Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht, FS 2016 OA Dr. iur. des. Damiano Canapa

Ähnliche Dokumente
Aufgabe 2 (Gewichtung: 40%) Prüfungslaufnummer: Punkte erreicht. Punkte maximal

Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht

Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht Herbstsemester Fall 15. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Microsoft

Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht

Referat. Motion Birrer-Heimo

Energiespeicher im Kartellrecht

Proseminar Schwerpunktbereich (Wettbewerbsrecht) WS 08/09

Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht FS 2012

Europäisches und deutsches Kartellrecht (mit einem Überblick über das Regulierungs-, Beihilfen- und Vergaberecht)

Wettbewerbspolitische Rahmenbedingungen für eine verstärkte Zusammenarbeit in der schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft

Abhängigkeitsverhältnisse im Kfz-Gewerbe

Übungen im Handelsund Wirtschaftsrecht FS 2014

Domaine de la santé et droit de la concurrence

Professor Dr. Peter Krebs. Lösungshinweise für die 2. Klausur im Wettbewerbsrecht SS 2005

2. St. Galler Erdgasmarkttagung im Trafo Baden. Stand der Öffnung des Erdgasmarktes in der Schweiz

Einführung in das EG-Wettbewerbsrecht mit Vergleichen zum Wettbewerbsrecht der Schweiz (KG)

Vorlesung Wettbewerbsrecht Kartellrecht

Zusammenspiel von Datenschutz und Kartellrecht

BMW GROUP COMPLIANCE IN GESCHÄFTSBEZIEHUNGEN.

Lösung Gesellschaftsrecht (60%) Frage 1 Verantwortlichkeitsklage nach OR 754.

VL Gebietskörperschaften als Unternehmer

Nachfragemacht aus Sicht der Europäischen Kommission

Die Arbeit des Bundeskartellamtes

Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht Frühjahrssemester 2010

Rabatte bei Marktbeherrschung

Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht FS 2016

Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen

Christina Klein. So reagieren Sie auf eine Abmahnung. interna. Ihr persönlicher Experte

Der wettbewerbskonforme Händler- und Werkstattvertrag

Wettbewerbsrechtliche Aspekte des Anwaltsrechts

MURI RECHTSANWÄLTE. Kooperationen und Vertriebssysteme unter dem neuen Kartellgesetz (2004)

Instrumente der Wettbewerbspolitik als Reaktion auf Wettbewerbsbeschränkungen

Jutta Jasmin Uusitalo. Einbeziehung von AGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr zwischen Deutschland und Finnland

Bundesgericht: Wie das Gaba-Urteil die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen beeinflusst

Erster Teil: Fusionskontrolle im deutschen und europäischen Recht 4

Inhalt. Wettbewerbsrecht Vorwort 7. A. Grundlagen 8. I. Begriff Wettbewerb 8. II. Rechtsrahmen Wettbewerb und Grundgesetz 9 2.

Inhaltsverzeichnis. Gesellschaft, um deren Funktionslosigkeit auszuschließen.. 15

: Sport im Pay-TV Presserohstoff

Aufgabe 2 (Gewichtung: 40%) Prüfungslaufnummer: Punkte maximal. Punkte erreicht

Quersubventionierung öffentlicher Unternehmen zur Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge

Vorlesung Europäisches Binnenmarktrecht

KONSOLIDIERTE FASSUNG DES VERTRAGS ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT - EG (Auszug)

Konzernrichtlinie betreffend den Umgang mit Geschäftsvermittlern.

Art. 102 AEUV [Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung]

Befragung zu den Auswirkungen der Kartellgesetzrevision 2003

Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung von Internetsuchmaschinell, dargestellt am Beispiel von Google

The more economic approach in der Europäischen Fusionskontrolle

Befragung zu den Auswirkungen der Kartellgesetzrevision 2003

Kartellrechtliche Aspekte der Gebrauchtsoftware

Klausurbesprechung im Propädeutikum WS 2014/15. Modul FernUniversität Hagen

Europäisches und deutsches Kartellrecht

D. Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen V. Missbrauch von Marktmacht

Die Unlauterkeit des " Anzapfens" nach deutschem Wettbewerbsrecht

(c) HAVE/REAS. Die IV-Haushaltabklärung. Anwendungsbereich, Methode und Verhältnis zum haftpflichtrechtlichen Haushaltschaden

