Spektrum. Führung. Kundenmanagement. 68 Über die Bedeutung und Wirkung der Intuition im Vertriebsprozess. 74 Optimierung von Verkaufsprozessen

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Transkript:

Spektrum Führung 68 Über die Bedeutung und Wirkung der Intuition im Vertriebsprozess Kundenmanagement 74 Optimierung von Verkaufsprozessen

Spektrum Führung Über die Bedeutung und Wirkung der Intuition im Vertriebsprozess Intuition ist im Management schon längst kein Randthema mehr. Die fruchtbare Wirkung der Intuition ist jedoch vielfach nachgewiesen worden. Trotzdem schwebt stellenweise der Schleier der Esoterik über diesem Thema. Zu Unrecht. Seinen guten Riecher hat der erfolgreiche Spitzenverkäufer doch schon immer benutzt. Eine Studie zur Rolle der Intuition im Verkaufsprozess beleuchtet dieses faszinierende Thema. Marco Schmäh, Tobias Blickle 68 Sales Management Review 1 2015

Führung Spektrum Der intuitive Verstand ist ein Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat. (Albert Einstein) Gegenstand der Studie zur Intuition im Vertrieb an der ESB Business School ist dieses von Albert Einstein beschriebene Geschenk: die Intuition. Von Unsicherheit geprägte Entscheidungen, Information Overload und die starke Vernetzung unterschiedlicher Wirtschaftsräume sind nur drei von einer Vielzahl an Faktoren unserer heutigen Zeit, die einen ausschließlich rational geprägten Entscheidungsstil schnell an Grenzen stoßen lässt. Stattdessen gewinnt die Intuition als erfolgsentscheidende Kraft erheblich an Bedeutung. Deshalb wurden in einer Studie 258 Vertriebsmitarbeiter im Rahmen einer Studie an der ESB Business School nach Ihrer Einschätzung zur Bedeutung der Intuition befragt. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff Intuition? Es existiert eine Vielzahl von verschiedenen Definitionen. Dabei ist das Zusammenspiel von Rationalität und Intuition von signifikanter Bedeutung. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass man diesem Begriff mit einer einzigen Definition, die den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erhebt, nicht vollständig gerecht werden kann. Vielmehr ist es entscheidend, das Verständnis des Begriffes immer im entsprechenden Kontext und in Abhängigkeit der relevanten Faktoren zu betrachten. Prof. Dr. Marco Schmäh ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Vertriebsmanagement an der ESB Business School in Reutlingen. Vertriebsrelevante Komponenten der Intuition Deshalb wurde im Rahmen der vorliegenden Studie versucht, die vertriebsrelevanten Komponenten zu definieren. Die Rolle der Intuition im Verkaufsprozess wird deshalb aus drei verschiedenen Richtungen betrachtet: 1. Die Entstehungsrichtung befasst sich mit dem Gefühl, dem impliziten Wissen, das im Rahmen des Verkaufsprozesses entsteht. 2. Die Erscheinungsrichtung befasst sich mit Situationen, in welchen Intuition zum Einsatz kommt. Entscheidend ist hier die Wechselwirkung zwischen Ratio und Intuition. 3. Die Erfolgsrichtung umfasst schließlich die Ergebnisse, die aus Intuition im Vertrieb entstehen. Letztlich kann Intuition als ganzheitliches, komplexes Konstrukt verstanden werden, das die Entstehungsrichtung, Erscheinungsrichtung und die Erfolgsrichtung umfasst. Die drei Richtungen sind die einzelnen Komponenten, aus denen sich Intuition im Verkaufsprozess zusammensetzt. Sie können allerdings auch als zeitliche Abfolge betrachtet werden. Die Intuition kommt aus dem Unbewussten und ignoriert Informationen. Das moderne Unbewusste besteht aus allen psychischen Prozessen, derer man sich nicht bewusst ist, die aber dennoch das Verhalten (oder das Denken oder die Emotionen) beeinflussen. Die Untersuchung fokussiert sich im Folgenden darauf, ein tieferes Verständnis der Entstehung, des Auftretens und des Erfolges intuitiver Entscheidungsfindung im B2B-Vertrieb zu erlangen. Zu jeder der drei Richtungen Tobias Blickle ist Student an der ESB Business School im deutsch-amerikanischen Studiengang International Management. Marco Schmäh ESB Business School, Reutlingen, Deutschland E-Mail: Marco.Schmaeh@Reutlingen-University.de Tobias Blickle ESB Business School, Reutlingen, Deutschland E-Mail: tobiaskai.blickle@web.de Sales Management Review 1 2015 69

