Zwischen Talent und Chaos: Kinder mit AD(H)S Viele haben es - alle erleben es - aber nur wenige wissen genug darüber
In welcher Form sind Sie bereits mit AD(H)S in Kontakt gekommen? AD(H)S und Schule: ein Horrorthema?
Zielsetzung und Inhalte des Workshops Wissen über das Störungsbild erweitern Sensibilität für die Situation des betroffenen Kindes entwickeln Individuelle Fördermaßnahmen zur Erleichterung der Verhaltenssteuerung aufzeigen Aber Es gibt keine Patentrezepte! Langer Atem ist nötig! Aktive Zusammenarbeit mit Eltern, Kollegium etc. und persönliches Engagement sind erforderlich!
Was man über AD(H)S wissen muss Um was für ein Störungsbild handelt es sich? Wie nimmt der Lehrer das AD(H)S-Kind wahr? Welche komorbiden Störungen können sich auf der Grundlage der Primärsymptomatik entwickeln? Prävalenz: wie viele Kinder/ Jugendliche sind betroffen? Einmal AD(H)S immer AD(H)S? Welche Ursachen werden diskutiert? Wie wird AD(H)S diagnostiziert? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Wie können Lehrer/ Erzieher individuell fördern durch Erleichterung der Verhaltenssteuerung?
Um was für ein Störungsbild handelt es sich? Die Abkürzung AD(H)S steht für eine Aufmerksamkeits- Defizit-Störung mit oder ohne Hyperaktivität. AD(H)S ist eine bereits im Kindesalter beginnende Entwicklungsstörung der Handlungsplanung und der Selbstkontrolle. Die Symptome aufmerksamkeitsgestörter Kinder zeigen sich besonders dann, wenn längere Aufmerksamkeitsspannen und zielgerichtete Tätigkeiten gefordert werden (z.b. Schule, Hausaufgaben, Gruppenaktivitäten etc.).
Wie nimmt der Lehrer das AD(H)S-Kind wahr? 3 Primärsymptome 1. Aufmerksamkeitsdefizit: Unkonzentriert, ablenkbar, geringes Durchhaltevermögen, hören nicht richtig zu, vergesslich 2. Impulsivität: Handelt unüberlegt, platzt rein, kann nicht abwarten, schnell frustriert, unorganisiert, unordentlich, stimmungswechselhaft 3. Hyperaktivität (bei 1/3 kaum oder nicht vorhanden): Motorische Unruhe, rastlos, grenzenloser Tatendrang, kommt kaum zur Ruhe, zappelt, läuft herum im Unterricht, Hang zur Selbstdarstellung, Pioniergeist, Redefluss Die Ausprägung des Krankheitsbilds ist individuell sehr unterschiedlich (Subtypen).
Wie nimmt der Lehrer das AD(H)S-Kind wahr? ADS kann auch in Kombination mit einer Hypoaktivität auftreten. Häufige Verhaltensmerkmale: ruhig, verträumt, unkonzentriert, kontaktarm, antriebsarm, regressiv, depressiv, passiv, oft hochsensibel ADS mit Hypoaktivität tritt scheinbar häufiger bei Mädchen auf.
Welche komorbiden Störungen können sich sich auf der Basis der Primärsymptomatik entwickeln? Sekundärsymtome: Aggressionen Klassenclownerien Lernstörungen Angststörungen, Phobien Geringes Selbstwertgefühl, mangelndes Selbstbewusstein Rückzug Depressionen etc.
Prävalenz: wie viele Kinder/ Jugendliche sind betroffen? AD(H)S wird nach den Kriterien des DSM-IV bei ca. 4 8 % aller Schulkinder in Deutschland diagnostiziert. Die Schwankungsbreite ist groß (je nach Autor auch Raten bis zu 25 %). Seit 1990 hat sich das Geschlechterverhältnis zwischen betroffenen Frauen und Männern von 1:9 auf 1:3 verringert. Jungen werden gegenüber Mädchen häufiger diagnostiziert: möglicherweise, weil Mädchen häufiger unter ADS ohne Hyperaktivität leiden und dadurch seltener auffallen. International wird eine Häufigkeit von 9,2 % (5,8 13,6 %) für Jungen und 2,9 % (1,9 4,5 %) für Mädchen angegeben. Durchschnittlich sitzt in jedem Klassenzimmer etwa ein betroffenes Kind! (Weiterf. Daten in LAUTH/SCHLOTTKE, S. 25)
Einmal AD(H)S immer AD(H)S? 30 % bis 70 % der AD(H)S-betroffenen Jugendlichen behalten die Störung auch im Erwachsenenalter bei. Die Prävalenz von AD(H)S im Erwachsenenalter beträgt 1,3 % bis 4,7 % (Deutsches Ärzteblatt 2004). Statt Hyperaktivität tritt eher eine erhöhte innere Unruhe auf. AD(H)S im Erwachsenenalter ist seit 1995 bekannt und seit 2003 auch in Deutschland als Krankheit anerkannt.
