Marine Spezialkräfte und U-Boote im Verbund Ingo Buth (Foto: PIZ/M) Die Deutsche Marine verfügt derzeit über vier U-Boote der Klasse 212A 1. Los. Mit U 35 und U 36 befinden sich derzeit zwei Boote des zweiten Loses im Bau, die voraussichtlich in den Jahren 2013 und 2014 zulaufen werden. Zu den Hauptaufgaben dieses Waffensystems gehören das Beherrschen von Seeräumen, die Sicherung von Seeverbindungslinien, die Bekämpfung von Zielen auf und unter Wasser sowie die Unterstützung von Spezialkräften. A ls Spezialkräfte kommen in diesem Zusammenhang zuerst die Kampfschwimmer der Marine in Frage, aber auch entsprechend ausgebildete Kommandotruppen befreundeter Nationen. Beim Einsatz im maritimen Umfeld sind eine Vielzahl von Aufgaben denkbar. Die naheliegenden Aufgaben sind folgende: Direct Action bezeichnet den direkten Kampfeinsatz gegen besonders hochwertige Ziele im Wasser oder in Küstennähe. In der Ausführung kann diese Einsatzform von der Geiselbefreiung bis zur Zerstörung von militärischen Kräften oder Infrastruktur reichen. Je nach Auftrag kann die Zahl der eingesetzten Kräfte stark variieren. Special Reconnaissance bezeichnet den Beitrag zur Aufklärung von besonders wichtigen Zielen oder Objekten, die mit anderen Mitteln nicht oder nur unzureichend aufklärbar sind. Hierzu wird meist eine geringe Anzahl von Kräften benötigt. Autor (Foto: RN) Military Assistance ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Aufgaben. Hierunter fällt u.a. auch die Ausbildungsunterstützung und der Erfahrungsaustausch für und mit anderen Spezialkräften. Fregattenkapitän Ingo Buth ist Fachdezernent U-Boote im Flottenkommando in Glücksburg. Das britische Schlachtschiff HMS QUEEN ELIZABETH wurde 1941 im Hafen von Alexandria von italienischen Kampfschwimmern außer Gefecht gesetzt 44 November 2011 Strategie & Technik
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(Foto: SuT Archiv) Marine Unterstützung von Spezialkräften Ein kurzer Rückblick in die Militärgeschichte zeigt, dass die Unterstützung von Spezialkräften durch U-Boote keine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist: Ein spektakulärer Erfolg gelang der italienischen Marine im Dezember 1941. Das U-Boot SCIRE verbrachte insgesamt drei zu Transportmitteln umgebaute Torpedos heute würde man diese Geräte als Swimmer Delivery Vehicles (SDV) bezeichnen sowie sechs sogenannte Torpedoreiter Schlachtschiff TIRPITZ und die sie begleitenden Großkampfschiffe lagen seit Anfang 1942 in Nordnorwegen. Sie stellten eine ständige Bedrohung der alliierten Konvois nach Murmansk dar und hätten im Falle einer alliierten Invasion in Nordnorwegen gegen die Landungstruppen eingesetzt werden können. Die Briten versuchten mit Luftangriffen und anderen Mitteln, die TIR- PITZ zu neutralisieren. Im September 1943 führten sie die Operation Source durch. Ein U-Boot der T - sowie fünf U-Boote der S -Klasse sollten sechs Kleinst-U-Boote (Midget-Submarines) im Schlepp vor die Das deutsche Schlachtschiff TIRPITZ wurde 1943 in Norwegen durch britische Haftminen beschädigt und war damit nicht mehr voll einsatzfähig in der Nähe des ägyptischen Hafens Alexandria. Sie konnten vorerst unbemerkt in den Hafen eindringen und ihre Haftminen an den britischen Schlachtschiffen HMS QUEEN ELIZABETH und HMS VALIANT anbringen. Die italienischen Soldaten