Spektrum Führung werden verschiedene Hypothesen generiert, um diese dann mit Hilfe der Studie zu überprüfen. Handeln weibliche Vertriebsmitarbeiter intuitiver? In der Entstehungsrichtung soll der volkstümliche Glaube der weiblichen Intuition in Bezug auf den Vertrieb untersucht werden. Die erste Hypothese lautet somit Weibliche Vertriebsmitarbeiter handeln intuitiver. Die Arbeiten des britischen Psychologieprofessors Richard Wiseman konnten anhand der Stichprobe verifiziert werden. Das heißt: Frauen beschreiben sich selbst intuitiver im Vergleich zu Männern. Jedoch belegen Studien, dass kein Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern besteht. Während 72,7 Prozent der Frauen der Aussage Ich handle intuitiv in Verkaufsgesprächen zustimmten, waren es nur 67,7 Prozent der Männer. Führt Berufserfahrung oder höheres Alter zu einem intuitiveren Entscheidungsstil? Die zweite Hypothese, die generiert wurde lautet Berufserfahrung führt zu einem intuitiveren Entscheidungsstil bei im Vertrieb tätigen Personen. Diese Hypothese wurde aus Daniel Kahnemans These abgeleitet, nach der valide Expertenintuition auf zwei wesentlichen Gegebenheiten basieren. Erstens ein gleichbleibendes und stabiles Umfeld, in welchem es zur Entscheidungsfindung kommt und die Möglichkeit, durch langjährige Erfahrung aus diesen Regelmäßigkeiten zu lernen. Basierend auf unserer Studie lässt sich konstatieren, dass zwischen Berufserfahrung und intuitivem Handeln keine signifikante Korrelation festzustellen ist. Die Korrelation zwischen der Frage Wie lange arbeiten Sie im Vertrieb? und Ich handle intuitiv in Verkaufsgesprächen wurde sowohl mit dem Korrelationskoeffizienten nach Pearson, als auch mit dem Maße des Spearmanschen Rangkorrelationskoeffizienten untersucht, wobei jedoch in beiden Fällen keine signifikante Korrelation zu beobachten war. Auch die Betrachtung des Zusammenhanges zwischen Lebenserfahrung, in Form der Frage Wie alt sind Sie? und intuitivem Handeln ergibt erneut keine signifikante Korrelation zwischen den beiden untersuchten Komponenten. Nachdem zuvor festgestellt wurde, dass Intuition im Vertrieb nicht maßgeblich vom Faktor Erfahrung geprägt wird, kann nun auch der Faktor Alter deshalb als nicht wesentlich angesehen werden. Generell ist anzumerken, dass 29 Prozent der befragten Probanden keine Entscheidung getroffen haben, ob sie ihren Entscheidungsstil bei Verkaufsgesprächen als intuitiv oder als rational bezeichnen würden. Zu diesem Ergebnis gelangt die Untersuchung bei Durchführung einer Differenzanalyse der antagonistischen Fragen Ich handle intuitiv in Verkaufsgesprächen und Ich handle rational in Verkaufsgesprächen. Die Intuition kommt aus dem Unbewussten und ignoriert Informationen. Ist den Vertrieblern überhaupt bewusst, ob sie überwiegend intuitiv oder rational handeln? Bei der Betrachtung der Erscheinungsrichtung von Intuition im Vertrieb wird untersucht, ob den Probanden bewusst ist, dass sie intuitiv oder rational handeln. Somit lautet die Hypothese Im Vertrieb tätige Personen handeln unbewusst intuitiv. Dabei wurden die gegensätzlichen Fragen Ich handle intuitiv in Verkaufsgesprächen sowie Ich handle rational in Verkaufsgesprächen untersucht. Eine geringe Standardabweichung aus der Differenz der beiden Fragen lässt uns nun zu dem Schluss kommen, dass die Probanden ein geringes Bewusstsein für explizit rationales oder intuitives Handeln aufweisen. Daher kann die aufgestellte Hypothese verifiziert werden. Abb. 1 Bewertung der Wichtigkeit von Menschenkenntnis 57,36 % wichtig Quelle: ESB Business School/Intuition im Vertrieb, 2014 32,17 % eher wichtig 9,30 % neutral 1,16 % eher nicht wichtig 0 % nicht wichtig 70 Sales Management Review 1 2015

