Klassiker der Spielegeschichte 5 8 Herr der Ringe 28 Juni 2012 Dr. Stefan Werning Universität Bayreuth Digitale Medien stefan.werning@uni-bayreuth.de
Kooperative n-personen-spiele mit Zufall und unvollständiger Information 1) kooperative n-personen-spiele eher selten im Bereich der analogen Spiele Gegner als Kombination aus Regeln und Zufallsfunktionen 2) Literatur-Adaptionen in Brettspielen 2
Herr der Ringe Das Brettspiel I: Spielprinzipien Mechanismen: Kommunikation zwischen Spielern Karten dürfen nicht gezeigt werden Karten tauschen und Risiken auf die Gruppe verteilen Auf zukünftige Ereignisse hin planen Parcours-Elemente, räumlich wie narrative ungewöhnlich bei kooperativen Spielen Würfelglück 3
Herr der Ringe Das Brettspiel II: Spielelemente Der Hauptspielplan Die Regionenpläne Die Figurenkarten Die Ressourcenkarten Die Aktivitätenmarker Die Sonderwürfel 4
Herr der Ringe Das Brettspiel III: Design Parallelität des räumlichen und des psychologischen Weges symbolisiert durch parallele Pfade auf der Hauptkarte Dilemma durch Abwägen zwischen Einzelschicksal und übergeordnetem Gruppenziel Literarische Vorlage zerlegt nicht nur in Erzählorte sondern auch in funktionale Erzählobjekte Erzählung wird je nach Wichtigkeit in Schichten aufgeteilt und in der Abfolge/Wichtigkeit der Ereignisse dynamisch variiert 5
Die Feinde Die Erweiterungen zwei neue Szenarien (Bree, Isengart) 13 neue Ressourcenkarten + 3 Gandalf-Karten charakterspezifische Eigenschaftskarten Feinde (zur Flexibilisierung des Korruptionspfads) Sauron Sauron als spielbare Figur (Nazgul als Ressourcen) Beutel für dunkle Ereigniskarten 6
Reiner Knizia 400 veröffentlichte Spiele, 10 Mio. verkaufte Exemplare Doktor der Mathematik (Ulm) leitende Funktionen im Bankenund Softwareentwicklungssektor viele Lizenzspiele Logik Coach auf dem NDS (analog zu Dr. Kawashimas Gehirnjogging) 7
Reiner Knizias Designstil Modellierung eines abstrakten Prinzips statt einer Umgebung Monopoly = Naturalistisches Gameplay Medici = Abstraktes Gameplay / Risikoabschätzung und -bepreisung Eingrenzung des Zufalls durch Planung als ein charakteristisches Element BEISPIEL Beowulf Auktionsspiel Numerisches Ausbalancieren von Werten und Anforderungen als Kernprinzip für alle Strategien gibt es Gegenstrategien anders als teleologisches Spiele wie Monopoly 8
Kooperative Spiele in den 1980er Jahren Richard Launius, Begründer der amerikanischen Koop- Spiele Ende der 1980er orientiert an Pen&Paper-Rollenspielen Typologie: cooperative Puzzle games cooperative Traitor games Pure cooperative games Meist Hybridformen zwischen Karten- und Brettspiel Oft besonders modular konzipiert 9
Beispiele kooperativer Brettspiele Scotland Yard (1983) Verfolgungsjagd durch London ein Spieler als Gegner Arkham Horror (1987/2005) räumlich verteilter Kampf gegen die Ancient Ones Verlust des Verstandes als Spielmechanik vgl. HdR Shadows over Camelot (2005) Möglichkeit eines Verräters in der Gruppe Pandemic (2008) Aufbauspielelemente, d.h. mehrere Stellvertreter-Figuren pro Spieler 10
