Forderungspapier des Deutschen Behindertenrates Fu r eine bessere Verankerung von Barrierefreiheit im privatwirtschaftlichen Bereich

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Transkript:

Das Aktionsbündnis Deutscher Behindertenverbände Forderungspapier des Deutschen Behindertenrates Fu r eine bessere Verankerung von Barrierefreiheit im privatwirtschaftlichen Bereich Das vorliegende Forderungspapier knüpft ausdrücklich an das vom Deutschen Behindertenrat (DBR) bereits am 14. August 2014 vorgelegte Eckpunktepapier für eine Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) an. Es ergänzt und konkretisiert dieses zu Fragen der Verankerung von Barrierefreiheit im privatwirtschaftlichen Bereich. Das Eckpunktepapier des DBR zur BGG-Reform allgemein vom August 2014 ist abrufbar unter: http://www.deutscher-behindertenrat.de/mime/00084479d1410849836.pdf. 1. Generelle Erwägungen zur Barrierefreiheit im privatwirtschaftlichen Bereich Die Herstellung von Barrierefreiheit durch private und öffentliche Akteure ist eine grundlegende völkerrechtliche, aber auch nationalstaatliche Verpflichtung. Sie kommt in Art. 9 UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) klar zum Ausdruck. Auch der Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode betont, dass der leichtere Zugang für Menschen mit Behinderungen zu Transportmitteln, Informationen und Kommunikation sowie zu Einrichtungen und Diensten [ ] unabdingbar sei; er fordert in zahlreichen Politikfeldern (Tourismus, Verkehr, Kommunikation etc.) mehr Barrierefreiheit und differenziert hierbei nicht zwischen privaten und öffentlichen Anbietern. Das BGG enthält schon heute Regelungen, welche die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit anhalten. Dies betrifft, in Zusammenhang mit den zeitgleich erlassenen Fachgesetzen, insbesondere den Verkehrsbereich sowie die Zielvereinbarung nach 5 BGG. Gleichwohl muss die gesetzliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit für private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, verbessert werden. Denn die genannten Vorschriften, insbesondere der geltende 5 BGG, sind zu unspezifisch und nicht hinreichend verbindlich zur Umsetzung von Barrierefreiheit. Zu beachten ist hierbei der General Comment des UN-Fachausschusses zur BRK vom 22. Mai 2014 zur Barrierefreiheit (CRPD/C/GC/2). Darin lehnt der Fachausschuss die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Anbietern von Gütern und Dienstleistungen bei der Herstellung von Barrierefreiheit ausdrücklich ab ( goods, products and services [.] must be accessible to all, regardless of wether they are owned and/or provided by a public authority or a private enterprise. ). 1

Überdies entspricht die verstärkte Verpflichtung Privater auch internationalem Standard. So bezieht z. B. 2 Abs. 2 des österreichischen Behindertengleichstellungsgesetzes Private schon seit 2006 in die Verpflichtungen zur Barrierefreiheit ein, soweit es jeweils um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes gegeben ist. 2. Gesetzliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit für private Anbieter im BGG Daher erneut der DBR seine Forderung aus seinem Eckpunktepapier vom August 2014, private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, die öffentlich angeboten werden, einschließlich Gebäuden, verbindlicher als bisher zur Barrierefreiheit zu verpflichten. Hierfür fordert der DBR konkrete gesetzliche Verpflichtungen im BGG für den privaten Bereich. Konkret befürwortet der DBR, in 5 Abs. 1 BGG neu private Anbieter von öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen zu verpflichten, diese nur noch in barrierefreier Form i.s. d. 4 anzubieten. Der DBR ist sich bewusst, dass die generelle Verpflichtung zur Barrierefreiheit (private) Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Daher befürwortet der DBR ein mehrgleisiges Konzept zur Konkretisierung der Anforderungen, die sich aus der (abstrakten) Verpflichtung zur Barrierefreiheit ergeben und befürwortet insoweit folgende Handlungsoptionen: a) Soweit bereits fachliche Standards zur Barrierefreiheit bestehen, sind diese zur Umsetzung der Verpflichtung des neuen 5 BGG verpflichtend in Bezug zu nehmen. Für den IT-Bereich sind derartige Standards und Vorgaben mit den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.0) und den Zugänglichkeitsrichtlinien für Software (DIN EN ISO 9241-171) sowie weiteren internationalen Richtlinien seit langem vorhanden; die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) beruht auf den WCAG 2.0. Hierauf müssen gesetzliche Verpflichtungen, die für bestimmte Regelungsbereiche (z.b. Barrierefreiheit von Internetauftritten, DeMail-Diensten oder für qualifizierte elektronische Signatur) in der Reichweite der Verpflichtungen noch konkretisiert werden sollten, aufbauen. b) Soweit bislang noch keine fachlichen Standards zur Barrierefreiheit bestehen, sollten Unternehmensverbände auf die Entwicklung und Einführung solcher fachlichen Standards zur Barrierefreiheit, durch Normungsinstitutionen, hinwirken. Dies ist gesetzlich in 5 Abs. 2 BGG neu zu verankern. Eine Einbeziehung der behinderten Menschen und ihrer Verbände ist hier von zentraler Bedeutung. Insoweit wiederholt der DBR seine Forderung nach Schaffung einer unabhängigen Fachstelle Barrierefreiheit. 2

