Stürzen muss nicht sein

Ähnliche Dokumente
SICHER STEHEN SICHER GEHEN. IFAS Forum, 25. Oktober 2018 Martina Roffler, dipl. Physiotherapeutin FH, Rheumaliga Schweiz

Sturz einem natürlichen Lebensrisiko professionell entgegenwirken. Astrid Engelbrecht, MSc

Nachmittag-Workshop Block II. 3. Sturzpräventionstagung in Stuttgart

WAZ- Nachtforum Chirurgie im Alter

WAZ- Nachtforum Chirurgie im Alter

Physiotherapie und Sturzprävention

Achtung Sturz! Multimorbidität und Sturzprävention

Stürze im Alter Warum stürzen alte Menschen?

Die Altersmedizin am Universitätsspital

LKH BRUCK / MUR. Konzept. zum Management sturzgefährdeter Patienten. 11. Österreichische Konferenz Gesundheitsfördernder Krankenhäuser

TRAININGSEINHEITEN DEUTSCH PFLEGE. Trainerhandreichungen für Trainingseinheiten B1 B2.

Alt werden wollen alle aber alt sein?

Fit und gesund in jedem Alter

Sturzprophylaxe und Mobilitätsverbesserung. PD Dr. Clemens Becker Robert Bosch Krankenhaus Klinik für Geriatrische Rehabilitation

Strategie 1.1. Positive Einstellung in der Gesellschaft zu Bewegung und Sport durch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit

Sturzprävention bei älteren Menschen

Zentrum für Alterstraumatologie der Kliniken für Geriatrie und Unfallchirurgie. ATZ Sprechstunde

Abteilung Akutgeriatrie

Die ICF für die Pflegepraxis nutzbar machen. Erfahrungen mit der Umsetzung der ICF auf der Rehab am Luzerner Kantonsspital

MEDIENINFORMATION Wolgast, 9. März 2018

The Swiss CHEF Trial : Information und aktueller Stand

Katja Richter, Norma Weidemann-Wendt, Christine Greiff

Spital Wattwil. Akutgeriatrie

Warum stürzen alte Menschen? Claudine Geser Leitende Ärztin Klinik für Akutgeriatrie

Lebenslust. Lebenslast. Lebensqualität beim. Älterwerden. Was kann ich selber zum guten Altern beitragen

Körperliche Aktivität zum Funktionserhalt im Alter

Interdisziplinärer Algorhythmus

Sturzprävention im Alter. Dr. med. Viola Lenz

Sturzgefahren erkennen und Stürze vermeiden. Anfahrt. HELIOS Klinik Lutherstadt Eisleben. Geriatrie und Geriatrische Tagesklinik

Diplomarbeit. Sturzprophylaxe bei älteren Menschen. Bedeutung für Pflegende in der Langzeitpflege. Michael Sorger. Bachelor + Master Publishing

Sturzprävention. Vortrag mit praktischen Übungen. Ulrike Ebben

«Sicher durch den Alltag» Persönliche Sturzprävention zuhause

Aus dem Gleichgewicht Aspekte der Physiotherapie Pfaffstaller Stephan

Kräftig altern - Die positiven Effekte von Muskeltraining im Alter

SRH KURPFALZKRANKENHAUS HEIDELBERG ABTEILUNG FÜR NEUROLOGIE FRAGEBOGEN FÜR ANGEHÖRIGE ZUR AUFNAHME IN DER NEUROLOGISCHEN FRÜHREHABILITATION PHASE B

Ein Ratgeber für ehrenamtliche Mitarbeiter der Nachbarschaftshilfe +

Stürze im Alter Die Bundesinitiative Sturzprävention stellt sich vor

Freiheit versus Sturzgefahr

Gesund Altern. Kanton St.Gallen Gesundheitsdepartement. Dr. med. Karin Faisst, MPH MAE Präventivmedizinerin Gesundheitsdepartement Kanton St.

