Vortragsveranstaltung Friedberg/Hessen. Bauvertragsrecht Auftragsvergabe und Vertragsdurchführung

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Transkript:

Vortragsveranstaltung 26.02.2014 Friedberg/Hessen Bauvertragsrecht Auftragsvergabe und Vertragsdurchführung Referat: Abnahme nicht sichtbarer Tiefbauleistungen Prof. Dr. jur. Klaus Englert Vorstand des Instituts für Deutsches und Internationales Baurecht der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin Honorarprofessor für Baurecht und Direktor der Akademie für Baumanagement an der Technischen Hochschule Deggendorf Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, TOPJUS Rechtsanwälte; Sachverständiger für Baurecht und stellv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.v.; Prüfer beim Bayer. Staatsministerium der Justiz Mitarbeiter im Normungsausschuss DIN 4020 / DIN EN 1997-2 (Baugrundaufschluss- und beschreibung) und im Arbeitsausschuss DVA zu den DIN 18301, DIN 18302 und DIN 18305 Federführender Herausgeber des Beck`schen VOB- Großkommentars Teil VOB/C, wissenschaftl. Beirat der STUVA und des CBTR Centrum für Deutsches und Internationales Baugrund- und Tiefbaurecht Wehrlestraße 13, 81679 München Telefon: +49 89 210 959 60, Fax: +49 89 210 959 65; e-mail: englert@topjus.de www.topjus.de A. Einführung Die Abnahme von (Tief-)Bauleistungen zählt zu den Kernproblemen des Bauvertragsrechts. Denn mit der Abnahme wendet sich das Blatt, wie nachstehend dargestellt wird. Während jedoch im Hochbaubereich jedes auch noch so kleine Bauteil mindestens vor dem Einbau prüfbar und damit dessen grundsätzliche Eignung zur Herbeiführung eines vertragsgerechten Bauwerks feststellbar ist, bestehen im Rahmen von Tiefbauarbeiten aller Art aus der Natur der Sache heraus sehr häufig Probleme: Wie kann eine Tiefbauleistung abgenommen, mithin festgestellt werden, dass sie vertragsgerecht und den anerkannten Regeln der Technik entsprechend ist? So etwa bei der Herstellung von Bohrpfählen, ob in der uneinsehbaren Tiefe von z.b. 50 m der jeweilige Pfahlfuß entsprechend den statischen Erfordernissen ausgebildet wurde? Oder ob bei einer Spundwand die Dielen auch in 20 m Tiefe noch im Schloss sind oder sog. Schloss-Sprengungen stattgefunden haben, kann anhand von Vertikalitätsmessungen zwar abgeschätzt, aber da ebenso nicht sichtbar nicht hundertprozentig bestätigt werden. Muss dennoch abgenommen werden das ist eine Frage, die häufig gestellt und für unsichtbar bleibende Tiefbauleistungen nur so beantwortet werden kann: Die Abnahme hat zu erfolgen, wenn die Dokumentation der Leistungen entsprechend den Vorgaben der jeweils maßgeblichen DIN-Normen / DIN EN Normen vorliegt und dem Auftraggeber jeweils die Möglichkeit gegeben wurde, unsichtbar werdende Bauteile wie z.b. Bewehrungskörbe, Bohrlochtiefen, Schlitzwandabfolgen, Anschlußbewehrung etc. jeweils vor dem Verschwinden bzw. Überdecken gem. 4 Abs.10 VOB/B hinsichtlich ihres Zustandes (oder der Tiefe) feststellen zu können. Diese Bestimmung zählt zu den wichtigsten Bauvertragsregelungen und wird doch in der Praxis, ebenso wie die korrespondierende Regelung des 14 Abs. 2 VOB/B, kaum beachtet. Mit Blick auf die Konsequenzen einer erfolgten, aber auch einer zu Unrecht verweigerten Abnahme muss deshalb jeder Bauverantwortliche die Grundregeln zur Abnahme und die Möglichkeiten für die Fälle der nicht sichtbaren Bauleistungen, die dennoch bauvertraglich abgenommen werden müssen, kennen. Deshalb ist nicht nur die Kenntnis der VOB-Regelungen zur Abnahme die dem BGB- Bauvertragsrecht gem. 640 BGB entsprechen, jedoch detaillierter ausgebildet sind -, sondern auch die der baupraktischen Handhabung gerade bei unsichtbar bleibenden Bauleistungen von größter Bedeutung. Für Auftraggeber und Auftragnehmer! 1

