Kohlebefeuerte Kraftwerke

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Transkript:

20 4 2005 BRANDSCHUTZ Kohlebefeuerte Kraftwerke Schadenverhütung beim Einsatz von Ersatzbrennstoffen Bedingt durch die Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen müssen seit dem 1. Juni 2005 vor einer Ablagerung der Abfälle heizwertreiche Bestandteile durch mechanischbiologische Abfallbehandlungsanlagen (MBA) abgetrennt werden. Die Kapazitäten an vorhandenen Müllverbrennungsanlagen (MVA) reichen für die Verfeuerung dieser Ersatzbrennstoffe (EBS) jedoch bei weitem nicht aus, so dass deren Mitverbrennung in Kohlekraftwerken, Zementwerken, Eisen- und Stahlwerken und sonstigen Industrieanlagen erprobt wird. 1 Klärschlamm 2 Annahmebunker 3 Entlüftung 4 Speichersilo 5 Kohlehalde 6 Kohlebunker 7 Kohlemühlen 8 Frischluftzufuhr 9 Dampferzeuger 10 Nassentascher 11 Grobasche für die Zementindustrie 12 Frischlüfter 13 Wärmetauscher mit Wärmerückgewinnung 14 Ammoniak (NH 3 )- Lagerbehälter 15 Luftzufuhr 16 Entstickung: Katalysator 17 Entstaubung: Elektrofilter 18 Flugasche als Betonzuschlagstoff 19 Kalk 20 Prozess- und Betriebswasser 21 Entschwefelung: SO 2 - Wäsche 22 Gipsentwässerung 23 Gips für die Industrie Abbildung: Funktionsschema eines Kohlekraftwerkes mit Zugabe von Klärschlamm (mit freundlicher Genehmigung der E.ON Kraftwerke GmbH)

BRANDSCHUTZ 4 2005 21 Problematik Hinsichtlich Standsicherheit und Verfügbarkeit der Anlagen bestehen aus technischer Sicht Bedenken, da diese Anlagen in der Regel nicht für die Mitverbrennung von EBS ausgelegt sind. Ein neues Merkblatt Einsatz von Ersatzbrennstoffen in kohlebefeuerten Kraftwerken (VdS 3446) greift diese Thematik auf und gibt Hinweise zur Schadenverhütung. Aktueller Stand Seit dem 1. Juni 2005 dürfen in Deutschland gemäß Ablagerungsverordnung und Technischer Anleitung Siedlungsabfall (TASi) nach einer zwölf Jahre langen Übergangszeit keine biologisch abbaubaren Abfälle mehr auf Deponien abgelagert werden. Außerdem müssen von da an grundsätzlich die Deponien für Siedlungsabfall, die bestimmten Anforderungen der Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen (Abfallablagerungsverordnung) nicht genügen, geschlossen werden. Abfälle dürfen nur noch deponiert werden, wenn sie zuvor durch mechanisch-biologische Behandlungsanlagen oder eine thermische Behandlung so vorbehandelt wurden, dass sie auf Dauer sicher abgelagert werden können. Aufgrund dieser Gesetzgebung hat sich in den letzten Jahren ein Markt für so genannte Ersatzbrennstoffe (EBS) entwickelt, da vor einer Ablagerung von Siedlungsabfällen heizwertreiche Bestandteile abgetrennt werden müssen. Für die Mitverbrennung dieser Ersatzbrennstoffe werden zunehmend Kohlekraftwerke, Zementwerke, Eisen- und Stahlwerke sowie sonstige Industrieanlagen genutzt. Hinsichtlich der Mitverbrennung dieser Ersatzbrennstoffe in Kohlekraftwerken bestehen hinsichtlich Standsicherheit und Verfügbarkeit der Anlagen aus technischer Sicht jedoch größte Bedenken, da diese i. d. R. nicht für die Mitverbrennung von EBS ausgelegt sind. Die Schadenerfahrungen beim Einsatz von Tiermehl (sowohl Heizwert als auch Chlorgehalt vergleichbar mit EBS) haben diese Befürchtungen leider schon bestätigt. Zur Aufarbeitung der Thematik hat die Technische Kommission im GDV eine Projektgruppe eingerichtet, die ein Merkblatt zur Schadenverhütung Einsatz von Ersatzbrennstoffen in kohlebefeuerten Kraftwerken (VdS 3446) erarbeitet hat. Das Merkblatt konzentriert sich auf die technischen Gefahren beim Einsatz der Ersatzbrennstoffe Tiermehl, Klärschlamm und Substitutbrennstoffe (Kunststofffraktion), die zu technischen Schadenfolgen, wie z. B. Korrosion, Verschlackung, Ablagerung und Katalysatorvergiftung führen können. Es werden Zufeuerungsraten empfohlen, bis zu denen eine gewisse Unbedenklichkeit hinsichtlich möglicher technischer Schadenfolgen besteht. Werden diese Werte überschritten, sind organisatorische (Instandhaltung, Wartung, Betriebs- und Stoffmanagement) und technische Maßnahmen erforderlich, um über das Normalmaß hinausgehende schädigende Materialbeanspruchungen zu vermeiden. Das Merkblatt dient in erster Linie den Versicherern als Hilfestellung zur Risikoerfassung und zur Optimierung der Schadenverhütungsarbeit; es soll darüber hinaus aber auch den Betreibern und Genehmigungsbehörden Anhaltspunkte für die Festlegung des erforderlichen Schutzkonzeptes geben. Aufbereitung von Abfall zu Ersatzbrennstoffen Als Ergänzung zum vertrauten Begriff Primärbrennstoff (Regelbrennstoff) hat sich für die brennbaren Abfälle bzw. die aufbereiteten hochkalorischen Abfallfraktionen der Begriff Sekundärbrennstoff etabliert. Allgemein sind unter Ersatzbrennstoffen (EBS) alle Brennstoffe zu verstehen, die keine Regelbrennstoffe darstellen, für die die Anlage eigentlich ausgelegt ist.