Patienteninformation zur Vorbeugung von Stürzen

Zusätzliche Qualitäts- und Leistungskriterien für die stationäre geriatrische Rehabilitation. Kriterium. Bemerkung. 1. Grundvoraussetzungen

Sturzprävention: Erfolgreich vorgehen worauf es ankommt

Eine Empfehlung für ältere Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen VERMEIDUNG VON STÜRZEN IM KRANKENHAUS

Sturzgefahren erkennen Stürze vermeiden

Eine Empfehlung für ältere Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen. Vermeidung von Stürzen im Krankenhaus

Physiotherapie bei Post-Polio Syndrom

Das. John N. Morris, Ph.D. Hebrew Rehabilitation Center for the Aged, Boston Juni 2003

Bewegung selbst bestimmen Impulse der Bewohnervertretung für Alternativen zu Freiheitsbeschränkenden Maßnahmen

Spitex-SpiTal-Autonomie-Reha-Kraft

Sturzprophylaxe. Dr. Christoph Michlmayr

Früherfassung und behandlung bei psychischen Krankheiten: Nur ein frommer Wunsch?

Nachfolgend können die Literaturliste sowie die Vortragsfolien eingesehen werden.

KBV-Vertragswerkstatt: Spezifische geriatrische Versorgung

Bewegungsangebote in Reutlingen.

VERTEBROPLASTIE EINE ANLEITUNG FÜR PATIENTINNEN UND PATIENTEN NACH DER VERTEBROPLASTIE

Möglichkeiten und Ziele der Rehabilitation bei Parkinson

Vermeidung von Stürzen im Krankenhaus

Vermeidung von Stürzen im Krankenhaus

7 ANHANG ZUM GUTACHTEN: FORMULARE FÜR GESONDERTE PRÄVENTIONS- UND REHABILITATIONSEMPFEHLUNG

Körper und Geist trainieren im Alter

Kernbereiche. Interventionen. Unterweisung. Unterweisung Körperliche Activität. Handout Weiterbildung Duisburg November 2014

Arbeitsspezifische Rehabilitation. kräfte mobilisieren. Klinik St. Katharinental Spital Thurgau AG

Sturzprävention in Graubünden

Miss und sprich darüber!

Spitex-SpiTal-Autonomie-Reha-Kraft

Diabetischen Fuss: Wunden und Ulcera

Reha vor Pflege. Umsetzung eines normativen Grundsatzes aus der Sicht eines Altenhilfeträgers

Stürze. ein Risiko im Alter. Eine Information für Bewohner/innen und Angehörige der Caritas-Altenzentren in der Diözese Speyer

Schwindel in der Rehabilitation. Eine interdisziplinäre Herausforderung

Motorische Tests bei Senioren und in der Rehabilitation

Frau Nienhaus Dr. Mellies Teilnehmer, Einführung in den Ablauf des Basislehrgangs Klärung organisatorischer Fragen

Leitlinie Physiotherapie und Bewegungstherapie bei Osteoporose

Anamnese Unding oder Geniestreich: Wer macht was? SAR-Forum

Stürze im höheren Lebensalter

Tumorkrank und trotzdem fit!

BMC. Ambulante, diagnostische, objektive Messungen von Gangstörungen Schwierigkeiten mit Gleichgewicht oder allg. Mobilität

Geriatrische Syndrome und Geriatrisches Assessment

Sturzprävention im Pflegeheim

18. Valenser Frühlingssymposium PD Dr. St. Bachmann Chefarzt Rheumatologie

Ganzheitliche Medizin für den älteren Patienten

Stand: 30. Oktober Autor: Bernd Zimmer, Arzt für Allgemeinmedizin, Wuppertal

Innere Medizin Akutgeriatrie

Bewegung & Mobilität. 24. Oktober 2017, «Gesundheit und Lebensqualität im Alter» Barbara Zindel, Physiotherapeutin FH Rheumaliga Schweiz

Neue Wege im Umgang mit MRSA Patienten in städtischen Pflegezentren

NEUROLOGIE. Neurologische Diagnostik, Therapie und Schmerzbehandlung

Altersfrakturen: Was macht sie speziell? Manuela Pretto, RN, MNS Prof. Dr. Norbert Suhm Kontakt:

*Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität

ALTERSFRAKTUREN UND OSTEOPOROSE. KAGO Kompetenzzentrum für Altersfrakturen und Geronto-Orthopädie. Spital Thun Klinik für Orthopädie und Traumatologie

Übersicht. Sturzabklärung und Prävention

Ihr Spital für Akutgeriatrie und Rehabilitation in Basel und Riehen

PHYSIOTHERAPIE AMBULANTE HERZREHABILITATION

Gesund bleiben Gesund werden KARDIOLOGISCHE REHABILITATION

Rehabilitation von geriatrischen Patienten

CENTRAL LINE-ASSOCIATED BLOODSTREAM INFECTIONS

Diagnostische Forschung

Patienteninformation Akutgeriatrie. Behandlung. Interdisziplinär. Therapien. Standortgespräch Pflege

Transkript:

Stürzen muss nicht sein Abklärungsmöglichkeiten in der Physiotherapie im interdisziplinären Team Physiotherapeutin Bürgerspital Solothurn Einleitung Inhalte Abklärungsmöglichkeiten in der Physiotherapie Interventionsmöglichkeiten Schnittstellen im interdisziplinären Team 1

Ein Sturz ist für viele alte Menschen das einschneidenste Erlebnis ihres Lebens. Sich unvermittelt und oft auch hilflos am Boden liegend vorzufinden, bereitet nicht nur Angst und Schmerz, sondern ein Sturz kann auch ein vormals positives Lebensprogramm komplett durcheinander bringen, den Rückzug aus dem aktiven Leben einleiten, das Selbstgefühl zerstören und Perspektivelosigkeit und Depression auslösen. (VS Stel 2004) Epidemiologie Sturzrate in Altenpflegeeinrichtungen: Pro 1000 Einwohner 1400 Stürze pro Jahr Sturzrate im Akutspital oder Rehabilitation: Pro 1000 Patienten 1600 Stürze pro Jahr Sturzprävention bei älteren Menschen; A. Pierobon, M. Funk 2007 2

Der sich wiederholende Sturz ist ein Marker für Körperfunktionsstörungen, Krankheiten und Behinderungen. Dadurch sind eine multidimensionale, interdisziplinäre Abklärung, eine gezielte Intervention und Präventionsmassnahmen immer notwendig Physiotherapie Erfassung der genauen Sturzumstände mittels Sturzanamnese Abklärung der Risikofaktoren Erfassung des Sturzrisikos mittels validen, reliablen Assessments Befundaufnahme der Funktionsstörungen sowie Beeinträchtigung der Aktivität und der Partizipation 3

Intrinsische Medikamente Kognitive Beeinträchtigung Risikofaktoren Extrinsische Stolperquellen in der häuslichen Umgebung (Teppiche, Schwellen) Fehlende Haltegriffe Muskelschwäche, reduzierte Mobilität Beeinträchtigung des Bewegungsapparates (Gelenke, Schmerzen) Vermindertes Sehvermögen Ungenügende Beleuchtung Defekte oder ungeeignete Hilfsmittel Ungeeignetes Schuhwerk Gang- und Gleichgewichtsprobleme Herz-Kreislaufprobleme Risikofaktoren und Sturzhäufigkeit (Tinetti 1988) 80% 70% % Stürzende 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0 1 2 3 4+ Anzahl Risikofaktoren 4

Befund Physiotherapie Funktionsstörungen: Beweglichkeit, Kraft, Schmerzen, Sensorik Gleichgewichtsstrategien korrektiv und protektiv Aktivitätseinschränkungen: Bewegungsübergänge und Aktivitäten im Alltag Gangvariationen Dual Task Situationen Tinettitest Mary E. Tinetti 1986 USA Assessments 5

Berg Balance Scale Berg K. Canada 1989 Assessments Dynamic Gait Index Assessments Shumway-Cook, Woollacott 1995 6

