Seminar: Ethiktypen

Ähnliche Dokumente
Handlung Absicht. Folgen. Kapitel 6: Handlungsfolgen 6.1 Einführung. Vorlesung Universität Freiburg. Heilpädagogisches Institut Frühlingssemester 2012

John Rawls A Theory of Justice. Thomas Schmidt

Theorien der Gerechtigkeit

Theoretische Grundorientierung II: Gleichheit

Aufbaumodul Prakt. Philos. Philosophiegeschichte. S: Rawls: Gerechtigkeit als

John Rawls Eine Theorie der Gerechtigkeit

John Rawls Eine Theorie der Gerechtigkeit

1.1 Die Disziplinen der Philosophie Der Begriff Ethik Der Aufgabenbereich der Ethik... 3

Modul Ethik in der Biologie

Einführung in die Ethik

Einführung in die (Medizin-)Ethik

II. Ethik und vorphilosophisches moralisches Bewußtsein Die Ethik als praktische Wissenschaft Die Irrtums-Theorie...

Friedo Ricken. Allgemeine Ethik. Grundkurs Philosophie 4. 3., erweiterte und überarbeitete Auflage. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln

Gerechtigkeit in der liberalen Demokratie: John Rawls

John Rawls Politischer Liberalismus

Prof. Dr. Simone Dietz, Wintersemester 2010/11 Vorlesung: Einführung in die Ethik

Denk Art. Ethik für die gymnasiale Oberstufe. Arbeitsbuch. Schöningh. Herausgegeben von: Matthias Althoffund Henning Franzen

Friedo Ricken. Allgemeine Ethik. Grundkurs Philosophie 4. Fünfte, überarbeitete und ergänzte Auflage. Verlag W. Kohlhammer

Ethik als philosophische Disziplin und Einführung in die Urteilsbildung

Politische Philosophie

Schulinternes Curriculum für das Fach Philosophie

Friedo Ricken. Allgemeine Ethik. Grundkurs Philosophie 4. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag W. Kohlhammer

Medienethik. Einführung: Praktische Philosophie, Ethik, Medienethik. Seminar Medienethik (SoSe 2010)

I. Biografie. II. Eine Vertragstheorie der Gerechtigkeit. 1. Allgemeines

L E H R P L A N P H I L O S O P H I E

Analytische Einführung in die Ethik

Kurzdefinition. Ethik ist die philosophische Theorie vom richtigen Leben und Handeln:

-> Die drei Argumentationsformen u. ihr jeweiliges Kriterium

2/25/2015. Grundlagen der Bioethik Teil 2. Lernziele Grundlagen der Bioethik. Inhalt. Eine Einführung

DIE POLITISCHE PHILOSOPHIE DES GESELLSCHAFTSVERTRAGS

moralisch gute Handlungen vs. moralisch richtige Handlungen

HKV Handelsschule KV Schaffhausen Handelsmittelschule

Philosophie der Führung

Von: Wolfgang Melchior

John Rawls Eine Theorie der Gerechtigkeit

Inhaltsverzeichnis. Vorwort 11

MoralKeulen in die Ethik tragen

William K. Frankena. Ethik. Eine analytische Einführung. 6. Auflage. Herausgegeben und übersetzt von Norbert Hoerster

Das Gute, das Böse und die Wissenschaft

Ethik Kursstufe (2-stündig)

Prüfungsbogen Ethik II: Grundlagen der Politischen Ethik und der Sozialethik SS 2011 (Termin: )

Nutzen oder Glück. Möglichkeiten und Grenzen einer deontologischtheoretischen Fundierung der economics ofhappiness. Von.

Mobilität philosophisch betrachtet

Ethik, Politik und Menschenbild zwei klassische Beispiele

Schulinterner Lehrplan Philosophie

Grundlagen der Philosophie

Deontologie Die Bausteine der Kantischen Ethik

John Rawls Eine Theorie der Gerechtigkeit

Einführung in die Ethik. Neil Roughley (WS 2006/07)

3. Handlung- und Entscheidungstheorien 3.1. Allgemeine Merkmale von Handlungstheorien

ETHIK & INNOVATION ENTSCHEIDUNGSPROZESSE IM SPANNUNGSFELD VON FÜRSORGE, SELBSTBESTIMMUNG UND SYSTEMLOGIKEN

Lehrplanung akademisches Jahr 2017/18 - BA/MAEd. Neues Studienmodell 17 W Grundkurs Praktische Philosophie (V) Rehm

Bearbeitet von Andreas Groch C.C.BUCHNER

и verlag moderne industrie Recht, Gesetzgebung und Freiheit Band 2: Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit Prof. Dr. F. A.