c) Soweit die o.g. fachlichen Standards weder vorliegen noch durch Normungsinstitutionen erarbeitet sind, sollen private Anbieter Zielvereinbarungen mit Verbänden abschließen, um zu beschreiben, wie sie Barrierefreiheit konkret für sich umsetzen. Eine entsprechende, auf den bisherigen 5 BGG aufbauende Norm sollte in 5 Abs. 3 BGG-neu aufgenommen werden. Diese neue Norm würde jedoch die generelle Verpflichtung zur Barrierefreiheit nach 5 Abs. 1 BGG-neu nicht ersetzen, sondern ergänzen. d) Darüber hinaus können auch Integrationsvereinbarungen nach 83 SGB IX stärker zur Herstellung von Barrierefreiheit genutzt werden. Denn Arbeitsplätze für behinderte Arbeitnehmer/-innen sind oft auch Orte, an denen private Unternehmen Waren und Dienstleistungen öffentlich anbieten. Im Katalog zu Inhalten von Integrationsvereinbarungen nach 83 Abs. 2a SGB IX ist daher die Herstellung von Barrierefreiheit ausdrücklich als Regelungsgegenstand zu benennen, jedoch unter den Maßgabe, dass Regelungen zur Barrierefreiheit nicht nur Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung vereinbaren, sondern Verbände behinderter Menschen einzubeziehen sind. Zur Durchsetzung der Verpflichtung zu Barrierefreiheit bedarf es überdies verbindlicher Zeitvorgaben. Mit Blick auf vergleichbare Regelungen im Personenbeförderungsgesetz (PerBefG) fordert der DBR als verbindliche Frist zur Umsetzung des 5 BGG-neu das Jahr 2022, sofern nicht spezialgesetzlich frühzeitigere Fristen normiert sind. 3. Sicherstellung von angemessenen Vorkehrungen im Einzelfall Unberührt von den gesetzlichen Verpflichtungen zur generellen Barrierefreiheit ( 5 BGG neu) bedarf es einer gesetzlichen Verpflichtung für öffentliche wie private Anbieter von öffentlich angebotenen Produkten und Dienstleistungen gemäß Art. 5 Abs. 2 i.v.m. Art. 2 BRK, angemessene Vorkehrungen zu treffen sowie die Versagung dieser angemessenen Vorkehrungen im Einzelfall als unzulässige Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen im Gesetz auszuweisen. Für Träger der öffentlichen Gewalt ist die Verpflichtung im BGG, für private Anbieter in 19 und 20 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu verankern. Als Definition der angemessenen Vorkehrungen ist Art. 2 BRK zugrunde zu legen. Danach bedeuten angemessene Vorkehrungen notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt [ ] alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen und ausüben können. 3

