Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht



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Newsletter Arbeitsrecht 07/09. Schwerpunkt: Kündigungsschutz leitender Angestellter

Transkript:

Newsletter 2/2015 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht I. NEUE GESETZE Gesetz für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst S. 3 II. NEUE GESETZESVORHABEN Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit S. 3 III. AKTUELLE ENTSCHEIDUNGEN Fortzahlung des Entgelts bei Arbeitsunfähigkeit S. 5 Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen S. 6 Sozialauswahl bei betriebsbedingter Änderungskündigung S. 8

Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers S. 10 Urlaub bei Reduzierung der Arbeitstage S. 11

Seite 3 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 I. Neue Gesetze Gesetz für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst Über die Ziele und Inhalte des neuen Gesetzes hatten wir bereits im Newsletter 1/2015 ausführlich berichtet. Nachdem der Bundesrat in der Plenarsitzung am 06.02.2015 auf eine Stellungnahme verzichtet und sodann am 27.03.2015 keinen Einspruch erhoben hat, wird das Gesetz wie geplant zum 01.01.2016 in Kraft treten. Ralf Fuhrmann II. Neue Gesetzesvorhaben Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit Der Gesetzesentwurf erfolgt vor dem Hintergrund einer die ständige Rechtspraxis ändernden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.07.2010, wonach in einem Betrieb nicht mehr zwangsläufig nur ein Tarifvertrag, sondern ggf. auch mehrere Tarifverträge nebeneinander zur Anwendung kommen können. Die Koalitionspartner hatten schon im Koalitionsvertrag vereinbart, über eine gesetzliche Regelung das Prinzip der Tarifeinheit wiederherzustellen. Im Gesetzesentwurf ist ein neuer 4 a Tarifvertragsgesetz vorgesehen. Danach sollen Tarifkollisionen dadurch vermieden werden, dass in einem Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrages derjenigen Gewerkschaft anwendbar sind, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat. Die Regelung wird flankiert mit Ausnahmen für bestimmte betriebsverfassungsrechtliche Regelungen, ein besonderes Recht einer Gewerkschaft vom Arbeitgeber oder einer Arbeitgebervereinigung, die sogenannte Nachzeichnung der Rechtsnormen eines mit ihrem Tarifvertrag kollidierenden Tarifvertrags zu verlangen sowie eine Verpflichtung eines Arbeitgebers oder einer Arbeitgebervereinigung, die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages mit einer Gewerkschaft rechtzeitig und in geeigneter Weise bekanntzugeben.

Seite 4 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 Nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums greift das Gesetz nicht in das Streikrecht ein, sondern schafft Möglichkeiten zur Konfliktlösung zwischen Gewerkschaften und Unternehmen in Fällen, in denen Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften aufeinanderstoßen. Aus Gewerkschaftskreisen, die befürchten müssen, dass ihre Tarifverträge in Betrieben nicht mehr zum Zug kommen, werden bereits jetzt rechtliche Schritte gegen die Neuregelung im Falle des Inkrafttretens angekündigt. Es steht daher zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelung überprüfen wird. Der Gesetzesentwurf wurde am 05.03.2015 im Bundestag beraten und in die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist für Mai 2015 geplant. Ralf Fuhrmann

