Traumatisierung bei Flüchtlingen

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Transkript:

Traumatisierung bei Flüchtlingen UNICUM Konferenz: studentische Flüchtlingshilfe Bochum, 11. Dezember 2015 Dr. Sebastian Bartoschek

Inhalt Definition Alltagsdefiniton vs. Wissenschaftliche Definition Welche Traumata gibt es? Typische Flüchtlings-Traumata Zusammenhang zwischen Traumata und psychischen Störungen PTSD/ PTBS Trauma-Anzeichen Dos & Donts

Definition Trauma Im Alltag inflationär verwendet, um negative, erschreckende und leidvolle Erfahrungen zu umschreiben Definition nach APA, 2004: Tatsächliche oder potenzielle Todesbedrohungen, ernsthafte Verletzungen oder eine Bedrohung der körperlichen Versehrtheit bei sich oder anderen, auf die mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken reagiert wird. Definition nach ICD-10 F43.1 (PTBS) Einem belastenden Ereignis oder einer Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß ausgesetzt sein, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde.

Trauma-Typen Einteilung von Traumata hinsichtlich 1) ihrer Fähigkeit, zu erschrecken Dauer & Auswirkung Typ I = Kurzfristiges Trauma, wenig Übergriff auf das Gesamtleben, plötzlich, wenig vorhersehbar Typ II = Langanhaltend traumatisierende Situation, viel Übergriff auf das Gesamtleben 2) ihres Auslösers Akzidentiell = Von äußeren Umgebungsbedingungen ausgelöst, unbeabsichtigt Interpersonell = Von anderen Menschen ausgelöst, beabsichtigt / man-made

Trauma-Typen EINTEILUNG NACH... URSACHE Akzidentelle Traumen Interpersonelle Traumen S C H R E C K S T Ä R KE Typ- I- Trauma Typ- II- Trauma Schwere Verkehrsunfälle Berufliche Traumen (z.b. Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte) Kurzandauernde (Natur)Katastrophen (z.b. Brand, Wirbelsturm) Langandauerde Naturkatastrophen (z.b. Überschwemmungen, Erdbeben) Technische Katastrophen (z.b. Giftgaskatastrophen) Sexuelle Übergriffe (z.b. Vergewaltigung) Kriminelle & körperliche Gewalt Ziviles Gewalterleben (z.b. Banküberfall) Sexueller und körperlicher Missbrauch in der Kindheit und im Erwachsenenalter Kriegserleben Geiselhaft Folter & politische Inhaftierung (z.b. KZ-Insassen)

Folgen von Traumatisierung Allgemein Körperliche Folgen der Traumatisierung Immunsystem- & Stoffwechselstörungen Verschlechterung der Lebensbedingungen Psychisch Depressionen Angst- & Panikstörungen Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung (F62.0) Somatisierungsstörungen Suchterkrankungen PTBS Gäbel et al. (2006[!!]): Punktprävalenz von 40%

Risiko für PTSD nach Trauma-Typen EINTEILUNG NACH Akzidentelle Traumen URSACHE Interpersonelle Traumen S C H RE C K ST Typ- I- Trauma Schwere Verkehrsunfälle Berufliche Traumen (z.b. Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte) Kurzandauernde (Natur)Kratastrophen (z.b. Brand, Wirbelsturm) Sexuelle Übergriffe (z.b. Vergewaltigung) Kriminelle & körperliche Gewalt Ziviles Gewalterleben (z.b. Banküberfall) Ä R K E Typ- II- Trauma Langandauerde Naturkatastrophen (z.b. Überschwemmungen, Erdbeben) Technische Katastrophen (z.b. Giftgaskatastrophen) Sexueller und körperlicher Missbrauch in der Kindheit und im Erwachsenenalter Kriegserleben Geiselhaft Folter & politische Inhaftierung (z.b. KZ-Insassen)

Traumareaktive Entwicklung Q: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

PTBS nach ICD10 (F43.1) A) Die betroffene Person war einem kurz- oder langanhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das bei nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. B) Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen, lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen

PTBS nach ICD10 (F43.1) C) Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Ereignis. D) Entweder 1. oder 2. 1. Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, einige wichtige Aspekte der Belastung zu Erinnern 2. Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität und Erregung (nicht vorhanden vor der Belastung) mit zwei oder mehr der folgenden Merkmale: Ein- und Durchschlafstörungen; Reizbarkeit oder Wutausbrüche; Konzentrationsschwierigkeiten; Hypervigilanz; erhöhte Schreckhaftigkeit

PTBS nach ICD10 (F43.1) E) Die Kriterien B, C und D treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach Ende einer Belastungsperiode auf.

Anzeichen einer Traumatisierung Ständige Nervosität und Schreckhaftigkeit Kaum nachvollziehbare Ängste Emotionale Labilität Häufige Konflikte mit anderen Menschen Geistesabwesenheit Misstrauen Schlafstörungen und Albträume

Dos & Donts DO DON'T Zuverlässigkeit vermitteln (Rolle klar abstecken, Termine einhalten) Eigenständige Exploration des Traumas Vermitteln an und Informieren über professionelle psychiatrische oder psychologische Angebote Ressourcenorientiert arbeiten = den Menschen nicht auf sein Traumaerleben reduzieren Suizidalität ernst nehmen, im Ernstfall Notfallbehandlung veranlassen Therapeutisch arbeiten Bagatellisieren Jetzt ist alles besser / Andere haben Schlimmeres erlebt Alleine Arbeiten, bei Problemen keine Hilfe nutzen Unhaltbare Versprechungen machen (auch bzgl. des Aufenthaltsstatus)

Selbstschutz Selbstschutz Vermeiden, sich Dinge bildlich vorzustellen Selbsthilfe Ansprechpartner kennen Angebote in Anspruch nehmen Ausgleich Nicht die gesamte Energie auf Helfertätigkeit konzentrieren Angenehme Tätigkeiten durchführen

Zum Ende ein Angebot