22 4 2005 BRANDSCHUTZ Bild 2: Braunkohlekraftwerk der RWE Power AG im nordrhein-westfälischen Niederaußem Ersatzbrennstoffe (EBS) können brennbare staubförmige, pastöse oder feste Stoffe und Substanzen sein, die dem Regelbrennstoff (Primärbrennstoff) zur Verbrennung in bestimmten Anteilen zudosiert, zugemischt oder separat aufgegeben werden (Bild 1 und 3). Von der Vielzahl möglicher Ersatzbrennstoffe konzentrieren sich die Betrachtungen im Rahmen dieses Artikels und des neuen Merkblattes VdS 3446 auf Tiermehl, Klärschlamm sowie hochkalorische Fraktionen aus produktionsspezifischen Gewerbe- und Siedlungsabfällen (insbesondere Kunststoffabfälle). Letztere werden im Folgenden zusammengefasst als Substitutbrennstoffe bezeichnet. Die neue Abfallgesetzgebung zwingt dazu, alle Siedlungsabfälle vor der Deponierung zu behandeln und die Deponien mit einer Basisabdichtung zu versehen. Dadurch soll verhindert werden, dass von den Deponien Gase und Sickerwässer in die Umgebung abgegeben werden. Außerdem soll durch die neuen Anforderungen erreicht werden, dass verwertbare Bestandteile des Restabfalls stofflich oder energetisch genutzt werden. Eine Ablagerung von unbehandeltem Rohmüll ist somit seit dem 1. Juni 2005 endgültig verboten. Seitdem ist eine thermische oder mechanisch-biologische Behandlung des Restabfalls zwingend vorgeschrieben. Rechtliche Grundlage für das Ablagerungsverbot von unbehandeltem Restabfall ist die Deponieverordnung (DepV), die Abfallablagerungsverordnung (AbfAblV) und die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi). Bei einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlung werden die Abfälle zerkleinert, verwertbare Bestandteile abgetrennt und der Rest im Rahmen einer biologischen Rotte- oder Trocknungsstufe behandelt. Auf Grund der gesetzlich vorgegebenen Parameter muss bei diesen Verfahren eine heizwertreiche Abfallfraktion, die so genannte Hochkalorik, die etwa 50 % beträgt, abgetrennt werden. Diese besteht aus Materialien wie Papier, Kunststoffen und Holz. Soweit diese Stoffe nicht bereits zuvor getrennt gesammelt werden, sind sie im gemischten Restmüll meist so verschmutzt, dass sie für eine stoffliche Verwertung nicht mehr genutzt werden können. Auf Grund ihres hohen Heizwertes eignen sie sich jedoch hervorragend zur Energiegewinnung. Dazu müssen sie in speziellen Anlagen zu so genannten Ersatzbrennstoffen