XVIII. Atelier de la Concurrence Detailhandel und Oligopol

7. EINHEIT: ÖFFENTLICHE UNTERNEHMEN IM UNIONSRECHT

GEMISCHTE VERTRÄGE. 2. Berliner Konzessionsrechtstage am 6./7. April Dr. Justus M. Bartelt

Seminar zum europäischen und deutschen. Das den Art. 81, 82 EG zugrunde liegende Leitbild der Wettbewerbspolitik

file:///c:/users/suhrk/appdata/local/temp/temp1_forum_34.zip/fo... NormAn-Online Norm: Friedhofssatzung

Vorlesung Wettbewerbsrecht Kartellrecht

Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik 263. Daniel Petzold. Die Kosten-Preis-Schere im EU-Kartellrecht. Nomos

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Anerkannte Werbe- und Marketingmethoden. Praxisorientierte Übersicht Teil 3: Behinderung Stand: März 2009

Novelle des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) am in Kraft getreten

Befragung zu den Auswirkungen der Kartellgesetzrevision 2003

Lauterkeitsrecht Verbraucherschutzrecht Vertragsrecht Zur systematischen Einordnung des UWG unter dem Einfluss der UGP Richtlinie

Invalidenversicherung und der beruflichen Vorsorge

5 Unternehmensgründung:

Jahresmedienkonferenz WEKO

Wettbewerbsrecht. in a nutshell. Andreas Heinemann. Andreas Kellerhals

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb

Das türkische Kartellrecht- Ein Hindernis auf dem Weg in die Europäische Union?

Verbundene Rechtssachen C-180/98 bis C-184/98. Pavel Pavlov u. a. gegen Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten

Unterschiedliche Betreibermodelle für Sendernetze

Marktmanipulation und Kurs pflege

Sozialhilfe ein Begriff, zwei Definitionen

Rechtswissenschaftliches Institut. Diskriminierungsverbot

Vorlesung Deutsches und Europäisches Kartellrecht Mo Uhr, HS I (Alte Universität)

Modul 55208: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht Vertiefung

Marktanalyse für die Ausrichter von E-Sport-Wettbewerben 17 1 Begriff und Entwicklung des E-Sports 17

AZ C-453/00; Rz 20 AZ C-8/88; Rz 13 AZ C-213/89; Rz 18 AZ C-213/89; Rz 19 AZ C-213/89; Rz 20 AZ C-213/89; Urteil zu diesem Vorgang AZ C-280/00; Rz 59

Das Mediensystem in Deutschland

Code of Conduct Compliance. Verhaltensrichtlinien für die Vöhringer GmbH & Co. KG. und. ihre Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner

Die Beurteilung von Fusionen kollektiv marktbeherrschender Unternehmen im schweizerischen und europäischen Wettbewerbsrecht

Kartellrecht - Zweck. Österr. und europäisches Kartellrecht I

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Kartellrechtsfragen gemeinsamer Vergütungsregeln

Geldwäschegesetz (GwG) Interne Sicherungsmaßnahmen Anordnung der Wirtschaftsprüferkammer nach 6 Abs. 9 GwG

Bekanntmachung betreffend Abreden mit beschränkter Marktwirkung (KMU-Bekanntmachung)

Vorlesung über das GATS. Wirtschaftsgymnasium Bern Kirchenfeld. 9. März Christian Pauletto (seco)

B2B Plattformen und das Kartellrecht

Allgemeines GleichbehandlungsGesetz

Planungsrechtlicher Umgang mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Dr. Christian Wiggers Rechtsanwalt

verhaltenskodex Der vorliegende Verhaltenskodex fordert Verantwortlichkeit, damit unsere Werte beachtet, umgesetzt und gelebt werden.

Besondere Bereiche des Europarechts

Wahltarife zwischen PKV und GKV

Unlauterer Wettbewerb (UWG) und Kartellrecht (GWB)

DANONES VERHALTENSKODEX FÜR GESCHÄFTSPARTNER

Geoblocking und Kartellrecht

Transkript:

Latte e formaggio Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht, FS 2016 OA Dr. iur. des. Damiano Canapa 23.05.2016 Seite 1

I. Geltungsbereich des KG Artikel 2 KG 1 Das Gesetz gilt für Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen. [ ] 1bis Als Unternehmen gelten sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechtsoder Organisationsform. 2 Das Gesetz ist auf Sachverhalte anwendbar, die sich in der Schweiz auswirken, auch wenn sie im Ausland veranlasst werden. Persönlicher Geltungsbereich Art. 2 Abs. 1 cum 1bis KG Sachlicher Geltungsbereich Art. 2 Abs. 1 KG Örtlicher Geltungsbereich Art. 2 Abs. 2 KG Zeitlicher Geltungsbereich 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 2