Seite 5 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 III. Aktuelle Entscheidungen Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2015-10 AZR 99/14 Fortzahlung des Entgelts bei Arbeitsunfähigkeit Sachverhalt Der Arbeitnehmer war zwischen 2007 und 2011 beim Arbeitgeber beschäftigt. Er war schwer alkoholabhängig. Ende November 2011 folgte eine Einlieferung in ein Krankenhaus, da der Arbeitnehmer eine Alkoholvergiftung hatte (4,9 Promille). Daran hat sich für knapp ein Jahr eine Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung angeschlossen, wobei das Arbeitsverhältnis bereits zum Jahresablauf 2011 geendet hat. Schon in der Vergangenheit hat der Arbeitnehmer zwei stationäre Entzugstherapien absolviert, wobei es stets Rückfälle gegeben hat. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass er nicht verpflichtet ist, an den Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten. Der Arbeitnehmer habe seine Erkrankung schuldhaft herbeigeführt. So habe es mehrfach einen stationären Entzug gegeben. Der erneute Rückfall des Arbeitnehmers schließe einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus. Entscheidung Die Vorinstanzen - zuletzt das LAG Köln - waren der Auffassung, dass der Arbeitgeber zur Gewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet war. Dieser Ansicht hat sich das BAG angeschlossen. Entscheidend hierfür waren die Regelungen des 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Danach gilt: Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Das BAG ist von der Prämisse ausgegangen, dass eine Alkoholabhängigkeit als Krankheit anzusehen ist. Werde ein Arbeitnehmer wegen seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, sei dies nach den momentanen medizinischen Erkenntnissen nicht im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes verschuldet. Eine Alkoholabhängigkeit habe meist verschiedene Ursachen, die sich wechselseitig bedingen. Nichts anderes gelte in der Regel auch bei einem Rückfall nach einer Therapie. Vor dem Hintergrund von Abstinenzraten von zwischen 40 und 50 % nach einer durchgeführten Therapie sei es zwar nicht möglich, ein Verschulden des Arbeitnehmers am Rückfall generell auszuschließen. Wenn der Arbeitgeber im Prozess ein Verschulden behauptet, sei ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, das zu klären habe, ob der Arbeitnehmer den Rückfall verschuldet hat. Sei eine eindeutige Feststellung aber nicht möglich, weil es für die Abhängigkeit ein ganzes Ursachenbündel gibt, gehe dies zu Gunsten des Arbeitnehmers. Im konkreten Fall hatte das medizinische Gutachten sogar das Ergebnis, dass ein Verschulden wegen der langen und chronischen Alkoholsucht ausgeschlossen war. Letztlich hatte der Arbeitgeber daher Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten. Der Anspruch wurde von der Krankenkasse des Arbeitnehmers geltend gemacht, die während

Seite 6 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 des betreffenden Zeitraums Krankengeld geleistet hat. Praxishinweis Anders als in vielen anderen Bereichen wird der Begriff des Verschuldens im Entgeltfortzahlungsrecht in der Regel sehr eng ausgelegt. Arbeitgeber können zwar bei Auseinandersetzungen wegen Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestreiten, dass den Arbeitnehmer an der Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Häufig führt dies aber - wie im obigen Fall - nicht weiter. Bei den nicht seltenen Sportunfällen unterscheidet die Rechtsprechung zwischen gefährlichen und nicht gefährlichen Sportarten. Unfälle bei nicht gefährlichen Sportarten gelten als allgemeines Lebensrisiko. Bei gefährlichen Sportarten hingegen - diese liegen vor, wenn das Verletzungsrisiko so groß ist, dass auch ein gut ausgebildeter Sportler bei sorgfältiger Beachtung aller Regeln das Risiko nicht vermeiden kann - ist dies anders. Misslich ist jedoch, dass das BAG bislang - soweit ersichtlich - noch keine Sportart als gefährlich bezeichnet hat. So wurden selbst Motorradrennen, Amateurboxen oder Drachenfliegen als nicht gefährlich eingestuft. Dem Arbeitgeber bleibt in solchen Fällen daher meist das Nachsehen. Dr. Andreas Chmel Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2015-8 AZR 1007/13 Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen Sachverhalt Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27.12.2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit bis 28.02.2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31.01.2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäfts-führer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden dabei unter anderem das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält 11 Bilder, 9 davon aus Videosequenzen. Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert für die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500,00 für angemessen. Sie habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.