Welche Ursachen werden diskutiert? Multifaktorielle Ursachen: Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird AD(H)S durch das Zusammenwirken neurobiologischer und psychischer Faktoren, sozialer Rahmenbedingungen und Lernerfahrungen verursacht (siehe auch integratives Modell nach LAUTH/SCHLOTTKE (2002), S. 61). Die einzelnen Faktoren werden nicht kausal, sondern bedingungsanalytisch gesehen; das bedeutet, kein einzelner Faktor allein erklärt die Manifestation von AD(H)S! Genetische Disposition: Eltern und Geschwister von AD(H)S-Kindern haben ein ca. 5faches Risiko, an AD(H)S zu erkranken. Aber nicht AD(H)S als Störung wird vererbt, sondern die biologischen Dispositionen, die die Ausprägung von AD(H)S begünstigen!
Welche Ursachen werden diskutiert? Neurologische Erklärung: Dem allgemeinen Erklärungsmodell für die Entstehung der AD(H)S liegt eine fehlerhafte Informationsverarbeitung zwischen bestimmten Hirnabschnitten zugrunde. Diese Störung ist wahrscheinlich durch ein Ungleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter) in diesen Hirnbereichen vor allem von Dopamin und Noradrenalin - bedingt, die eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung von einer Nervenzelle zur anderen spielen. Diskutiert werden sowohl ein Überschuss an Dopamin (HÜTHER) als auch häufiger ein Dopaminmangel, der die Verarbeitung von Nervenimpulsen stört. Daraus resultieren Modulationsschwächen in der zentralnervösen Aktivierung (Aktivierung kann nicht situationsentsprechend gesteuert werden) und Mängel bei der zentralnervösen Hemmungskontrolle (nicht relevante Handlungsimpulse/Gedanken können schlecht zurückgestellt werden). Einige Untersuchungen weisen auch auf Unterschiede in der Hirnanatomie und im Glucosestoffwechsel im Gehirn hin.
Welche Ursachen werden diskutiert? Videoclip
Welche Ursachen werden diskutiert? Risikofaktoren: dazu zählen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Infektionen, Erkrankungen des ZNS, verschiedene Schadstoffe (z.b. Tabak, Alkohol während der Schwangerschaft etc.) Psychosoziale Faktoren: z.b. Reaktion der Umwelt auf die Störung und reaktive Verarbeitung beim Kind dürfen bei Ausprägung der Störung nicht unterschätzt werden. Aber: Erziehungsfehler allein führen nicht zur Ausprägung von AD(H)S!
Wie wird AD(H)S diagnostiziert? Grundlage einer fundierten klinischen Diagnose durch Fachleute ist die gründliche Erhebung der Vorgeschichte und die klinische Untersuchung. Informationen aus unterschiedlichen Quellen (neurologische Untersuchungen, Befragungen, Verhaltensbeobachtungen, psychologische Tests etc.) müssen genutzt werden. Differentialdiagnose: andere Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Einen spezifischen AD(H)S-Test gibt es nicht. Die Symptome treten vor dem 7. Lebensjahr auf, müssen mindestens seit 6 Monaten vorliegen und in zwei oder mehr Lebenssituationen (z.b. Schule, Familie, Freizeit) ein unangemessenes Ausmaß erreichen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Eine Multimodale Therapie ist anzustreben, die auf den Einzelfall abgestimmt werden muss. Eingesetzt werden Psychotherapien (z.b. Verhaltenstherapie, Familientherapie), Ergotherapie, Mototherapie, Elterntraining, Pharmakotherapie etc. Eine Pharmakotherapie mit Stimulantien (z.b. Methylphenidat) beeinflusst den Dopaminstoffwechsel und soll nur nach sorgfältiger medizinischer Indikation im Rahmen einer Gesamtbehandlung erfolgen. Eine Pharmakotherapie führt nicht zur Heilung, aber meist zur Entlastung. Alle beteiligten Personen sollten gründlich über AD(H)S informiert werden.
Wie können Lehrer/ Erzieher individuell fördern durch Erleichterung der Verhaltenssteuerung? Zur Beantwortung dieser Frage wird ein Arbeitsblatt verteilt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!