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II. Entscheidungsgründe Das LAG Berlin-Brandenburg hat der Klägerin lediglich einen Abgeltungsanspruch für den gesetzlichen Mindesturlaub für 2007 und 2008 zugesprochen. Es stellte zunächst klar, dass das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2008 durch eine Kündigung der Klägerin beendet worden ist. Der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende arbeitsvertragliche Urlaub für 2007 und 2008 sei erloschen, weil die Klägerin bis zum 30. April 2008 bzw. 2009 arbeitsunfähig krank war und ihren Urlaub auch nicht in der jeweiligen Folgezeit angetreten hat. Dies ergebe sich aus der in Bezug genommenen Regelung des 47 Abs. 7 BAT-O, der in differenzierter Form Höchstfristen für die Übertragung von Urlaubsansprüchen und deren Verfall vorsah. Das LAG Berlin-Brandenburg führt weiter aus, dass der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gemäß 125 SGB X entsprechend 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG erloschen sei. Die Klägerin sei bis zum Ablauf der Übertragungszeiträume arbeitsunfähig krank gewesen und damit eine Urlaubsgewährung nicht möglich gewesen. An der Begrenzung des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen habe auch das Urteil des EuGH vom 20. Januar 2009 in der Rechtssache Schultz-Hoff nichts geändert. Die im Urteil des BAG vom 24. März 2009 (9 AZR 983/07) vorgenommene Überlagerung der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers hinsichtlich 7 Abs. 3 und 4 BUrlG durch gemeinschaftsrechtskonforme Fortbildung beschränke sich auf den von der Richtlinie garantierten Mindesturlaub. Es bestehe keine Veranlassung, den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen im Falle der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit derselben europarechtlich begründeten Ausnahme zu unterwerfen. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes auf den Zusatzurlaub zwinge nicht dazu, eine europarechtlich bedingte Ausnahme über die Reichweite der europarechtlichen Regelung hinaus auszudehnen. Zumindest sei es geboten, insoweit Vertrauensschutz bis zu einer entsprechenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu gewähren, weil sich der Vorlagebeschluss des LAG Düsseldorf nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränkt habe. III. Bewertung Das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg beinhaltet wichtige Aussagen zum übergesetzlichen (tariflichen) Urlaub und zum Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gem. 125 SGB IX sowie zur Frage des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung. 1) Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg scheint davon auszugehen, dass es für den Verfall des übergesetzlichen Urlaubs ausreicht, dass überhaupt eine tarifliche Verfallsregelung getroffen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat die entsprechende Regelung in 47 Abs. 7 BAT-O ausreichen lassen 2) Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 2. Februar 2009 (12 Sa 486/06) bejaht das Landesarbeitsgericht Berlin einen Verfall auch des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit ebenso wie das Arbeitsgericht Berlin in einer anderen Sache (Urteil vom 22. April 2/6

2009, 56 Ca 21280/08). Vor dem Hintergrund der Richtlinie 2003/88/EG ist diese Entscheidung system- und gesetzeskonform. Die Arbeitszeitrichtlinie erfasst nur den gesetzlichen Mindesturlaub. 3) Hinsichtlich der bisherigen Rechtsprechung zum Verfall des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen gem. 125 SGB IX ist zumindest bis zu einer entsprechenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Vertrauensschutz zu gewähren. 2. Keine mehrmalige Inanspruchnahme von Pflegezeit pro pflegebedürftigem nahen Angehörigen Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 24. September 2009 12 Ca 1792/09 Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Pflegezeit. Nachdem der klagende Arbeitnehmer für seine als pflegebedürftig eingestufte Mutter bereits für fünf Tage Pflegezeit in Anspruch genommen hatte, zeigte er dem beklagten Arbeitgeber an, dass er diese erneut für zwei Tage pflegen wolle. Der Arbeitgeber lehnte dieses Begehren mit der Begründung ab, dass der Kläger bereits einmal von seinem Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter einmal Gebrauch gemacht hat. II. Begründung Das ArbG Stuttgart hat einen zweiten Anspruch auf Pflegezeit abgelehnt. Der Kläger könne den Anspruch auf Pflegezeit nach 3 PflegeZG nur einmal für den pflegebedürftigen Angehörigen geltend machen und habe diesen bereits verbraucht. Die Regelungen im Pflegezeitgesetz seien