Seite 7 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 Entscheidung Das LAG Hamm hatte der Klage in Höhe von 1.000,00 stattgegeben. Das BAG hat die Entscheidung bestätigt. Im Ausgangspunkt können Betroffene bei rechtswidriger Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden beanspruchen. Dann muss es sich aber um eine schwerwiegende Verletzung handeln und die Beeinträchtigung darf nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise, etwa durch Unterlassen, Gegendarstellung oder Widerruf, befriedigend ausgeglichen werden können. Sowohl das LAG als auch das BAG waren der Meinung, dass die von der Klägerin gefertigten Videoaufzeichnungen im Rahmen der Krankenkontrolle rechtswidrig erstellt wurden. Das LAG hat die Rechtswidrigkeit im Wesentlichen an den einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmun-gen der 6 b und 32 BDSG gemessen. Dem ist das BAG wohl gefolgt. Bislang existiert allerdings nur eine Pressemitteilung. Das LAG hat angenommen, dass die im öffentlichen Raum vorgenommene verdeckte Videoüberwachung auch ohne Kenntlichmachung zulässig ist, wenn die verdeckte Überwachung das einzige zur Verfügung stehende Mittel zur Überführung von Arbeitnehmern ist, die der Begehung von Straftaten konkret verdächtigt sind ( 6 b BDSG). Das LAG hat und ihm folgend wohl auch das BAG die Voraussetzungen des 32 Abs. 1 BDSG für die mit der Videoüberwachung verbundene Verarbeitung personenbezogener Arbeitnehmerdaten vorliegend als nicht gegeben angesehen. Nach 32 Abs. 1 BDSG darf diese Datenverarbeitung oder Nutzung nur geschehen, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis Straftaten begangen hat. Ohne Vorliegen solcher konkreter Verdachtsmomente darf der Arbeitgeber dem Beschäftigten keinen entsprechenden Kontrollen unterziehen. Sowohl das LAG als auch das BAG haben die Überzeugung gewonnen, dass der Sachverhalt im Vorfeld der Videoaufnahmen keinen hinreichenden Anlass für die Vortäuschung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit beinhaltete. Nach allgemeinen Grundsätzen war der Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttert. Damit hat der beklagte Arbeitgeber mit der in Auftrag gegebenen Überwachung durch den Detektiv und insbesondere durch die von ihm angewendete Videoüberwachung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers verletzt. Bei der Bemessung der Geldentschädigung für die Klägerin hat das LAG von BAG nicht beanstandet den gesamten Sachverhalt gewürdigt. Berücksichtigt wurde einerseits, dass die Beklagte sich noch nicht einmal auf eine für sich genommen ebenfalls rechtswidrige Überwachung durch den Detektiv beschränkt hatte, sondern zudem Videoaufnahmen der Klägerin in ihrer Privatsphäre gefertigt wurden. Zum anderen wurde berücksichtigt, dass der Detektiv die gefertigten Videoaufzeichnungen zunächst vertraulich aufbewahrt und erst auf Anforderung des Gerichts zur Verfügung gestellt hatte. Die Therapiebedürftigkeit der Klägerin war im Übrigen multikausal, d.h. die Observation war nur einer der Gründe, die die Therapiebedürftigkeit begründeten. Dies alles hatte das LAG bewogen, statt den von der Klägerin geforderten 10.500,00 Schmerzensgeld nur 1.000,00 zuzubilligen.

