Wertvorstellungen und Wertewandel im höheren Lebensalter (60+) Dr. Sabina Misoch 11.11.2015 1
abstract Wertvorstellungen und Wertewandel im höheren Lebensalter (60+) Werte sind die grundlegenden Sinnkomponenten des menschlichen Lebens. Sie sind Vorstellungen vom Wünschenswerten, die nicht nur einem historisch-gesellschaftlichem Wandel unterliegen sondern die sich auch innerhalb des individuellen Lebenslaufs wandeln. Im Vortrag wird beleuchtet, wie sich die Wertvorstellungen lebensphasenspezifisch verändern und welche Werte das höhere Lebensalter (60+) kennzeichnen. 11.11.2015 2
Vita Studium der Soziologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und Psychologie an den Universitäten Heidelberg und Karlsruhe Promotion in Soziologie im Jahr 2004 2004 2006: Wiss. Mitarbeiterin / Universität Potsdam 2006 2010: Oberassistentin Soziologie / Universität Luzern & Projektleiterin Universität Dresden 2010 2013: Juniorprofessorin Kommunikations- & Medienwissenschaften / Universität Mannheim 2013 2014: Leiterin des Instituts für Qualitative Sozialforschung / Luzern & Senior Researcher an der Universität Luzern Seit 11/2014: Leiterin des Interdisziplinären Kompetenzzentrums Alter (IKOA) der FHS St.Gallen Schwerpunkte: Alterssoziologie, Technikakzeptanz, AAL (Ambient Assisted Living), Diversity, Methoden der empirischen Sozialforschung, qualitative Interviewmethoden. Kontakt: sabina.misoch@fhsg.ch Internet: www.misoch.ch 15.09.2015 3
Vortragsgliederung 1. Was sind Werte 2. Wie entstehen Werte? 3. Wertewandel 3.1 Generationensukzessive 3.2 lebensläuflich (individuell) 4. Werte im Alter 4.1 Herausforderungen im Alter: Entwicklungsaufgaben 4.2 Auswirkungen auf das Wertesystem: 10 zentrale Werte im Alter 11.11.2015 4
1. Was sind Werte? 11.11.2015 5
1. Was sind Werte? Werte sind grundlegende bewusste oder unbewusste Vorstellungen vom Wünschenswerten in einer Gesellschaft. Werte Bezeichnen moralisch gute und erstrebenswerte Eigenschaften/ Tugenden bestimmen unser Verhalten gehören zu den grundlegenden Sinnkomponenten dienen in Gesellschaften als Handlungsorientierung, da der Mensch instinktreduziert ist Werte geben Orientierung darüber, was in einer speziellen Gesellschaft erwünscht und bedeutungsvoll ist ( Sinn) Steuern das Verhalten der Menschen als generelle Wegweiser aber nicht als detaillierte oder direkte Handlungsanweisungen 11.11.2015 6
1. Was sind Werte? Sind Teil der Persönlichkeit eines Menschen Werte sind stabiler als Einstellungen (Grund-)Werte sind z.b. Freiheit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe o.ä. Werte sind kulturell variabel In modernen Gesellschaften findet man einen Wertepluralismus vor Je nach sozialem Feld können unterschiedliche Werte dominant sein (Wirtschaft, Kultur,.) Vielfältige Werte sind in offenen und modernisierten Gesellschaften vorzufinden 11.11.2015 7
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2. Wie entstehen Werte? 11.11.2015 9
