Kap. I/2: Quellen des Umweltvölkerrechts

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Transkript:

II. Quellen des Umweltvölkerrechts im Hinblick auf die Quellen des Umweltvölkerrechts bestehen grundsätzlich keine Unterschiede zum allgemeinen Völkerrecht. Maßgebliche Rechtsquellen sind demnach (vgl. Art. 38 Abs. 1 IGH- Statut): völkerrechtliche Verträge Völkergewohnheitsrecht allgemeine Rechtsgrundsätze 1. Völkerrechtliche Verträge wichtigste Rechtsquelle des Umweltvölkerrechts sind die völkerrechtlichen Verträge, wobei vor allem zwei vertragliche Regelungsstrategien zur Anwendung gelangen: piecemeal approach : Nach dieser Rechtsetzungsmethode werden einzelne Aspekte aus einem größeren Problemkomplex herausgelöst und isoliert geregelt. Der Vorteil liegt darin, dass ein Spezialproblem rasch und effektiv rechtlich gelöst werden kann. Die hierzu erforderliche Interessenübereinstimmung der betroffenen Staaten wird sich am ehesten im regionalen Rahmen erreichen lassen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die geschaffenen Instrumente des Umweltvölkerrechts die komplizierten faktischen Wechselwirkungen missachten. 1

Bsp.: Convention for the Prohibition of Fishing with Long Driftnets in the South Pacific v. 1989 framework convention and protocol appoach : Dieser Ansatz gelangt insbesondere im Zusammenhang mit globalen Umweltproblemen (Klima, Ozonschicht, Artenschutz) zur Anwendung. Sein Kennzeichen ist, dass ein bestimmter Problemkomplex umfassend geregelt wird, und zwar in einem mehrstufigen Verfahren: Während das Rahmenübereinkommen allgemeine Prinzipien und Grundsätze zur friedlichen Streitbeilegung usw. enthält, werden die konkreten Rechte und Pflichten in Anhängen zur Konvention oder in zeitlich späteren Protokollen normiert. insbesondere auf dem Gebiet des Artenschutzes wird darüber hinaus vielfach ein mit dem framework convention and protocol appoach - Ansatz verwandter listing -Ansatz verfolgt, wonach die zu schützenden Tierarten je nach Gefährdung der Bestände in den Anhängen zur Konvention aufgelistet werden (Bsp.: CITES, CMS); effektiv ist dies deshalb, weil die betroffenen Übereinkommen für Änderungen der Anhänge (sog. Listenüberführungen) vielfach ein vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren vorsehen (sog. tacit acceptance-procedure) Bsp.: Listenüberführung muss im Rahmen einer Konferenz der Vertragsstaaten (Conference of the Parties CoP) von 2/3 der Vertragsparteien befürwortet werden; Beschluss hat für alle Vertragsparteien unmittelbare Bindungswirkung, die nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen ( opting out ) 2

am weitesten geht das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen: Änderungen der Anhänge sollen zwar möglichst im Konsens, jedenfalls aber mit 2/3-Mehrheit getroffen werden; zudem muss die Entscheidung jeweils von der Mehrheit der Industriestaaten und Entwicklungsländern befürwortet werden; eine opting out-möglichkeit besteht dann aber nicht (einzigartiges Beispiel) Nachteil der Rechtsquelle völkerrechtlicher Vertrag : Bindung nur der Vertragsparteien im Umweltvölkerrecht hat die pacta tertiis-regel (vgl. Art. 34 der Wiener Vertragsrechtskonvention [WVK]: Ein Vertrag begründet für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte. ) angesichts des globalen Charakters vieler Umweltprobleme (Klimawandel!) besonders weitreichende faktische Folgen (Bsp.: Fernbleiben der USA vom Kyoto Protokoll) entscheidend für den Erfolg eines umweltvölkerrechtlichen Vertrags ist überdies der Wille, die in ihm enthaltenen Pflichten auch zu befolgen und durchzusetzen; daran mangelt es vielfach ( Durchsetzungsschwäche des Umweltvölkerrechts ); ggf. können vertraglich normierte Mechanismen der Erfüllungskontrolle und - hilfe bzw. das Zwischenschalten von internationalen Organisationen der Durchsetzungsmotivation der Vertragsparteien aufhelfen in der Konsequenz folgt hieraus, dass Verträge, die auf Erreichung eines Idealzustands abzielen, vielfach am Widerstand der Staaten scheitern werden; gerade im Umweltvölkerrecht ist damit weniger oft mehr 3