Führung Spektrum Wann handeln wir intuitiv? Ausgehend von dieser inneren Betrachtung sollen die externen Einflüsse, die zu einem intuitiven Entscheidungsstil führen, untersucht werden. Dabei wurde der Zusammenhang von Intuition und ihrem Auftreten in komplexen, unbekannten Situationen untersucht. Folglich lautet die Hypothese: Im Vertrieb tätige Personen entscheiden intuitiv in komplexen Situationen oder in Situationen, in denen sie über unzureichendes Wissen verfügen. Entgegen der allgemeinen Erwartung vor der Untersuchung widersprachen etwa 45 Prozent dieser Aussage. Ein Verkaufsgespräch wird wesentlich von der interpersonellen Komponente geprägt. Im Folgenden wurde untersucht, inwiefern Intuition im Vertrieb in Form von Menschenkenntnis auftritt. Die Untersuchung zeigt, dass der Spezialisierung Menschenkenntnis eine signifikant höhere Wichtigkeit als dem Bauchgefühl beigemessen wird. 57 Prozent der Befragten sahen Menschenkenntnis als essenziell für die Tätigkeit im Vertrieb an (siehe Abbildung 1), während nur 32,56 Prozent das Bauchgefühl als höchste Priorität angaben. Des Weiteren wurden die Fragen Ich habe schon einen Verkauf nicht getätigt, obwohl die Zahlen für ihn sprachen und Ich kann den Charakter eines Menschen richtig einschätzen genauer betrachtet. Eine auffallend große Menge an Befragten (etwa 70 Prozent) bestätigten die Aussage, dass schon einmal aufgrund eines negativen Bauchgefühls ein Verkauf nicht getätigt wurde (siehe Abbildung 2). Die Befragung der Probanden nach der Fähigkeit, den Charakter eines Menschen adäquat einzuschätzen, suggeriert ein Abb.2 Verkaufsentscheidung und Bauchgefühl Quelle: ESB Business School/Intuition im Vertrieb, 2014 44,96 % trifft vollständig zu 26,36 % trifft eher zu 8,91 % neutral 4,65 % trifft eher nicht zu 15,12 % trifft nicht zu Zusammenfassung In der ESB-Studie Intuition im Vertrieb: Die Rolle der Intuition im Verkaufsprozess wird der Zusammenhang zwischen Expertenintuition im Vertrieb und langjähriger Berufserfahrung untersucht. Dabei geht es um Antworten auf folgende Fragen: Gibt es einen geschlechtsspezifischen Unterschied bei intuitiven Entscheidungsstilen im Vertrieb? Können die Vertriebsmanager zwischen rationalem und intuitivem Verhalten unterscheiden? In welcher Erscheinungsform tritt Intuition im Vertrieb auf? Darüber hinaus wird untersucht, ob eine intuitive Entscheidung eine gute Orientierung vorgibt. ähnliches Bild. Hieraus wird ersichtlich, dass die zwischenmenschliche Ebene ein wesentliches Erscheinungsfeld von Intuition im Vertrieb ist. Sind intuitive Entscheidungen richtig? Neben der Frage, woher Intuition kommt (Entstehungsrichtung) sowie der eingehenden Analyse ihres Auftretens (Erscheinungsrichtung) soll im Folgenden im Rahmen der Erfolgsrichtung genauer analysiert werden, ob intuitive Entscheidungen richtig sind. Die Hypothese lautete: Intuitive Entscheidungen sind zum großen Teil richtig und vorteilhaft. Die Mittelwerte der Fragen In Verkaufsgesprächen liege ich mit spontanen Einschätzungen richtig und Intuitive Verkaufsentscheidungen bestätigen sich im Nachhinein weisen die Tendenz einer Zustimmung auf. Somit wird die Einschätzung, dass intuitive Entscheidungen eine richtige Orientierung geben können, von der Mehrheit der Befragten geteilt. Intuitive Entscheidungen sind somit zum großen Teil richtig, das schließt einen Restfehler aber dennoch nicht vollständig aus. Dies wird durch das Ergebnis der schärfer formulierten Aussage Ich kann schon zu Beginn des Verkaufsgespräches sagen, ob es zu einem Abschluss kommt bestätigt. Hier reagierten die Befragten zurückhaltender in ihrer Zustimmung und zeigten eine unentschlossene Haltung. Eine Ursache für die leicht unterschiedlichen Angaben könnte in der Formulierung der letzteren Frage liegen, da hier die zeitliche Differenz zwischen Entscheidung Zu Beginn und dem tat- Sales Management Review 1 2015 71

