Naturwissenschaft Stefanie Kahl Zur Anwendung heuristischer Hilfsmittel beim Lösen von Sachaufgaben im Mathematikunterricht der Grundschule Examensarbeit
Zur Anwendung heuristischer Hilfsmittel beim Lösen von Sachaufgaben im Mathematikunterricht der Grundschule Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Bildungsgänge der Sekundarstufe I und der Primarstufe an allgemein bildenden Schulen (mit Schwerpunktsetzung Primarstufe)
Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG... 4 2. SACHRECHNEN... 7 2.1 Begriffsklärung... 7 2.1.1 Historischer Überblick... 7 2.1.2 Neues Sachrechnen... 9 2.2 Aspekte des Sachrechnens... 11 2.2.1 Sachrechnen als Lernstoff... 11 2.2.2 Sachrechnen als Lernprinzip... 11 2.2.3 Sachrechnen als Lernziel... 12 2.3 Ziele des Sachrechnens... 14 2.4 Einteilung von Aufgaben zum Sachrechnen... 16 2.4.1 Traditionelle Einteilung... 16 2.4.2 Einteilung nach Franke... 19 2.5 Lösungsprozess beim Sachrechnen... 23 2.6 Voraussetzungen zum Lösen von Sachaufgaben... 24 2.7 Schwierigkeiten und Fehlerursachen...25 2.7.1 Sachstruktur... 25 2.7.2 Sprachlich-syntaktische Struktur... 26 2.7.3 Mathematische Struktur... 26 2.7.4 Prozessstruktur... 27 3. HEURISTIK... 29 3.1 Begriffsklärung... 29 3.2 Was sind heuristische Strategien und Prinzipien?... 31 3.2.1 Analogiebildung... 31 3.2.2 (Systematisches) Probieren... 32 3.2.3 Begrenzung des Suchraumes... 32 3.2.4 Vorwärts- und Rückwärtsarbeiten... 33 3.2.5 Ziel-Mittel-Analyse... 33 3.2.6 Zerlegen... 33 3.3 Heuristische Hilfsmittel... 34 3.3.1 Verbal-abstrakte Hilfsmittel... 35 3.3.2 Konkrete Hilfsmittel... 37 3.3.3 Grafische Hilfsmittel... 38 3.4 Zur Lehrbarkeit heuristischer Hilfsmittel... 42 3.4.1 Handlungsorientierungen... 43 3.4.2 Üben von Teilhandlungen... 44 3.4.3 Reflektion über die Lösung und den Lösungsweg... 45 3.5 Verwenden Schüler heuristische Hilfsmittel?... 46 2
4. FALLBEISPIEL - ANALYSE VON AUFGABENBLÄTTERN... 48 4.1 Beschreibung der Klasse... 48 4.2 Versuchsbeschreibung... 48 4.3 Auswertung hinsichtlich der Fehler... 50 4.4 Auswertung hinsichtlich der verwendeten heuristischen Hilfsmittel... 52 4.5 Zusammenfassung... 53 5. AUFGABENBEISPIELE... 54 5.1 Klassenstufe 1/2... 55 5.2 Klassenstufe 3/4... 59 5.3 Klassenstufe 5/6... 63 6. SCHLUSSBETRACHTUNG... 67 LITERATURVERZEICHNIS... 69 3
1. Einleitung In vielen deutschen Grundschulen herrscht trotz langjähriger reformpädagogischer Bemühungen ein Unterricht vor, der geprägt ist vom gleich bleibenden monotonen Versuch, die vier Rechenarten zu automatisieren und aus den Schülern 1 menschliche Taschenrechner zu machen. Der eigentliche Reiz der Mathematik, neue mathematische Zusammenhänge und Regeln zu entdecken und erforschen, geht dabei verloren, die Suche der Kinder nach eigenen Ideen und Lösungswegen wird durch gelehrte Algorithmen oft schon im Keim erstickt. Während meines Blockpraktikums an einer Berliner Grundschule konnte ich selbst beobachten, dass das Trainieren der Rechenfertigkeit durch das Bearbeiten von Rechenblöcken 2 im Vordergrund des Mathematikunterrichts stand. Sachaufgaben wurden nur sehr selten und dann stets im Anschluss an ein Themengebiet beziehungsweise auf eine Rechenart bezogen bearbeitet. Mit Problemaufgaben wurden die Schüler gar nicht konfrontiert. Diese ergebnisorientierte Routine, bei der nur das Produkt der rechnerischen Tätigkeit zählt, könnte durch häufigere Vergabe von Sachaufgaben 3 durchbrochen werden. Bei Sachaufgaben steht der Lösungsprozess im Vordergrund, der durch die geschickte Verknüpfung von bereits Erlerntem mit neuen Ideen charakterisiert