinanziert Auch für Städte und Gemeinden haben sich die Finanzierungssalden nicht ganz so dramatisch entwickelt wie zu Beginn der Krise befürchtet. Statt zweitstelliger Milliardendefizite lagen sie 2009 bei gut sieben und 2010 bei knapp acht Milliarden Euro. 2011 liegt das Defizit nach aktuellen Zahlen bei 1,7 Milliarden Euro im Gemeindefinanzbericht vom September 2011 war noch von fünf Milliarden Euro ausgegangen worden. Für 2012 gehen die kommunalen Spitzenverbände von einem Überschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro aus. Der Überschuss soll in den Jahren danach laut Stabilitätsprogramm sogar noch wachsen. Auch diese Entwicklung hängt von der gesamtwirtschaftlichen Perspektive ab. Kurzfristig wird die Einnahmesituation aber noch gut bleiben. Die vorläufig positive Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Städte und Gemeinden strukturell unterfinanziert sind. Seit der Jahrtausendwende ist es nur in den drei Aufschwungjahren 2006-2008 gelungen, einen Finanzierungsüberschuss zu erreichen. Im Durchschnitt des Jahrzehnts lag der Finanzierungssaldo jährlich mit knapp zwei Milliarden Euro im Defizit. Im Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre waren es sogar 2,3 Milliarden Euro. Die Verschuldung der Kommunen ist entsprechend weiter gestiegen. Nach einem Rückgang zwischen 2005 und 2008 von 115 auf 107 Milliarden Euro liegt sie nun auf einen neuen Höchststand von 130 Milliarden Euro. Der Anstieg erfolgt vor allem bei den kurzfristigen Kassenkrediten, die inzwischen rund ein Drittel der Gesamtverschuldung ausmachen. Die Unterfinanzierung und daraus resultierende Verschuldung hat eine wesentliche Ursache in der Steuersenkungspolitik. Die Einnahmeverluste durch Steuerrechtsänderungen seit 2000 summieren sich allein für die Kommunen auf fast 44 Milliarden Euro. Das entspricht einem Drittel der gesamten Schulden bzw. fast exakt der Höhe der Kassenkredite der Städte und Gemeinden. Steuerausfälle durch 2
die seit 1998 nicht mehr erhobene Vermögensteuer sind dabei nicht einmal eingerechnet. Aufgaben wachsen schneller als Ausgaben Die Verschuldung von Kommunen wie auch von Bund und Ländern ist rapide angestiegen, obwohl bereits seit Jahren der Rotstift regiert. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger spricht von einem Jahrzehnt der Entstaatlichung. Die Staatsausgaben sind in Deutschland zwischen 1998 und 2010 inflationsbereinigt im Durchschnitt um lediglich 0,2 Prozent pro Jahr gewachsen. In der EU sind sie im gleichen Zeitraum jährlich um 1,5 Prozent, in den USA sogar um 3,8 Prozent gestiegen. Außer Deutschland hat nur noch Japan den Staat im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft so stark zurückgestutzt. Auch Städte und Gemeinden haben ihre Ausgaben in vielen Bereichen drastisch gekürzt. So sind die Ausgaben für öffentliche Investition von gut 30 Milliarden Euro Anfang der 1990er Jahre bis 2005 auf ein historisches Tief von 18,6 Milliarden Euro abgestürzt. Seither sind sie, nicht zuletzt durch die Mittel aus dem Konjunkturpaket von 2009, wieder auf gut 23 Milliarden Euro angestiegen. Für das Jahr 2012 prognostiziert der Deutsche Städte- und Gemeindebund allerdings wieder einen Rückgang auf nur noch 20,3 Milliarden Euro. Um bei öffentlichen Investitionen insgesamt auf europäischen Durchschnitt zu kommen, müssten in Deutschland jährlich 20 Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben werden. Die Ausgaben für Personal der Städte und Gemeinden sind 15 Jahre lang bei 40 Milliarden Euro verharrt. Erst ab 2008 sind sie etwas angestiegen auf aktuell gut 