53. FIW-FERIENKURS MISSBRAUCHSAUFSICHT ÜBER MARKTBEHERRSCHENDE UNTERNEHMEN DÜSSELDORF, 21./22. SEPTEMBER 2016

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Transkript:

53. FIW-FERIENKURS MISSBRAUCHSAUFSICHT ÜBER MARKTBEHERRSCHENDE UNTERNEHMEN DÜSSELDORF, 21./22. SEPTEMBER 2016 Dr. Michael Dietrich, Partner, +49 211 9755 9067, michael.dietrich@hsf.com

STRUKTUR DES VORTRAGS Schwerpunkte: Artikel 102 AEUV 19-20 GWB (nach der 8. GWB-Novelle) Regelungsgehalt, Tatbestandsmerkmale, Rechtsfolgen Tatbestandsmerkmale: Marktbeherrschung Missbrauch und more economic approach Ausgewählte Missbrauchskonstellationen 2

REGELUNGEN 8CM X 8CM

ARTIKEL 102 AEUV UND 19-20 GWB Art. 102 AEUV: Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Marktmachtmissbrauch 19 Abs. 1 GWB: Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten. 19 Abs. 2 GWB (Regelbeispiele): Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 1. ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; 2. [ ] 20 Abs. 1 GWB: 19 Abs. 1 i.v.m. Abs. 2 Nr. 1 GWB gilt auch für Unternehmen mit relativer und überlegener Marktmacht. 4

ARTIKEL 102 AEUV UND 19-20 GWB Eine marktbeherrschende / marktstarke Stellung zu erlangen oder zu haben, ist nicht verboten! Aber: Marktbeherrschende / marktstarke Unternehmen unterliegen besonderen Verhaltenspflichten, die andere Unternehmen nicht beachten müssen. Verboten: Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung Tatbestandsmerkmale Marktbeherrschende oder marktstarke Stellung Missbräuchliche Ausnutzung Artikel 102 AEUV: Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten Wichtige Rechtsfolgen Maßnahmen sind per se verboten (deklaratorische Wirkung der Behördenentscheidung) Untersagungs- bzw. Beseitigungsanordnung Bußgelder (bei Vorsatz und Fahrlässigkeit) Zivilrechtliche Nichtigkeit der Verträge Schadensersatz 5

MARKTBEHERRSCHUNG Zweistufige Prüfung 1. Marktabgrenzung Sachlich relevanter Markt (Austauschbarkeit re. Eigenschaften, Preise, Verwendungszweck) Räumlich relevanter Markt 2. Marktbeherrschende Stellung Marktanteil Finanzkraft Marktstruktur Marktzugang / Marktzutrittsschranken etc. Artikel 102 EUV Einzelmarktbeherrschung nach Rspr. ab rund 40% Marktanteil 18 GWB ( widerlegliche Marktbeherrschungsvermutungen) Abs. 4: Einzelmarktbeherrschung ab 40% Marktanteil Abs. 6: 2-3 Unternehmen: 50% Marktanteil 4-5 Unternehmen: 2/3 Marktanteil 6

MISSBRAUCH UND MORE ECONOMIC APPROACH Anerkannte Fallgruppen für missbräuchliche Verhaltensweisen (form based approach): Behinderungsmissbrauch (horizontal) Exklusivität Rabattsystem Lieferverweigerung (Marktbeherrschung kann zur Belieferungspflicht führen!) Kopplung Diskriminierung (bspw. durch Preise, Konditionen, etc.) Ausbeutungsmissbrauch (vertikal) Kein Verschulden/ Schädigungsabsicht erforderlich! Auswirkungen des more economic approach Auswirkungsbezogener Ansatz Rule of Reason as efficient competitor Vermutungen Rechtfertigungsmöglichkeiten: Objective necessity defence Meeting competition defence Efficiency defence Sehr restriktive Rechtfertigungsmöglichkeiten: Objective necessity defence Meeting competition defence 7

MISSBRAUCHSFÄLLE 8CM X 8CM

1. RABATTSYSTEM: INTEL EUG, ENTSCHEIDUNGEN VOM 12. JUNI 2014 Hersteller von x86-prozessoren Computerhersteller 1 Exklusivitätsrabatt für exklusive Bestellung Sonderzahlung für Beschränkung des Vertriebs von Computern mit AMD-Prozessoren 3 2 Treuerabatt für Förderung des Verkaufs von Computern mit Intel- Prozessoren Eingeschränkte Bestellung Eingeschränkter Vertrieb Eingeschränkter Verkauf von Computern mit AMD-Prozessoren an Endkunden Einzelhändler Hauptwettbewerber von Intel 9

