Von der Sprachdiagnose zur individuellen Sprachförderplanung

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Transkript:

Von der Sprachdiagnose zur individuellen Sprachförderplanung Sprache der Schule Geschichte der Sprachstandsfeststellung Aktuelle Diskussion: Diagnosegestützte Förderung Verfahrenstypen zur Sprachstandsfeststellung

An meinem dritten Tag in Deutschland bin ich in die Schule gegangen und wurde gleich um zwei Klassen zurückgestuft. Statt Wurzelrechnung zu üben sollte ich Mandalas mit Wachsmalstiften ausmalen. OLGA GRJASNOWA (2012); Der Russe ist einer, der Birken liebt

Sprache der Schule Varianteder deutschen Sprache spezielles Register besondere Barriere für Lerner mit Deutsch als Zweitsprache deutschsprachige Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern

Die Bedeutung von Sprache und Sprachkompetenzen bei kulturell diversen Gruppen in der allgemeinbildenden Schule Sprache ist Mittel der alltäglichen Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden Sprache ist Voraussetzung, sichinformationen zu besorgen und Wissen anzueignen Sprache vermittelt fachliche Inhalte (Lehrbücher, Arbeitsmaterialien/-anweisungen) Sprache ist Medium für Prüfungsfragen

Kennzeichen der Sprache der Schule Themen- und Gegenstandsorientierung Fachbezogene Sprache und Wissensschemata Textgeprägte Sprache, vom Situationskontext weitgehend abgelöste Verständigung, abstrahierendes Sprachdenken Normativer Aspekt: spezielles Register wird von erfolgreichen Schülern erwartet, Nichtbeherrschung kann auch Lerner ausschließen, die kognitiv durchaus in der Lage wären, zu lernen (Schmölzer-Eibinger 2010, Gogolin/Lange 2011, Feilke 2012)

Sprache der Schule: Bildungssprache Begriff Bildungssprache setzt sich durch Formelles Sprachregister, das bestimmte formale Anforderungen beachtet Schule geht bisher von der Beherrschungdieser sprachlichen Formen aus Umgang mit diesen Formen wird somit nichtals Lerngegenstand betrachtet

Diagnose-, Beurteilungs-und Förderkompetenz gehört zu den wichtigsten Kompetenzen von Lehrkräften (JEUK, STEFAN/ JUNK-DEPPENMEIER, ALEXANDRA 2012)

Geschichte der Sprachstandsfeststellung In den 70er Jahren Entwicklung erster sprachstandsdiagnostischer Verfahren mit dem Ziel: Bestandsaufnahme als Grundlage zur Eingliederung Anpassung an monolinguale deutsche Schülerschaft Anfang der 80er Jahre: Auflösung besonderer unterrichtlicher Formen > Integration in die Regelklassen Verfahren der Sprachstandsanalyse werden abgelehnt Kinder werden sich mit der Zeit sprachlich assimilieren

Geschichte der Sprachstandsfeststellung PISA-Schock führt zu Neubeginn Gesellschaftliche und individuelle Mehrsprachigkeit sind heute anerkannte Forschungsthemen Sprache als Medium des Lernens genießt hohe Aufmerksamkeit (Lernen der Zweitsprache Lernen in der Zweitsprache) Seit 2001 Neuentwicklung von Methoden der Sprachstandsfeststellung (vor allem für Kinder im Übergang Kita GS) Bärenstark (Berlin) Screening-Verfahren (Bayern) Delfin 4(NRW) HAVAS 5(Hamburg) 2013: bundesweit 21 verschiedene Verfahren

Aktuelle Diskussion seit 2001 Entwicklung verschiedener Instrumente ermöglichen Erhebung von Sprachdaten Sprachdiagnostisch gewonnene analytische Daten sind Grundlage für sprachdidaktische/pädagogische Förderplanung Verzahnung von Diagnose und Förderung bei mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen Diagnosegestützte Förderung

Verzahnung von Diagnose und Förderung Der förderdiagnostische Ansatz dientnichtdererfassung von Defiziten führtnichtzurselektion und Aussonderung, sondern ermöglicht -unabhängig vom Instrument -Aufdeckung von Ressourcen und Kompetenzen muss immer kriterienorientiert sein bietet in der Konsequenz Ansatzpunkte für die Förderung und erschließt Entwicklungsziel (LENGYEL 2007)