BRANDSCHUTZ 4 2005 23 Mittlere Heizwerte von Abfällen und fossilen Brennstoffen Abfallart/Brennstoff Mittlerer Heizwert (MJ/kg) Klärschlamm 10 Papier, Pappe 14 Holz 15 Textilien 20 Braunkohle 20 Tiermehl 20 Kunststoffe 30 Steinkohle 30 Tierfett 40 Heizöl S 40 Tabelle 1: Mittlere Heizwerte von Abfällen und fossilen Brennstoffen. (EBS) aufbereitet werden, damit sie die konkreten Anforderungen für die Feuerungsanlagen, in denen sie eingesetzt werden sollen, erfüllen. Durch den Einsatz von EBS beispielsweise in Zement- und Heizkraftwerken können fossile Primärbrennstoffe wie Braunkohle, Erdöl oder Erdgas eingespart werden. Die Größe des Einspareffektes ist abhängig vom Heizwert und der Menge der eingesetzten Abfälle. In Tabelle 1 sind die mittleren Heizwerte von einigen Abfallarten im Vergleich zu den fossilen Energieträgern wie Heizöl S, Stein- und Braunkohle dargestellt. Einige Abfallarten, wie zum Beispiel Kunststoffe oder Tierfette, weisen ähnlich hohe Heizwerte wie die fossilen Energieträger auf. Verbrennung von Ersatzbrennstoffen in Kraftwerken Die EU-rechtlichen Vorgaben der vergangenen Jahre führten in Deutschland zu Verschärfungen hinsichtlich der Abfallgesetzgebung (u. a. Ablagerung von Siedlungsabfällen, Verbringung von Klärschlämmen und Entsorgung von Tiermehl). Dies führt u. a. dazu, dass bestimmte Abfälle nicht mehr unbehandelt abgelagert, belastete Klärschlämme nicht mehr auf die Felder ausgebracht und Tiermehle nicht mehr verfüttert werden dürfen. In Anbetracht fehlender Entsorgungsalternativen besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Mitverbrennung von derartigen Abfällen in Industrie- und Kraftwerksanlagen. Die Möglichkeiten des Einsatzes von Abfällen in industriellen Prozessen, insbesondere Feuerungen, haben in der jüngeren Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie stellen zum Teil bereits eine Konkurrenz für diejenigen Anlagen dar, die speziell für die Behandlung/thermische Verwertung von Abfällen errichtet wurden. Das Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz erlaubt die Behandlung von Abfällen zur Beseitigung auch in Anlagen, die überwiegend einem anderen Zweck als der Beseitigung von Abfällen dienen und einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bedürfen. Neben Anlagen in der Zementindustrie, der Stahlindustrie sowie der NE-Metallindustrie stellen die Kraftwerke der