Moderne vertragstheoretische Konzeptionen der Gerechtigkeit: John Rawls vs. James Buchanan

Input. Gerechtigkeitsfragen

Grundinformation Theologische Ethik

Einführung in die Medizinethik Umrisse, Grundbegriffe,Semesterplan

Freihandel und Gerechtigkeit

Inhalt. Vorwort 11 Hinfuhrung 13. Teil I Allgemeine Grundlegung

Freud und Leid als moralische Grundlage

Peter Stemmers Verteidigung des moralischen Kontraktualismus

Einführung in die Ethik. Neil Roughley (WS 2006/07)

Das Gute und das Gerechte

Th. Hobbes: Leviathan (1651)

LIEBFRAUENSCHULE BONN

Seminar: Ethiktypen

Technik, Ökologie und Ethik

Thomas Kessel ring. Ethik der Entwicklungspolitik. Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung

Einführung in die Ethik. Neil Roughley (WS 2006/07)

Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft 101. Nutzen oder Glück

Seminar Ökonomische Ethik Universität Zürich 16 & Dr. Dominik van Aaken

Führung und Ethik in Unternehmen

Zwischen Verstand und Gefühl. Von der klassischen Moralpsychologie zur aktuellen Hirnforschung. Angela Heine 8. Januar 2014

Nachhaltigkeit und neoklassische Ökonomik

ethikos 11 lehrermaterialien

Utilitarismus - Ein Konzept für die Zukunft?

Gegenstände / Themen / Inhalte Arbeitstechniken / Arbeitsmethoden Kompetenzen. - philosophisches Gespräch

Philosophie des Glücks

Der Begriff der sozialen Grundrechte

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Inhaltsverzeichnis. Einleitung 1. A. Das Thema 1 B. Die Bedeutung 4 C. Gang der Untersuchung 8

Modulkatalog. Philosophische Fakultät. Grundlagen der Moralphilosophie. Programmformat: Minor 30. Studienstufe: Master. Gültig ab: Herbstsemester 2019

Beitrag des Seminarleiters: Situation Moral und Begriffsklärung

ethikos 11 Arbeitsbuch für den Ethikunterricht in der Oberstufe .Erarbeitet unter Beratung von Rolf Roew

Konsequentialismus, Deontologie und Absolutismus

Ist es unfair arm zu sein? Kinder und soziale Gerechtigkeit

EINFÜHRUNG IN DIE RECHTS UND STAATSPHILOSOPHIE

Thomas Kesselring. Ethik der Entwicklungspolitik. Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung. C.H.Beck

2 Egoistische und deontologische Theorien

Rechtsphilosophie der Neuzeit. Naturrecht und Aufklärung, Teil 1 Prof. Dr. D. Klesczewski

WIRTSCHAFTS- UND UNTERNEHMENSETHIK

Inhaltsverzeichnis. Einleitung: Was ist Rechtsphilosophie? 1. Kapitel: Rechtsquellen und Rechtskulturen

John Rawls: Die Konzeption der Gerechtigkeit Eine Zusammenfassung

Einführung in die Praktische Philosophie I

Ethik Kursstufe (4-stündig)

1. Grundzüge der Diskursethik

Transkript:

Seminar: Ethiktypen 24.10.2011

Programm heute 1. Wiederholung: Kontraktualismus (Ende) 1.1 Allgemeine Definition 1.2 Unterscheidung Staatsphil. moralphil. Kontrakt. 1.3 Rawls: Theorie der Gerechtigkeit 2. Wiederholung: Utilitarismus 2.1 Begriffsklärungen Unterscheidungen 2.2 Klassischer Utilitarismus 2

1. Wiederholung: Kontraktualismus 1. Allgemeine Definition: Kontraktualismus/ Vertragstheorie Vertragstheorien heißen Konzeptionen der Moral-, Sozial- und politischen Philosophie: die die moralischen Prinzipien menschlichen Handelns, die rationale Grundlage der institutionellen gesellschaftlichen Ordnung und die Legitimationsbedingungen politischer Herrschaft in einem hypothetischen, zwischen freien und gleichen Individuen in einem wohldefinierten Ausgangszustand geschlossenen Vertrag erblicken und damit die allgemeine Zustimmungsfähigkeit zum fundamentalen normativen Gültigkeitskriterium erklären (nach Kersting) Wiederholung 3