wurden zwar im Verlaufe ihres Angriffes entdeckt und gefangen genommen, dennoch explodierten ihre Ladungen später und beschädigten die Schlachtschiffe so schwer, dass sie im Hafen sanken. Beide Schiffe wurden gehoben und instandgesetzt, sie fielen aber für einen längeren Zeitraum aus. Die dadurch entstandene strategische Verschiebung des maritimen Kräfteverhältnisses im Mittelmeer wurde durch die Achsenmächte aber nicht genutzt. Im Rahmen der Operation Pastorius setzten die deutschen U-Boote U 202 und U 584 im Juni 1942 mehrere Agenten in den USA ab, die dort mit Anschlägen und Sabotageakten die Rüstungswirtschaft schwächen sollten. Letztendlich erwies sich das Vorhaben als Fehlschlag, da sich einer der Agenten den Behörden stellte und damit die Operation auffliegen ließ. Ein anderer Aufsehen erregender Einsatz gelang der Royal Navy. Das deutsche norwegische Küste verbringen. Bereits auf dem Anmarsch gingen zwei der als X-Crafts bezeichneten Mini- bzw. Midget-U-Boote verloren. Der Angriff auf das deutsche Panzerschiff LÜTZOW wurde daher nicht durchgeführt, und aufgrund von technischen Schwierigkeiten sowie übergeordneter taktischer Gründe brach X-10 den Angriff auf das deutsche Schlachtschiff SCHARN- HORST ab. X-5, X-6 und X-7 setzten den Angriff auf die TIRPITZ fort. X-5 ging bereits auf dem Anmarsch verloren, aber X-6 und X-7 gelang es, alle Sicherungsmaßnahmen der Deutschen zu umgehen und insgesamt vier Minen mit ca. acht Tonnen Ladung zu legen. Auch wenn die Mini-U-Boote kurz darauf entdeckt und versenkt wurden, zündeten ihre Minen unter dem Schlachtschiff, das danach nicht mehr einsatzfähig war, auch wenn dies von den Briten so vermutlich nicht erkannt wurde. Doch ging von der TIRPITZ bis zur ihrer Versenkung durch britische Flugzeuge im November 1944 keine Bedrohung mehr aus. Während des Falklandkrieges 1982 stellten die mit den Flugkörpern Exocet bewaffneten argentinischen Jagdbomber vom Typ Super Etentard neben den argentinischen U-Booten die größte Gefahr für die Einheiten der Royal Navy dar. Die Flugzeuge operierten von der auf dem argentinischen Festland gelegenen Basis Rio Grande, die im Rahmen der Operation Mikado durch britische Spezialkräfte neutralisiert werden sollte. Ziel war die Zerstörung der Flugzeuge sowie die Gefangennahme oder Tötung der Piloten. Die Durchführung der Operation verzögerte sich, da der Hubschrauber mit dem Aufklärungsteam wegen des schlechten Wetters an der chilenischen Küste landen musste und die Operation somit kompromittierte. Im Rahmen der weiteren Planung wurde erwogen, die Spezialkräfte nicht mehr mit Transportflugzeugen, sondern mit U-Booten abzusetzen. Mit dem Ende der Kampfhandlungen auf den Falklandinseln erübrigte sich jedoch die Durchführung der geplanten Operation. Special Operations Forces Wie die Beispiele zeigen, geht die Bedeutung des Einsatzes von Spezialkräften über die taktische Ebene hinaus und steht im Die als X-Craft bezeichneten britischen Midget-U-Boote wurden 1943 gegen die TIRPITZ eingesetzt (Foto: SuT Archiv) 46 November 2011 Strategie & Technik
Erfolgreich im Einsatz Klasse 212A: Die ersten U-Boote der Welt mit Brennstoffzellenantrieb. Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH Werftstr. 112-114 24143 Kiel Germany Tel.: +49-431 - 700-0 Fax: +49-431 - 700-2312 www.hdw.de email: info@hdw.de Howaldtswerke-Deutsche Werft