2. Völkergewohnheitsrecht und allg. Rechtsgrundsätze a) Völkergewohnheitsrechtist Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung (Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut) konstitutive Merkmale für die Entstehung einer Norm des Gewohnheitsrechts sind also: objektiv: eine gefestigte, möglichst einheitliche Staatenpraxis subjektiv: die Überzeugung, dass diese Praxis Ausdruck geltenden Rechts ist (opinio juris) hinsichtlich der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht aus Vertragsrecht kommt im Umweltvölkerrecht eine wichtige Einschränkung besonders zum Tragen: der Internationale Gerichtshof (IGH) hat im Fall North Sea Continental Shelf insoweit verdeutlicht, dass it would in the first place be necessary that the provision concerned should, at all events potentially, be of a fundamentally norm-creating character such as could be regarded as forming the basis of a general rule of law (ICJ Reports 3, 41 f.) von Letzterem kann im Umweltvölkerrecht angesichts der hohen Technizität der Normen nur selten ausgegangen werden 4

b) allgemeine Rechtsgrundsätze sind durch Rechtsvergleichung zu ermittelnde materielle, verfahrensrechtliche oder rechtsstrukturelle Prinzipien, die übereinstimmend im innerstaatlichen Recht der Staaten gelten und zur Übertragung auf das Völkerrecht geeignet sind (vgl. Art. 38 Abs. 12 lit. c IGH-Statut); Bsp. sind Treu und Glauben; Verbot des Rechtsmissbrauchs; pacta sunt servanda c) Relevanz im Vergleich zu den völkerrechtlichen Verträgen spielen das Völkergewohnheitsrecht und vor allem die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Umweltvölkerrecht eine vergleichsweise geringe Rolle (Ausnahme: allgemeine Prinzipien); Gewohnheitsrechtist insgesamt zu statisch und wenig konkret, um den faktischen Problemen des Umweltschutzes gerecht zu werden, und greift insofern vor allem im Falle vertraglicher Regelungslücken und im Rahmen des allgemeinen Nachbarrechts 3. Soft Law soft law ist keine Rechtsquelle des Völkerrechts (genau genommen handelt es sich mangels Verbindlichkeit gar nicht um Recht ), verfügt im Bereich des Umweltvölkerrechts aber über große Bedeutung (vgl. nur Rio Deklaration, Johannesburg Declaration etc.) mit Hilfe des soft law können teils zukunftsorientierte, teils gegenwartsbezogene Handlungsrahmen und Programme für den Umweltschutz festgelegt werden (weitere Vorteile: Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Ausrichtung auf Akteure [UNEP, CSD, NGOs] ohne Rechtsetzungsbefugnisse) 5

Indiz dafür, dass kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern soft law vorliegt, ist die Bezeichnung des betreffenden Rechtsakts (Bsp.: code of conduct, memorandum of understanding, recommendation, guidelines ) beachte immer: soft law hat für sich genommen keine Bindungswirkung, kann diese aber im Falle des Erstarkens zu Völkergewohnheitsrecht entfalten Fakt, dass soft law in der Staatenpraxis vielfach ebenso befolgt wird wie Gewohnheitsrecht, deutet auf einen Wandel in der Lehre von den Rechtsquellen des Völkerrechts hin 6