Verfahrenstypen Profilanalysen Tests Beobachtungsverfahren Anforderungen an alle sprachstandsdiagnostischen Verfahren Einhaltung von Testgütekriterien Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit Altersangemessenheit Benutzerfreundlichkeit, Praktikabilität

Profilanalysen Analyse von Sprech-oder Schreibproben zur Gewinnung spezifischer Daten über den erreichten Spracherwerbsstand eines Lerners in verschiedenen sprachlichen Qualifikationsbereichen z.b. HAVAS 5 Tulpenbeet Sprachprofilanalyse nach Grießhaber

HAVAS 5 (REICH/ROTH 2004) Profilanalyse: Analyse von Sprechproben zur Gewinnung spezifischer Informationen über den erreichten Sprachaneignungsstand in verschiedenen sprachlichen Qualifikationsbereichen (und Sprachen) Sprachen: Deutsch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Türkisch Europa- Universität Flensburg

2. Durchführung: Wer? Erzieher/innen und Lehrer/innen Wie lange? ca. 10 15 Minuten Wie? Bildimpuls: Katze und Vogel Eingangsfrage: Schau Dir das mal an! Was ist hier los? Abschlussfrage: Warum weint die Katze? Aufnahme der Erzählungen der Kinder, Analyse im Nachgang Europa- Universität Flensburg

6. Indikatoren für das Deutsche 1. Sprachhandeln Aufgabenbewältigung Sprachliche Strategien 2. Sprachstrukturen Formen und Stellung des Verbs Satzverbindungen 3. Wortschatz Verben Europa- Universität Flensburg

Profilanalyse: Der Sturz ins Tulpenbeet Instrument zur individuellen Förderdiagnostik Zielgruppe: Lerner am Übergang Primar /Sekundarstufe I (4. -6. Klasse) Schreibaufgabe: erzählenden Text anhand einer Bilderfolge produzieren Feststellungproduktiver Kompetenzen im Schriftlichen in Deutsch und in der Familiensprache (Türkisch, Russisch)

Auswertungsbereiche/ Indikatoren für den Sprachstand Textbewältigung Wortschatz Bildungssprachliche Elemente Satzverbindungen (Syntax und Textkohäsion) Orthographie ist kein Indikator!

Schreibaufgabe Der Sturz ins Tulpenbeet Textbewältigung Wortschatz Bildungssprachl. Elemente Satzverbindungen Aufgabenbewältigung Verben Nominalisierungen Konjunktionen Literarische Elemente Nomen Komposita Adverbien Semantisches Adjektive Adjektivisches Attribut Anzahl der Bilder Passiv Konjunktiv

Profilstufen nach Grießhaber

Die Profilstufen im Überblick Stufe 0: Bruchstückhafte Äußerungen z.b.: anziehn Ich auch. Stufe 1: Finites Verb in einfachen Äußerungen z.b.: Ich versteh. Stufe 2: Trennung von finitem und infinitem Verbteil z.b.: Und ich habe dann geweint. Stufe 3: Subjekt nach finitem Verb (Inversion) z.b.: Dann brennt die. Stufe 4: Nebensatz mit finitem Verb in Endstellung z.b.:.. weil der auch mal mit seiner Klasse gefahren ist.

Profilstufen Auswertung von Sprachdaten bei Grundschulkindern zeigen, dass ihre Satzstrukturen i.d.r. nicht über Stufe 4 hinausgehen Komplexere Strukturen (Fachtexte, Sek. I) erfassen die Stufen 5 und 6 Stufe 5: Eingeschobener Nebensatz z.b.: Eva hat das Buch, das ihr so gut gefiel, ausgelesen. Stufe 6: Erweitertes Partizipialattribut in einer Nominalkonstruktion z.b.: Eva hat das von Peter empfohlene Buch ausgelesen.

Tests Erhebung spezifischer Daten über den erreichten Spracherwerbsstand eines Lerners in einem oder mehreren Teilbereich(-en) anhand von Testaufgaben Umrechnung in Punktewertung allgemeines Urteil/ Ranking z.b. C-Test B1-Prüfung DSD