2. Wie entstehen Werte? Werte entstehen im Zuge des Sozialisationsprozesses Sozialisation = Individuum wächst in die ihn umgebende Gesellschaft und Kultur hinein Vermittlung sozialer Normen und Werte Prozess der Vergesellschaftung des Individuums Sozialisation ist der Prozess, in dem der Mensch in die ihn umgebende Gesellschaft und Kultur hineinwächst und zugleich zu einem eigenverantwortlich ( ) handelnden Individuum wird. (Peuckert/Scherr in: Schäfers: Grundbegriffe: 319). Der Sozialisationsprozess ist nie abgeschlossen und dauert ein Leben lang an Sozialisation // Erziehung Erziehung bezeichnet die von Eltern oder Lehrern bewusst geplanten Bemühungen, die die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes z.b. im Hinblick auf dessen Verhalten in eine gewünschte Richtung beeinflussen sollen. Sozialisation schliesst diese Prozesse mit ein, umfasst aber zusätzlich jene Prozesse, die Prägekraft besitzen oder entwickeln ohne dass diese bewusst intendiert wären oder vermittelt würden Sozialisation = Vergesellschaftung der menschlichen Natur 11.11.2015 10
3. Wertewandel 11.11.2015 11
3. Wertewandel Werte sind tiefsitzende [ ] generalisierte Vorstellungen von Lebenszielen. Werte bestimmen sich danach aus den Grundbedürfnissen eines Menschen und sind hierarchisch geordnet. Die Werte eines Menschen kann man als Struktur sehen, die sein Denken und Handeln leiten. (Inglehart) - Werte werden im Sozialisationsprozess vermittelt - sind kultur- und umweltabhängig - deswegen auch veränderbar. Werte unterliegen der Veränderung: Werte sind historisch betrachtet - veränderlich und sind an einen bestimmten gesellschaftlichen Kontext gebunden und hängen eng mit Glaubensvorstellungen oder den Herrschaftsverhältnissen einer Gesellschaft zusammen Sie können sich auch lebensläuflich d.h. im Laufe des individuellen Lebens verändern Ändern sich die Lebensumstände, so ändern sich auch die Werte (auf Gesellschaften und auch auf Individuen bezogen) 11.11.2015 12
Gesellschaftlich, generationensukzessive Untersuchung des Wertewandels zwischen verschiedenen Generationen; Messzeitpunkt zu einem Zeitpunkt Lebensläuflich, individuell Innerhalb des Lebenslaufes eines Menschen; Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten 11.11.2015 13
3.1 Wertewandel: gesellschaftlich Intensiver Wertewandel in westlichen Ländern ab den 1960er Jahren Wandel von materialistischen, traditionellen Werten hin zu postmaterialistischen Werten Kollektivistischer d.h. gesellschaftlicher Blick auf Werte Hintergrund: wirtschaftlicher Aufschwung, Bildungsrevolution, (1970, beteiligte Länder: BRD, F, GB, NL, I, B) 11.11.2015 14
Werte-/Bedürfnispyramide (nach Maslow) postmaterialistisch materialistisch 11.11.2015 15
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3. Wertewandel Materialistische, traditionelle versus postmoderne, postmaterialistische Werte 11.11.2015 22
3.1 Wertewandel: gesellschaftlich Wertewandel: nach Studien von Ronald Inglehart hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein fundamentaler Wertewandel vollzogen. Früher: materialistische Werte wie Leistung, Pflichterfüllung und Erfolg Heute: postmaterialistische Werte wie Selbstverwirklichung und Autonomie Ursache des Wertewandels wirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft, Bildungsniveau Wertewandel geschieht nicht plötzlich sondern setzt sich langfristig durch (Generationensukzession) 11.11.2015 23
3.2 Wertewandel: lebensläuflich Werte wandeln sich im Laufe des Lebens Individuelle Perspektive auf Werte Hängen mit Lebensphasen, Ereignissen und Herausforderungen zusammen Menschen gehen selbst davon aus, dass sich ihre Werte im Zuge des Lebenslaufes verändern werden Hierzu gibt es bislang keine Forschung Problem: Längsschnittstudien 11.11.2015 24