46 Milliarden Euro. Real, also nach Abzug der Inflation, entspricht dies einem erheblichen Rückgang. Die Anzahl der Beschäftigten im unmittelbaren öffentlichen Dienst der Kommunen ist von knapp zwei Millionen 1991 auf gut 1,2 Millionen gesunken, die Zahl der Vollzeitbeschäftigten hat sich sogar von 1,6 Millionen auf 750.000 mehr als halbiert. Auch beim Anteil der öffentlichen Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung ist Deutschland Schlusslicht. Stark angestiegen sind dagegen die Sozialausgaben der Kommunen: Innerhalb von zehn Jahren haben sie sich von 25 auf 44 Milliarden nahezu verdoppelt. Der Anstieg dieser Ausgaben liegt nicht in der Verantwortung von Städten und Gemeinden, sondern an der Aufgabenübertragung an die Kommunen ohne entsprechende finanzielle Kompensation. Die Übernahme der Kosten für Grundsicherung im Alter im Zuge des Hartz-IV-Kompromisses gleicht diese Belastung bei weitem noch nicht aus. Selbst wenn ein Ausgleich durch weitere Kostenübernahmen seitens des Bundes oder der Länder erreicht würde, bleibt noch immer die Belastung durch die kumulierten Schulden Schulden, die durch die Verletzung des Konnexitätsprinzips und Einnahmeausfälle durch die Steuerpolitik des Bundes verursacht wurden. Trotz Schuldenbremse: Sparen ist keine Lösung Angesichts der Schuldenbremse und dem drohenden Europäischen Fiskalpakt stehen die öffentlichen Haushalte unter weiterem Kürzungsdruck. In vielen Kommunen ist den Verantwortlichen allerdings heute schon klar: Auch wenn sie alle Theater, Bäder und Bücherhallen so sie das alles überhaupt noch haben 3
dichtmachen, sie kommen nicht aus den Miesen heraus. Die Finanzplanungen der Bundesländer sehen mit Blick auf Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020 bereits eine äußerst restriktive Ausgabepolitik vor, unter der auch Kommunen leiden. Erreicht werden kann das Ziel ausgeglichener Haushalte allerdings nur unter der Voraussetzung günstiger wirtschaftlicher Entwicklung. Simulationsrechnungen zeigen jedoch, dass gerade die Kürzungspolitik zu einer Dämpfung des wirtschaftlichen Wachstums führt. Wenn die Einhaltung der Schuldenbremse weiterhin über einseitige Kürzungsmaßahmen erreicht werden soll, ist die Gefahr einer Spirale nach unten groß: Kürzungen schwächen das Wachstum, das wiederum führt zu Einnahmeausfällen, die weitere konjunkturschädliche Kürzungen zur Folge haben. Die scheinbar ausweglose Situation verleitet schon jetzt zu Verteilungskämpfen, die Kürzungslasten möglichst auf andere verschieben sollen: Geberländer, vor allem Bayern, stellen den Länderfinanzausgleich infrage; Bundesländer, zum Beispiel Hessen, reduzieren die Zuweisungen an die Kommunen; oder Kommunen aus Nordrhein-Westfalen fordern Mittel aus dem Solidarpakt II. Solche Maßnahmen reduzieren aber lediglich die Bedürftigkeit der einen, zu Lasten anderer Bedürftiger. So stehen etwa die Länder mit ihren Kommunen in Ostdeutschland ohnehin unter dem doppelten Druck, die Schuldenbremse bis 2020 einhalten zu müssen, obwohl ihre Finanzkraft insgesamt noch immer weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt, die Mittel aus dem Solidarpakt II aber bis 2019 schrittweise abgebaut werden. Kürzungen und Verteilungskämpfe sind keine Lösung. 