24 4 2005 BRANDSCHUTZ öffentlichen und industriellen Energieversorgung ein mögliches Potenzial zur Verwertung von Abfällen und aus Abfall hergestellten Ersatzbrennstoffen dar. Unter dem Begriff thermische Behandlungsanlagen werden Verbrennungsanlagen für Siedlungsabfälle, für Sonderabfälle und für Klärschlamm geführt. Weiterhin werden sonstige thermische Prozesse, die zur Reinigung oder Regenerierung von Abfällen eingesetzt werden, unter diesem Oberbegriff erfasst. Die genannten Anlagen dienen überwiegend der Beseitigung des Schadstoffgehalts durch thermische Behandlungsverfahren. Neben solchen speziellen Entsorgungsanlagen tragen jedoch zunehmend auch Kraftwerke, Zementwerke und weitere energieintensive Produktionsanlagen nennenswert zur energetischen Nutzung von Abfällen bei. Das Interesse gilt Abfallarten wie beispielsweise Altölen, Altreifen, Brennstoffen aus Abfall (BRAM u. a.). Generell ist das Interesse der energieintensiven Industrie (Zement- und Stahlwerke, Brennöfen, z. B. der Kalk- und Gipsindustrie) an Abfällen immer dann besonders hoch, wenn durch deren Einsatz direkte Kostenvorteile gegenüber den Regelbrennstoffen (Öl, Gas, Kohle u. a.) genutzt werden können. Das Einsatzspektrum verwertbarer Abfälle in industriellen Anlagen ist anlagenspezifisch durch den jeweiligen Prozess, die Anforderungen an das Produkt und die installierte Abluftreinigung begrenzt. So sind die meisten Anlagen auf eine gleich bleibende Qualität der eingesetzten Abfälle, insbesondere hinsichtlich Heizwert, Hauptinhaltsstoffen und Schadstoffgehalten, angewiesen. Zum Einsatz kommen deshalb entweder kontinuierlich betriebsintern anfallende Abfälle oder solche, die längerfristig in definierter Qualität lieferbar sind. Zur energetischen Verwertung sollten in Kraftwerken nur solche Abfälle eingesetzt werden, die in ihren chemisch-physikalischen Eigenschaften den Regelbrennstoffen ähnlich sind. Von Bedeutung für die Verbrennungseigenschaften der Ersatzbrennstoffe im Kraftwerksprozess sind vor allem der Heizwert, die Stückigkeit des Materials, der Gehalt an Schwermetallen und anorganischen Schadstoffen sowie die Eigenschaften der Verbrennungsaschen. Die Mitverbrennung von Abfällen in Kraftwerksfeuerungen ist ein in sich komplexes Problem, bei dem zahlreiche Randbedingungen zu berücksichtigen sind, um nicht die Verfügbarkeit der Anlagen in einem energiewirtschaftlich nicht vertretbaren Maße zu beeinträchtigen. Schwankungen in den Eigenschaften der Regelbrennstoffe wurden bei der Konstruktion der Anlagen und der Rauchgasreinigung berücksichtigt und können über die Steuerung des Verbrennungsprozesses ausgeglichen werden. Größere Abweichung in der Brennstoffqualität von dem für die einzelnen Anlagen definierten Brennstoffband können dagegen auch größere Auswirkungen auf den Betrieb der Anlage haben. So können Beeinträchtigungen für die Feuerungsleistung, die Standzeit der Anlage, die Qualität der Kraftwerksnebenprodukte und die luftseitigen Emissionen eintreten. Dies gilt in steigendem Maße, je höher der Anteil der Substitution des Regelbrennstoffes durch in ihren Eigenschaften abweichende Ersatzbrennstoffe aus Abfällen liegt. Grundsätzlich ist jedoch beim Einsatz von Ersatzbrennstoffen zu berücksichtigen, dass Kraftwerke nicht für Abfallbehandlungsprozesse ausgelegt sind. So haben auch die bisherigen Mitverbrennungsversuche bei kohlebefeuerten Kraftwerken zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen und zum Teil zu nachhaltigen Schäden geführt. Merkblatt Ersatzbrennstoffe (VdS 3446) Inhaltsmerkmale Das von einer Projektgruppe im GDV erarbeitete Merkblatt zur

BRANDSCHUTZ 4 2005 25 1. Aufbereitung und Lagerung 2. Fördern/Zuführung/Mischen 3. Feuerung 4. Kesselauskleidung 5. Heizflächen/Luftvorwärmung 6. Rauchgasreinigung 7. Ascheaustrag/Rückführung 8. Asche-/Granulatbunker 9. Turbo-Generator-Satz REA = Rauchgasentschwefelung DENOX = Entstickungsanlage Bild 3: Vereinfachtes Prozessschema eines konventionellen Kohlekraftwerks mit Zufeuerungsmöglichkeit für Ersatzbrenn stoffe EBS (mit freundlicher Genehmigung der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft) Schadenverhütung Einsatz von Ersatzbrennstoffen in kohlebefeuerten Kraftwerken (VdS 3446) (Abbildung 4) konzentriert sich auf die technischen Gefahren beim Einsatz der Ersatzbrennstoffe Tiermehl, Klärschlamm und Substitutbrennstoffe (Kunststofffraktion), die zu technischen Schadenfolgen, wie z. B. Korrosion, Verschlackung, Ablagerung und Katalysatorvergiftung führen können. Der Einsatz von Ersatzbrennstoffen (EBS) kann zu besonderen Brand-, Explosions- und technischen Gefahren führen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Verbrennungstechnologien und der zum Einsatz kommenden Ersatzbrennstoffe ist eine Festlegung einheitlicher Standards nicht möglich. Das Merkblatt VdS 3446 gibt den derzeitigen Stand der Untersuchungen und Erfahrungen wieder und zeigt Bedenken hinsichtlich möglicher Risikoveränderungen auf. Basierend auf diesen Erfahrungen werden Betriebsparameter (z. B.