I. Geltungsbereich des KG Persönlicher Geltungsbereich Artikel 2 KG 1 Das Gesetz gilt für Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen. [ ] 1bis Als Unternehmen gelten sämtliche Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform. 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 3

I. Geltungsbereich des KG Persönlicher Geltungsbereich A. AG: - Beliefert Supermärkte und kleinere Geschäfte mit Ziegenmilch - Versorgt verschiedene Käsereien mit frischer Ziegenmilch - Produziert industriell hergestellten fettarmen Ziegenkäse Bäh Die A AG ist ein Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 KG 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 4

I. Geltungsbereich des KG Sachlicher Geltungsbereich Artikel 2 KG 1 Das Gesetz gilt für Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen, Marktmacht ausüben oder sich an Unternehmenszusammenschlüssen beteiligen. [ ] Ausübung von Marktmacht 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 5

I. Geltungsbereich des KG Örtlicher Geltungsbereich Artikel 2 KG 2 Das Gesetz ist auf Sachverhalte anwendbar, die sich in der Schweiz auswirken, auch wenn sie im Ausland veranlasst werden. A ist in der Schweiz tätig und seine Handlungen haben Auswirkungen in der Schweiz 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 6

I. Geltungsbereich des KG Zeitlicher Geltungsbereich KG 1995 ist am 1. Juli 1996 in Kraft getreten Die direkten Sanktionen wurden durch die KG-Revision 2003 eingeführt, in Kraft seit dem 1. April 2004 Das kritische Verhalten hat 2013 angefangen Zeitlicher Geltungsbereich ist gegeben 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 7

(I bis Verhältnis zu anderen Vorschriften (Anwendungsbereich)) Artikel 3 KG Abs. 1: Vorbehalt von wettbewerbsausschliessenden Vorschriften Abs. 2: Vorbehalt zugunsten von Immaterialgüterrechten Abs. 3: Verhältnis zum PüG Zwei Fragen - Ist ein anderes Gesetz lex specialis? - Ist das KG lex specialis? KG anwendbar 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 8

II. Prüfungsschema Art. 7 KG Artikel 7 Abs 1 KG (Missbrauchsbegriff) 1 Marktbeherrschende Unternehmen verhalten sich unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen. Kumulative Tatbestandsmerkmale 1. Marktbeherrschende Stellung 1.1. Abgrenzung des relevanten Marktes 1.2. Beherrschende Stellung auf diesem Markt 2. Missbrauch 3. Kein sachlich gerechtfertigter Grund 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 9

1. Marktbeherrschende Stellung Artikel 4 Abs. 2 KG 2 Als marktbeherrschende Unternehmen gelten einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf einem Markt als Anbieter oder Nachfrager in der Lage sind, sich von andern Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten. Zwei Elemente 1.1. Abgrenzung des relevanten Marktes dreifacher Hinsicht Sachlich relevanter Markt Räumlich relevanter Markt Zeitlich relevanter Markt 1.2. Beherrschende Stellung auf diesem Markt 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 10

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Sachlich relevanter Markt Art.11 Abs. 3 lit. a VKU Der sachliche Markt umfasst alle Waren oder Leistungen, die von der Marktgegenseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden. - Stehen Waren oder Dienstleistungen miteinander im Wettbewerb (Substituirbarkeit Eigenschaften und Verwendungszweck)? - Bedarfsmarktkonzept: funktionelle Austauschbarkeit der Produkte aus Sicht der Nachfrageseite - SSNIP-Test 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 11

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Sachlich relevanter Markt Austauschbarkeit auf der Nachfrageseite (einzigig relevante Marktbestimmungsmethode für Art. 7 KG-Fälle BVGer Swisscom ADSL) Existieren aus der Sicht der Nachfrager Waren oder Dienstleistungen (Alternativangebote), die die Waren oder Dienstleistungen ausweichen, die auf einem bestimmten Markt angeboten werden? Bedarfsmarktkonzept und SSNIP-Test Ja: die Waren oder Dienstleistungen gehören zum selben Markt Nein: die Waren oder Dienstleistungen gehören zu verschiedenen Märkte 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 12