1. RABATTSYSTEM: INTEL EUG, ENTSCHEIDUNGEN VOM 12. JUNI 2014 > 3 Kategorien von Rabattsystemen Mengenrabatte Unbedenklich Von ihnen geht keine marktabschottende Wirkung aus, denn sie beruhen auf einer Leistung (Verkaufsmenge), die einen finanziellen Vorteil rechtfertigt. Treue- oder Exklusivitätsrabatte Immer missbräuchlich Sie haben marktabschottende Wirkung, denn sie mindern den Anreiz des Abnehmers auch nur einen Teil seiner Nachfrage bei einem anderen Anbieter zu beziehen. Sonstige nichtexklusive und nicht mengenbezogene Rabatte Umfassende Prüfung der Umstände des Einzelfalls notwendig, insbesondere Nachweis erforderlich, dass von dem Rabatt eine Treuewirkung ausgeht Qualitative Kriterien: Rabattschwellen angepasst an Umsätze des Vertragspartners Rabattgewährung unter Bedingung der Umsatzsteigerung Große Sprünge in der Rabattstaffel Rückwirkende Rabattgewährung 10

1. RABATTSYSTEM: INTEL EUG, ENTSCHEIDUNGEN VOM 12. JUNI 2014 > Rabatte von Intel: Kategorie II 1 2 Exklusivitätsrabatte gegenüber direkten Abnehmern Treuerabatte gegenüber indirekten Abnehmern 3 Sonderzahlungen für Vertriebsbeschränkungen von Konkurrenzprodukten zielen darauf ab, den Abnehmern die freie Wahl ihrer Bezugsquellen zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren zielen wie Exklusivitätsrabatte darauf ab, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, wirken jedoch in einem späteren Stadium der Lieferkette verhindern, dass Waren von Wettbewerbern auf den Markt gebracht werden, was eine ausschließlich auf die Wettbewerbsbeschränkungen gerichtete Maßnahme darstellt 11

1. RABATTSYSTEM: INTEL EUG, ENTSCHEIDUNGEN VOM 12. JUNI 2014 Problem: Anwendung des AEC-Tests? Prioritätenmitteilung der Europäischen Kommission: Bei preisbezogenem Behinderungsmissbrauch ist der As efficient competitor -Test (AEC-Test) vorzunehmen EuG Intel: Keine Anwendung der Prioritätenmitteilung im Fall INTEL Obiter Dictum: Ein positiver AEC-Test ist kein Safe Harbor! Rabatte der 2. Kategorie: Auch ein positiver AEC-Test kann die marktabschottende Wirkung eines Exklusivitätsoder Treuerabatts nicht ausschließen. AEC Rabatte der 3. Kategorie: AEC-Test nicht zwingend notwendig, um eine marktabschottende Wirkung zu nachzuweisen Wie der EuGH in Michelin I und Tomra zeigte, haben Rabatte nicht nur dann wettbewerbsbeschränkende Wirkungen, wenn sie einen Wettbewerber dazu zwingen negative Preise zu setzen, sondern auch dann, wenn von ihnen eine Treuewirkung ausgeht. 12

1. RABATTSYSTEM: DEUTSCHE POST AG BKARTA, ENTSCHEIDUNG VOM 2. JULI 2015 B9-128/12 Netzanbieter 1 Teilleistungsverträge BZA und BZE Großkunden 2 Zielpreisvereinbarungen (inkl. Abrede über Werbekooperationen, die Lieferung von Qualitätsdaten, Share-of-wallet-Regelung, Großkundenrabatt) Marktanteil bei lizenzpflichtigen Briefdienstleistungen: 80% Vertrag über kostenpflichtigen Teilnetzzugang Alternativer Briefdienstleister (Einsammeln, Aufbereiten, Einliefern von Kundenbriefen bei der Deutschen Post zur Weiterbeförderung) Verstoß gegen das Missbrauchsverbot: 1.Preis-Kosten-Schere: Großkundendienste der Deutschen Post infolge der Zielpreisverträge kostengünstiger als das von den Wettbewerbern geforderte Entgelt für den Teilleistungszugang zum Netz. 2.Treuerabatte: Zielpreise wurden teilweise davon abhängig gemacht, dass der Großkunde (nahezu) seinen ganzen Bedarf an Briefdienstleistungen bei der Deutschen Post deckt. 13

