Muss man das Lernen aus Fehlern lernen?

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Transkript:

Muss man das Lernen aus Fehlern lernen? Ein Überblick zum Umgang mit Fehlern im Mathematikunterricht Aiso Heinze, IPN Kiel Landesfachtagung Mathematik Plön, 26. November 2010

Fehler im Alltag schwerwiegender Fehler tödlicher Fehler

Aspekte der Fehlerkultur im Alltag Aus Fehlern lernt man! Durch Fehler wird man klug!

Aspekte der Fehlerkultur im Alltag Its not a crime to make a mistake, but it is a crime if you don t learn from it. Mistakes are the best teachers!

Drei Wege, Wissen zu erwerben: 1. durch Nachdenken, das ist der edelste, 2. durch Nachahmen, das ist der leichteste, 3. durch Erfahrung, das ist der bitterste. Konfuzius (551-478 v. Chr.)

Übersicht Was ist ein Fehler? Kann man aus Fehlern lernen? Empirische Ergebnisse zum Umgang mit Fehlern im Mathematikunterricht Ein Prozessmodell zum individuellen Lernen aus Fehlern Ausblick

Ein Satz vorweg die Frage der Perspektive In den vergangenen Jahrzehnten wurden in der Mathematikdidaktik Schülerfehler meistens aus einer diagnostischen Perspektive betrachtet: Identifizierung von Mustern und Regelmäßigkeiten bei Schülerfehlern (z.b. Komma trennt -Fehlerstrategie) Diagnose der Ursachen Entwicklung von adäquaten didaktischen Interventionsmöglichkeiten zur Förderung. (z.b. Radatz, 1979; Booth, Johnson, Brown, & Hast, 1984)

Was ist ein Fehler? Ein Fehler ist ein von der Norm abweichender Sachverhalt oder Prozeß, der es überhaupt erst ermöglicht, den diesem Sachverhalt oder Prozeß entgegengesetzten richtigen normbezogenen Sachverhalt in seinen Abgrenzungen zu erkennen. Oser & Hascher (1996)

Was ist ein Fehler? Probleme der Fehleridentifikation: Wie sieht die mathematische Norm im Mathematikunterricht aus? Gibt es überhaupt die mathematische Norm in dem Mathematikunterricht?

2 Was ist ein Fehler? Beispiele (?): 1. Martin sagt: 3 + 4 = 8. 2. Martina sagt: Ein Winkel ist durch zwei Linien mit gemeinsamen Anfangspunkt definiert. 2 3. Karl beweist 2 Q : x = 2 x =? 4. Karla sagt: Zwei Dreiecke, die in ihren Winkelgrößen übereinstimmen, sind kongruent. 2 x

Was ist ein Fehler? Ausweg: Betrachtung von Fehlersituationen statt Fehlern. Eine Fehlersituation liegt vor, wenn ein auftretender Fehler (vor der beteiligten Bezugsgruppe) als Fehler identifiziert wird. Fehler(situationen) sind kontextabhängig! z.b. Oser et al. (1997)

Lernen aus Fehlern Häähh!? Wieso sollte ich lernen, wenn ich etwas FALSCH mache?

Lernen aus Fehlern Theorie des negativen Wissens: Negatives Wissen ist das Wissen darüber, welche Fehler vermieden werden müssen, damit ein Handlungsablauf gelingt. Oser et al. (1999) Minsky (1994)

Lernen aus Fehlern Negatives Wissen hilft, die Grenze zwischen dem Korrekten und dem Nichtkorrekten genauer zu lokalisieren. Wer nur positives Wissen hat, weiß nicht, wo das Korrekte aufhört und das Nichtkorrekte anfängt. Wissen = positives Wissen negatives Wissen

Lernen aus Fehlern Der Aufbau von negativem Wissen erfolgt u.a. über einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Fehler sind damit integrativer Bestandteil des Lernprozesses. Durch Fehler wird man klug!