ist und bei allen Schülern individuell verschieden sein kann. Die folgende Examensarbeit kann und soll also als Plädoyer für den verstärkten Einzug von Sach- und vor allem Problemaufgaben in den Mathematikunterricht der Grundschule verstanden werden. Nur durch den Umgang mit diesen Aufgaben können Kinder eine eigene Problemlösefähigkeit entwickeln, die - nicht nur im mathematischen Bereich - lebenslang notwendig und von Bedeutung ist. Sowohl Grundschulkinder als auch ältere Schüler und Erwachsene stehen dem Thema Sachrechnen allerdings oft ablehnend gegenüber oder zeigen Verständnisschwierigkeiten gegenüber diesem mathematischen Gebiet. 1 In der gesamten Arbeit verzichte ich auf geschlechtsspezifische Personenbezeichnungen. Schüler, Lehrer etc. benennen immer sowohl den weiblichen als auch männlichen Vertreter dieser Gruppe. 2 Unter Rechenblöcken werden Aufgaben verstanden, die ohne sachlichen Kontext das schlichte Ausführen bestimmter Rechenoperationen erfordern. 3 Dieser Begriff bezieht sich im Folgenden in Anlehnung an Franke auf Aufgaben, die sowohl den mathematischen Inhalt als auch die Sache an sich berücksichtigen (vgl. Franke 2003, S. 35). 4
Dabei ist es gerade das Sachrechnen, das den direktesten Bezug zur Lebensumwelt der Kinder herstellen kann und ihnen durch die Bewältigung von Problemaufgaben zeigt, dass Schule wirklich wie immer gefordert auf das Leben vorbereitet und ihnen die Mathematik Erleichterung im Alltag verschafft. Woher kommt nun diese negative Einstellung gegenüber dem Sachrechnen? Einerseits bergen Sachaufgaben an sich unterschiedliche Schwierigkeiten in sich, die den Schülern das Finden einer Lösung erschweren. Andererseits und das ist vielleicht das Hauptproblem lässt sich das Bearbeiten von Sachaufgaben nicht wie andere Bereiche der Mathematik durch ständiges Üben und Wiederholen automatisieren und endet daher nicht immer schnell und sicher mit einem richtigen Ergebnis. Der Lösungsprozess ist hier komplexer und anspruchsvoller. Es kann keinen Algorithmus zum Lösen aller Sachaufgaben geben, da sich zwar Aufgabentypen einteilen lassen, trotzdem aber keine Sachaufgabe ganz genau einer anderen gleicht. Um die Abneigung der Schüler, die oft aus Schwierigkeiten und Misserfolgen entstanden ist, abzubauen, ist es wichtig, ihnen Hilfsmittel an die Hand zu geben, die ihnen die Bearbeitung dieser Aufgaben erleichtern, und ihnen somit den Spaß und die Motivation beim Problemlösen zu erhalten. Diese heuristischen Hilfsmittel in ihrer Verschiedenheit, Anwendung und vor allem auch Lehrbarkeit sollen den Schwerpunkt der vorliegenden Examensarbeit bilden. Dazu muss zunächst eine Klärung des Begriffes Sachrechnen aus historischer und heutiger Sicht sowie ein Aufzeigen seiner Funktionen und Ziele erfolgen, um zu erkennen, welchen Wert dieses oft stiefmütterlich behandelte[ ] Thema (Guder 1991, S. 4) in sich trägt. Die Verbindung vom theoretischen Hintergrundwissen zur praktischen Arbeit in der Schule soll beginnend mit der Einteilung der verschiedenen Aufgaben zum Sachrechnen gefunden werden. Verschiedene Kategorisierungsmöglichkeiten zeigen nicht nur die vielfältigen Formen von Sachaufgaben, sondern können dem Lehrer auch Hinweise auf individuelle Fehlerursachen und daraus resultierende Förderangebote geben. Der anschließend erläuterte Problemlöseprozess zeigt, welche Phasen für das Bearbeiten einer Aufgabe durchlaufen werden müssen und verdeutlicht ebenso wie die dargestellten notwendigen Voraussetzungen zum Lösen von Sachaufgaben die damit verbundenen möglichen Schwierigkeiten der Kinder. 5