1. RABATTSYSTEM: TOMRA SYSTEMS ASA EUGH, URTEIL VOM 19. APRIL 2012 C 549 /10P Rabatt auf Gesamteinkauf bei Überschreitung des kundenindividuellen Abnahmeziels MARKTBEHERRSCHEND Rabattsystem von Tomra entspricht Kategorie 3 Bindung wichtiger Großkunden Beschränkung der Wahlmöglichkeiten der Abnehmer bzgl. alternativer Bezugsquellen Versperrung des Marktzugangs für Wettbewerber und Stärkung der beherrschenden Stellung durch Wettbewerbsverfälschung EuGH: Für die Annahme des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung genügt: Nachweis, dass missbräuchliches Verhalten darauf ausgerichtet ist, den Wettbewerb zu beschränken ODER Nachweis, dass Nachlässe dafür gewährt werden, dass der Kunde seinen Gesamtbedarf bzw. einen wesentlichen Teil davon bei ihm deckt (Treuerabatt) Nachweis, der einseitigen Anwendung des Rabattsystems 14

1. RABATTSYSTEM: EDEKA BKARTA, BESCHLUSS VOM 03. JULI 2014 Abhängige Anbieter Marktstarker Nachfrager Forderung von Hochzeitsrabatten ohne / ohne angemessene Gegenleistung Edeka forderte von seinen Lebensmittellieferanten Bestwertabgleich, dh rückwirkende Anpassung an punktuell günstigere Plus- Konditionen Zahlungszielanpassung Synergiebonus für aus der Übernahme erzielte Synergieeffekte Partnerschaftsvergütung für die Renovierung und Umstellung der alten Plus- Filialen Sortimentserweiterungsbonus für zusätzliche Listungen in den neuen Filialen BKartA: Voraussetzungen für die sachliche Rechtfertigung der Forderung eines Konditionsvorteils durch einen marktstarken Nachfrager Erbringung einer Gegenleistung Nachvollziehbarkeit der Berechnung von Forderung und Gegenleistung Nachvollziehbarkeit der Begründung von Forderung und Gegenleistung Angemessenheit der Gegenleistung, dh kein offensichtliches Missverhältnis zwischen Forderung und Gegenleistung 15

2. LIEFERVERWEIGERUNG: REISESTELLENKARTE BGH, URTEIL VOM 3. MÄRZ 2009 KZR 81/07 Marktanteil Flüge: 70% Tochterunternehmen Gestattung des Ausweises der Umsatzsteuer Kredit- und Reisestellenkartenanbieter Wettbewerber AirPlus Marktanteil Reisestellenkarten: 90-95% Vorsteuerabzug bzgl. der über die Reisestellenkarte getätigten Umsätze nicht möglich! Kunde Vorsteuerabzug bzgl. der über die Reisestellenkarte getätigten Umsätze möglich! Missbräuchliche Verweigerung der Gestattung des Umsatzsteuerausweises Vorbehalt des Marktes für Reisestellenkarten zugunsten der marktbeherrschenden AirPlus Keine technische oder kommerzielle Rechtfertigung Ausschluss des Wettbewerbs zwischen Kredit- und Reisestellenkartenanbieter 16

3. KOPPLUNG: DEUTSCHE BAHN BUNDESKARTELLAMT, BESCHLUSS VOM 24. MAI 2016 B9-136/13 Kopplung der gesetzlichen Tarifkooperation ( 12 Abs. 1 Nr. 2 AEG) mit einer umfangreichen Kooperation beim Vertrieb von Fahrkarten Zahlung einer niedrigeren Provision an Wettbewerber für deren Vertriebsdienstleistungen für DB als die von DB geforderte Provision für ihre Vertriebsdienstleistungen für Wettbewerber Forderung unterschiedlicher Provisionshöhen von Wettbewerbern im SPNV und konzerneigenen Unternehmen für Vertriebsdienstleistungen der DB Erschwerung des Zugangs zu Vertriebskanälen für Fahrkarten: Überwiegende Verweigerung des Vertriebs von DB-Fernverkehrstickets für Wettbewerber im SPNV Weitgehender Ausschluss des Vertriebs von DB-Fahrkarten in Bahnhofsläden für Dritte durch entsprechende Klauseln in Mietverträgen 3 2 1 BKartA: Nach vorläufiger Beurteilung hat DB mit den Verhaltensweisen beim Vertrieb von Fahrkarten für den SPNV und SPFV ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt und damit gegen 19 GWB und Art. 102 AEUV verstoßen. Abgabe von verbindlichen Verpflichtungszusagen durch DB: Aufgabe der praktizierten Kopplung von Tarif- und Vertriebskooperationsvertrag sowie Reduzierung der Vertriebskooperation auf ein erforderliches Mindestmaß, Reduzierung der Provision für den wechselseitigen Fahrkartenvertrieb und Nivellierung der Unterschiede in den Provisionen von DB und ihren Wettbewerbern, Vereinheitlichung der Provision gegenüber Wettbewerbern und konzerneigenen Unternehmen für Vertriebsdienstleistungen der DB, Möglichkeit des Verkaufs von DB-Fernverkehrstickets durch Wettbewerber im SPNV an eigenen Fahrkartenautomaten, Aufhebung des Verbots des DB-Fahrkartenverkaufs in Bahnhofsläden für Dritte. Mit Entscheidung vom 24. Mai 2016 hat das BKartA die Verpflichtungszusagen von DB befristet bis zum 31. Dezember 2023 für verbindlich erklärt. 17