3. ver.di Forderungen zur Sicherung der kommunalen Finanzen Nur mit einer grundsätzlichen Korrektur in der Finanzausstattung der Kommunen kann die anhaltende strukturelle Unterfinanzierung aufgelöst und die Handlungsfähigkeit der Kommunen wiedergestellt werden. Zur nachhaltigen Stabilisierung der öffentlichen Haushalte ist ein Maßnahmepaket aus Entschuldungspolitik und Abschaffung der strukturellen Unterfinanzierung durch eine dauerhafte Verbesserung der Einnahmen unumgänglich. A.) Abschaffung der strukturellen Unterfinanzierung unabdingbar Der Versuch der CDU-FDP Bundesregierung, die Gewerbesteuer abzuschaffen und durch die Einführung von Hebesätzen auf die Einkommens-und Körperschaftsteuer zu ersetzen, ist zu Recht gescheitert. Die Aktivitäten von ver.di, den Personalräten und zahlreichen Kommunalpolitiker/innen unter dem Titel Gerecht geht anders und den kommunalen Spitzenverbänden haben zu diesem Erfolg beigetragen. Damit wurde eine weitere Verlagerung der Belastung von den Unternehmen hin zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verhindert. Darüber hinaus wird der Bund zukünftig die Kosten für die Grundsicherung im Alter schrittweise - im Jahr 2012 mit 45%, im Jahr 2013 dann 75% und ab dem Jahr 2014 zu 100% - übernehmen. Das ist ein erster Schritt zur Entlastung und Stabilisierung der Kommunen, weitere Maßnahmen müssen folgen. Eine grundsätzliche Reform der Gemeindefinanzierung mit dem Ziel einer aufgabengerechten Finanzausstattung bleibt weiter auf der Tagesordnung. 4
B.) Wirksame Entschuldungspolitik notwendig Die bisher bekannten Konzepte für Entschuldungs- bzw. Konsolidierungshilfen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein greifen zu kurz. Die Finanzierung erfolgt i.d.r. anteilig durch das Bundesland, über den kommunalen Finanzausgleich und durch die betroffenen Kommunen. Dadurch entsteht ein nochmals verstärkter Konsolidierungsdruck auf hoch verschuldeten Kommunen. Die meisten haben bereits in der Vergangenheit über die Maßen gekürzt. Nun treiben die kurzfristig angelegten Laufzeiten (i.d.r. zwischen 5-15 Jahren) die betroffenen Kommunen bei der Erbringung ihres Eigenanteils endgültig in den Ruin. Belastet werden aber auch die finanziell bisher noch stabileren Kommunen, weil die Einbeziehung des kommunalen Finanzausgleichs in die Entschuldungsprogramme die Zuweisungen an alle Kommunen reduziert. Die Entschuldung im bestehenden System sind vergiftete Geschenke. Stattdessen werden die Bundesländer aufgefordert, zunächst jeweils einen Entschuldungsfonds aufzulegen bzw. bestehende Entschuldungsangebote so zu verändern, dass ihre Kommunen ohne Auflagen zur Einschränkung bestehender Leistungen von den kompletten Kassenkrediten entlastet werden. Diese Länderfonds können über Kreditaufnahme auf den Kapitalmärkten finanziert werden. Die Belastung der Länderhaushalte wäre überschaubar, wenn neben den Zinsen die zu leistende Tilgungsraten über einen sehr langen Zeitraum zum Beispiel 50 Jahr gestreckt würden. C.) Umsteuern ist gefragt ver.di unterstützt die Initiative Vermögensteuer jetzt! und das Bündnis Umfairteilen Vermögen besteuern! Diese Initiativen sind Ausdruck dafür, dass immer mehr Menschen für mehr Gerechtigkeit und eine ausreichende Finanzierung von öffentlichen und sozialen Leistungen eintreten. Angesichts riesiger privater Vermögen, die seit der Krise wieder weiter gewachsen sind, muss über eine einmalige Vermögensabgabe nachgedacht werden. Damit könnte endlich auch Vermögende substanziell an den hohen Kosten der Krise beteiligt werden. Für eine dauerhaft höhere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften, hoher Einkommen und Unternehmensgewinne hat ver.di im Konzept Steuergerechtigkeit konkrete Vorschläge vorgelegt. Eine Reform der Erbschaftsteuer und die Wiedererhebung der Vermögensteuer können dem Bund und den Ländern zusätzliche Einnahmen von bis zu 26 Milliarden Euro pro Jahr erbringen. Damit können