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Transkript:

Macht das Geschlecht einen Unterschied? Erste Ergebnisse aus der Tandem-Studie zu professionellem Erziehungsverhalten von Männern und Frauen Holger Brandes, Markus Andrä, Wenke Röseler, Petra Schneider-Andrich Evangelische Hochschule Dresden Gefördert von: Die Tandem-Studie Die Tandem-Studie (Nov. 2010-April 2014) untersucht und vergleicht das Verhalten von männlichen und weiblichen Fachkräften in alltagsnahen pädagogischen Situationen mit Kindern zwischen 3 und 6 Jahren. Unterscheiden sich Erzieherinnen und Erzieher hinsichtlich fachlicher Kriterien in ihrem konkreten Verhalten gegenüber Kindern? Bestätigt sich, dass Frauen einfühlsam-bindungsorientierter interagieren und Männer herausforderndexplorationsorientierter? Zeigen sich geschlechtsabhängige Neigungen der Fachkräfte, mit Jungen und Mädchen unterschiedliche Tätigkeiten zu realisieren und unterschiedliche Inhaltsbereiche zu bedienen? Lässt sich zeigen, wie Fachkräfte als geschlechtliche Rollenvorbilder wirken und wie Interaktionsprozesse im Sinne eines doing gender ablaufen? Welche Rolle spielen dabei Arrangements und Arbeitsteilung zwischen den Fachkräften (Tandem-Effekt)? 1

Warum Tandem-Studie? Die Bezeichnung Tandem-Studie hebt als charakteristisches Moment unseres Untersuchungsdesigns hervor, dass nicht einfach männliche und weibliche Fachkräfte verglichen werden, sondern solche, die in einer Institution und möglichst einer Gruppe kontinuierlich zusammenarbeiten. Damit kann der Faktor der pädagogischen Philosophie und Konzeption der Einrichtungen, in denen die ErzieherInnen arbeiten, innerhalb unserer Untersuchung kontrolliert werden und wirkt sich nicht verfälschend auf die Ergebnisse aus. Hierdurch kommen systemische Effekte, die durch Arrangements und Arbeitsteilung zwischen den Akteuren entstehen, in den Blick der Untersuchung und können auch in der statistischen Auswertung berücksichtigt werden (Tamis- LeMonda 2004). Z.B. bei den Interviews können die Befragten sich in ihren Selbst-und Fremdsichten wechselseitig korrigieren. Die Tandem-Studie - Design Sample: bisher 21 (geplant: 40) Mann/Frau-Tandems und 12 Frau/Frau-Tandems Alltagsnahe quasiexperimentelle Einzelsituationen (mit multiplem Material) (Video) Quasiexperimentelle Gruppensituationen mit beiden Fachkräften (Video) Qualitative Interviews Persönlichkeitstests Ratingverfahren (19 Items) zur Einschätzung des Verhaltens der Fachkräfte in Einzelsituationen. Quantitative Auswertung. Auswertung Materialgebrauch und Produkte der Einzelsituationen Gesamtauswertung Qualitative Analyse der Einzel- & Gruppensituationen; Identifizierung von Schlüsselszenen für doing gender Qualitative Auswertungen der Interviews 2

Standardisierte Einzelsituation - Kofferinhalt Erzieherin/Erzieher mit jeweils einem Kind (3 6 Jahre): Zwei Koffer, mit deren Inhalt sie über ca. 20 Min. beliebig etwas machen können. Rating der Einzelsituationen Auswertung der Ratingergebnisse: Unterschiede Erzieherinnen Erzieher (n = 21/21) Einfühlsamkeit Herausforderung Dialogische Kommunikation Art der Kooperation Kommunikationsinhalte Interraterreliabilität : ICC MW unjust, random; Modell:Two-Way-Random; Typ: Absolut Agreement ; Werte für alle Items (außer 2.4, ICC =.69) deutlich im Bereich über ICC =.70, damit nach Wirtz und Caspar (2002) reliabel. 3

