Dresdner Schriften zu Recht und Politik der Vereinten Nationen / Dresden Papers on Law and Policy of the United Nations 8 Die Terrorismusbekämpfung im Rahmen der Europäischen Sicherheitsund Verteidigungspolitik (ESVP) Bearbeitet von Martin Ramsperger 1. Auflage 2009. Buch. 436 S. Hardcover ISBN 978 3 631 59827 6 Format (B x L): 14,8 x 21 cm Gewicht: 730 g Weitere Fachgebiete > Medien, Kommunikation, Politik > Regierungspolitik > Terrorismus, Religiöser Fundamentalismus schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
EINFÜHRUNG A. Problemaufriss Der Terrorismus ist spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 zu einer Hauptbedrohung in der heutigen Welt geworden. Die Anschläge vom 11. September 2001 trafen nicht nur die USA, sondern versetzten die gesamte internationale Staatengemeinschaft in Schock. Sie haben gezeigt, dass der Terrorismus eine vollkommen neue Qualität besitzt. Seit dem 11. September 2001 wurden viele weitere Terroranschläge gegen Menschen und Einrichtungen auf der ganzen Welt verübt. Die große Anzahl terroristischer Anschläge sowie Anschlagsversuche zeigt, wie groß die weltweite Bedrohung durch den internationalen Terrorismus tatsächlich geworden ist. Vergleichbare Szenarien könnten sich jederzeit in Deutschland oder an anderen Orten Europas oder in der Welt wiederholen. Auch wenn diese Bedrohung keine vollkommen neuartige ist, stellt sich doch die Frage, wie der Terrorismus zu bekämpfen ist, vor allem vor dem Hintergrund, dass der neue Terrorismus eine ausgeprägte internationale Dimension und neue Charakteristika besitzt. Bei der Bekämpfung könnten viele Akteure handeln und wichtige Akzente setzen. Einer dieser Akteure ist die Europäische Union (EU). Denn auch Europa ist inzwischen in das Fadenkreuz des Terrorismus gerückt. Dies haben speziell die Terroranschläge vom 11. März 2004 in Madrid gezeigt. Bei der Terrorismusbekämpfung in Europa ist zu beachten, dass sie nicht mehr nur nationale Sache ist. Die Globalisierung hat Staaten dazu gebracht, Teile ihrer Souveränität aus nationalem Interesse an überstaatliche Institutionen abzugeben oder sie im Zusammenspiel mit anderen Staaten multilateral auszuüben. Die Europäer waren die ersten, die erkannt haben, dass der Multilateralismus zu einem der wichtigsten Schutzschilder gegen jegliche Art globaler Sicherheitsbedrohungen geworden ist. Die EU, als Zusammenschluss von nunmehr 27 Staaten mit fast 500 Millionen Einwohnern, die ein Viertel des Bruttosozialprodukts weltweit erwirtschaften, ist heute zwangsläufig zu einem Global Player geworden. Die zunehmende Konvergenz europäischer Interessen und die Stärkung der gegenseitigen Solidarität haben die EU zu einem glaubwürdigen und handlungsstarken Akteur werden lassen. Europa muss daher bereit sein, Verantwortung für die globale Sicherheit und für eine bessere Welt 37
mit zu tragen 1. Deshalb muss die EU auch eine Rolle bei der Terrorismusbekämpfung übernehmen, was sie auch in der Vergangenheit bereits getan hat. Dabei war die Terrorismusbekämpfung aber eine Aufgabe der innenpolitischen Politikfelder und fiel in den Rahmen der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen, der dritten Säule der EU. Heute stellen jedoch nicht nur Bedrohungen auf dem Gebiet der EU eine Gefahr für Europa dar, sondern im Zeitalter der Globalisierung können auch weit entfernte Konflikte eine ernsthafte Bedrohung für die EU sein, denn Terroristen sind in der Lage weltweit zu operieren. Diese internationale Dimension der Terrorismusbekämpfung kann aufgrund ihrer außen- und sicherheitspolitischen Implikationen und der dazu notwendigen externen Maßnahmen auf internationaler Ebene nicht in den Bereich der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen fallen. Vielmehr ist der Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU betroffen. Wie der Terrorismus im Rahmen dieser zweiten Säule der EU bekämpft werden könnte, wurde bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nahezu gar nicht im Rahmen der GASP behandelt. Vor allem die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), die