B. Grundwissen zur rechtsgeschäftlichen Abnahme Die VOB Teil B (Ausgabe 2012) gibt für die Abnahme vor: 12 Abnahme 1. Verlangt der Auftragnehmer nach der Fertigstellung - gegebenenfalls auch vor Ablauf der vereinbarten Ausführungsfrist - die Abnahme der Leistung, so hat sie der Auftraggeber binnen 12 Werktagen [auch Samstage] durchzuführen; eine andere Frist kann vereinbart werden. 2. Auf Verlangen sind in sich abgeschlossene Teile der Leistung besonders abzunehmen. [Unterscheide: Zustandsfeststellung, 4 Abs. 10; vgl. 14 Abs. 2, Satz 3] [= Teilabnahme; Abrechnung s. 16 Abs. 4!] 3. Wegen wesentlicher Mängel kann die Abnahme bis zur Beseitigung verweigert werden. 4. (1) Eine förmliche Abnahme hat stattzufinden, wenn eine Vertragspartei es verlangt. Jede Partei kann auf ihre Kosten einen Sachverständigen zuziehen. Der Befund ist in gemeinsamer Verhandlung schriftlich niederzulegen. In die Niederschrift sind etwaige Vorbehalte wegen bekannter Mängel [ 640 Abs. 2 BGB ] und wegen Vertragsstrafen [= 11 Abs. 4] aufzunehmen, ebenso etwaige Einwendungen des Auftragnehmers. Jede Partei erhält eine Ausfertigung. (2) Die förmliche Abnahme kann in Abwesenheit des Auftragnehmers stattfinden, wenn der Termin vereinbart war oder der Auftraggeber mit genügender Frist dazu eingeladen hatte. Das Ergebnis der Abnahme ist dem Auftragnehmer alsbald mitzuteilen. 5. (1) Wird keine Abnahme verlangt, so gilt die Leistung als abgenommen mit Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung.[Schlussrechnung erfüllt Mitteilungsvoraussetzung] (2) Wird keine Abnahme verlangt und hat der Auftraggeber die Leistung oder einen Teil der Leistung in Benutzung genommen, so gilt die Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart ist. Die Benutzung von Teilen einer baulichen Anlage zur Weiterführung der Arbeiten gilt nicht als Abnahme. (3) Vorbehalte wegen bekannter Mängel oder wegen Vertragsstrafen hat der Auftraggeber spätestens zu den in den Nr.1 und 2 bezeichneten Zeitpunkten geltend zu machen. 6. Mit der Abnahme geht die Gefahr auf den Auftraggeber über, soweit er sie nicht schon nach 7 trägt. 1. Wesentlicher Inhalt des 12 VOB/B Der»Abnahmeparagraph«zählt zu den Kernregelungen und Säulen des gesamten Bauvertragsrechts. Denn sowohl 12 VOB/B als auch 640 BGB markieren einen oft so genannten»dreh- und Angelpunkt«der wechselseitigen Pflichten und Rechte. Dies wird in der Praxis häufig übersehen, so dass Abnahmeverlangen trotz der Vereinbarung sogar förmlicher Abnahme nicht gestellt oder jedenfalls von Auftragnehmerseite, meist aus Bequemlichkeit, nicht weiterverfolgt werden. 12 ist zwar relativ umfangreich formuliert, in sich jedoch im Wesentlichen klar verständlich, seit der DVA die»technische Abnahme«als»Zustandsfeststellung«in 4 Abs. 10 VOB/B übernommen hat und einige Zweifelsfragen von der Rechtsprechung unmissverständlich beantwortet werden konnten. So kann der Inhalt des 12 auf einige kurze Nenner gebracht werden: 2