Unterschiede zwischen Erziehern und Erzieherinnen: Einfühlsamkeit Dimension (1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Erzieher/in reagiert auf Äußerungen und Regungen des Kindes angemessen und prompt (1.1) Erzieher/in unterstützt das Kind angemessen (ohne unerbetene Einmischungen und Vorschriften) (1.3) Erzieher/in gibt angemessen positive und wertschätzende Rückmeldungen (1.4) Frauen Männer 3,73 3,63 3,28 3,31 3,23 3,14 Bezogen auf diese Dimension zeigt sich in unserer Stichprobe bei Fachkräften kein Geschlechtseffekt und die Annahme, dass Frauen in der Aktivität mit Kindern einfühlsamer sind, wird nicht bestätigt. Dimensionen Einfühlsamkeit, Herausforderung und dialogische Kommunikation Der Vergleich der Mittelwerte für Männer und Frauen bei allen Items der Dimensionen Einfühlung, Herausforderung und dialogische Kommunikationergeben lediglich minimale und sich ausgleichende Differenzen. Basierend hierauf ist in unserer Stichprobe kein Effekt des Faktors Geschlecht festzustellen. Hinsichtlich professioneller Kriterien pädagogischen Handelns besteht also kein Unterschied zwischen Männern und Frauen. Auch die durch die Bindungsforschung nahegelegte Vermutung, dass Männer Kinder stärker herausfordern, findet sich bezogen auf Fachkräfte in unserer Stichprobe folglich nicht bestätigt. 4

Unterschiede zwischen Erzieherinnen und Erziehern: Art der Kooperation Dimension(1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Erzieher/in beobachtet das Kind und beteiligt sich nur verbal. (3.1) Frauen Männer 2,13 2,34 Erzieher/in handelt selbst und lässt das Kind zuschauen (3.2) 2,16 1,95 Erzieher/in und Kind verfolgen unterschiedliche Teilprojekte in paralleler Aktivität und nur punktueller Abstimmung (3.3) Beide arbeiten gemeinsam an einem Objekt bei kontinuierlicher Abstimmung (3.4) 1,98 1,72 3,46 3,57 In unserer Stichprobe begeben sich die Erzieher etwas mehr in eine Beobachterposition als Erzieherinnen, letztere sind geringfügig stärker selbst aktiv und lassen das Kind zuschauen. Dem entspricht, dass Erzieher häufiger ein gemeinsames Projekt gestalten und Erzieherinnen eine Situation des parallelen Arbeitens an unterschiedlichen Teilprojekten. Art der Kooperation Geschlecht der Kinder Ausgehend vom Geschlecht der Kinder zeigen sich Unterschiede, die bemerkenswert sind, da solche Effekte in den drei ersten Dimensionen nicht auftreten. Mit Mädchenwird deutlich mehr in parallelen Teilprojekten bei nur punktueller Abstimmung gearbeitet als mit Jungen. Dies ist signifikantim Vergleich der Tandempartner und im Vergleich aller Fachkräfte. Dabei ist dieser Unterschied besonders deutlich gegenüber männlichen Fachkräften. 5

