Nosokomiale Infektionen im Altenpflegeheim

Ähnliche Dokumente
Surveillance nosokomialer Infektionen in einem Altenpflegeheim

Thema: Nosokomiale Infektionen in Alten- und Pflegeheimen. Inzidenz, Risikofaktoren. und. Präventionsmöglichkeiten durch Hygiene

Harnwegskatheter Was gilt es zu beachten?

Pflegeheime und Infektionsschutz- Notwendigkeit neuer Strategien

Harnwegsinfekte nach Nierentransplantation Symposium 25 Jahre Transplantationszentrum Stuttgart

CAUTI Catheter-associated urinary tract infections

Erkenntnisse einer Erhebung der ESBL-Prävalenz in vollstationären Pflegeeinrichtungen, Problematik ESBL-Bildner

Schwerpunktüberprüfung MRSA in Altenpflegeeinrichtungen im Stadtgebiet München ( )

Multiresistente Erreger. Situation in den Krankenhäusern im Freistaat Sachsen

- MRSA - Unterschiede in der Betreuung im Krankenhaus, im heimstationären und ambulanten Bereich. Dr. W. Wunderle Gesundheitsamt Bremen

MRSA im ambulanten Bereich Prävalenz und Handlungsstrategien

Novellierung IFSG 2011

Empfehlungen zur Antibiotikaverschreibung bei häufigen ambulant erworbenen Infektionen. Kriterien für die Antibiotikaverschreibung

Prävention, Richtlinien, Hygiene, Forensische Bedeutung. Rechtliche Grundlagen

Einbeziehung niedergelassener Ärzte

Demenzen in Altenpflegeheimen in Deutschland: Ergebnisse aus der aktuellen MuG IV-Studie

Mitglieder. Jahresrückblick Hygienesiegel für Alten-und Pflegeheime. Anlage 2. Summe: ~ 3,5 Mio Einwohner

Einblicke und Ausblicke

MRE-Qualitätssiegel für Hygiene in Alten- und Pflegeeinrichtungen Rezertifizierung

Patient mit Husten: Klinische Unterscheidung von akuter Bronchitis und Pneumonie

Infektionsprävention in Heimen

Vortrag. Aktuelle Zahlen zu Screening und multiresistenten Erregern aus den Kliniken Mühldorf

Harnwegsinfektionen - Herausforderung bei Demenz. Oberärztin Dr.med. Elisabeth Angst-Wagen FMH Innere Medizin, Schwerpunkt Geriatrie

Heudorf Ursel 1, Cuny Christiane 2, Herrmann Matthias 3, Kempf Volkhard AJ 4, Mischler Dorothea 1, Schulze Jörg 5, Zinn Christian 6

Nosokomiale Infektionen Neue Perspektiven und Visionen

Befragung von Berliner Krankenhäusern zu MRSA und anderen Erregern. Irina Zuschneid Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg

DEFINITIONEN UND ALGORITHMEN FÜR INFEKTIONEN

«Schmerzhaftes Wasserlassen» Vom Symptom zur Diagnose. Dr. med. Christine Gutmann Oberärztin FB Infektiologie/Spitalhygiene

Fragen aus Spitex und Langzeitbereich

Qualitätsziel 5 im Rahmen des dritten euprevent-qualitätssiegels. Umsetzung der RKI-Empfehlung zum Umgang mit MRSA

Hygienemaßnahmen bei 3 und 4 MRGN Erreger in der stationären und ambulanten Versorgung

Multiresistente Erreger (MRE)/ Clostridium difficile 5. Runder Tisch für Hygienebeauftragte in der stationären Pflege

Jährliche Begehung der Alten- und Pflegeheime

Qualitätsziel 5 im Rahmen des dritten euprevent-qualitätssiegels. Umsetzung der KRINKO-Empfehlung zum Umgang mit MRGN

Gerda Schonebeck Fachkrankenschwester für Krankenhaushygiene. Das Klösterchen

Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

NISS light. Prim. Dr. Klaus Vander Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie. Prävalenz nosokomialer Infektionen

MRSA Alles im Griff, Alles klar, Alles unter Kontrolle? 17. Dezember 2014

Der Senator für Arbeit, Frauen,Gesundheit, Jugend und Soziales Heimaufsicht

Die katheterassoziierte Harnwegsinfektion -

Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention

Infekte bei ADPKD. ADPKD Patientenveranstaltung Donnerstag, 22. März 2018, 18:00 Uhr

