Achtsamkeit und Akzeptanz

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Transkript:

Achtsamkeit und Akzeptanz Basisfertigkeiten zur Bewältigung körperlicher und seelischer Beschwerden Dr. Michael Metzner & Maria Dedial

Worum geht es? Gib mir die Kraft, das zu ändern, was ich ändern kann, die Gelassenheit, hinzunehmen, was ich nicht ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. (Reinhold Niebuhr, 1892 1971)

Die große Falle Oft kämpfen wir gegen das, was sich nicht (unmittelbar) ändern lässt, und schenken ihm damit viel Raum und Bedeutung in unserem Leben. Dies führt zu Stress. Und Stress bewirkt, dass wir mit dem, was uns stört, noch weniger gut zurecht kommen. Was ich wegstoßen möchte, berühre ich!

Die Nervensäge Bitte gehen Sie jeweils zu dritt zusammen. Zwei setzen sich gegenüber, und einer erzählt seinem Gegenüber irgendeine Geschichte, Urlaubserfahrung, etwas aus dem eigenen Leben o.ä. Der andere hört aufmerksam zu. Die dritte Person soll das Gespräch nun als Nervensäge stören, z.b. indem sie ständig auf den Zuhörer einredet oder mit den Händen vor seinem Gesicht herumwedelt. Im ersten Teil der Übung versucht der Zuhörer, die Nervensäge immer wieder zu stoppen und zur Ruhe zu ermahnen. Im zweiten Teil der Übung bleibt der Zuhörer einfach gelassen beim Zuhören und versucht, sich von der Nervensäge nicht ablenken zu lassen. Nach der Übung: In welcher inneren Haltung haben Sie mehr von dem mitbekommen, was Ihnen erzählt wurde?

Achtsamkeit: Von der Spiritualität zur Wissenschaft Achtsamkeit heißt, nicht zu bewerten und nicht zu kämpfen, sondern die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Das reduziert Stress. Die Praxis der Achtsamkeit, d.h. einer konzentrierten, gegenwartsorientierten und urteilsfreien Geisteshaltung, ist Bestandteil vieler spiritueller Traditionen. Marsha M. Linehan machte dieses Konzept als Element der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) in der Verhaltenstherapie hoffähig und bekannt. Dieser und andere auf Achtsamkeit und Akzeptanz basierende Therapieansätze gehören zur sog. dritten Generation der Verhaltenstherapie.

Eine einfache Definition: 3mal G Der achtsame Geist ist: gegenwärtig (statt i. d. Vergangenheit oder Zukunft) gesammelt (statt zerstreut bzw. dissoziiert) gleichmütig (statt emotional bewertend) Wichtig: Achtsamkeit heißt weder Entspannung noch angestrengte Konzentration! Sie vereint intensives Erleben ( Dabei-Sein ) und waches Beobachten (mit einer Ecke des Geistes ).

Worauf kann man achten? Alles kann zum Objekt unserer Achtsamkeit werden. Man unterscheidet jedoch vier Gegenstandsbereiche (klassisch: Vier Grundlagen der Achtsamkeit ): Körper Gefühle Gedanken äußere Objekte Wer Achtsamkeit üben möchte, kann sie zuerst am besten auf den Körper richten, z.b. auf den ein- und ausströmenden Atem. Merke: Lieber öfter und regelmäßig üben (zweimal täglich 10 Minuten) als selten und zu lang!

Achtsames Sitzen (Zazen) Äußere Haltung Halte deinen Rücken gerade, den Scheitel zum Himmel. Der Blick ist entweder gesenkt oder die Augen geschlossen. Entspanne deine Schultern (Ohren über den Schultern). Innere Haltung Richte deine Aufmerksamkeit auf das Ein- und Ausströmen des Atems bzw. zähle deine Atemzüge wiederholt bis zehn. Jedes Mal, wenn du bemerkst, dass dein Geist nicht mehr beim Atem ist, nimm es einfach zur Kenntnis. Lass los und kehre zum Atem und zum Körper zurück. Es gibt nichts zu tun oder zu erreichen sei einfach da!