- ohne Verlangen gibt es keine Abnahme, von der sog. fiktiven Abnahme innerhalb von 12 Werktagen nach Fertigstellungsmitteilung - wozu die Übersendung der Schlussrechnung genügt - sowie der Benutzungsabnahme unter den Voraussetzungen des Abs. 5 Nr. 1 und 2 abgesehen. - die förmliche Abnahme muss auf Verlangen durchgeführt werden und schließt dann andere Abnahmeformen grundsätzlich aus, Abs. 4. - wegen wesentlicher Mängel kann die Abnahme»bis zur Beseitigung«verweigert werden. - Vorbehalte müssen bei der Abnahme (nochmals) erklärt werden und - mit der Abnahme geht die Gefahr über, soweit dies nicht schon nach 7 VOB/B erfolgt ist. 3. Grundwissen des Ingenieurs (und Juristen) zu 12 VOB/B (Ausgabe 2012) Die Abnahme führt zu sieben entscheidenden Wirkungen: - Die Vergütung wird im Rahmen des 16 Abs. 3 VOB/B (Schlussrechnung) nur dann fällig, wenn eine Abnahme vorliegt (nach 641 BGB ist die Vergütung sogar»bei Abnahme«zu entrichten!). - Mit der Abnahme entfällt die Vorleistungspflicht nach 641 BGB, der Auftragnehmer kann deshalb nunmehr jedenfalls eine Zug-um-Zug-Klage erheben, sofern noch Mängel zu beseitigen sein sollten oder sonstige Gegenansprüche bestehen. - Durch die Abnahme konkretisiert sich die Erfüllungspflicht des Auftragnehmers im Zuge von Mängeln nur noch auf das abgenommene Werk, Mängel sind deshalb nur noch an diesem abzustellen. - Der Gefahrübergang findet statt: Einmal die Leistungsgefahr, d.h. nach der Abnahme der Werkleistung entfällt grundsätzlich die Neuherstellungsverpflichtung. Zum anderen auch die Vergütungsgefahr, die in 12 Abs. 6 VOB/B auch ausdrücklich geregelt ist. Schließlich zählt hier auch die etwas versteckte Regelung des 4 Abs. 5 VOB/B dazu: Die Schutzpflicht endet ebenso mit der Abnahme. - Die Abnahme führt zum Umkehr der Beweislast für Mängel. Dabei ergibt sich die Besonderheit, dass hinsichtlich der auf Verschulden begründeten Schadensersatzansprüche nach 13 Abs. 7 der Auftraggeber die Beweislast wegen der objektiven Pflichtverletzung des Auftragnehmers trägt, aus der er einen Schadensersatzanspruch herleitet. Dagegen trifft den Auftragnehmer die Beweislast für die Behauptung, er habe eine objektiv feststehende Pflichtverletzung ausnahmsweise nicht zu vertreten. 1 - Bei der Abnahme nicht vorbehaltener Ansprüche hinsichtlich von erkannten - nicht nur erkennbaren - Mängeln gehen gem. 640 Abs. 2 BGB verlustig; gleiches gilt im Hinblick auf Vertragsstrafen gem. 341 Abs. 3 BGB, 11 Abs. 4 VOB/B. - Mit der Abnahme beginnt die Verjährung für Mängelansprüche nach 13 Abs. 4 (3) VOB/B. Die gleichen Wirkungen gelten für eine Teilabnahme nach 12 Abs. 2 VOB/B. Wann ein»wesentlicher Mangel«, der zur Abnahmeverweigerung berechtigt, vorliegt, ist anhand der Kriterien der Rechtsprechung einerseits 2 und zweckmäßiger Weise grundsätzlich mit Hilfe eines Bausachverständigen andererseits festzustellen. Eine bloße»aus dem Bauch heraus«getroffene und meist sehr subjektive Entscheidung dazu kann oft ins Auge gehen. 1 Vgl. BGHZ 48, 310 = NJW 1968, 43. 2 S. nachstehend unter 4. 3