Diese Definition der angemessenen Vorkehrung berücksichtigt bereits die Interessen des (privaten) Anbieters: Sind geforderte Anpassungen unverhältnismäßig oder stellen sie eine unbillige Belastung dar, können sie nicht als angemessene Vorkehrung eingefordert, ihre Verweigerung nicht als Diskriminierung gerügt werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass verhältnismäßige und nicht unbillige Anpassungen verlangt und ihre Verweigerung als Diskriminierung geahndet werden können, ohne dass sich der (private) Anbieter auf Rechtfertigungsgründe berufen kann. Das Gebot zur Gewährung angemessener Vorkehrungen, einschließlich der soeben dargestellten Legaldefinition, sowie die Verweigerung angemessener Vorkehrungen als Diskriminierungstatbestand ist daher in 7 BGG und 19 AGG zu verankern; ein Rückgriff auf 20 AGG (zulässige unterschiedliche Behandlung) ist für den Bereich der angemessenen Vorkehrungen nach dem oben Gesagten auszuschließen. 4. Verzahnungen AGG-BGG im Bereich der Beweislast Das Interesse von Unternehmen am Abschluss von Zielvereinbarungen bzw. branchenspezifischen fachlichen Standards zur Barrierefreiheit sollte unterstützt und forciert werden. Um dies zu erreichen, sind AGG und BGG stärker miteinander zu verzahnen, insbesondere indem die generellen Verpflichtungen zur Barrierefreiheit nach BGG stärker mit dem einzelfallbezogenen Diskriminierungsschutz verschränkt werden. Hierfür sind Änderungen im Beweislastrecht nach AGG erforderlich. Konkret schlägt der DBR vor, dass a) ein Verstoß gegen branchenspezifische fachliche Standards bzw. gegen eine Zielvereinbarung oder b) die Verweigerung eines privaten Anbieters Zielvereinbarungsverhandlungen nach 5 BGG aufzunehmen und binnen einer festgelegten Frist auch abzuschließen, als Indiz nach 22 AGG zu werten ist, das eine Benachteiligung nach 19 AGG vermuten lässt. Im Umkehrschluss könnten abgeschlossene und eingehaltene Branchenstandards bzw. Zielvereinbarungen zur Barrierefreiheit künftig die Vermutungsregelung des 22 AGG entkräften, so dass in diesem Fall die klagende Partei nicht mehr nur den Indizienbeweis erbringen muss, der eine Benachteiligung vermuten lässt, sondern dass die klagende Partei in diesem Fall den Vollbeweis der Benachteiligung erbringen muss. Dies würde Anreize zugunsten privater Anbieter von Gütern und Dienstleistungen schaffen, branchenspezifische fachliche Standards zur Barrierefreiheit zu initiieren und einzuhalten oder auch Zielvereinbarungen zu verhandeln, abzuschließen und umzusetzen. In gleicher Weise könnte nach Ansicht des DBR auch der neue Diskriminierungstatbestand der Versagung angemessener Vorkehrungen gehandhabt werden: In Fall einer abgeschlossenen und umgesetzten Zielvereinbarung würde die Beweiserleichterung nach 4

22 AGG nicht zugunsten der klagenden Partei greifen; vielmehr müsste die klagende Partei beweisen, dass trotz der Zielvereinbarung eine ungerechtfertigte Benachteiligung vorliegt. Auch dies schafft Anreize für (beklagte) Unternehmen, mittels Zielvereinbarungen für sich verstärkten Schutz vor Diskriminierungsklagen zu erreichen. 5. Verbandsklage Anpassungen in AGG und BGG Die verbandlichen Rechte zur gerichtlichen Rechtsdurchsetzung sind wichtig, um Barrierefreiheit, Benachteiligungsverbote und Vorkehrungen im Einzelfall tatsächlich in der Praxis durchzusetzen. Der DBR schlägt hierfür folgende Rechtsverbesserungen vor: Die Prozessstandschaft nach 12 BGG wird erweitert. Sie wird erstreckt auf Verfahren zur Herstellung von Barrierefreiheit nach 5 BGG-neu. Auch die Herstellung angemessener Vorkehrungen ist in die Liste klagefähiger Gegenstände nach 12 BGG-neu aufzunehmen. Die Regelung zur Verbandsklage nach 13 BGG wird ausgeweitet auf Verpflichtungen privater Anbieter zur Barrierefreiheit nach 5 BGG-neu. Hinsichtlich der prozessausgestaltenden Verbesserungen der Verbandsklage (Herstellungs- statt nur Feststellungsanspruch, Rechtmittelfonds etc.) verweist der DBR ergänzend auf sein Eckpunktepapier vom August 2014. Im AGG sind die neu zu verankernden angemessenen Vorkehrungen nicht nur als beistandsfähig i.s.d. 23 AGG auszugestalten, sondern es ist auch hier die Möglichkeit einer Verbandsklage in 23 a AGG-neu zu schaffen. Zusätzlich sollten auch die Vorschriften zur Verbandsklage nach dem Unterlassungsklagegesetz und nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) so ausgestaltet werden, dass der Schutz vor Benachteiligungen und zur Herstellung zur Barrierefreiheit verbessert wird. Überdies befürwortet der DBR, ein niedrigschwelliges Schlichtungsverfahren einzuführen, wie dies nach österreichischem Recht bereits besteht. Ein solches Schlichtungsverfahren kann die Verbandsklage zwar nicht ersetzen, jedoch sinnvoll ergänzen. 6. Angleichung des Schutzniveaus bei Benachteiligung zwischen AGG und BGG Das Schutzniveau der Benachteiligung nach AGG und BGG ist anzugleichen. Nach 3 AGG existiert ein differenziertes System der Definition und des Schutzes hinsichtlich unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligungen, einschließlich Belästigungen und Anweisungen zur Belästigung. Dieses ist in 7 Abs. 2 BGG in gleicher Weise zu verankern. Berlin, den 5. Januar 2015 5