FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN Arbeitsblätter ERLÄUTERUNGEN ZUM An einem einfachen Beispiel soll hier das Prinzip des Kraftgrößenverfahrens erläutert werden.. SYSTEM UND BELASTUNG q= 20 kn / m C 2 B 4 m A 6 m Material und Querschnittsdaten : 8 2 E = 2, 0 kn / m EI = knm EA = GA = Annahme für alle Stäbe 2 20000 S ( ) Zur Vereinfachung werden die o. g. Annahmen für die Dehn- und Schubstarrheit getroffen. 2. BETRACHTUNGSWEISEN Das KGV lässt zwei Betrachtungsweisen für die Berechnung bzw. den Arbeitssatz zu: ) Physikalisch korrekte Formulierung als Arbeitsaussage 2) Physikalisch unkorrekte Formulierung als Weggrößenaussage. Beide Aussagen führen natürlich zum gleichen Ergebnis. Hier soll die Berechnung bzw. der Arbeitssatz als Weggrößenaussage formuliert werden. Näheres zu beiden Aussagen ist u. a. im Lehrbuch Tragwerke 2 von Krätzig (Kapitel.3.3 nachzulesen). 3. GRUNDGEDANKE Das System ist statisch unbestimmt (-fach statisch unbestimmt). Somit kann sich das System unter der gegeben Belastung nicht frei verformen, da beide Lager als Festlager angegeben sind (Zwei- Gelenk-Rahmen). Es kommt daher zu Zwang bzw. zu Zwangsschnittgrößen, die sich gerade eben aus dieser Verformungsbehinderung ergeben. Im Gegensatz dazu können sich statisch bestimmte Systeme (vgl. TM I und TM II) frei und ohne Zwang verformen und es existieren daher keine Zwangsschnittgrößen. Anhand von zwei unterschiedlichen Rechenwegen soll in erster Linie das Verständnis für die Berechnung näher erläutert werden.
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN Arbeitsblätter 2 4. VORGEHENSWEISE FÜR DAS BERECHNUNGSBEISPIEL 4. Statisch bestimmtes Hauptsystem Zunächst muss das statisch bestimmte Hauptsystem gewählt werden. q= 20 kn / m C 2 B X A Es wird am Lager A die horizontale Auflagerkraft als äußere, virtuelle, statisch unbestimmte Kraftgröße angesetzt. Das Festlager A wird somit zu einem verschieblichen Lager modifiziert. Das System ist nun statisch bestimmt (analog zum Einfeldträger) und es kann sich frei und ohne Zwang verformen. Genauer gesagt kann sich das Tragwerk am Lager A horizontal verschieben. Aufgrund der gegebenen äußeren Belastung wird sich eine horizontale Verschiebung nach links einstellen. Die Verträglichkeit des Systems ist somit nicht mehr gegeben. Diese Verschiebung ist jedoch am ursprünglichen, statisch unbestimmten System aufgrund des Festlagers nicht zulässig und muss mit Hilfe der virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgröße wieder rückgängig gemacht werden. Dies erfolgt mit Hilfe des Arbeitssatzes (PvK). 4.2 Schnittgrößen im Nullzustand M 0 [ knm] 0 90 Dies ist die Momentenlinie infolge der äußeren Belastung am statisch bestimmten Hauptsystem. Durch die fehlende horizontale Auflagerkraft im Punkt A ergibt sich die quadratische Parabel.