Unterschiede zwischen Erzieherinnen und Erziehern: Kommunikationsinhalte Dimension(1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Erzieher/in thematisiert die Beziehung oder Persönliches (Attribute, Erfahrungen, Gefühle) oder greift auf, wenn dies vom Kind kommt(2.7) Erzieher/in äußert sich primär sachlich-gegenstandsbezogen und funktional über die Aktivität bzw. greift auf, wenn dies vom Kind kommt (2.5) Erzieher/in begleitet die Aktivität durch assoziative Phantasien und Narrationen bzw. greift auf, wenn dies vom Kind kommt (2.6) Frauen Männer 2,32 1,98 3,48 3,69 2,38 2,23 Tendenziell realisieren Männer und Frauen unterschiedliche Kommunikationsstile, wobei Erzieher häufiger sachlich-funktional kommunizieren, während Erzieherinnen mehr narrative und assoziative Kommunikation betreiben und auf persönliche Aspekte oder die Beziehung eingehen. Kommunikationsinhalte Geschlecht der Kinder Die Auswertung hinsichtlich des Geschlecht des Kindes ergibt auch für diese Dimension signifikante Ergebnisse. Die Fachkräfte beiderlei Geschlechts sprechen mit Jungen eher sachlich-funktional über die Aktivität als mit Mädchen. Mit Mädchenwerden hingegen eher die Beziehung oder Persönliches (Attribute, Erfahrungen, Gefühle) thematisiert als mit Jungen. Auch wird in der Zusammenarbeit mit Mädchen die Aktivität stärker durch assoziative Phantasien oder Narrationen begleitet als mit Jungen; dieser Effekt ist jedoch nicht signifikant. 6

Auswahl der entstandenen Produkte Produkte der Einzelsituation Das Untersuchungsdesign erlaubt wegen des vorgegebenen vielfältigen Materials Aussagen zur unterschiedlichen Neigung von Männern und Frauen bzw. Jungen und Mädchen, auf bestimmte Materialien zurückzugreifen und je nach Interesse unterschiedliche Projekte zu realisieren. Die in den Einzelsituationen aus dem Material entstandenen Produkte lassen sich dahingehend unterscheiden, ob sie Subjekte im Sinne von Lebewesen symbolisieren, wie Menschen oder Tiere (operationalisiert als verfügt über Augen ) bzw. Objekte wie Autos, Bauwerke oder Flugzeuge ( verfügt nicht über Augen ). 14 7

Produkt der Einzelsituation Geschlechtseffekte 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Konstellationen Fachkraft/ Kind differenziert in Hinblick auf das Geschlecht sowohl der Fachkraft als auch des Kindes: Mann und Junge Mann und Mädchen Frau und Junge Frau und Mädchen Subjekt Objekt Während Männer mit Jungen häufiger Objekte bauen und mit Mädchen eher Subjekte, stellen Frauen mit Jungen in gleicher Häufigkeit Objekte oder Subjekte her und mit Mädchen bevorzugt Subjekte. Dieser Unterschied ist zwischen den Konstellationen Mann/Junge und Mann/ Mädchensignifikant; bei Frauen ist der Unterschied nicht signifikant. Das heißt: Gegenüber männlichen Fachkräften ist der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen deutlicher. 15 Unterschiedliche im Materialgebrauch Material Erzieher Erzieherin Jungen Mädchen Märchenwolle 36.4 % 57.1 % 29.4 % 12.3 % Pfeifenputzer 45.5%+ 76.2 %+ 52.9 %++ 81.8 %++ Perlen 4.5 %++ 52.4 %++ 26.5 % 30.3 % Wackelaugen 4.5 %++ 33.3 %++ 17.6 % 27.3 % Holzplatten 59.1 % 42.9 % 61.8 % 39.4 % Nägel 45.5 % 28.6 % 41.2 %+ 18.2 %+ Weinkorken 54.5% 42.9 % 50.0 % 30.3 % Papprollen 36.4 % 28.6 % 50.0 %++ 21.2 %++ Buntpapier 22.7 % 47.6 % 14.7 %++ 54.5 %++ Unterlegscheiben 18.2 %+ 0.0 %+ 35.3 %++ 9.1 %++ + = significanter χ2 Wert (p -Wert zweiseitig 0.05) ++ = significanter χ2 Wert (p Wert zweiseitig 0.01) 8