als Bestandteil der GASP prädestiniert zur Terrorismusbekämpfung wäre, müsste Akzente bei der Terrorismusbekämpfung setzen können. Dementsprechend hat die EU nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erklärt, dass sie am effizientesten (bei der Terrorismusbekämpfung) handeln (könnte), wenn sie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik weiter ausbaut und aus der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik umgehend ein einsatzbereites Instrument macht 2. Ob die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik tatsächlich Akzente bei der Terrorismusbekämpfung setzen konnte oder kann, will diese Arbeit untersuchen. B. Ziel, Aufbau und Methodik der Untersuchung Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, welchen Beitrag die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Terrorismusbekämpfung leisten kann. Es sollen die Fortschritte in diesem Bereich aufgezeigt werden, ebenso wie die Defizite. Darüber hinaus versucht die Arbeit aufzuzeigen, wie die vorhandenen Defizite beseitigt werden könnten, um den Beitrag der ESVP zur Terrorismusbekämpfung zu erhöhen. 1 2 Vgl. Europäische Sicherheitsstrategie, Ein sicheres Europa in einer besseren Welt v. 12.12.2003, Ratsdok. 15895/03, S. 3. Außerordentliche Tagung des ER v. 21.9.2001, Schlussfolgerungen u. Aktionsplan, SN 140/01, Punkt 3. 38
Um das Untersuchungsziel zu erreichen, soll wie folgt vorgegangen werden. Die Arbeit soll in sechs Kapitel aufgegliedert werden. Die ersten drei Kapitel sollen sich mit dem de lege lata befassen. Das vierte Kapitel soll sich mit dem de lege ferenda auseinander setzen. Das fünfte und sechste Kapitel sollen dann insbesondere auf den Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel beruhen. Das erste Kapitel soll sich mit den rechtlichen Grundlagen für die Terrorismusbekämpfung im Rahmen der ESVP befassen. Es soll analysiert werden, ob die Terrorismusbekämpfung zu den Aufgaben der ESVP gehört, die der 17 Abs. 2 EUV benennt. Sollte die Terrorismusbekämpfung nicht zu den Aufgaben des Art. 17 Abs. 2 EUV gehören, sind weitere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, wie die Terrorismusbekämpfung trotzdem rechtlich eine der Aufgaben der ESVP darstellen könnte. Denkbar wären etwa eine konkludente Vertragsänderung oder eine dynamische Auslegung des Art. 17 EUV. Im Anschluss an das erste Kapitel soll im zweiten Kapitel aufgezeigt werden, ob mit den der EU im Rahmen der ESVP zur Verfügung stehenden Rechtsinstrumenten konkrete Maßnahmen in der Praxis zur Terrorismusbekämpfung ergriffen wurden. Als Ausgangspunkt der Untersuchung bietet sich der Zeitpunkt der Gründung der ESVP an. Entscheidende Ereignisse in der Untersuchung könnten die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA und vom 11. März 2004 in Madrid sein. Im dritten Kapitel sollen praktische Erfordernisse untersucht werden, die für eine effektive Terrorismusbekämpfung unerlässlich sind. Zu denken ist hier an das Vorhandensein von Ressourcen sowie an die Zusammenarbeit innerhalb der EU und an die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren. Des Weiteren könnte zu untersuchen sein, wie die Koordination zu einer effektiven Terrorismusbekämpfung beitragen könnte. Mit dem Gesicht der zukünftigen Terrorismusbekämpfung im Rahmen der ESVP soll sich das vierte Kapitel beschäftigen. Dazu soll auf den Vertrag über eine Verfassung für Europa und den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eingegangen werden. Beide Verträge sollen rechtlich untersucht werden. Danach bietet sich an, zu prüfen, ob es Regelungen im Rahmen der ESVP zur Terrorismusbekämpfung gibt und ob es Regelungen gibt, die Einfluss auf die Terrorismusbekämpfung im Rahmen der ESVP nehmen könnten. Sollten solche Regelungen aufgefunden werden, so werden diese analysiert und bewertet. Das fünfte Kapitel soll auf Grundlage der zuvor gewonnenen Erkenntnisse mögliche Fallgruppen für ein Handeln im Bereich der ESVP zur Terrorismusbekämpfung aufzeigen. In Betracht dürften dabei vorbeugende und vorbereiten- 39