denjenigen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nachgebildet. Während dort in 16 Abs. 1 Satz 5 die Verteilung der Elternzeit auf zwei Zeitabschnitte ermöglicht wird, finde sich im Pflegezeitgesetz keine entsprechende Regelung. Außerdem deute der Wortlaut des 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG ("längstens 6 Monate") auf einen einheitlichen, ununterbrochenen Zeitraum hin. Auch systematische Erwägungen würden diese Rechtsauffassung bestätigen. Im Gegensatz zur Freistellung zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, mit der beispielsweise eine Versorgungslücke in der Pflegesituation überbrückt werden soll, stelle die Pflegezeit eine vollständige oder teilweise Arbeitsfreistellung dar, während der der betroffene Arbeitnehmer seinen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung eigenhändig und für einen deutlich längeren Zeitraum von bis zu 6 Monaten pflegen will. Die Pflegezeit sei daher regelungssystematisch nicht auf eine Abwesenheit vom Arbeitsplatz, bemessen nach Tagen, sondern für einen deutlich längeren Zeitraum angelegt. Schließlich würde nach Auffassung des ArbG Stuttgart die Ansammlung von Pflegezeiten auf einem Zeitkonto bis zur Grenze von 6 Monaten Missbrauchsmöglichkeiten für Arbeitnehmer eröffnen. Könne der Arbeitnehmer die Pflegezeit beliebig aufteilen und in seinem Arbeitsleben verteilen, wäre es durch geschicktes zeitliches Verteilen 3/6

von Ankündigung und Durchführung von mehreren Pflegezeiten möglich, einen durchgehenden Kündigungsschutz nach 5 Abs. 1 und 2 PflegeZG zu erlangen. Im Unterschied zu 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG bewirke eine berechtigte Inanspruchnahme der Pflegezeit das Kündigungsverbot vom Zugang der schriftlichen Ankündigung bis zum Ende der Pflegezeit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs, auch dann, wenn die Pflegezeit erst Wochen oder Monate nach der Ankündigung später beginnen soll. Einen solchen weitgehenden Sonderkündigungsschutz wolle das Pflegezeitgesetz nicht bewirken. Dieser Kündigungsschutz solle lediglich absichern, dass sich Beschäftigte nicht aus Furcht vor Beendigungskündigungen davon abhalten lassen, ihre Rechte auf Pflegezeit geltend zu machen. III. Bewertung Zu Recht ist das ArbG Stuttgart mit überzeugenden Argumenten zu dem Ergebnis gekommen, dass für einen Angehörigen nur einmal Pflegezeit in Anspruch genommen werden und diese auch nicht auf verschiedene Zeitabschnitte verteilt werden kann. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. Wir werden Sie über den Fortgang des Verfahrens informieren. 3. Schriftformerfordernis für Vorverträge mit gleichzeitiger Regelung der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses BAG-Urteil vom 17. Dezember 2009 6 AZR 242/09 Mittels Rahmenbetriebsvereinbarung verständigten sich die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat auf eine Neuorganisation des Vertriebs verbunden mit der Verringerung der Mitarbeiterzahlen. Durch eine Sofortaktion - Erhöhung der Abfindung gemäß dem Sozialplan um bis zu 50 % - sollte Mitarbeitern ein Anreiz geboten werden, sich schnell für die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Dies gab die Beklagte ihren Mitarbeitern durch ein Schreiben bekannt. Die endgültige Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages behielt sich die Beklagte in dem Schreiben aber ausdrücklich vor. Dem Wunsch des Klägers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages kam die Beklagte nicht nach. Der Kläger meint, bereits in dem Schreiben an die Mitarbeiter sei ein Angebot der Arbeitgeberin auf Abschluss eines Vorvertrages über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zu sehen, welches er angenommen habe. Er könne daher sowohl den Abschluss eines Aufhebungsvertrages als auch die Zahlung einer Abfindung verlangen. Die Klage des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages wiesen das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht zurück. II. Entscheidungsgründe Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des BAG wurde kein Vorvertrag durch die Parteien abgeschlossen. Dieser hätte zudem nicht der Schriftform des 623 BGB entsprochen. 4/6