26 4 2005 BRANDSCHUTZ Bild 4: Das Merkblatt zur Schadenverhütung Einsatz von Ersatzbrennstoffen in kohlebefeuerten Kraftwerken (VdS 3446) kann ab sofort über den Verlag von VdS Schadenverhütung in Köln bezogen werden.

BRANDSCHUTZ 4 2005 27 Grenzwerte) aufgezeigt, die zur Einteilung in Risikostufen führen. Es werden Zufeuerungsraten empfohlen, bis zu denen eine gewisse Unbedenklichkeit hinsichtlich möglicher technischer Schadenfolgen resultierend aus der Mitverbrennung von Ersatzbrennstoffen besteht. Werden diese Werte überschritten, sind organisatorische (Instandhaltung, Wartung, Betriebs- und Stoffmanagement) und technische Maßnahmen erforderlich, um über das Normalmaß hinausgehende schädigende Materialbeanspruchungen zu vermeiden. Neben dem Einsatz einer der Ersatzbrennstoffe Tiermehl, Klärschlamm und Substitutbrennstoffe (Kunststofffraktion) zum Regelbrennstoff ist auch der kombinierte Einsatz zweier Ersatzbrennstoffe denkbar. Über die beschriebenen Einzelgefahren hinaus kann der kombinierte Einsatz von Ersatzbrennstoffen zu einem veränderten Gefahrenpotenzial führen. Von einer Vermischung unterschiedlicher Ersatzbrennstoffe im Bunker oder vor der Kohlemühle (Zuteiler) ist dringend abzuraten. Werden zwei Ersatzbrennstoffe gleichzeitig verfeuert, sind diese der Feuerung nur in jeweils getrennten Brennstoffströmen zuzuführen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Ersatzbrennstoffe über separate Einblasrohre oder Brenner der Feuerung zuzugeben. Da die Einschätzung der Einzelgefahren bereits schwierig ist, können das Zusammenwirken bzw. die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Einsatzstoffe zu nicht vorhersehbaren Auswirkungen führen. Der kombinierte Einsatz von Ersatzbrennstoffen erfordert über das Risiko des Mono-Einsatzes hinausgehende Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen, wie z. B. reduzierte Wartungs- und Instandhaltungszyklen. Beim kombinierten Einsatz von Ersatzbrennstoffen sollte daher für die Risikobewertung (s. Abschnitt 6 der VdS 3446) die nächsthöhere Stufe des jeweils am höchsten eingestuften Monobrennstoffes zu Grunde gelegt werden. Die im Merkblatt dargestellten risikotechnischen Hinweise erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei den dargestellten Hinweisen, Maßnahmen und Zufeuerungsraten handelt es sich um unverbindliche Empfehlungen. Diese ergeben sich aus den derzeit vorliegenden Erkenntnissen, Schadenerfahrungen und vorausschauenden sicherheitstechnischen Betrachtungen. Das Merkblatt soll Versicherer, Betreiber und Genehmigungsbehörden bei der Gefahreneinschätzung und Risikobewertung unterstützen. Darüber hinaus soll das Merkblatt Anhaltspunkte für Vorsorge- und Schutzmaßnahmen beim Einsatz von Ersatzbrennstoffen in kohlebefeuerten Kraftwerken geben. Vor der endgültigen Festlegung geeigneter Maßnahmen und anlagenspezifischer Zufeuerungsraten ist in jedem Fall eine risikotechnische Einzelfallbetrachtung erforderlich. Dr. Günther Roßmann, GDV, Berlin (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages aus dem S + S Report, Nummer 5, Oktober 2005)