Seite 8 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 Praxishinweis Der vorliegende Fall ist ein Musterbeispiel für eine Warnung an Arbeitgeber, vorschnell keine Maßnahmen zu ergreifen, um vermeintlich rechtswidrig handelnden Arbeitnehmern auf die "Schliche" zu kommen. Allein die Observation durch einen Detektiv kann danach als rechts-widriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers zu Schmerzensgeldansprüchen führen. Im Zusammenhang mit aus Sicht der Rechtsprechung besonders beeinträchtigenden Videoaufnahmen aus dem privaten Bereich gilt dies umso mehr. Beim Vorliegen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist nach den von Rechtsprechung und Literatur dazu entwickelten Prüfkriterien sorgfältig festzustellen, ob deren Beweiswert im Einzelfall erschüttert ist. Wenn dies nicht der Fall ist, können trotzdem in Auftrag gegebene Überwachungen eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber erhebliche nachteilige Folgen haben. Nicht immer werden Gerichte aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Falles Schmerzensgeldzahlungen nur im "symbolischen Bereich" ansetzen. In Deutschland ist freilich die Tendenz anzutreffen, solche Schmerzensgeldzahlungen auch nicht in überbordender Höhe auszuweisen. Ein Arbeitgeber, der einem wie auch immer gearteten Verdacht nachgehen möchte, sollte sich der finanziellen möglichen Folgen einer unberechtigten Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv jedoch bewusst sein. Ralf Fuhrmann Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2015-2 AZR 164/14 Sozialauswahl bei betriebsbedingter Änderungskündigung Überwiegen von Unterhaltspflichten gegenüber geringfügig höherer Betriebszugehörigkeit und geringfügig höherem Lebensalter Sachverhalt Der 42-jährige Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin, einem Softwareunternehmen mit knapp über 100 Arbeitnehmern, seit 6 Jahren mit einer Wochenarbeitszeit von 38,75 Stunden zu einem Bruttomonatsentgelt von 3.287,08 Euro zuzüglich Bonus tätig. Der Kläger ist verheiratet und zum Kündigungszeitpunkt zwei minderjährigen Kindern sowie seiner monatlich etwa 300,00 Euro netto verdienenden Ehefrau gegenüber unterhaltsverpflichtet. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen. Zugleich bot sie ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden und einer Bruttomonatsvergütung von 848,28 Euro an. Der Kläger lehnte das ihm im Rahmen dieser ordentlichen Änderungskündigung unterbreitete Vertragsänderungsangebot ab. Er erhob Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, da die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Nicht er, sondern seine ledige und kinderlose Kollegin hätte die Änderungskündigung erhalten müssen, auch wenn diese ca. anderthalb Jahre älter und drei Jahre länger bei der Beklagten beschäftigt sei.

Seite 9 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 Entscheidung Der Kläger war in allen Instanzen erfolgreich. Die Kündigung war wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Selbst bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung gemäß 2 S. 1 ivm. 1 Abs. 3 S. 1 KSchG unwirksam, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dabei kommt nach dem BAG keinem dieser sozialen Kriterien Priorität zu. Vielmehr müsse der Arbeitgeber stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und ihren Sozialdaten berücksichtigen, wobei ihm vom BAG ein eigener Wertungsspielraum zugestanden wird, der dazu führe, dass sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer erfolgreich auf einen Auswahlfehler berufen könnten. Nicht entscheidend sei, ob das Arbeitsgericht dieselbe Sozialauswahl getroffen hätte. Das BAG fordert keine bestmögliche, sondern eine lediglich ausreichende Gewichtung ausschließlich der sozialen Grunddaten Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung. Bei einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung sei zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Änderung der Arbeitsbedingungen einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte antragen müssen, weil sie diesem aufgrund seiner Sozialdaten eher zumutbar gewesen wäre. Dabei falle ein Kriterium desto stärker ins Gewicht, je größer der durch dieses aufgezeigte Unterschied zugunsten des einen Mitarbeiters ausfalle. Im konkreten Fall bejahte das BAG wegen des Überwiegens der Unterhaltsverpflichtungen des Klägers dessen deutlich größere Schutzwürdigkeit gegenüber seiner nur wenig älteren und nicht erheblich länger beschäftigten Kollegin. Den Altersunterschied von eineinhalb Jahren bewertete das Gericht als geringfügig. Angesichts einer Beschäftigungsdauer des Klägers von immerhin sechs Jahren falle die prozentual verhältnismäßig nicht erheblich längere Beschäftigungsdauer der Kollegin von neun Jahren weniger ins Gewicht als der deutliche Unterschied bei den Unterhaltsverpflichtungen. Die Kollegin trafen keine, den Kläger hingegen drei volle Unterhaltspflichten, nämlich gegenüber seinen Kindern und seiner nur geringfügig verdienenden Ehefrau. Praxishinweis Die im Ergebnis in dieser konkreten Fallkonstellation getroffene, wenig überraschende Entscheidung des BAG überzeugt. Ihr kann sicherlich nicht verallgemeinernd die Aussage entnommen werden, dass es bei einer betriebsbedingten Kündigung stets die Mitarbeiter ohne Kinder zu treffen hat, gleich welche Betriebszugehörigkeiten sie im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen mit Familie aufzubieten haben. Vielmehr zeigt das BAG präzise die erforderlichen Schritte für eine ausreichende Abwägung der Sozialdaten auf, die in jedem Einzelfall vorzunehmen sind. So wird in der Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass etwa bei einer kürzeren Betriebszugehörigkeit des Klägers ein dreijähriger Beschäftigungsvorsprung womöglich stärker ins Gewicht gefallen wäre (denkbares Beispiel: 7 Monate zu 3 Jahren und 7 Monaten), mit der Folge, dass die Entscheidung anders hätte ausfallen können. Deutlich arbeitet das BAG heraus, dass der Arbeitgeber keine bestmögliche, sondern lediglich eine ausreichende Sozialauswahl vorzunehmen hat, bei der ihm ein eigener Beurteilungsspielraum zusteht. In der Praxis können die Wertungen von bereits gerichtlich gebil-