3. KOPPLUNG: RIO TINTO ALCAN EU-KOMMISSION, PRESSEMITTEILUNG VOM 20. DEZEMBER 2012 (IP/12/1434) Kopplung der Lizenz an den Kauf von PTA Patentinhaber und Lizenzgeber für führende Aluminiumschmelztechnologie Tochterunternehmen Hersteller von PTA-Spezialkränen für Aluminiumhütten Wettbewerber von ECL Lizenznehmer Ausschluss von Aufträgen aufgrund der Marktmacht von Rio Tinto bei der Lizensierung der Schmelztechnologie EU- Kommission: Als Patentinhaber und marktbeherrschendes Unternehmen für die Lizensierung der Schmelztechnologie kann Rio Tinto Alcan durch die vertragliche Kopplung den Wettbewerb auf dem Markt für PTA-Spezialkräne behindern oder gar unterbinden höhere Preise, weniger Innovation und Abschottung des Marktes Abgabe von verbindlichen Verpflichtungszusagen durch Rio Tinto Alcan: Einführung eines objektiven, diskriminierungsfreien Verfahrens zur Auswahl qualifizierter Anbieter von PTA, Lizenznehmer der Schmelztechnologie von Rio Tinto Alcan können PTA von allen empfohlenen Anbietern erwerben Rio Tinto Alcan stellt Wettbewerbern von ECL die erforderlichen technischen Spezifikationen zur Verfügung. Einstellung der Untersuchungen der EU-Kommission gegen Rio Tinto Alcan 18

3. KOPPLUNG: MICROSOFT EUG, URTEIL VOM 17. SEPTEMBER 2007 T201/04 Media Player Ausschließlich gemeinsamer Kauf von Windows Media Player + Windows Betriebssystems Betriebssystem Kunde Missbräuchlichkeit der Kopplung: Marktbeherrschende Stellung von Microsoft auf dem Markt für PC- Betriebssysteme Windows-Betriebssystem und Windows-Media-Player (Kopplungsprodukt und gekoppeltes Produkt) = zwei separate Produkte. Keine Erwerb des Windows-Betriebssystem ohne Windows-Media- Player möglich Wettbewerbsbeschränkung Apple Quicktime Verpflichtung von Microsoft: Angebot einer vollfunktionsfähigen Version des Windows-Betriebssystems ohne Windows-Media-Player (ggf. neben gemeinsamem Angebot) 19

4. DISKRIMINIERUNG: DEUTSCHE TELEKOM EUGH, URTEIL VOM 14. OKTOBER 2010 C 280/08 Netzanbieter Anbieter von Endkundendiensten Verbraucher Gewährung des Netzzugangs gegen Kostenpflichtige Zahlung eines Entgelts, Endkundendienste Telekom- Endkundendienste kostengünstiger als gefordertes Entgelt für den Netzzugang 20

4. DISKRIMINIERUNG: POST DANMARK EUGH, URTEIL VOM 27. MÄRZ 2012 C 209/10 Wettbewerber auf dem Markt für die Zustellung von Postwurfsendungen Wichtigste Kunden Gezielte Abwerbung durch kundenindividuelle Preise und Rabatte: Spar: Angebotspreis über den durchschnittlichen Gesamtkosten Coop: Angebotspreis deckt nicht Gesamtkosten, aber durchschnittliche variable Kosten Kampfpreis eines marktbeherrschenden Unternehmens zur Verdrängung eines Wettbewerbers oder legitime Preispolitik? 21