Lernen aus Fehlern Konstruktiver Umgang mit Fehlern den Fehler und seine Konsequenzen erkennen (Fehlersensibilität), den Fehler verstehen und erklären können (Fehleranalyse), den Fehler korrigieren (Fehlerkorrektur), die Entwicklung von Fehlervermeidungsstrategien (Fehlerprävention). vgl. Oser et al. (1999), Guldimann & Zutavern (1999)

Lernen aus Fehlern Ist jeder Fehler ein guter Fehler?? sinnvolle und unsinnige Fehler (Oser et al.,1999; Weinert, 1999; Hammerer, 2001) automatisierte Fehler (z.b. Weinert, 1999) Fehler in Lernsituationen vs. Fehler in Leistungssituationen (Weinert, 1999; Oser & Spychiger, 2005)

Lernen aus Fehlern Lernen aus fremden Fehlern? Muss man selber Fehler machen oder reicht es, Fehler anderer zu beobachten? Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Gilt das auch für den Freund/die Freundin des gebrannten Kindes?

Süddeutsche Zeitung, 15.10.2010

Lernen aus Fehlern Lernen aus fremden Fehlern Trainingsstudie mit Feuerwehrleuten: Nachgewiesene positive Effekte durch videobasierte Fortbildungen, in denen fehlerhafte Einsätze analysiert wurden (im Vergleich zu einer Kontrollgruppe). (Joung, Hesketh, & Neal, 2006)

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Lernen aus Fehlern im Mathematikunterricht Was passiert im Mathematikunterricht? Was nehmen Schülerinnen und Schüler wahr?

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Ergebnisse des Schweizer Projektes zur Fehlerkultur aus Schülersicht (N = 645): Lehrerverhalten in Fehlersituationen ist ausschlaggebend für Lernfortschritt positive Wahrnehmung der Fehlerkultur in der Schule, insbesondere des Lehrerverhaltens Zurückhaltung bei Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern Lernen Menschen aus Fehlern? Zur Entwicklung einer Fehlerkultur in der Schule, 1996 1999.

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Lehrkräfte stehen Fehlersituationen nicht negativ gegenüber, haben aber kaum konkrete Vorstellungen über die Funktion der Fehler im Lernprozess. Videoanalysen (10 Mathematikstunden) ergaben, dass in Fehlersituationen überwiegend ein positives Klima herrscht, aber nur knapp die Hälfte der Fehlersituationen als lernorientiert eingeschätzt wurde. Lernen Menschen aus Fehlern? Zur Entwicklung einer Fehlerkultur in der Schule, 1996 1999.

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Durchschnittliche Anzahl von Schülerfehlern in einer Mathematikstunde (Jahrgangsstufe 8) Fehler pro Stunde öffentlich nicht öffentlich Plenumsphasen (Zeitanteil) Schweiz (N=10) 3.5 1.6 54% USA (N=30) 4.6 3.2 61% Italien (N=30) 10.7 0.3 82% Deutschland (N=22) 4.7 k. D. 73% (Oser et al., 1999; Heinze, 2004; Santagata, 2005)

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Studie Deutschland (Heinze, 2004) Kategorie Unterkategorien Prozent Fehler- Lehrer/in 84,8% erkennung Mitschüler/in 15,2% durch Schüler/in selbst - Reaktion bestimmt durch Lehrer/in 87,6% Mitschüler/in 9,5% Schüler/in selbst 2,9%

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Kategorie Unterkategorien Prozent Art der Reaktion Übergehen 9,5% Berichtigung 24,8% Klärung 18,1% Herausforderung 47,6%

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Kategorie Unterkategorien Prozent Funktion der Reaktion Ergebnisorientierung 50,5% Lernfortschritt 48,6% Disziplinierung 0,9%

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Wie schätzen Schülerinnen und Schüler den Umgang mit Fehlern im Mathematikunterricht ein? Stichprobe ca. 1100 Schüler/innen Ende Klasse 7 aus 43 Schulklassen verschiedener Gymnasien (Heinze & Reiss, 2007)