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4. Werte im Alter 11.11.2015 27
4.1 Herausforderungen im Alter Im Zuge des Älterwerdens müssen sich Menschen mit verschiedenen Herausforderungen auseinandersetzen. Ein Modell, das sich dessen annimmt, ist die Theorie der Entwicklungsaufgaben (R. Havighurst) Entwicklungsaufgaben im hohen Erwachsenenalter: 1. Zurechtfinden mit abnehmender physischer Kraft und Gesundheit 2. Anpassung an Pensionierung und vermindertes Einkommen 3. Anpassung sozialer Rollen und ggf. Übernahme neuer Rollen 4. Zurechtkommen mit Tod des Partners 5. Angliederung an die eigene Altersgruppe 6. Aufbau von altersgerechtem Wohnen 28
4.2 Werte im Alter Sind vor dem Hintergrund der Lebenserfahrung zu sehen («geläuterte Werte») Werte in der Jugend sind zukunftsgerichtet und haben noch keine bzw. kaum eigene Erfahrungen als Basis Sind stärker sozialisationsbedingt und von Orientierungspersonen (z.b. Eltern) abhängig Werte im Alter haben reichhaltige Erfahrungen als Basis Diese Erfahrungen können u.a. zu einem Wertewandel führen oder auch zur Festigung von Werten (auf Basis der Erfahrung) stehen im Zusammenhang mit den aktuellen Herausforderungen, die sich dem Menschen stellen (Entwicklungsaufgaben) So nehmen z.b. auch transzendente Werte im sehr hohen Lebensalter zu (80+) Es liegt interessanterweise bislang keine Forschung zum Wertewandel im Zuge des Lebenslaufes vor 11.11.2015 29
4.2 Werte im Alter 10 zentrale Werte im Alter (angelehnt an Bachmaier) 1. Sicherheit Sicherheitsbedürfnisse wachsen mit dem Alter Finanzielle, persönliche und evtl. metaphysische Sicherheit 2. Gesundheit Gesundheit als Basis wird erst deutlich, wenn diese fehlt 3. Selbständigkeit unabhängig Leben im Alltag 4. Aktivität Regelmässige und ressourcenorientierte Tätigkeit hat positive Auswirkungen auf das Altern 5. Mobilität Leben in Bewegung Körperliche Aktivität Entwicklungsaufgaben: - Zurechtfinden mit abnehmender physischer Kraft und Gesundheit - Anpassung an Pensionierung und vermindertes Einkommen - Anpassung sozialer Rollen und ggf. Übernahme neuer Rollen - Zurechtkommen mit Tod des Partners - Angliederung an die eigene Altersgruppe - Aufbau von altersgerechtem Wohnen 11.11.2015 30
4.2 Werte im Alter 10 zentrale Werte im Alter (angelehnt an Bachmaier) 6. Partizipation Teilhabe älterer Menschen am öffentlichen Leben Um Isolation zu vermeiden 7. Erfahrung Cicero «De senectute»: im Altern lerne er Tag für Tag viel neues hinzu Bereitschaft, lebenslang neue Erfahrungen zu machen 8. Motivation Selbstmotivation entscheidend für das Erleben des Alter(n)s 9. Kompetenzen Lebenslanges Lernen Kompetenzen erhalten (Lern-, soziale und kulturelle Kompetenzen) 10. Selbstbestimmung, Autonomie & Selbstverantwortung über das eigene Leben selbst bestimmen Entwicklungsaufgaben: - Zurechtfinden mit abnehmender physischer Kraft und Gesundheit - Anpassung an Pensionierung und vermindertes Einkommen - Anpassung sozialer Rollen und ggf. Übernahme neuer Rollen - Zurechtkommen mit Tod des Partners - Angliederung an die eigene Altersgruppe - Aufbau von altersgerechtem Wohnen Verantwortung übernehmen für sich selbst (etwas dafür tun, dass man möglichst lange selbständig, mobil und gesund bleibt) 11.11.2015 31
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: ikoa@fhsg.ch sabina.misoch@fhsg.ch http://www.fhsg.ch/alter 32