Seite 10 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 ligten Punkteschemata herbeigezogen werden, um das Ergebnis der Sozialauswahl zumindest vor Ausspruch einer (Änderungs-)Kündigung gegenzuprüfen, auch wenn solche Punktetabellen die in jedem Einzelfall notwendigen individuellen Abwägungen nicht ersetzen können. Dr. Christina Mitsch Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2015-8 AZR 1011/13 Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers Sachverhalt Der klagende Arbeitnehmer war bei einem Unternehmen für Klima- und Kältetechnik mit ca. 30 Arbeitnehmern beschäftigt. Für Werbezwecke ließ das beklagte Unternehmen einen Film herstellen, in dem zweimal die Person des Klägers erkennbar abgebildet wird. Das Video konnte von der Internet-Homepage des Arbeitgebers aus angesteuert und eingesehen werden. Vor Erstellung des Videos hatte der klagende Arbeitnehmer schriftlich seine Einwilligung erteilt, dass der Arbeitgeber von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen macht und diese für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet und ausstrahlt. Nach zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärte der Arbeitnehmer den Widerruf seiner "möglicherweise" erteilten Einwilligung und forderte das Unternehmen auf, das Video binnen 10 Tagen aus dem Netz zu nehmen. Dem folgte das beklagte Unternehmen unter Vorbehalt etwa zwei Monate später. Der Kläger verlangt nun die Unterlassung der weiteren Veröffentlichung und Schmerzensgeld. Entscheidungen Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass ein Anspruch eines Arbeitnehmers auf Unterlassung von rechtswidrig erstellten Videoaufnahmen und parallel dazu auch ein Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruch wegen des damit verbundenen Eingriffs in das als absolutes Recht geschützte Persönlichkeitsrecht besteht. Die-se Voraussetzungen haben hier jedoch nicht vorgelegen. In 22 KUG (Kunsturhebergesetz) ist vorgesehen, dass die Veröffentlichung von Filmaufnahmen nur mit einer Einwilligung des Betroffenen möglich ist. Diese Einwilligung hatte der Kläger ausdrücklich erteilt. Damit war der beklagte Arbeitgeber zur Nutzung während des Bestands des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Fraglich war allerdings, ob die Berechtigung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen ist. Sowohl das LAG Rheinland-Pfalz als auch das BAG haben festgestellt und betont, dass die Einverständniserklärung des Arbeitnehmers nicht von Vorneherein auf die Zeit der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses begrenzt war. Auch aus sonstigen Gründen ist das Einverständnis des Arbeitnehmers nicht automatisch im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen. Eine solche Automatik kommt nach der Rechtsprechung nur in Betracht, wenn das veröffentlichte Bild bzw. der Film einen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers bezugnehmenden Inhalt transportiert. Vorliegend ging es um einen Film zu reinen Illustrationszwecken. Die Aufnahmen dienten