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Sachlich relevanter Markt In casu - Markt der verpackten Ziegenmilch (Versorgung) - Gesundheitliche Gründe - Preis der Ziegenmilch - SSNIP-Test - Markt der frischen Ziegenmilch (Versorgung) - Preis der Ziegenmilch - Produktion von Ziegenkäse 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 13

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Sachlich relevanter Markt In casu - Markt des «Bäh» Käses (Versorgung) - Einzigartiger Geschmack - Positive Nutzen auf die Gesundheit (Cholesterin + Diabetes) - Unersetzbarer Käse (Kundenbefragungen) - Preis des Käses 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 14

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Räumlich relevanter Markt Art. 11 Abs. 3 lit. b VKU Der räumliche Markt umfasst das Gebiet, in dem die Marktgegenseite die den sachlichen Markt bestimmenden Waren oder Leistungen nachfragt oder anbietet Substituierbare Angebote müssen von dem jeweiligen Standort des Geschäftspartners erreicht werden 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 15

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Räumlich relevanter Markt In casu - Markt der verpackten Ziegenmilch - Nationale Belieferung - Keine Angaben im Fall über engere (regionale) Märkte Schweiz - Markt der frischen Ziegenmilch - Nationale Belieferung - Keine Angaben im Fall über engere (regionale) Märkte Schweiz 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 16

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Räumlich relevanter Markt In casu - Markt des «Bäh» Käses - Nationale Belieferung - Keine Angaben im Fall über engere (regionale) Märkte Schweiz 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 17

1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes Zeitlich relevanter Markt Angebote sind substituierbar wenn sie ohne zeitliche Begrenzung verfügbar sind. In casu: keine Angaben über einen sonderen zeitlichen Markt 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 18

1.2 Beherrschende Stellung auf diesem Markt Nach Art. 4 Abs. 2 KG gelten als marktbeherrschende Unternehmen einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf einem Markt als Anbieter oder Nachfrager in der Lage sind, sich von anderen Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten, insbesondere wenn diese keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten haben; entscheidend ist die Möglichkeit des unabhängigen Verhaltens eines Unternehmens in einem bestimmten Markt. [ ] Eine marktbeherrschende Stellung lässt sich nicht anhand fixer Kriterien bestimmen, sondern ist im Einzelfall mit Blick auf die konkreten Verhältnisse auf dem relevanten Markt zu entscheiden. BGEr Urteil 2C_484/2010 vom 29. Juni 2012 E. 9.3.1 Sortimentsbedingte oder Unternehmensbedingte Abhängigkeit 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 19

1.2 Beherrschende Stellung auf diesem Markt Beurteilungskriterien Aktueller Wettbewerb Marktstruktur Marktanteile (absolut und relativ) Unternehmensstruktur (z.b. Finanzkraft, Markenportfolio, technologischer Vorsprung) Potenzieller Wettbewerb Marktzutritts- und Marktaustrittsschranken Stellung der Marktgegenseite 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 20

1.2 Beherrschende Stellung auf diesem Markt Markt der verpackten Ziegenmilch (A AG) - Aktueller Wettbewerb - A AG versorgt 90% der verpackten Ziegenmilch - Stabiler Markt - Hohe Finanzkraft? - Potenzieller Wettbewerb - Keine potentielle Konkurrenz (Hohe finanzielle Marktzutrittsschranke) A. AG verfügt über eine Marktbeherrschende Stellung auf dem Markt der verpackten Ziegenmilch 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 21

1.2 Beherrschende Stellung auf diesem Markt Markt der frischen Ziegenmilch (A. AG) - Aktueller Wettbewerb - Stabiler Markt - Kein voller Ersatz möglich, seit 2013 - Hohe Finanzkraft? - Potenzieller Wettbewerb -? - Stellung der Marktgegenseite - Keine Oppisition zu den neuen Verkaufsbedingungen? Marktbeherrschende Stellung? 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 22

2. Missbrauch Behinderungsmissbrauch (exclusionary abuse) Gegenüber der aktuellen oder potentiellen Mitwettbewerber Ausbeutungsmissbrauch (exploitative abuse) Gegenüber der Marktgegenseite (Abnehmer oder Lieferanten) 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 23

2. Missbrauch Artikel 7 Abs. 2 KG (Konkretisierung des Missbrauchsbegriffs) 2 Als solche Verhaltensweisen fallen insbesondere in Betracht: a. die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen (z. B. die Liefer- oder Bezugssperre); b. die Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; c. die Erzwingung unangemessener Preise oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen; d. die gegen bestimmte Wettbewerber gerichtete Unterbietung von Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; e. die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung; f. die an den Abschluss von Verträgen gekoppelte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen oder erbringen. 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 24