Spektrum Führung sächlichen Eintreten des Umstandes, dem Abschluss, größer ist als bei den zuvor analysierten Aussagen. Des Weiteren suggeriert die Formulierung Zu Beginn, dass noch sehr wenige Informationen zum Zeitpunkt der Abschätzung gesammelt werden konnten. Der Zusammenhang zwischen Ratio und Intuition Die ganze Untersuchung übergreifend sollte ebenfalls der Zusammenhang zwischen Rationalität und Intuition näher betrachtet werden. Aus der Literatur ergibt sich hierbei eine enge Verbundenheit der Begrifflichkeiten, wie auch gleichzeitig ihre Gegensätzlichkeit. Die zu untersuchende Hypothese ergibt sich wie folgt: Intuition und Ratio im Vertrieb treten nur zusammen auf und bedingen sich gegenseitig. Probanden wurden um eine Einschätzung der Wichtigkeit von Bauchgefühl, Faktenwissen, Hintergrundinformationen und Menschenkenntnis im Verkaufsprozess gebeten. Die Probanden messen dem Begriff Menschenkenntnis(89,54 Prozent) und gleichzeitig dem Begriff Faktenwissen(85,15 Prozent) eine annähernd äquivalente Wichtigkeit zu. Daraus kann die wechselseitige Beziehung abgeleitet werden. 68,6 Prozent der Probanden stimmen der Aussage Ich kann immer begründen, warum ich mich für etwas entschieden habe zu. Dies impliziert somit einen erheblichen Teil, der nicht durch Rationalität begründet werden kann. Kerngedanken Expertenintuition im Vertrieb beruht nach unserer Studie nicht auf langjähriger Berufserfahrung. Im Vertrieb tätige Frauen beschreiben ihren Entscheidungsstil als signifikant intuitiver als Männer. Intuition im Verkaufsprozess tritt überwiegend in Form von Menschenkenntnis auf und der Fähigkeit, den Charakter des Kunden richtig einzuschätzen. Intuitive Entscheidungen sind im Verkaufsprozess vorteilhaft und geben eine richtige Orientierung vor. Während in der Literatur mehrfach die Bedeutung der Intuition im Entscheidungsprozess bei Fragestellungen hoher Komplexität hervorgehoben wird, greift ein erheblicher Teil der Befragten bei komplexen Fragen wider Erwarten nicht auf Intuition zurück. Fazit und Ausblick Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass der Entscheidungsstil bei im Vertrieb tätigen Personen sowohl durch Rationalität als auch durch Intuition geprägt wird und eng miteinander verknüpft ist. Dem metaphorischen Plädoyer von Albert Einstein, der Intuition als vergessenes Geschenk eine größere Bedeutung beizumessen, wurde in den letzten Jahren zunehmend Rechnung getragen. Die Intuition kann als ein komplexes, vielschichtiges Konstrukt beschrieben werden, welches trotz seiner nicht greifbaren und noch weitestgehend unerforschten Natur in der Welt des Vertriebs einen hohen Stellenwert genießt. Die Ambivalenz der Thematik spiegelt sich auch in den vorangehend geschilderten Untersuchungsergebnissen wider. Während im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit einige Thesen von Wissenschaftlern und Psychologen wie Kahneman oder Wiseman bestätigt werden konnten, wurden eine nicht geringe Anzahl der Thesen wiederum durch die vorliegenden Ergebnisse widerlegt. Die zwischenmenschliche Ebene ist ein wesentliches Erscheinungsfeld von Intuition im Vertrieb. Interessanterweise hat die detaillierte Analyse gezeigt, dass keine Korrelation zwischen Alter oder Lebenserfahrung mit einem intuitiven Entscheidungsstil zu erkennen ist. Den Probanden fiel es schwer zu definieren, ob sie eher rational oder intuitiv entscheiden und es konnte ein allgemein geringes Bewusstsein für