Seite 11 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 der Darstellung von Arbeitsabläufen und der Präsentation des Betriebes des beklagten Unternehmens. Die Persönlichkeit des Klägers wurde nicht in den Vordergrund gestellt. Das LAG Rheinland-Pfalz hat ausdrücklich festgestellt, dass ein Arbeitgeber unter solchen Umständen damit rechnen könne, der abgelichtete Arbeitnehmer habe auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus kein gesteigertes Interesse an der Entfernung der Aufnahmen. Der spätere Widerruf des Arbeitnehmers seiner aus Gründen des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schriftlich abzugebenden Einverständniserklärung konnte dem Arbeitnehmer hier nicht weiterhelfen. Das BAG hat sich der vom LAG Rheinland-Pfalz vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach zumindest ein plausibler Grund für den Widerruf vorliegen müsse. So hat das LAG etwa ausdrücklich festgehalten, dass überhaupt nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen dem Kläger ein weiteres Festhalten an der zunächst er-teilten Einwilligung in die Veröffentlichung nunmehr unzumutbar sein oder inwieweit sich seine innere Einstellung grundlegend gewandelt haben solle. Unter solchen Umständen ist nach Ansicht des BAG eine weitere Veröffentlichung der Videoaufnahmen nicht zu untersagen. Diese weitere Veröffentlichung würde den früheren Arbeitnehmer ggf. auch nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen. Praxishinweise Die Beklagte hatte - auch im Hinblick auf die relativ hohen Kosten von Filmaufnahmen zu Werbezwecken - alles richtig gemacht. Sie hat sich von ihren Arbeitnehmern im Vorfeld der Anfertigung des Werbefilms Einverständniserklärungen in schriftlicher Art und Weise geben lassen, die die Beklagte berechtigten, die Filmaufnahmen zu Werbezwecken zeitlich unbegrenzt zu verwenden. Jedenfalls in Situationen, in denen Arbeitnehmer mit ihrer Persönlichkeit nicht im Vordergrund solcher Werbefilme stehen (also e- her eine Statistenrolle innehaben), kann ein Arbeitgeber davon ausgehen, den Film bzw. die ggf. zu Werbezwecken ansonsten gemachten Fotoaufnahmen auch nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und trotz eines Widerrufs der Einverständniserklärung weiterbenutzen zu können. Im Einzelfall wird man jeweils analysieren müssen, ob besondere Umstände oder gewichtige Gründe auf Seiten des Arbeitnehmers einen Widerruf sachlich rechtfertigen können. Ralf Fuhrmann Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.2015-9 AZR 53/14 Urlaub bei Reduzierung der Arbeitstage Sachverhalt Der Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber zunächst in Vollzeit an 5 Tagen pro Woche tätig. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Der tarifliche Urlaubsanspruch hat sich während seiner Vollzeitbeschäfti-