Der eigene Film Was wir erleben, ist kein originalgetreues Ergebnis unserer Sinneserfahrungen, sondern stark von unseren Gedanken, Interpretationen und Bewertungen eingefärbt. Meist ist es uns gar nicht bewusst, wie stark wir die Realität mit der Brille unseres Denkens einfärben, und so versuchen wir oft, die Farbe der äußeren Gegebenheiten zu ändern ( Falle ). Dabei schalten wir auf Autopilot wir steuern mehr oder weniger unbewusst durchs Leben und werden zu Gefangenen unserer eigenen Gewohnheiten ( Wir kratzen, wenn s juckt). Achtsamkeit kann uns helfen, unsere eigenen Katastrophengedanken, unsere Filme als Filme zu erkennen, aus ihnen auszusteigen und wieder bei Sinnen zu sein ( manuelle Steuerung ). Das macht frei und eröffnet neue Handlungsoptionen.

Stressige Drehbücher Am liebsten mache ich alles selbst. Ich halte das nicht durch. Es ist entsetzlich, wenn etwas nicht so läuft, wie ich will oder geplant habe. Ich werde versagen. Das schaffe ich nie. Es ist nicht akzeptabel, wenn ich eine Arbeit nicht schaffe oder einen Termin nicht einhalte. Ich kann diesen Druck (Angst, Schmerzen etc.) einfach nicht aushalten. Ich muss immer für meinen Betrieb da sein. Probleme und Schwierigkeiten sind einfach nur fürchterlich. Es ist wichtig. dass ich alles unter Kontrolle habe. Ich will die anderen nicht enttäuschen. Es gibt nichts Schlimmeres, als Fehler zu machen. Auf mich muss 100%iger Verlass sein. Es ist schrecklich, wenn andere mir böse sind. Starke Menschen brauchen keine Hilfe. Ich will mit allen Leuten gut auskommen. Es ist schlimm, wenn andere mich kritisieren. Wenn ich mich auf andere verlasse, bin ich verlassen. Es ist wichtig, dass mich alle mögen. Bei Entscheidungen muss ich mir 100% sicher sein. Ich muss ständig daran denken, was alles passieren könnte. Ohne mich geht es nicht. Ich muss immer alles richtig machen. Es ist schrecklich, auf andere angewiesen zu sein. Es ist ganz fürchterlich, wenn ich nicht weiß, was auf mich zukommt.

Was ist das?

Wozu Achtsamkeit? Achtsamkeit wirkt integrierend: Dissoziation, Derealisation, Depersonalisation durchbricht habituelle Reaktionsmuster: Impulskontrollstörung schafft emotionale Distanz: Schmerz, emotionale Krisen ermöglicht den Ausstieg aus eigenen Filmen : Depression, Angst, Persönlichkeitsstörungen verankert uns in der Gegenwart: Angst, Depression beruhigt den Geist und hilft uns, Gedanken loszulassen (Ausstieg aus der Grübelspirale ): Schlafprobleme, Depression verbessert die Konzentration und Informationsaufnahme: Konzentrations-/Gedächtnisprobleme, Körperschemastörung erhöht die Genussfähigkeit durch Nähe zur unmittelbaren, sinnlichen Erfahrung: Depression, sexuelle Funktionsstörungen

Achtsames Gehen (Kinhin) Äußere Haltung Halte deinen Rücken gerade, den Scheitel zum Himmel. Der Blick ist gesenkt und ruht einige Meter vor dir auf dem Boden. Mach langsame, entspannte Schritte im Einklang mit deinem Atem. Lass deinen Schwerpunkt tief in den Bauch sinken. Innere Haltung Richte deine Aufmerksamkeit auf das Aufsetzen, Abrollen und Anheben deiner Fußsohlen. Du kannst diese Bewegung mit der Achtsamkeit auf den Atem verbinden. Jedes Mal, wenn du bemerkst, dass dein Geist nicht mehr beim Gehen ist, nimm es einfach zur Kenntnis und bring ihn liebevoll zurück. Gehe nur, um zu gehen der Weg ist das Ziel!

Achtsamkeit als Haltung Achtsamkeit sollte keine isolierte Übung sein, mit der man angestrengt Ziele wie Entspannung, Ruhe oder Gelassenheit zu erreichen versucht, sondern eine innere Haltung, die man kontinuierlich einüben kann ( Dabei-Sein ohne zu bewerten). Deshalb ist es besonders wichtig, diese neben den formalen Übungen, wie achtsames Atmen, achtsames Gehen etc., in den Alltag zu übertragen. Jede erdenkliche Tätigkeit bietet dazu Gelegenheit: z.b. Zähneputzen, Geschirrspülen, Autowaschen oder Essen. Dadurch kommen wir mehr und mehr mit den Wundern des gegenwärtigen Augenblicks in Berührung und lassen uns weniger von den unvermeidlichen Widrigkeiten des Lebens gefangen nehmen.

Vielen Dank für ihre Achtsamkeit!