Entschuldungsprogramme für die Kommunen finanziell gestützt werden. Für weitere Steuersenkungen dagegen gibt es keinen finanzpolitischen Spielraum! Durch die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer, mit der die gesamte örtliche Wirtschaftstätigkeit erfasst wird, sind rund vier Milliarden Euro Mehreinnahmen möglich. Für die Kommunen kämen nochmals etwa acht Milliarden Euro dazu, die aber durch Anrechnung bei der Einkommensteuer zu entsprechenden Einnahmeausfällen bei Bund und Ländern führen. Zur Stärkung der Finanzierungsbasis der Kommunen fordert ver.di darüber hinaus den kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer zu erhöhen. Der Steuervollzug ist zu verbessern, bei den örtlichen Zerlegungsfällen für die Gewerbesteuer gilt dies auch direkt für die Kommunen. Durch mehr Personal und 5
verstärkte Kontrollen könnten die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen insgesamt um rund zwölf Milliarden Euro im Jahr erhöht werden. D.) Kommunale Finanzausgleiche deutlich und effektiv erhöhen Der kommunale Finanzausgleich gehört neben der Gewerbesteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen, mit seiner Gestaltung entscheiden die Landesregierungen maßgeblich über die kommunale Einnahmeseite. In den zurückliegenden Jahren fanden zahlreiche Kürzungen der Finanzausgleiche statt, dies hat die Finanzkrise der kommunalen Haushalte deutlich verschärft. Hierzu hat der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz aufgrund einer Klage gegen den kommunalen Finanzausgleich eine für alle Flächenländer wegweisende Entscheidung getroffen. Der VGH Rheinland-Pfalz hat am 14. Februar 2012 entschieden, dass die Finanzzuweisungen des Landes angesichts stark gestiegener Sozialausgaben schon seit längerem nicht mehr ausreichen, um den Kommunen eine der Landesverfassung entsprechende angemessene Finanzausstattung zu sichern. Der Landesgesetzgeber hat den kommunalen Finanzausgleich daher neu zu regeln und hierbei auch die Zuweisungen an die Kommunen deutlich und effektiv zu erhöhen. Der VGH kritisierte: die Bestimmungen verstießen gegen die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungs- und Finanzausstattungsgarantie, die das Land verpflichte, den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung zu sichern. Der Gesetzgeber dürfe nicht aus den Augen verlieren, dass die nach Art. 49 der Landesverfassung zu sichernde angemessene Finanzausstattung den Kommunen grundsätzlich auch die Wahrnehmung freier, nicht kreditfinanzierter Selbstverwaltungsaufgaben ermöglichen müsse. Denn die Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände sei von großer Bedeutung für die Lebensqualität der Bürger vor Ort. Der Präsident des verfassungsgerichtshofs Karl-Friedrich Meyer stellte bei der Urteilsverkündung abschließend fest: Die über Jahrzehnte gewachsene kommunale Finanzkrise erfordert von Verfassungswegen ein entschlossenes und zeitnahes Zusammenwirken aller Ebenen. Die Schere zwischen den verfügbaren Finanzmitteln und dem, was die Kommunen leisten sollen, ohne neue Schulden anzuhäufen, muss wieder geschlossen werden. Dem zweifellos ebenfalls belasteten Land fällt dabei die Hauptverantwortung zu, weil es immer noch über größere Gestaltungsmöglichkeiten verfügt als die stark fremdbestimmten Kommunen. Damit wurde erstmals gerichtlich festgestellt, dass die kommunalen Haushalte unterfinanziert sind und sich die Länder ihrer Finanzierungsverantwortung für die Kommunen nicht entziehen dürfen. Alle Bundesländer sind gefordert die kommunalen Finanzausgleiche deutlich und effektiv zu erhöhen. Juni 2012 6