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. f KG Kopplungsgeschäfte f. die an den Abschluss von Verträgen gekoppelte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen oder erbringen. Mit der Vorschrift soll verhindert werden, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen ein anderes Unternehmen dadurch benachteiligt oder behindert, dass es den Abschluss eines Geschäfts von Zugeständnissen abhängig macht, die keinen vernünftigen Bezug zum Grundgeschäft haben. [ ] Bei der Beurteilung von konkreten Fällen ist jeweils zu untersuchen, ob die zusätzlichen Leistungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Grundgeschäft stehen. Botschaft 1994, 575 Ausbeutungsmissbrauch, hier aber eher Behinderungsmissbrauch 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 25

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. f KG Kopplungsgeschäfte Der Abschluss von Verträgen wird an die Bedingung geknüpft, dass zusätzliche Leistungen angenommen werden, die weder sachlich noch nach Handelsgebrach in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. Frage ob für die gekoppelte Leistung einen eigenen Markt besteht Ein Sachzusammenhang ist gegeben wenn technische oder wirtschaftliche Gründe für eine Zusammenfassung von Leistungen sprechen 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 26

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. f KG Kopplungsgeschäfte In casu - A ist beherrschend auf dem Markt der verpackten Ziegenmilch - Kauf von fettarmen Ziegenkäse «Bäh» erforderlich um Lieferung von Verpakter Ziegenmilch zu erhalten - Der Ziegenkäse «Bäh» und die verpackte Ziegenmilch sind auf zwei verschiedene Märkte - Es gibt keinen Sachzusammenhang zwischen beide Produkte Fazit: Verstoss gegen Art. 7 Abs. 2 lit. f KG ist gegeben 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 27

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. a KG Verweigerung von Geschäftsbeziehungen a. die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen (z. B. die Liefer- oder Bezugssperre); Unter diesem Tatbestand fallen sowohl die Auflösung oder die Einschränkung von Geschäftsbeziehungen zu bereits bestehenden Kunden wie auch die Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu potentiellen Kunden. [...] Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung schafft keineswegs einen generellen Kontrahierungszwang für das betreffende Unternehmen. Botschaft 1994, 570 Behinderungsmissbrauch 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 28

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. a KG Verweigerung von Geschäftsbeziehungen Keinen generellen Kontrahierungszwang Unzulässig wenn keine sachliche Rechtfertigung vorhanden ist Normalerweise wollen Unternehmen möglichst viele Geschäfte abschliessen Unter dem Tatbestandsmerkmal fallen der Abbruch, die Einschränkung sowie die Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 29

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. a KG Verweigerung von Geschäftsbeziehungen Einschränkung von Geschäftsbeziehungen Strenger bewertet als die Nichtaufnahme Abhängigkeits- und Gefährdungssituation im Verlauf der Zeit 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 30

2. Missbrauch Art. 7 Abs. 2 lit. a KG Verweigerung von Geschäftsbeziehungen In casu - A AG beherrschend auf dem Markt der frischen Ziegenmilch (?) - Länge der Verträge zwischen A AG und B AG/C AG - Unilaterale Veränderung Verstoss gegen Art. 7 Abs. 2 lit. a KG ist gegeben (Einschränkung von Geschäftsbeziehungen) 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 31

3. Kein sachlich gerechtfertigter Grund (= keine Legitimate business reasons) Mögliche Rechtfertigungen von Art. 7 Abs. 2 lit. f KG (Existenz eines Sachzusammenhangs) - Es sprechen technische oder wirtschaftliche Gründe für eine Zusammenfassung von Leistungen - Bestehender Handelsbrauch - Allg. Rechtfertigungsgründe: - Konsumentenschutz - sanitäre oder gesundheitspolizeiliche Gründe - Vermeidung der Produktehaftung - Gewährleistung der Anwendungssicherheit 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 32

3. Kein sachlich gerechtfertigter Grund (= keine Legitimate business reasons) Mögliche (ungeschriebene) Rechtfertigungen von Art. 7 Abs. 2 lit. a KG (insb. kaufmännische Grundsätze) sachliche Gründe für das Verhalten - Geschäftliche Unzuverlässigkeit des Vertragspartners - Effizienz der Tätigkeit - Gewinn für die Konsumenten 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 33

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Viel Erfolg! 23.05.2016 Latte e formaggio, Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht Seite 34