Unterschiede im Materialgebrauch Bei einigen Materialien bestehen zwischen Erziehern und Erzieherinnen sowie zwischen Jungen und Mädchen deutliche Unterschiede in der Häufigkeit des Gebrauch. Es sind zumeist Materialien mit geschlechtsstereotyper Konnotation, bei denen sowohl hinsichtlich des Geschlechts der Fachkräfte wie des der Kinder Unterschiede in der Bevorzugung augenfällig sind. Diese Unterschiede entsprechen den unterschiedlichen Produkten (Subjekte Objekte) aus den Einzelsituationen sowie den Differenzen im Rating hinsichtlich der Kommunikationsinhalte. 17 Zusammenfassung Rating Einzelsituation, Produktund Materialanalyse Das Geschlecht der Fachkräfte hat keineneinfluss hat auf die Art und Weise, wiesie sich Kindern gegenüber verhalten. Unter fachlichen Kriterien unterscheiden sich Männer und Frauen in unserer Stichprobe nicht. Ein Einfluss des Geschlechts deutet sich an, wenn es darum geht, was die Fachkräfte mit den Kindern tun, zu welchen Themen und Materialien sie neigen und welche Interessen und Neigungen von Mädchen und Jungen sie aufgreifen. Die deutlichsten Differenzen zeigen sich, wenn man zwischen Jungen und Mädchenunterscheidet. Dieser Effekt ist stärker bei Beteiligung männlicher Fachkräfte. 9

Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung Interviews (19) Die meisten gemischtgeschlechtlichen Tandems verweisen häufig darauf, dass das Geschlecht für ihre Arbeitsteilung insgesamt eher von geringer Bedeutung sei. Dann werden aber auch Unterschiede benannt sowie besondere Neigungen bzw. Vorlieben der Männer: Raufen, Kempeln, Toben und wilde Spiele bzw. Tendenz der Kinder, sich hierzu an den Mann zu wenden (11) Außenaktivitäten, insbesondere Wald und Garten(10), auch bei Wind und Wetter (2) Risikobereitschaftder Männer höher als bei Frauen (9); Klettern, Abenteuer oder Nervenkitzel Technik, Handwerk und Bauen, insbesondere mit Holz und großteiligem Material (6) Naturwissenschaften, Technik und Experimentieren (5) Fußballwenig eindeutig: Sowohl positiv (5) wie negativ (3); bei Frauen 3:1 Negativ besetzt: Basteln oder was mit Haarenzu tun hat - Basteln ist das kleinteilige Pendant zum Bauen, definiert ein Mann. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung - Interviews Die Interviews bestätigensomit die aus der Analyse der Einzelsituationen gewonnenen Hinweise, dass abhängig vom Geschlecht unterschiedliche Aktivitäten mit den Kindern realisiert und unterschiedliche Inhaltsbereiche bedient werden. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Unterschiede in den Interviews eher überbetont sind, weil nach ihnen gefragt wird. Wahrscheinlich gibt es in den meisten Aktivitätsfeldern kaum geschlechtsabhängige Unterschiede (s.a. Gruppensequenzen). Es gibt zudem vereinzelte Ausnahmen, die geschlechtsstereotype Muster deutlich durchbrechen; einige weibliche Fachkräfte äußern, sie würden auch das jeweils Andere machen, wenn kein Mann zur Verfügung stehe. 10

Männliche und weibliche Fachkräfte unterscheiden sich z.t. hinsichtlich bevorzugter Themen und Aktivitäten, aber brauchen Kinder männliche Rollenvorbilder? Erste Überlegungen aus einer sozialkonstruktivistischen Perspektive auf doing gender und Hinweise aus der qualitativen Analyse des Materials Wie wirken (männliche) Rollenvorbilder? In der Diskussion um Männer in Kitas spielt das Argument von der Bedeutung männlicher Rollenvorbilder (besonders für Jungen) eine große Rolle. Dabei ist aber die Vorstellung, dass Kinder geschlechtsspezifisches Verhalten und Geschlechtsidentität primär durchnachahmung erwachsener Vorbilder entwickeln, vermutlich zu simpel. Entwicklungspsychologische Studien belegen, dass Kinder ab 3 Jahren aus eigenem Antrieb gleichgeschlechtliche Spielkameraden und geschlechtsspezifische Aktivitäten, Themen und Materialien bevorzugen. Sie ahmen Rollenvorbilder auch eher nach, wenn diese sich geschlechtsstereotyp verhalten (Maccoby 2000). 11