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Individuelles Lernen aus Fehlern - Fehler, die ich im Mathematikunterricht gemacht habe, schaue ich mir noch einmal genau an. Angst vorm Fehlermachen Likert-Skala: - Vor der Mathestunde habe ich manchmal Angst, dass ich während des Unterrichts Fehler machen könnte. - Ich schäme mich im Mathematikunterricht, wenn ich vor der Klasse Fehler mache. stimmt gar nicht - stimmt kaum - stimmt weitgehend - stimmt genau

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Lehrerverhalten affektiv - Bei uns hat man im Mathematikunterricht das Gefühl, man dürfe keinen Fehler machen, weil unser Lehrer es nicht gerne sieht. Lehrerverhalten kognitiv Likert-Skala: - Wenn ich im Mathematikunterricht etwas falsch mache, geht mein Lehrer auf eine Art und Weise damit um, dass ich etwas dazu lernen kann. stimmt gar nicht - stimmt kaum - stimmt weitgehend - stimmt genau

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Mittelwerte Hauptstudie (N=1100) Schweiz (N=295) ind. Lernen aus Fehlern pos. Lehrerverhalten affektiv kognitiv Angst vor Fehlern 2,44 3,03 2,74 1,82 2,78 3,42 1,78 1=stimmt gar nicht, 2=stimmt kaum, 3=stimmt weitgehend, 4=stimmt genau Mittelwert der Skala: 2,5

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern 180 180 160 160 140 140 120 120 100 100 80 60 40 20 0 4,00 3,75 3,50 3,25 3,00 2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50 1,25 1,00 80 60 40 20 0 4,00 3,75 3,50 3,25 3,00 2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50 1,25 1,00 Ind. Lernen aus Fehlern Angst vorm Fehlermachen 1=stimmt gar nicht, 2=stimmt kaum, 3=stimmt weitgehend, 4=stimmt genau

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern 140 140 120 120 100 100 80 80 60 40 20 0 4,00 3,75 3,50 3,25 3,00 2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50 1,25 1,00 60 40 20 0 4,00 3,75 3,50 3,25 3,00 2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50 1,25 1,00 pos. Lehrerverhalten affektiv pos. Lehrerverhalten kognitiv 1=stimmt gar nicht, 2=stimmt kaum, 3=stimmt weitgehend, 4=stimmt genau

Klassenunterschiede 4,0 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 Klassen individuelles Lernen aus Fehlern Klassen Angst vorm Fehlermachen 1=stimmt gar nicht, 2=stimmt kaum, 3=stimmt weitgehend, 4=stimmt genau

Klassenunterschiede 4,0 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 Klassen Lehrerverhalten affektiv Klassen Lehrerverhalten kognitiv 1=stimmt gar nicht, 2=stimmt kaum, 3=stimmt weitgehend, 4=stimmt genau

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Wann ist das Fehlermachen im MU verboten/erlaubt? Typische Situationen im Mathematikunterricht (außer Klassenarbeiten, Tests), in denen keine Fehler gemacht werden dürfen, sind: Typische Situationen im Mathematikunterricht, in denen man auch mal was Falsches sagen darf, sind: benannte Situationen (N = 1006 Schüler/innen): verboten: 527 erlaubt: 969

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Fehler sind verboten Kategorie Anzahl alte Inhalte, Wiederholungen, Basiswissen 270 kaum eine Situation 144 an der Tafel 107 Haus- & Übungsaufgabe, Unterrichtsbeiträge 71 soziale, affektive Aspekte 67 Fehler sind immer verboten 23 leichte Aufgaben 22 Anzahl der antwortenden Schüler/innen 527

Empirische Ergebnisse zum Lernen aus Fehlern Fehler sind erlaubt Kategorie Anzahl neue Inhalte 850 Hausaufgaben 360 fast immer 257 Übungsaufgaben, bei Fragen 180 Aufrufen, Melden 105 schwere Aufgaben, Herausforderungen 64 Fehler sind nie erlaubt 46 Anzahl der antwortenden Schüler/innen 969

Ergebnisse - Zusammenfassung Im Mathematikunterricht kommen öffentliche Fehler eher selten vor ist der Umgang mit Fehlern klar durch die Lehrkraft dominiert sind die Schülerinnen und Schüler oft in der Lage, die Fehler selbst zu beheben