Bei der Vertragsformulierung müssen die zulässigen Ausschlüsse hinsichtlich der Vorbehaltswirkungen im Hinblick auf die ständig sich wandelnde AGB-Rechtsprechung jeweils neu überprüft werden. 4. Wichtige Vorgaben der Rechtsprechung zu 12 VOB/B a) Wann liegt ein wesentlicher Mangel vor?»für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel eines Bauwerkes wesentlich und der Besteller daher nach 12 Nr. 3 VOB/B berechtigt ist, die Abnahme zu verweigern, ist der Zeitpunkt des Abnahmetermins maßgeblich.... Ob ein Mangel wesentlich ist und deshalb zur Verweigerung der Abnahme nach 12 Abs. 3 VOB/B berechtigt, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BGH anhand der Art des Mangels, seines Umfangs und vor allem seiner Auswirkungen, wobei dies unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden ist.... Der BGH [NJW 1981, 1448] hat den Beurteilungsmaßstab dem Sinn und Zweck der in 12 Abs. 3 VOB/B getroffenen Regelung entnommen. Die Bestimmung soll einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen... bewirken, wobei die für die Abwägung maßgeblichen Kriterien in der Senatsentscheidung aufgezeigt sind....«3 b) Wirkung einer»abnahme unter VorbehaltAuch eine Abnahme unter Vorbehalt bestimmter Mängel ist rechtstechnisch eine Abnahme, wie sich bereits aus dem Wortlaut des 640 Abs. 2 BGB a.f. ergibt. Es kommt auch nicht darauf an, wie umfangreich die vorbehaltenen Mängel sind und ob aufgrund dieser Mängel die Abnahme auch hätte verweigert werden dürfen. Entscheidend ist, ob die Abnahme tatsächlich erfolgt ist.«4 c) Vollmacht des Architekten bzw. Ingenieurs zur Abnahme»Hat der für ein Bauvorhaben bestellte Architekt den Bauvertrag mit Vollmacht und im Namen des Bauherrn abgeschlossen und sieht der von ihm gestellte Bauvertrag ausdrücklich eine förmliche Abnahme durch den Architekten vor, so hat dieser Vollmacht zur rechtsgeschäftlichen Abnahme.«5 d) Anspruch auf Abnahme nach Kündigung des Bauvertrags»Nach der Kündigung hat der Auftragnehmer einen Anspruch gegen den Auftraggeber auf Abnahme, wenn die von ihm bis zur Kündigung erbrachte Leistung die Voraussetzungen für die Abnahmepflicht des Auftraggebers erfüllt. Die Abnahme der durch die Kündigung beschränkten vertraglich geschuldeten Werkleistung beendet das Erfüllungsstadium des gekündigten Vertrages und führt die Erfüllungswirkungen der Werkleistung herbei. Im VOB/B-Vertrag kann der Auftragnehmer nach 8 Abs. 6 VOB/B i.v.m. 12 Abs. 4 und Abs. 6 VOB/B Abnahme und Aufmaß verlangen, es sei denn, der Auftraggeber ist nach 12 Abs. 3 VOB/B berechtigt, die Abnahme zu verweigern. Eine fiktive Abnahme nach 12 Abs. 5 VOB/B kommt bei einem gekündigten VOB/B-Vertrag nicht in Betracht.«6 e) Keine Fälligkeit ohne förmliche Abnahme 3 BGH Urt. v. 30. 4. 1992 - VII ZR 185/90 = BauR 1992, 627; NJW 1992, 2481; ZfBR 1992, 216; IBR 1992, 351. 4 OLG Brandenburg Urt. v. 20. 3. 2003-12 U 14/02 = BauR 2003, 1054. 5 OLG Düsseldorf Urt. v. 12. 11. 1996-21 U 68/96 = BauR 1997, 647. 6 BGH Urt. v. 19. 12. 2002 - VII ZR 103/00 = BauR 2003, 689; NJW 2003, 1450; NZBau 2003, 265; ZfBR 2003, 352. 4

»Bei verlangter förmlicher Abnahme kann im Klagewege die Vergütung trotz Abnahmereife ohne förmliche Abnahme nicht geltend gemacht werden. Die fiktive Abnahme kommt nach verlangter förmlicher Abnahme nicht mehr in Frage.«7 f) Wesentlicher Mängel auch bei Minimalaufwand im Verhältnis zu Baukosten»Bei einem aus 25 Reihenhäusern bestehenden Bauvorhaben mit einem Auftragsvolumen von nahezu 6.000.000 DM reichen bereits an einem Haus festgestellte erhebliche schallschutztechnische Mängel mit einem Behebungsaufwand von 30.000 DM aus, um wegen eines wesentlichen Mangels die Gesamtabnahme zu verweigern.