BMJ2017;359:j4784. Journal Club Veronika Bättig

STRUKTURERHEBUNG IM RAHMEN DES MRE-PROJEKTES

Prüfungsrelevante Kriterien bezüglich der Hygiene in stationären und ambulanten Einrichtungen

Aktuelle Aspekte des Katheterismus der Harnblase beim geriatrischen Patienten

Multiresistente Erreger und Patientensicherheit

Gemeinsamkeiten von Hygiene und Arbeitsschutz bei der Beurteilung von Infektionsrisiken

- HYSA - Netzwerk Hygiene in Sachsen-Anhalt

Harnblasenkatheterismus

Hygiene in medizinischen Einrichtungen Die Hygienebegehung durch das Gesundheitsamt

Neufassung des Wortlauts der Produktinformationen Auszüge aus den Empfehlungen des PRAC zu Signalen

Hygiene-Daten nutzen für Patientenfürsprecher. Düsseldorf 14. November Walter Popp

Daten mit Bezug zur Hygiene

Hygienverordnung (MedHygV) Brandenburg

Präsentation der Ergebnisse des MRSA-Prävalenz-Screenings in den Kliniken

Multiresistente Erreger bei Patienten ambulanter Pflegedienste im Rhein- Main-Gebiet, 2014

Rezidivierende Infekte in welche Richtung soll s gehen (Trends)

Fallbeispiele aus dem Alltag zur MRE Prävention. Dr. Giuseppe Valenza

Surveillance Postoperative Wundinfektionen in Österreich Tag der Händehygiene im BMG Prof. Dr. Elisabeth Presterl MBA

Anforderungsprofil für die Betreuung

Gesetzliche Grundlagen

Inhalt. Der Pflegeempfänger

ESBL. Konsequenzen für die stationäre Pflege

ASSESSMENTERGEBNISSE BEI MRSA- POSITIVEN PATIENTEN

STRUKTURERHEBUNG IM RAHMEN DES MRE-PROJEKTES

Blasenkatheter: Erfahrungen aus der Praxis. Christian Strübi

Fachtagung zum Thema Krankenhaushygiene 9. April 2014 in Mainz Strukturierte curriculäre Fortbildung Krankenhaushygiene gem. BÄK

NOSOKOMIALE INFEKTIONEN IN DER HÄMATO-/ONKOLOGIE

Dr. med. Yasemin Albayram Oberärztin der Med. Klinik

Strukturierte curriculare Fortbildung Krankenhaushygiene

Intensivierte Surveillance wegen Häufung von Clostridium difficile-infektionen in einem Krankenhaus in Sachsen-Anhalt, 2014

ESBL. Konsequenzen für die ambulante Pflege

Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen

Krankenhaus-Hygiene Aktuell

3. INTERDISZIPLINÄRES KOLLOQUIUM DES MRE-NETZWERKES SÜDBRANDENBURG MRE IM PFLEGEHEIM. Sabine Baumgarten. Einrichtungsleiterin MED Spremberg

Nosokomiale Infektionen Harnwegsinfektionen

Berlin, Umfrage zum Thema Lungenerkrankungen

Welche Labordaten werden gebraucht?

EurSafety-Qualitätssiegel für Altenund Pflegeheime

Elektronische Erfassung von nosokomialen Infektionen

Arbeitsgruppensitzung der Kliniken am 08.Juni 2011

Aktion Saubere Hände. in der ambulanten Medizin

Gesundheitspolitisches Forum. Verbesserung der medizinischen Versorgung von Patienten in Thüringer Alten- und Pflegeeinrichtungen

ESBL ESBL. Dies bedeutet eine Resistenz gegenüber Antibiotika! Übersicht. Übersicht. Was genau? Besiedlung / Infektion. Ursachen. Infektion.

ESBL in Alten- und Pflegeheimen Multiresistente gramnegative Erreger (MRGE)

ANHANG NEBENWIRKUNGEN

Compliance des Personals Unabdingbare Voraussetzung zur Verbesserung der Krankenhaushygiene

Sepsis durch MRSA - Auswertung der Daten aus Deutschland und dem Land Brandenburg

Es geht auch anders!