Ergebnisse - Zusammenfassung Die Lernenden sehen die Fehlerkultur differenziert: kaum Angst vorm Fehlermachen; Lehrerverhalten diesbezüglich weitgehend positiv individueller Umgang mit Fehlern ist verbesserungsfähig; Lehrerverhalten diesbezüglich scheint ausbaufähig zu sein (starke Klasseneffekte) Fehler beim Erlernen neuer Inhalte sind erlaubt; Fehler bei bereits behandelten Inhalten werden als verboten angesehen

Ausgangslage zum Lernen aus Fehlern im MU Beste Voraussetzungen bei Lernenden: keine Angst vor dem Fehlermachen positive Sicht auf das Verhalten der Lehrkräfte differenzierte Wahrnehmung von Lern- und Leistungssituationen aber: individuelle Nutzung von Fehlern eher gering Unterstützung durch Lehrkräfte dabei ausbaufähig

Muss man das Lernen aus Fehlern vielleicht lernen? Positive Fehlerkultur, d.h. einfaches Thematisieren von Fehlern (Identifikation und Klärung/Korrektur) nicht ausreichend? Weitere instruktionale Maßnahmen zum Erwerb der Kompetenz Lernen aus Fehlern notwendig?

Prozessmodell zum Lernen aus Fehlern Fehleridentifikation Fehleranalyse Fehlerkorrektur Fehler(ursache) erklären Fehler in Zukunft vermeiden Produktorientierung/ Performanzorientierung Prozessorientierung/ Kompetenzorientierung

Interventionen im regulären Mathematikunterricht Intervention 1: Unterrichtselemente, die das Analysieren und Erklären von (fremden) Fehlern thematisieren und üben, sowie das zukünftige Vermeiden dieser Fehler behandeln. Intervention 2: Fehler werden im Unterricht (in Lernsituationen!) positiv besetzt, indem sie als Lerngelegenheiten dargestellt und behandelt werden. Keine speziellen Übungsphasen zum Umgang mit Fehlern. Kontrollgruppe: normaler Unterricht

Interventionen im regulären Mathematikunterricht Mögliches Aufgabenbeispiel für Intervention 1: Frank erklärt seinem Freund: Für jede Zahl x gilt, dass -x negativ ist, also -x < 0. 1. Was meinst du zu Franks Aussage? - - - - - - - - - 2. Kannst du erklären, wie er darauf kommt? - - - - - - - - - 3. Welchen Tipp kann man Frank geben, damit er den Fehler nicht noch einmal macht?

Interventionen im regulären Mathematikunterricht Fehleridentifikation Fehleranalyse Franks Aussage stimmt nicht, da -x auch positiv sein kann, z.b. bei x = -1 Fehlerkorrektur Für eine Zahl x ist -x negativ, falls x > 0 positiv, falls x < 0 weder positiv noch negativ, falls x = 0 Fehler(ursache) erklären Frank denkt wohl, dass negative Vorzeichen immer auf negative Zahlen hinweisen. Fehler in Zukunft vermeiden z.b. Frank sollte prüfen, ob die Zahl mit dem negativen Vorzeichen positiv oder negativ ist.

Interventionen im regulären Mathematikunterricht Wichtig: Es geht primär nicht darum, dass die Lernenden konkrete Rezepte oder Strategien lernen, um konkrete Fehler zu vermeiden (Frank sollte prüfen, ob die Zahl ). Ziel der Intervention ist, das Verhalten der Lernenden gegenüber eigenen Fehlern zu verändern, damit sie über Fehlerursachen und Vermeidungsstrategien überhaupt nachdenken.

Design, Stichprobe und Instrumente Stichprobe: 29 Experimentalklassen der Jahrgangsstufen 6-9, darunter Klassen mit Vorerfahrungen in der Fehlerkultur; zusätzlich Kontrollklassen Anzahl Klassen Lernen aus Fehlern Fehlerkultur mit Vorerfahrung 5 2 ohne Vorerfahrung 9 13