1. Wiederholung: Kontraktualismus 2. Unterscheidung staatsphilosoph. moralphilos. Kontr. Staatsphilosophischer/politische Kontraktualismus (Hobbes, Locke, Rousseau, Kant, Rawls) begründen m.h. der Vertragsidee Notwendigkeit/ Legitimität staatlicher Institutionen, politischer Regeln und Normen Rawls fragt nach der Gerechtigkeit grundlegender Institutionen der Gesellschaft (die die Verteilung von Rechten/ Pflichten, Früchten und Lasten, die aus sozialer Kooperation resultieren, regelt) Moralphilosophische Ansätze begründen m.h. der Vertragsidee Notwendigkeit/ Legitimität moralischer Normen und Regeln (Peter Stemmer; David Gauthier) Wiederholung 4

1. Wiederholung: Rawls Gerechtigkeit als Fairness 3. Rawls: Theorie der Gerechtigkeit (TdG) zentrale Frage der TdG: Wie sehen in einer gerechten Gesellschaft die Prinzipien aus, nach denen basale Rechte und Pflichten sowie die aus der sozialen Kooperation resultierenden Früchte und Lasten (zusammen: gesellschaftliche Grundgüter ) verteilt werden? Wie sieht die entsprechenden Grundstruktur der Gesellschaft aus, die die Verteilung der gesellschaftlichen Grundgüter regelt? Grundstruktur: grundlegende rechtliche Institutionen, wirtschaftliche Bedingungen, soziale Verhältnisse, die die allgemeinen Rechte und Pflichten, sozialen Chancen, ökonomischen Aussichten der Mitglieder einer Gesellschaft bestimmen Wiederholung 5

1. Wiederholung: Rawls Gerechtigkeit als Fairness Gesellschaftliche Grundgüter: gesellschaftlich bedingte Güter höherer Ordnung, deren Verfügbarkeit notwendige Bedingung für Verfolgung der Lebensziele der Menschen ist, worin auch immer diese Ziele genau bestehen das sind: - grundlegende Rechte / Freiheiten - Machtpositionen und Chancen - wirtschaftliche Aussichten wie Eigentum und Besitz - soziale Grundlage der Selbstachtung (TdG, 11 und 15) Wiederholung 6

1. Wiederholung: Rawls Gerechtigkeit als Fairness Grundidee TdG: Grundsätze/ Prinzipien einer gerechten Gesellschaft sind solche, auf die sich rationale Subjekte unter fairen Bedingungen der Gleichheit und Unparteilichkeit einigen würden (rationaler Subjektivismus) Konstruktion dieser fairen Vertragssituation nennt R. Urzustand (= Naturzustand früherer Vertragstheorien auf abstrakterem Niveau) Entscheidung erfolgt hinter Schleier des Nichtwissens : Entscheidungsträger wissen in Entscheidungssituation nichts von konkreten Lebenszielen, von sozialer Position, Einkommen, Geschlecht, natürl. Fähigkeiten etc., behalten aber Wissen über politische, soziale, wirtschaftliche Zusammenhänge/ Notwendigkeiten, und darüber, was es überhaupt heißt, ein Lebensziele verfolgendes, rationales Subjekt zu sein Wiederholung 7

1. Wiederholung: Rawls Gerechtigkeit als Fairness Rationales Subjekt sei in dieser Situation angehalten, Grundsätze so zu formulieren, dass es dem in der politischen, sozialen, wirtschaftl. Hierarchie am schlechtesten Gestellten relativ zu allen Möglichkeiten am besten geht (Maximin-Maxime: Maximiere die minimale, schlechtestmögliche Situation) moralisch gefärbte Maxime: Forderung nach Gleichheit und Interessenausgleich bzw. sozialer Gerechtigkeit (gleiche Berücksichtigung aller Interessen) + moralischen Eigenschaften definieren Entscheidungssituation und Entscheidung(shandlung): faires und unparteiliches Entscheiden, Gleichbehandlung (deontologischer Ansatz) Ich behaupte nicht, daß der Begriff des Urzustands nichts moralisches bei sich führe, oder daß die Familie von Begriffen, die ihn bestimmen, ethisch neutral sei (TdG, 87). Wiederholung 8

2. Wiederholung: Utilitarismus 1. Begriffsklärungen Unterscheidungen (a) Konsequentialismus Gesinnungsethik Unterscheidungskriterium: Gewicht, das den Handlungsfolgen bei der Bewertung von Handlungen eingeräumt wird - Konsequentialismus: - Bewertung der Handlung ausschließlich nach Wert der (zeitgleichen, späteren) Handlungsfolgen - Wert kann moralisch (Gerechtigkeit) oder außermoralisch (pleasure) sein - geboten sind Handlungen, deren Erfolgsbilanz positiv ist - Gesinnungsethik: - moralischer Wert einer Handlung bemisst sich an Gesinnung (gute Absicht) des Handlungssubjekts Wiederholung 9