einen spezifischen Entscheidungsstil festgestellt werden. Aus den Untersuchungen wurde zudem ersichtlich, dass Intuition im Vertrieb hauptsächlich auf der zwischenmenschlichen Ebene eine große Rolle spielt. Eine Analyse der Erfolgsrichtung von Intuition ergab zum einen, dass intuitive Entscheidungen eine Orientierung geben können, jedoch ein eventueller Restfehler nicht auszuschließen ist. Ziel dieser wissenschaftlichen Untersuchung war es, durch eine Analyse der Entstehungs-, Erscheinungs- und Erfolgsrichtung einen umfassenden Einblick in die Thematik zu erhalten und einen Ausgangspunkt für weitere Studien zu generieren. Albert Einstein erkannte schon früh den hohen Stellenwert einer intuitiven Komponente. Jedoch lässt sich abschließend konstatieren, dass diese ihre Wirkung nur in einer Symbiose 72 Sales Management Review 1 2015

Führung Spektrum mit der Rationalität entfalten kann. Trotz zunehmender Beliebtheit der Thematik Intuition lässt sich vermuten, dass die Intuition den treuen Diener, vor allem im Bereich des Vertriebs, nie vollständig verdrängen wird. Vielmehr wird auch in der Zukunft eine Balance zwischen beiden Komponenten entscheidend sein, um einen Verkaufsprozess effizient und gleichzeitig erfolgreich zu gestalten. Literatur Burke, L., Miller, M. (1999): Taking the mystery out of intuitive decision making, in: Academy of Management Executive, Vol. 13 (4), S. 91-99. Connor, Steve (2005): The Myth of female Intuition exploded by fake smile test, The Independent, Online: http://www.independent.co.uk/ news/science/the-myth-of-female-intuition-exploded-by-fake-smile-test-6148499.html, 03.05.2014. Dijksterhuis, A. (2010): Das kluge Unbewusste, 2.Auflage. Stuttgart Gerbert, Frank(2004): Die Intelligenz der Gefühle, in: Focus Magazin Nr. 24 vom 07.06.2004, Online: http://www.focus.de/wissen/ mensch/neurowissenschaft/psychologie-die-intelligenz-der-gefuehle_aid_201408.html, 30.04.2014. Gigerenzer, G. (2008): Bauchentscheidungen, Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition Kahneman, D. (2012): Schnelles Denken, langsames Denken Wisemann, R. (2012): Machen, nicht denken Handlungsempfehlungen Intuition und Rationalität stehen im Verkaufsprozess in einer alternierenden Beziehung und können nur im Zusammenspiel ihre volle Wirkung entfalten. Zudem wird intuitive Menschenkenntnis niemals vollständig rationales Faktenwissen ersetzen können. Eine gute Vorbereitung des Verkaufsgesprächs mit Zahlen, Daten und Fakten ist deshalb weiterhin essenziell! Versuchen Sie im nächsten Verkaufsgespräch einmal die Momente zu identifizieren, in denen sie spontan bzw. intuitiv entscheiden. Sie werden erstaunt sein, welchen hohen Anteil diese Entscheidungen ausmachen. 71 Prozent der Befragten haben schon einmal einen Verkauf nicht getätigt, obwohl die Zahlen dafür sprachen. Trainieren Sie im Rahmen des Verkaufstrainings mit ihrer Vertriebsmannschaft regelmäßig intuitive Entscheidungsstile bzw. den guten Riecher und vertrauen sie insbesondere bei komplexen Entscheidungen mehr auf ihre Intuition. Es lohnt sich! a Zusätzlicher Verlagsservice für Abonnenten von Springer für Professionals Vertrieb Zum Thema Intuition Suche finden Sie unter www.springerprofessional.de 699 Beiträge im Fachgebiet Vertrieb Stand: Januar 2015 Medium Online-Artikel (5) Zeitschriftenartikel (44) Buchkapitel (650) Sprache Deutsch (203) Englisch (496) Von der Verlagsredaktion empfohlen Fischer, C.: Intuitiv telefonieren und entscheiden, in: Fischer, C.: Maximale Kundennähe am Telefon, Wiesbaden 2013, S. 109-121, www.springerprofessional.de/4945134 Bittner, G./Schwarz, E.: Wie Kaufentscheidungen fallen: Der Weg eines Wortes durch den Kopf von Kunden, in: Bittner, G./Schwarz, E.: Emotion Selling, Wiesbaden 2015, S. 11-58, www.springerprofessional.de/5460144 Sales Management Review 1 2015 73