AUSGABE Dezember

Seminarüberblick Hygiene (4 Stück)

Humanpathogene Yersinia enterocolitica, Y. pseudotuberculosis (gramnegative Bakterien).

Zertifizierung der MRSA-Netzwerk- Teilnehmer - ein Beitrag zum Qualitätsmanagement

So lassen sich Krankenhausinfektionen vermeiden

Projektplan Aktion Saubere Hände Tirol

Netzwerk Hygiene in Sachsen-Anhalt. Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, Fachbereich Hygiene Dr. med. Claudia Kohlstock;

Transkript:

Nosokomiale Infektionen im Altenpflegeheim Inzidenz, Risikofaktoren sowie Präventionsmöglichkeiten durch Hygiene Daniela Schulte, Gesundheitsamt Frankfurt/Main

Fragestellungen Inzidenz nosokomialer Infektionen in einer stationären Altenpflegeeinrichtung? Kriterien nach McGeer et al. für die Erfassung der Infektionsinzidenz in einem Altenpflegeheim geeignet? Welche Risikofaktoren sind mit den verschiedenen definierten Infektionserkrankungen assoziiert, bzw. ergeben sich aus der Assoziation zu Risikofaktoren Hinweise auf Präventionsstrategien für die Heime?

Kriterien nach McGeer et al. Konsensdefinitionen zur Infektionssurveillance in Alten- und Pflegeheimen, USA 1991 Modifikationen von Engelhart et al., 2005 Verzicht auf Labor- und Röntgenuntersuchungen

Durchführung der Studie - Untersuchungsperiode Januar-Juni 2006 - wöchentliche Durchsicht der EDV-geführten Pflegedokumentation der 278 Studienteilnehmer - Erfassung von dokumentierten Symptomen und Beschwerden der Bewohner unter Anwendung der McGeer`schen Definitionen - Erfassung von ärztlichen Antibiotikaverordnungen

Infektionen untere Atemwege - Bronchitis Mind. 3 Symptome müssen zutreffen: - neuer oder stärker gewordener Husten - neue oder erhöhte Sputumproduktion - Fieber ( 38 C) - Pleuraschmerzen* - neuer oder veränderter Auskultationsbefund (trockene RG`s, klingende RG`s, Bronchialatmen) - eines der folgenden Hinweise: *neue/vermehrte Kurzatmigkeit oder erhöhte Atemfrequenz > 25 Atemzüge/min. oder Verschlechterung des mentalen Zustandes

Harnwegsinfektionen symptomatisch ohne Katheter Mind. 3 Symptome müssen zutreffen: - Fieber ( 38 C) oder Schüttelfrost - neu aufgetretene/vermehrte Dysurie oder Pollakisurie - neu aufgetretener suprapubischer Schmerz - Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder des mentalen Status - Veränderungen des Urins: o blutiger Urin o fauliger Urin o vermehrtes Sediment o oder laut Laborbericht: mikroskop. Hämaturie oder Leukozyturie

Harnwegsinfektionen symptomatisch mit Katheter Mind. 2 Symptome müssen zutreffen: - Fieber ( 38 C) oder Schüttelfrost - neu aufgetretener Flankenschmerz oder suprapubischer Schmerz - Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder des mentalen Status - Veränderungen des Urins: o blutiger Urin o fauliger Urin o vermehrtes Sediment o oder laut Laborbericht: mikroskop. Hämaturie oder Leukozyturie

Altenpflegeheim A-Haus: - 6 Wohnbereiche für insgesamt 136 Bewohner - meist Zwei-Bettzimmer - 2 Bereiche für 24 Wachkoma-Bewohner ausgestattet B-Haus: - 5 Wohnbereiche für insgesamt 106 Bewohner - nur Einbett-Zimmer Bewohnerstruktur: - 25,2% Männer 74,8% Frauen - Mittleres Alter: 81,2 Jahre (Altersspanne: 31-106 Jahre)

Pflegestufen nach Geschlecht Pflegestufe - nach Geschlecht 50 40 männl. % weibl. % Prozent 30 20 10 0 0 1 2 3 3+