«8 g) Wirkungen der Teilabnahme nach 12 Abs. 2 VOB/B»Wird eine Bauleistung nur zum Teil abgenommen, werden dadurch dennoch die Fälligkeit für den der Teilleistung entsprechenden Werklohn begründet und die Gewährleistungsfristen in Gang gesetzt.«9 h) Recht zur Abnahmeverweigerung bei fehlender, aber vereinbarter Dokumentation Unter bestimmten Umständen, insbesondere wenn Erklärungsbedarf für den Betrieb einer baulichen Anlage besteht, kann die Abnahme bis zur Übergabe der Anleitung, Dokumentation, Schaltpläne etc. verweigert werden. 10 i) Abnahme auch bei gekündigtem Werkvertrag grundsätzlich erforderlich Nach Kündigung eines Bauvertrages wird die Werklohnforderung grundsätzlich erst mit der Abnahme der bis dahin erbrachten Werkleistungen fällig (Änderung der Rechtsprechung, vgl. Senat, Urteil vom 09.10.1986 VII ZR 249/85). 11 C. Spezialprobleme der Abnahme von unsichtbaren Leistungen 1. Es gelten die Grundsätze: Tiefbauleistung in der Regel nicht sichtbar. In-situ-Prüfung während und nach Fertigstellung nicht oder nur inzidenter möglich. Vertrauen nötig. Baugrundrisiko-Verwirklichung. 2. Zustandsfeststellung im Zuge des Baufortschritts: 4 Abs.10 VOB/B Der Zustand von Teilen der Leistung ist auf Verlangen gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer festzustellen, wenn diese Teile der Leistung durch die weitere Ausführung der Prüfung und Feststellung entzogen werden. Das Ergebnis ist schriftlich niederzulegen. 7 OLG Schleswig Urt. v. 4. 4. 2003-1 U 162/02 = IBR 2003, 1079. 8 OLG Dresden Urt. v. 18. 2. 1999-7 U 2222/98; BGH Beschl. v. 22. 2. 2001 - VII ZR 79/99 (Revision nicht angenommen) = IBR 2001, 358. 9 OLG Brandenburg Urt. v. 5. 5. 2004-4 U 118/03 = BauR 2005, 152 (Ls.) = IBR 2005, 1131. 10 BGH Urt. v. 29. 6. 1993 - X ZR 60/92 = NJW-RR 1993, 1461. 11 BGH Urt. v. 11.05.2006 VII ZR 146/04 = BGHZ 167, 345 = IBR 2006, 432. Von dem in der zitierten Entscheidung aufgestellten Grundsatz gibt es aber etliche Ausnahmen, vgl. OLG München Urt. v. 10.10.2006 13 U 4639/03 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH Beschluss v. 26.07.2007 VII ZR 225/06). 5

Nicht zu verwechseln mit der rechtsgeschäftlichen Teil-Abnahme: 12 Abs. 2 VOB/B Teilabnahme: Auf Verlangen sind in sich abgeschlossene Teile der Leistung besonders abzunehmen. Mögliche Zustandsfeststellungen z.b. bei der Bohrpfahlherstellung: Länge und Durchmesser Bohrloch Bewehrungskorb Betongüte Pfahl Integritätsmessung Pfahl Zahl, Durchmesser, Länge und Zustand der Anschlussbewehrung für den Pfahlkopfbalken 3. Hilfsmittel zur Abnahme unsichtbarer Tiefbauleistungen - Dokumentation entsprechend den jeweiligen DIN-Vorgaben zu Prüfberichten, Aufzeichnungen - Rechtzeitige Bekanntgabe von Zustandsfeststellungsmöglichkeiten gegenüber dem Auftraggeber bzw. - Rechtzeitige Aufforderung gegenüber dem Auftragnehmer zur gemeinsamen Zustandsfeststellung - Fotographien von Bauteilen vor dem Einbau (mit Mess-Möglichkeit, z.b. Meterstab) - Eigendokumentation im Bautagebuch etc. (Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Etc.) D. Weiterführende Literatur Englert/Grauvogl/Maurer, Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts, 4. Aufl. 2011 Boley/Englert/Fuchs/Schalk, Baurecht-Taschenbuch, Sonderbauverfahren Tiefbau, Ernst&Sohn,2011 Englert/Katzenbach/Motzke, Beck`scher VOB-Kommentar, Teil C, 3. Aufl. 2014 6