Postfall «Bei einem Sturz brechen nicht nur die Knochen, es bricht auch das Selbstvertrauen.» Zeitler (2004) Teufelskreis der Sturzangst Sturz Muskulärer Abbau Beweglichkeitseinschränkung Abnahme der Geleichgewichtsfähigkeit Circulus Vitiosus Sturzangst Immobilisierung als Sturzvermeidungsstrategie Illustration aus: Pierobon, Adriano, Manfred Funk (2007): Sturzprävention bei älteren Menschen, Risiken Folgen Massnahmen, Seite 8, Stuttgart: Thieme 7

Interventionen «Evidence based» in der Sturzprävention Guideline for the prevention of falls in older persons American Geriatrics Society, British Geriatrics Society and American Academy of Orthopaedic Surgeons Panel on Falls Prevention, JAGS 49:664672, 2001 Gangsicherheitstraining Hilfsmittelberatung Umgebungsbedingte Sturzfaktoren überprüfen Gleichgewichtsübungen Kraft- und Ausdauertraining Heimprogramme Instruktion von Pflegepersonal und Angehörigen Strukturen 8

Funktionstraining Kraft Gleichgewicht Funktionstraining 9

Funktionstraining Im Alltag Heimprogramm Funktionstraining 10

Partizipation Sturzquellen zuhause eliminieren Gehhilfsmittel anpassen, warten und spezifisches Training mit dem Gehhilfsmittel Fazit Sturzpräventionsmodelle sind Teil der qualitätsbewussten Arbeit mit älteren Menschen im Alltag einer Institution. Die Sturzprävention findet im interdisziplinären Team statt mit klarer Abfolge und geregelten Verantwortungsbereichen. 11

Sturzabklärung Physiotherapie RZM Sturz als Einweisungsgrund bei Eintritt (laut Diagnose) Sturz in der Klinik Start bei Eintritt oder an TPS Oranger Punkt Abklärungen - Sturzanamnese - Sturzbefund - Chedoke Aktivitätsskala -Olson - Berg Balance Scale - Tinetti - SOT fakultativ Sturzhypothese für Visite Sturz während des Aufenthaltes oder Urlaubs Sturzmeldung an Arzt und PD Sturzprotokoll ausfüllen, kopieren und verteilen an Berufsgruppen Sturzprotokoll lesen Sofortmassnahmen Abklärungen Visite Interdisziplinäre Sturzhypothese + weitere Abklärungen und Massnahmen Evaluation Austrittsplanung RZM; Arbeitsgruppen; AG Sturz; Fortbildungen; Sturzabklärung fc.4.07 Prävention Verantwortung jeder Institution ist es, die Stürze auf der Abteilung zu erfassen, zu analysieren und daraus weitere Präventionsmassnahmen zu entwickeln. 12

Sturzabklärung Physiotherapie RZM Sturz als Einweisungsgrund bei Eintritt (laut Diagnose) Sturz in der Klinik Start bei Eintritt oder an TPS Oranger Punkt Abklärungen - Sturzanamnese - Sturzbefund - Chedoke Aktivitätsskala -Olson - Berg Balance Scale - Tinetti - SOT fakultativ Sturzhypothese für Visite Sturz während des Aufenthaltes oder Urlaubs Sturzmeldung an Arzt und PD Sturzprotokoll ausfüllen, kopieren und verteilen an Berufsgruppen Sturzprotokoll lesen Sofortmassnahmen Abklärungen Visite Interdisziplinäre Sturzhypothese + weitere Abklärungen und Massnahmen Evaluation Austrittsplanung RZM; Arbeitsgruppen; AG Sturz; Fortbildungen; Sturzabklärung fc.4.07 Prävention: Beispiele aus dem Alltag Mittagspause anpassen genügend Personal zwischen 12.15 und 12.45 Weg zur Toilette markieren Antirutschstrümpfe für die Nacht Freie Durchgangswege in den Zimmern Duschsituation anpassen Abmachungen von der Physiotherapie ans Pflegepersonal bezüglich Mobilität und Sicherheit 13

Visionen Sturzpräventionskonzepte in jeder Institution Aktive Zielfindungsprozess mit den Patienten, zur aktiven Verhaltensänderung Angebot von Sturzpräventionsprogrammen ausbauen 14