Katheter nach Geschlecht Katheterträger nach Geschlecht Prozent 35 30 25 20 15 10 5 Männer bez. auf Männer insgesamt % Frauen bez. auf Frauen insgesamt % 0 HWK suprapubische Katheter transurethrale Katheter

Bewohnerbezogene Risikofaktoren 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Bewohnerbezogene Risikofaktoren Harninkontinenz Stuhlinkontinenz Obstipation Rauchen Alkohol Katheter PEG Sonde Decubitus Rollstuhl Anzahl Bewohner Bettlägerigkeit Diabetes Insulinpflicht

Inzidenzen - untere Atemwege Jan.- Juni Jan.- März April- Juni Bronchitis (2 Sympt.) 28 25 3 Bronchitis (3 Sympt.) 15 6 9 Bronchitis u. Pneumonie /1000 BT 0,941 1,299 0,594

Infektionen der unteren Atemwege Risikofaktoren Symptome OR Antibiotikagabe OR Geschlecht 2,434 4,095 Pflegestufe 3 2,108 3,907 HWK 3,058 3,462 PEG-Sonde 3,669 7,420 Bettlägerigkeit 2,104 (n.s.) 5,870 Stuhlinkontinenz 1,395 (n.s.) 3,861

Inzidenzen - Harnwegsinfektionen Januar- Juni Januar- April Mai- Juni HWI 2 Sympt. 13 7 6 HWI 2 Sympt./1000BT 0,28 0,29 0,27 HWI mit Kath. 6 HWI mit Kath./1000BT 1,359 HWI ohne Kath. 8 HWI ohne Kath./1000BT 0,193 HWI Arztdiagnose 16 10 6 HWI Arztdiagnose/1000BT 0,35 0,42 0,27

Harnwegsinfektionen Risikofaktoren Symptome OR Antibiotikagabe OR HWK 9,40 5,01 Geschlecht 3,26 1,38 (n.s.) Stuhlinkontinenz 2,52 (n.s.) 2,10 (n.s.) Diabetes 0,84 (n.e.) 2,19 (n.s.) Apoplex 2,66 1,52 (n.s.) Krebserkrankung 4,08 1,83 (n.s.)

Inzidenzen im Vergleich Infektionen/1000 BT Studie FFM 2006 Studie Bonn 1998 Engelhart et al. Infektionen insgesamt 5,07 5,98 Atemwege / Bronchitis 0,96 1,46 Harnwege 0,28-0,44 1,01 Gastrointestinale Infektionen 1,90 1,24

Präventionsmöglichkeiten durch Hygiene Beschäftigung von hygienebeauftragtem Personal Vorliegen eines Hygieneplans gute Pflegestandards und deren Einhaltung durch das Personal unter Einbezug der Empfehlungen der KRINKO Händedesinfektion Desinfektion von häufig genutzten Kontaktflächen

Anwendbarkeit der Definitionen Ziel: Infektions-Surveillance im APH gute Praktikabilität im Rahmen einer EDVgestützten Pflegedokumentation gute Kenntnis bei Pflegepersonal (und Ärzten) erforderlich Verzicht auf Labor- und Röntgenuntersuchungen Modifikationen durch Engelhart et al. sinnvoll ohne Verlust der Sensitivität

Inzidenzen aller Infektionen Januar-Juni Bewohnertage 45710 Gastroenteritis 1,90/1000 Bew.tage Bronchitis/Pneumonie 0,95/1000 Bew.tage Haut-/Dekubitusinfektion 0,59/1000 Bew.tage Harnwegsinfektion 0,44/1000 Bew.tage Pilzinfektionen 0,43/1000 Bew.tage Augeninfektion 0,37/1000 Bew.tage

Infektionsinzidenzen im Vergleich Nicolle Garibaldi 1995 Jackson 1992 Stevenson 1999 Stevenson 2005 Engelhart 2005 diese Studie 2006 vor 1995 1984/7 2001/2 1998 2006 Untersuchungszeitraum Infektionen insgesamt 1,8-9,4 7,1 3,82 3,64 5,98 5,07 Atemwege 3,33 1,15 1,75 2,16 1,33 Weichteile 1,75 0,86 1,21 Augen 0,2-1,0 0,29 0,37 Harnwege 0,2-2,2 1,28 1,51 0,60 1,01 1,28-0,44 Magen-Darm 0-2,5 0,27 1,24 1,90