Das Schreiben der Arbeitgeberin enthielt nach Ansicht des BAG kein Angebot zum Abschluss eines Vorvertrages. Vielmehr sei hierin nur eine Information an die Mitarbeiter zu sehen. Die Arbeitgeberin habe sich die Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages in ihrem Schreiben ausdrücklich vorbehalten. Ginge man vom Zustandekommen eines Vorvertrages aus, genüge dieser nicht der Schriftform des 623 BGB und sei gem. 125 Satz 1 BGB nichtig. Gemäß 623 BGB bedürfe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. 623 BGB erfasse nach seinem Wortlaut zwar nur die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag. Doch könne ein Vorvertrag, dessen Hauptvertrag der Schriftform unterliege, nur dann formlos wirksam sein, wenn dem Schriftformerfordernis keine Warnfunktion, sondern lediglich eine Klarstellungs- und Beweisfunktion zukomme. Das Schriftformerfordernis des 623 BGB erschöpfe sich jedoch nicht in der Klarstellungs- und Beweisfunktion, sondern bezwecke zudem den Schutz der Vertragsparteien vor Übereilung und entfalte damit eine Warnfunktion. Der Vorvertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bedürfe daher der Schriftform. III. Bewertung/Folgen der Entscheidung Das BAG führt seine Rechtsprechung zur erforderlichen Schriftform bei einvernehmlicher Aufhebung des Arbeitsverhältnisses fort. Nach Ansicht des BAG handelt es sich auch bei einem Vorvertrag zur Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses - ebenso wie bei einem gerichtlichen Vergleich im schriftlichen Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach 278 Abs. 6 S. 1 2. Alt. ZPO - um einen 'Auflösungsvertrag' im Sinne des 623 BGB. Keine Auflösungsverträge im Sinne dieser Rechtsprechung sind Abwicklungsverträge. Sie bedürfen daher regelmäßig nicht der Schriftform des 623 BGB. Gegenstand eines Abwicklungsvertrages ist nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Abwicklungsverträge konkretisieren vielmehr die gegenseitigen Pflichten während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Folge einer Kündigung. Nur im Ausnahmefall steht ein solcher Abwicklungsvertrag einem Aufhebungsvertrag gleich. Nicht der Abwicklungsvertrag, sondern die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis. 4. Zulässigkeit unterschiedlicher Vergütungen zum Ausgleich von Entgeltabsenkungen BAG-Urteil vom 15. Juli 2009 5 AZR 486/08 Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage bot die Beklagte ihren 300 Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge zu veränderten Arbeitsbedingungen an. Mit Ausnahme von 14 Arbeitnehmern, zu denen auch der Kläger zählte, nahmen die Arbeitnehmer die neuen Arbeitsverträge an. Nachdem sich das Unternehmen wieder in einer wirtschaftlich stabileren Lage gebracht hatte, gewährte die Beklagte den Mitarbeitern, die neue Arbeitsverträge unterschrieben hatten, eine Lohnerhöhung von 2,5 %. Der Kläger begehrte ebenfalls die Lohnerhöhung. 5/6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. II. Entscheidungsgründe Das BAG sieht einen Anspruch des Klägers aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf eine Lohnerhöhung von 2,5 % nicht begründet, da für die Differenzierung ein sachlicher Grund in dem Ausgleich der Einkommenseinbußen besteht. 1. Gleichbehandlungsgrundsatz Zwar könne der Arbeitgeber grundsätzlich frei entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine Leistung gewähre. Doch sei er bei einer nicht nur einzelnen Arbeitnehmern gewährten Lohnerhöhung an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Die Benachteiligung des Klägers sei sachlich gerechtfertigt durch den mit der Lohnerhöhung verbundenen Zweck, die Einkommenseinbußen der Arbeitnehmer mit Neuverträgen teilweise auszugleichen. Sachlich gerechtfertigt sei die Differenzierung vor allem dann, wenn die Vergütungsdifferenz infolge einer Lohnabsenkung aus wirtschaftlichen Gründen bei einem Teil der Arbeitnehmer entsteht. Da die Vergütungsdifferenz nicht auf eine Entscheidung des Arbeitgebers, sondern vielmehr darauf zurückzuführen sei, dass ein Teil der Arbeitnehmer sich nicht auf schlechtere Arbeitsverträge einließ, sei es gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber nach Verbesserung der wirtschaftlichen Lage die Vergütungsunterschiede durch teilweise Lohnerhöhung wieder beseitige. 2. Maßregelungsverbot Auch das Maßregelungsverbot des 612a BGB sei nicht verletzt. Der maßgebliche Beweggrund für die Verweigerung der Lohnerhöhung für den Kläger habe nicht in der zulässigen Ablehnung des Änderungsvertrages, sondern vielmehr in der Existenz des unterschiedlichen Lohnniveaus gelegen. III. Bewertung/Folgen der Entscheidung Nicht nur bei der Leistung freiwilliger einmaliger Sonderzahlungen, sondern auch bei Lohnerhöhungen kann zwischen Mitarbeitergruppen aus sachlichen Gründen differenziert werden. Der Arbeitgeber kann somit Mitarbeitern, die in einer kritischen Wirtschaftslage auf spezifische Entgeltbestandteile verzichten, bei verbesserter Wirtschaftslage einen Ausgleich hierfür gewähren. Mit freundlichen Grüßen ALLGEMEINE HAMBURGER ARBEITGEBERVEREINIGUNG E. V. Schwenke 6/6