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN 4.3 Schnittgrößen im Einheitszustand Arbeitsblätter 3 4 M [ knm] X = Dies ist die Momentenlinie infolge der virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgröße am statisch bestimmten Hauptsystem. 4.4 Arbeitssatz Mit Hilfe des Arbeitssatzes (PvK) wird nun genau die erforderliche Größe der virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgröße X bestimmt, damit sich die horizontale Verschiebung am Lager A zu Null ergibt. Prinzipiell wird hier der Reduktionssatz (2. Art) angewendet. 4.4. δ 0 - Zahl Als erstes wird die horizontale Verschiebung (δ 0 ) bestimmt, die sich aufgrund der äußeren Belastung ergibt. Wie aus der TM II und Baustatik I bekannt ist, werden Verformungen mit Hilfe des PvK, also der -Kraftgröße, berechnet. Dazu werden die Endschnittgrößen des statisch bestimmten Systems mit den Schnittgrößen überlagert, die aus der -Kraftgröße resultieren. Beide Schnittgrößenverläufe sind oben schon dargestellt. Dies ist also nichts anderes als die Anwendung des Reduktionssatzes (2. Art) und es ergibt sich: EI δ0 = ( 4) 90 6 = 720 3 Man erhält die virtuelle EI-fache horizontale Verschiebung des Punktes A. Wie oben schon erwähnt ergibt sich das negative Vorzeichen, also eine horizontale Verschiebung nach links. 4.4.2 δ Zahl Für das statisch bestimmte Hauptsystem wurde angenommen, dass keine horizontale Auflagerreaktion vorhanden ist, im ursprünglichen, statisch unbestimmten System ist jedoch eine horizontale Auflagerkraft vorhanden. Sie wurde zunächst durch eine Einheitskraftgröße als virtuelle, äußere, statisch Unbestimmte angesetzt. Diese Einheitskraftgröße erzeugt ebenfalls eine horizontale Verschiebung, die mit Hilfe des Reduktionssatzes (2. Art) bestimmt werden muss. Es müssen also die Schnittgrößenverläufe bestimmt werden, die sich aus der angenommenen virtuellen äußeren Belastung und aus der -Kraftgröße ergeben. Dies sind die Schnittgrößen des Einheitszustandes, die natürlich aufgrund des gleichen Lastfalls übereinstimmen. Aufgrund der angesetzten Richtung muss sich eine Verschiebung nach rechts einstellen und es ergibt sich: EI δ = ( 4) ( 4) 4 ( 4) ( 4) 6 = 53,333 3 3 Man erhält die virtuelle EI-fache horizontale Verschiebung des Punktes A. Wie oben schon erwähnt ergibt sich das positive Vorzeichen, also eine horizontale Verschiebung nach rechts.
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN 4.4.3 Bestimmung der statisch unbekannten Kraftgröße Arbeitsblätter 4 Beide virtuellen horizontalen Verschiebungen sind nun bestimmt, jedoch gilt die Verschiebung des Einheitszustandes nur für eine Einheitskraftgröße. Sie muss jetzt mit einem Faktor so multipliziert werden, dass die Summe beider horizontalen Verschiebungen Null ergibt. Das ist zulässig, da das linear-elastische Materialgesetz (Hooke sche Gesetz) gilt und eine Superposition erlaubt. Addition beider virtuellen Verschiebungen: EI δ X EI δ = 0 Verschiebung muss Null werden 0 ( EI δ ) ( 720) 0 X = = = EI δ 53,333 3,50 kn Es ist also eine horizontale Auflagerkraft vom Betrag 3,50 kn in der angegebenen Richtung erforderlich, damit die horizontale Verschiebung am Lager A zu Null wird. Nun kann durch eine Superposition von Nullzustand und Einheitszustand jede Schnittgröße bestimmt werden. M = M X M Q Q X Q N = N X N oder aus der M Linie bestimmen Auflager Auflager X Auflager 0 = 0 0 = 0 Zwangsschnittgrößen
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN Arbeitsblätter 5 5. VORGEHENSWEISE FÜR DAS BERECHNUNGSBEISPIEL 2 5. Statisch bestimmtes Hauptsystem Zunächst muss das statisch bestimmte Hauptsystem gewählt werden. q= 20 kn / m X C 2 B A Es wird am Punkt C ein Gelenk eingefügt. Somit ist im statisch bestimmten System das Moment am Punkt C Null. Es existiert jedoch im statisch unbestimmten System ein Moment am Punkt C. Dieses Moment muss somit als äußere, virtuelle, statisch unbestimmte Kraftgröße angesetzt. Man erhält durch das Einfügen des Gelenkes zwei Einfeldträger (sehr günstig). Das System ist nun statisch bestimmt (analog zum Drei-Gelenk-Rahmen) und es kann sich nun frei und ohne Zwang verformen. Genauer gesagt wird sich am Punkt C eine gegenseitige Verdrehung einstellen (am M-Gelenk existieren zwei unterschiedliche Verdrehungen). Die Verträglichkeit des Systems ist somit nicht mehr gegeben. Diese gegenseitige Verdrehung ist jedoch am ursprünglichen, statisch unbestimmten System aufgrund der biegesteifen Rahmenecke nicht zulässig und muss mit Hilfe der virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgröße wieder rückgängig gemacht werden. Dies erfolgt mit Hilfe des Arbeitssatzes (PvK). 5.2 Schnittgrößen im Nullzustand M 0 [ knm] 0 90 Dies ist die Momentenlinie infolge der äußeren Belastung am statisch bestimmten Hauptsystem. Durch das eingefügte Gelenk ergibt sich die quadratische Parabel.