2. Wiederholung: Utilitarismus (b) teleologische deontologische Ethiken (nach Frankena) teleologisch: Eine teleologische Theorie behauptet, daß das grundlegende Kriterium dafür, was moralisch richtig, falsch, verpflichtend usw. ist, der außermoralische Wert ist, der geschaffen wird. Danach muß man sich [...] letzten Endes auf die vergleichsweise Summe guter Konsequenzen berufen oder vielmehr auf das vergleichsweise Übergewicht von guten gegenüber schlechten Konsequenzen. [...] Es ist hier wichtig zu beachten, daß für einen Teleologen der moralische Wert von Handlungen, Personen oder Charaktereigenschaften von dem vergleichsweise außermoralischen Wert dessen abhängt, was sie herbeiführen (Frankena: AE, 32 f.). teleologisch ist jede Ethik, bei der das moralisch Richtige von einem außermoralischen Wert abhängt, der geschaffen/ maximiert wird Wiederholung 10

2. Wiederholung: Utilitarismus (b) teleologische deontologische Ethiken (nach Frankena) - Kritik an Frankenas Def.: zu eng; antike Tugendethik wäre danach keine teleologische Ethik, weil der zu verwirklichende Wert (eudaimonia) nicht außermoralisch genannt werden kann Erweiterung: - teleologisch sollte daher jede Ethik genannt werden: - die zur Verwirklichung eines Wertes/ als gut bestimmten Ziels auffordert, wobei Kriterien der Werthaftigkeit/ Güte moralisch oder außermoralisch sein können - Bsp.: Tugendethik des Aristoteles; ethischer Egoismus (Epikur, Hobbes, Nietzsche); Utilitarismus Wiederholung 11

2. Wiederholung: Utilitarismus (b) teleologische deontologische Ethiken (nach Frankena) Deontologische Ethik nach Frankena: Deont. Theorien bestreiten, was teleologische Theorien behaupten. Sie bestreiten, daß das Richtige, das Pflichtgemäße und das moralisch Gute ausschließlich [...] eine Funktion dessen sind, was im außermoralischen Sinne gut ist [...]. Sie behaupten stattdessen, dass es jedenfalls auch andere Gesichtspunkte gibt, welche eine Handlung oder Regel zu einer richtigen oder pflichtgemäßen machen Gesichtspunkte, die mit dem positiven bzw. negativen Wert ihrer Konsequenzen nichts zu tun haben: gewisse Eigenschaften der Handlung selbst, abgesehen von den Werten, die sie schafft (33 f.). es gibt Handlungstypen, die unabhängig von Folgen, Umständen moralisch richtig/falsch, geboten/verboten sind (Pflicht zur Hilfeleistung; Lügenverbot) Kant; gemäßigte deont. Ansätze: Diskursethik Wiederholung 12

2. Wiederholung: Utilitarismus Abschließender Vergleich: Gesinnungsethik deontolog. Ethik - Begriff der Gesinnungsethik (Kant) enger als deontolog. Ethik (gemäßigte deontologische Konzepte berücksichtigen auch Folgen) konsequentialistisch teleologisch - weiterer engerer Begriff - konsequ. Ethiken berücksichtigen alle faktischen Folgen, auch die nicht beabsichtigten, aber voraussehbaren/wahrscheinlichen (Verantwortungsethik) - teleolog. Ethiken berücksichtigen zwar umfassende, aber beabsichtigte Ziele Wiederholung 13

2. Wiederholung: Utilitarismus 2. Utilitarismus (a) Klassischer Utilitarismus (Bentham, Mill) Maxime: Größtmöglicher/s Nutzen/Glück für die größtmögliche Zahl Merkmale: - moralischer Wert einer Handlung bemisst sich ausschließlich an den Folgen (ausschlaggebend für die Bewertung ist der Nutzen (utilitas)) - Nutzen ist ein außermoralisches Gut, besteht in Steigerung von Lust/ Freude (pleasure) / Glück (happiness) bzw. Vermeidung/ Verminderung von Unlust/ Leid (pain) bzw. Unglück (Unhappiness) (quant./ qual. Hedonismus) - berücksichtigt werden die voraussehbaren Folgen für alle von der Handlung Betroffenen in gleicher Weise, nicht nur für das handelnde Subjekt (Universalismus statt Egoismus) Wiederholung 14