5. AUSBEUTUNG: AMAZON MARKETPLACE Kunde bestellt direkt bei Verkaufsplattform Anbieter der Verkaufsplattform Kunde Preisparitätsklausel in AGB: Nutzung der Verkaufsplattform nur gegen Gewährleistung des niedrigsten Internet-VK-Preises Onlinehändler Meistbegünstigungsklausel zu Lasten des Abnehmers: VK-Preis auf Amazon-Plattform wirkt wie Mindest-/Festpreisbindung für den restlichen Online-Vertrieb Onlinehändler wird an Höchstpreis bei Amazon gebunden Höchstpreis bei Amazon wirkt wie Mindestpreis auf Wettbewerber Gebühren der Wettbewerber verlieren an wettbewerblicher Bedeutung Führt auf Dauer zu Einheitspreis im Onlinevertrieb! 22

BACKUP 8CM X 8CM

EXKLUSIVITÄT: SODA CLUB II BGH, URTEIL VOM 4. MÄRZ 2008 KVR 21/07 Befüllgeschäft von Soda-Club Vermietung 325g- und 425g-Zylinder an Vertragshändler Ausschließliche Befüllung der Zylinder durch Soda-Club Tausch leerer Soda-Club-Zylinder und Fremdzylinder nur gegen gefüllte Soda-Club-Zylinder MARKTBEHERRSCHEND Bundesweites Vertragshändlernetz Behinderungsmissbrauch Gezielte Verdrängung der Wettbewerber auf dem Befüllmarkt durch (i) Untersagung der Fremdbefüllung und (ii) Kein Austausch von Fremdzylindern Verstopfung des Marktes mit Soda-Club Zylindern Beschränkung des Eigentumsrechts durch Zulassung der Fremdbefüllung tastet dessen Wesensgehalt nicht an und ist nicht unangemessen Freier Händler 24

LIEFERVERWEIGERUNG: MOTOROLA MOBILITY EU-KOMMISSION, PRESSEMITTEILUNG VOM 6. MAI 2013 Verpflichtung zur Erteilung von FRAND-Lizenzen für bestimmte Patente ( standard-essential patents SEPs) Unterlassungsverfügung Lizenzgeber Angebot über Zahlung einer FRAND-Lizenzgebühr gegen Gewährung der SEPs Implementer Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Beantragung und Vollstreckung einer Unterlassungsverfügung: Verzerrung der Lizenzverhandlungen ggf. Auferlegung überzogener Lizenzgebühren Verbot des Verkaufs des angeblich patentverletzenden Produktes Schaden für die Verbraucher EU-Wettbewerbskommissar, Joaquín Almunia: Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums ist eine der treibende Kräfte für Innovation und Wachstum. Wie auch der Wettbewerb. Ich bin der Ansicht, dass die Unternehmen ihre Zeit eher darauf verwenden sollten, Innovationen zu schaffen und Wettbewerb mit den Stärken ihres Produktes zu führen, statt ihre geistigen Eigentumsrechte zu missbrauchen, um Wettbewerb vom Markt fernzuhalten. Dies schadet der Innovation und den Verbrauchern. 25

DISKRIMINIERUNG: TELIASONERA EUGH, URTEIL VOM 17. FEBRUAR 2011 C 52/09 Bestätigung und Konkretisierung der Rspr. zum margin squeeze in Rs. TeliaSonera: Preis-Kosten-Schere eines vertikal integrierten Unternehmens ist für sich allein missbräuchlich, wenn das Wettbewerbsverhalten des (marktbeherrschenden) Unternehmens aufgrund der aus der Beschneidung der Margen folgenden Verdrängungswirkung geeignet ist, ebenso effizienten Wettbewerbern den Zugang zum Markt zu erschweren oder unmöglich zu machen. Nicht relevant ist, ob der Vorleistungspreis überhöht ist (Lieferverweigerung) oder der Endkundenpreis Verdrängungswirkung hat (Kampfpreis). Maßgeblich ist, ob die Preispolitik des Marktbeherrschers etwa in Anbetracht der Unentbehrlichkeit des Vorleistungsprodukts eine zumindest potentiell verdrängende Wirkung auf den Endkundenmarkt hat, ohne dass es eine wirtschaftliche Rechtfertigung dafür gibt. Verdrängungswirkung liegt bei negativer Differenz zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreis nahe. Bei positiver Differenz ist maßgeblich, ob Preispolitik die Tätigkeit auf dem Markt zumindest erschwert (z.b. durch eine eingeschränkte Rentabilität). 26