Ein erweiterter theoretischer Zugang: doing gender Eine über das Rollenmodell hinausgehende Perspektive bieten sozialkonstruktivistische Theorien, insbesondere das Konzept des doinggender (West & Zimmermann 1987, Kotthoff 2002). Grundgedanke ist hierbei, dass die Bedeutung von Geschlecht nicht biologisch gegeben ist oder als Norm übernommen wird, sondern im Alltagshandeln aktiv hergestellt - ko-konstruiert- wird. Soziales Handeln besitzt also je nach Kontext und Geschlecht der Akteure eine zusätzliche Bedeutungsebene der wechselseitigen Aushandlung und Bestätigung von Geschlecht. Schlüsselszenen für doing gender Die Dimension des doinggender wird zumeist nicht eigenständig sichtbar, sondern begleitet das Geschehen wie ein implizitersubtextund ist den Akteuren (Erwachsenen wie Kindern) häufig nicht bewusst. Die qualitative Analyse unserer videographiertensequenzen liefert insofern Hinweise auf die Existenz einer solchen zusätzlichen Bedeutungsebeneim Sinne von doinggender, als sich Schlüsselszenenidentifizieren lassen, in denen der geschlechtliche Bedeutungszusammenhang manifest wird. 12

Schlüsselszenen - Einzelsituationen In den Einzelsequenzen kommen solche Schlüsselszenen in gleichgeschlechtlichen Konstellationen deutlicher und häufiger vor. Oft ergeben sie sich aus Materialien/Tätigkeiten(Holz, Nägel, Hammer bei Junge/Erzieher, Perlen oder Märchenwolle bei Mädchen/ Erzieherin) oder Phantasien/Assoziationen(Pistole, Ritterburg bei Jungen; Haare, Kleid bei Mädchen), die eine passende geschlechtliche Konnotation aufweisen. Erzieher-Junge: Wir könnten ja eine Kanone bauen (geflüstert im Kontext der Ritterburg) Erzieherin-Mädchen: Ich liebe das Rosa mit Glitzer ich Orange.. (beim Auffädeln von Perlen) Solche Szenen weisen häufig eine hohe emotionale Verdichtung auf (im Sinne starker Gemeinsamkeit und wechselseitiger Spiegelung). Schlüsselszenen - Gruppensituationen In der Gruppensequenzen sind solche Schlüsselszenen für doinggender komplexer und zeigen deutlich das interaktive und ko-konstruktive Moment: Als in der Gruppensituation mit Twister -Spiel ein Junge gegen ein Mädchen verliert, weil er umfällt, sagt der Erzieher tröstend: Das macht nichts Männer sind nie so gelenkig wie die Mädels. Das ist überhaupt nicht schlimm. Daraufhin wendet sich ein Mädchen protestierend an ihn: Mädels sind zarter aber Du bist ein Junge!. Er antwortet: Aber dafür sind sie gelenkiger, mein Schatz. Wir wissen nicht, wie das Mädchen die Aussage verstanden hat und was sie zu ihrem Protest veranlasst. Tatsache ist, dass von jetzt an der Geschlechtsunterschied deutlich im Raum steht und das Stichwort Gelenkig mehrfach von den Kindern genannt wird. Als der Erzieher später seine Kollegin auffordert, gegen ihn anzutreten und er verliert, jubeln die Mädchen und die Jungen sind still. Nachdem nochmals mehrere Kinder das Spiel gemacht haben, wiederholen die beiden Fachkräfte ihren Wettkampf und diesmal gewinnt er. Wieder jubeln die Mädchen, sie werden aber von einem Jungen belehrt: Die Rosi hat doch gar nicht gewonnen. 13

Wie gesagt das ist ein Zwischenstand. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 14