Seite 12 Aktuelle Informationen zum Arbeitsrecht Newsletter 2/2015 gung auf 30 Arbeitstage pro Jahr belaufen. Mitte Juli 2010 wurde die Arbeitszeit reduziert und auf nur noch 4 Tage pro Woche verteilt. Für das Jahr 2010 hatte der Kläger während seiner Vollzeittätigkeit noch keinen Urlaub genommen. Nach dem Wechsel in die Teilzeittätigkeit entstand ein Streit darüber, ob dem Arbeitnehmer auf Basis des tariflichen Urlaubsanspruchs von 30 Tagen im Rahmen einer 5-Tage- Woche infolge des Wechsels in die Teilzeittätigkeit für das Jahr 2010 nur noch insgesamt 24 Urlaubstage zustehen (= 30 Tage x 4/5), oder ob es insgesamt 27 Urlaubstage sind (1. Halbjahr: 50 % von 30 Tagen = 15 Urlaubstage + 12 Urlaubstage für das 2. Halbjahr). Der Arbeitgeber ging von 24 Tagen aus, während der Arbeitnehmer 27 Urlaubstage verlangt hat. Während sich die Vorinstanzen uneinig waren, wie viele Urlaubstage dem Arbeitnehmer im Jahr 2010 zugestanden haben, hat das BAG dem Arbeitnehmer Recht gegeben und ist von 27 Urlaubstagen ausgegangen. Zwar steht dieses Ergebnis in Widerspruch zu 26 Abs. 1 TVöD. Danach gilt, dass sich der für die 5-Tage-Woche bestehende Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erhöht bzw. vermindert. In diesem Sinne hat das BAG auch früher entschieden, dass die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich umgerechnet und ratierlich gekürzt werden muss, wenn sich die Anzahl der Arbeitstage pro Woche reduziert. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22.04.2010 (C - 486/08) ist die verhältnismäßige Kürzung von während der Vollzeittätigkeit angefallenen Urlaubstagen nach einem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit jedoch unzulässig. Diese Kürzung würde Teilzeitbeschäftigte unzulässig diskriminieren. Dem hat sich das BAG gezwungenermaßen angeschlossen. Die entgegenstehende Vorschrift des TVöD wurde für unwirksam erklärt. Praxishinweise Einmal mehr hat das BAG eine Vorschrift aus dem TVöD kassiert. Dieses Schicksal hatte vor einiger Zeit ein früher im TVöD vorgesehene, bestimmte Staffelung der Urlaubsdauer abhängig vom Lebensalter. Ältere Beschäftigte hatten mehr Urlaub als jüngere Mitarbeiter. Diese Regelung wurde für altersdiskriminierend gehalten, was später zu einer Anpassung des TVöD geführt hat. All diese Grundsätze gelten auch für Arbeitsverhältnisse, die sich nicht nach dem TVöD richten. Entscheidung Unterjährige Reduzierungen der Arbeitszeit mit einer Verteilung auf weniger Arbeitstage sind nicht selten und vom Arbeitgeber wegen bestehender Ansprüche der Mitarbeiter auf Teilzeittätigkeit häufig kaum zu verhindern. In solchen Fällen sollten Arbeitgeber darauf achten, dass der Urlaub für den entsprechenden Zeitraum der Vollzeittätigkeit vor dem Beginn der Teilzeit tatsächlich genommen wird. Geschieht dies nicht, kann aus einem Urlaubsanspruch von 6 Wochen im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung (30 Tage Urlaub bei einer 5-Tage-Woche) nach dem Wechsel in die Teilzeittätigkeit ohne Weiteres ein Urlaubsanspruch für 7, 8 oder noch mehr Wochen werden. Dr. Andreas Chmel

Ihre Ansprechpartner zum Thema Arbeitsrecht S T U T T G A R T Ralf Fuhrmann Dr. Andreas Chmel Carolin Oertel ralf.fuhrmann@tsp-law.com andreas.chmel@tsp-law.com carolin.oertel@tsp-law.com B E R L I N Dr. Christina Mitsch christina.mitsch@tsp-law.com S T U T T G A R T Urbanstraße 7 D - 70182 Stuttgart T +49 (0) 711. 16 67 0 Fx +49 (0) 711. 16 67 290 stuttgart@tsp-law.com B E R L I N Kurfürstendamm 31 D - 10719 Berlin T +49 (0) 30. 8 87 17 00 Fx +49 (0) 30. 8 85 00 75 berlin@tsp-law.com D R E S D E N Käthe-Kollwitz-Ufer 83 D - 01309 Dresden T +49 (0) 351. 4 99 14 14 Fx +49 (0) 351. 4 99 14 99 dresden@tsp-law.com F R A N K F U R T Eschersheimer Landstr. 10 D - 60322 Frankfurt a. M. T +49 (0)69. 95 91 35 0 Fx +49 (0)69. 95 91 35 30 frankfurt@tsp-law.com B R Ü S S E L Allée du Cloître, 7 B - 1000 Brüssel T +32 (0)2. 6 47 79 80 Fx +32 (0) 2. 6 49 37 79 S I N G A P U R 80 Anson Road #24-02 Fuji Xerox Towers Singapur 079907 T +65 65 35 31 12 Fx +65 65 34 31 00

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