Semi-Kooperative Spiele Entweder durch einen unbekannten Gegenspieler oder durch Interessenkonflikte Auch Herr der Ringe implizit semi-kooperativ: Spieler können eigene Punkte über das Gruppenwohl stellen muss in jeder Situation neu bewertet werden: nur bei vernichtetem Ring werden Punkte vergeben simuliert Misstrauen durch erwartetes Abwägen zwischen Eigeninteressen und dem gemeinsamen Ziel ein wesentliches Motiv der Herr der Ringe-Erzählung 11
Literatur-Adaptionen Kosmos Literature Series Romane häufig als Brettspiele Filme häufig als Videospiele Teilweise auch gegenläufige Akzentsetzung BEISPIEL Die Säulen der Erde (2008) Konstruktion der Kathedrale als gemeinsames Projekt Probleme der gesellschaftlichen Schichten zugunsten einer konventionellen Spielmechanik ignoriert 12
Kooperative Spiele häufig Adaptionen erlaubt das Spielbarmachen mehrerer Identifikationsfiguren BEISPIEL Der Hobbit jeder Spieler spielt einen Zwerg Umkehrung von HdR: Ziel ist es, Bilbo als NPC so gut wie möglich zu unterstützen 13
Diskussionen der Regelhaftigkeit Auf literarischen Vorlagen basierende Brettspiele ermöglichen eine Re-Interpretation der Erzählung auf Grundlage der Spielmechanik BEISPIEL Regeln bzgl. des Verhältnisses von Frodo und Sam 14
Spielerspezifische Umschreibungen storytelling engine Regelhaftigkeit der Verknüpfung von Spielsystem und Erzählung befördert user-generated content erzeugt nachvollziehbare Meta- Spielregeln BEISPIEL Gollum-Karte BEISPIEL Saruman als nachgelieferte Figur 15
Planspiele als ernsthafte Variante kooperativer n-personen-spiele System Dynamics (Jay Forrester, 1950er Jahre) ganzheitliche Analyse komplexer Systeme BEISPIEL: Das MIT Bier-Spiel (ca. 1960) dezentrale Optimierung einer Verteilungskette Spielleiter als Kunde bzw. Gegner ; ändert einmal seine Bestellmenge hierarchisch differenzierte Parteien (Brauereien, Einzelhändler, Großhändler, Vertriebszentren) nur indirekte Kommunikation über Bestellmengen 16
EXKURS Bezug zu digitalen Spielen: Adaptionen von Knizia-Spielen Lost Cities (2008) für XBLA (inzwischen entfernt) Keltis (2009) für Nintendo DS Ergänzungen wie Achievements und Solitärmodus Battleline, Monumental, Roto etc. für iphone verändern den Status traditioneller Brettspiele 17
Bezug zu digitalen Spielen: Analoge Vorformen von KI Wahrscheinlichkeitsverteilungen als grundlegendstes Prinzip Personalisierung Saurons durch eigenen Würfel Komplexität durch Kombination unterschiedlicher einfacher KI-Instanzen vgl. Die Feinde Komplexere KI-Mechanismen wie state machines bislang wenig in Brettspielen genutzt 18
Bezug zu digitalen Spielen: procedural content creation Z.B. modularer Aufbau des Spielbretts oder (wie bei HdR) der Ereigniskarten Pseudo-Zufallszahlen BEISPIELE Elite (1984) Diablo (1998) Left 4 Dead (2008) Fuel (2009) Dwarf Fortress/Minecraft 19
Bezug zu digitalen Spielen: Erweiterungen Vorform von DLC zukaufbare Erweiterungen nicht nur der Erzählung sondern auch des Regelwerks dazu: Zusatzkarten zu Promotionzwecken ähnlich Spiele-Reihen wie Pokémon erste Erweiterungen im Brettspielbereich entwickelt: Kriegspiel vgl. Claus Pias, Welt im Raster, S. 42 hier umgekehrt: Brettspiele können Strategien für umfassendere und intelligentere Nutzung von downloadable content (DLC) aufzeigen 20