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN 5.3 Schnittgrößen im Einheitszustand Arbeitsblätter 6 X = M [ knm] Dies ist die Momentenlinie infolge der virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgröße am statisch bestimmten Hauptsystem. 5.4 Arbeitssatz Mit Hilfe des Arbeitssatzes (PvK) wird nun genau die erforderliche Größe der virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgröße X bestimmt, damit sich die gegenseitige Verdrehung am Punkt C zu Null ergibt. Prinzipiell wird hier der Reduktionssatz (2. Art) angewendet. 5.4. δ 0 - Zahl Als erstes wird die gegenseitige Verdrehung (δ 0 ) bestimmt, die sich aufgrund der äußeren Belastung ergibt. Wie aus der TM II und Baustatik I bekannt ist, werden Verformungen mit Hilfe des PvK, also der -Kraftgröße, berechnet. Dazu werden die Endschnittgrößen des statisch bestimmten Systems mit den Schnittgrößen überlagert, die aus der -Kraftgröße resultieren. Beide Schnittgrößenverläufe sind oben schon dargestellt. Dies ist also nichts anderes als die Anwendung des Reduktionssatzes (2. Art) und es ergibt sich: EI δ0 = 90 6 = 80 3 Man erhält die virtuelle EI-fache gegenseitige Verdrehung am Punkt C. 5.4.2 δ Zahl Für das statisch bestimmte Hauptsystem wurde angenommen, dass das Moment am Punkt C Null ist, im ursprünglichen, statisch unbestimmten System ist jedoch ein Moment vorhanden. Das Moment wurde zunächst durch eine Einheitskraftgröße als virtuelle, äußere, statisch Unbestimmte angesetzt. Diese Einheitskraftgröße erzeugt ebenfalls eine gegenseitige Verdrehung am Punkt C, die mit Hilfe des Reduktionssatzes (2. Art) bestimmt werden muss. Es müssen also die Schnittgrößenverläufe bestimmt werden, die sich aus der angenommenen äußeren Belastung und aus der -Kraftgröße ergeben. Das sind die Schnittgrößen des Einheitszustandes, die natürlich aufgrund des gleichen Lastfalls übereinstimmen. Es ergibt sich: EI δ = 4 6 = 3,333 3 3 Man erhält die virtuelle EI-fache gegenseitige Verdrehung am Punkt C.
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN 5.4.3 Bestimmung der statisch unbekannten Kraftgröße Arbeitsblätter 7 Beide virtuellen gegenseitigen Verdrehungen sind nun bestimmt, jedoch gilt die gegenseitige Verdrehung des Einheitszustandes nur für eine Kraftgröße von. Sie muss jetzt mit einem Faktor so multipliziert werden, dass die Summe beider gegenseitigen Verdrehungen Null ergibt. Das ist zulässig, da das linear-elastische Materialgesetz (Hooke sche Gesetz) gilt und eine Superposition erlaubt. Addition der beiden virtuellen gegenseitigen Verdrehungen: EI δ X EI δ = 0 gegenseitige Verdrehung muss Null werden 0 ( EI δ ) 80 0 X = = = EI δ 3,333 54,00 knm Es ist also ein Moment vom Betrag -54,00 knm in der angegebenen Richtung erforderlich, damit die gegenseitige Verdrehung am Punkt C zu Null wird. Nun kann durch eine Superposition von Nullzustand und Einheitszustand jede Größe bestimmt werden (s. o.). 6. BEMERKUNG Besitzt ein System einen höherwertigen Grad der statischen Unbestimmtheit (a 2), so müssen alle einzelnen Verformungen bestimmt werden, die sich aus der äußeren Belastung und den virtuellen, statisch unbestimmten Kraftgrößen ergeben. Dabei ergeben sich auch innerhalb der Einheitszustände entsprechende Verformungen (δ ik -Zahlen), die bestimmt werden müssen. Da beim Kraftgrößenverfahren die Verträglichkeit für das Gesamttragwerk erfüllt sein muss erhält man das bekannte lineare Gleichungssystem in der folgenden Form: δ δ2 δ a δ2 δ22 δ2a δa δa2 δaa X δ0 X 2 δ 20 = X a δa0 Systemnachgiebigkeitsmatrix
FACHBEREICH 0 BAUINGENIEURWESEN Arbeitsblätter 8 7. ENDSCHNITTGRÖßEN UND AUFLAGERREAKTIONEN 54 M [ knm] 2,55 m M max = 65, 03 5 Q [ kn] 3, 50 69 3, 50 3,50 69 5 N [ kn] Auflager 3,50 69