Xxxx Vier U-Boote der OHIO-Klasse wurden umgebaut, um Spezialeinheiten (Special Operations Forces, SOF) einsetzen zu können (Foto: USN) (Foto: Gabler) unmittelbaren Zusammenhang mit operativen Zielsetzungen. Wie stellt sich der Einsatz von Spezialkräften heute dar? Die U.S. Navy hat nach Ende des Kalten Krieges vier ihrer SSBN-U-Boote (Ship Submersible Ballistic Nuclear/U-Boote mit strategischen Interkontinentalraketen) zu SSGN-U- Booten (Ship Submersible Guided Missile Nuclear/U-Boote der OHIO-Klasse mit Marschflugkörpern) umgebaut. Diese über 18.000 Tonnen großen Einheiten (Im Vergleich: Die im Bau befindliche Fregatte 125 als künftig größtes Kampfschiff der Deutschen Marine hat gerade einmal 7.000 Tonnen und ist damit nicht einmal halb so groß wie die amerikanischen U-Boote) führen in den ehemaligen Startschächten der Interkontinentalraketen nun eine Vielzahl von taktischen Marschflugkörpern mit. Au- der Eckernförder Bucht, die tiefste Stelle beträgt 28 Meter, und zahlreiche Untiefen sowie dichter Schiffsverkehr stellen hohe Anforderungen an das Können der U-Boot- Besatzungen. Das Tauchen in flachen und beengten Gebieten gehört zum seemännischen Alltag deutscher U-Bootfahrer. Der Vorteil der geringen Größe, die Boote der Klasse 212A sind nur etwa 1/10 so groß wie die SSGN der U.S. Navy, ist gleichzeitig auch ihr Nachteil. Die U-Boote der Deutschen Marine können SOF nur für einen begrenzten Zeitraum aufnehmen, abhängig von der Größe der Gruppe. Daher ist naheliegend, die SOF erst relativ kurz vor ihrem Einsatz, aber außerhalb des Sensorhorizontes des Gegners, an Bord zu bringen. Dabei sind verschiedene Methoden denkbar. So könnten sie zum Beispiel von einem Überwasserschiff mit dem Hubschrauber oder dem Beiboot auf das U-Boot überzusetzen. Für die Vorbereitung bei der Annäherung an den Absetzort der SOF ist eine sorgfältige navigatorische Vorbereitung erforderlich. Die Küsten vor der Eckernförder Bucht sind detailliert vermessen. Das ist aber nicht in allen Regionen der Welt der Fall. Daher wäre ein Autonomes Unterwasserfahrzeug hilfreich, das den Bereich vor der Küste auf Minen und unbekannte Unterwasserhindernisse untersucht, bevor sich das U-Boot dem Strand nähert. Bei der Annäherung an den Strand kann das U-Boot mit seinen Sensoren (Sehrohre mit Optronik und Nachtsichtfähigkeit, Elektronische Unterstützungs-Maßnahmen/ EloUM) ggf. auch einschließlich der Fernmeldeaufklärung, zum Lagebildaufbau für den SOF-Einsatz beitragen. Ein Unmanned Aerial Vehicle wie VOLANS oder SOTHOC wäre eine weitere Möglichkeit, diese Einsätze zu unterstützen. Der Start eines VOLANS wäre aus dem modularen Mulßerdem dienen sie den Special Operations Forces (SOF) als Plattform. Der Nachteil dieser großen U-Boote und auch anderer für den Einsatz von SOF ausgelegter Angriffs- U-Boote (SSN/Ship Submersible Nuclear) besteht darin, dass sie in den meisten Fällen nicht im unmittelbaren Küstenvorfeld operieren können. Die Wassertiefen sind dort zu gering. Setzen sie SOF ab, benötigen diese entweder SDV oder Midget Submarines für den Transport über die letzten Kilometer bis zum Ufer. U-Boote Klase 212A Solche Einsätze gestalten sich mit den U- Booten der Deutschen Marine ganz anders. Das am häufigsten genutzte Übungsgebiet für U-Boote liegt unmittelbar vor Blick in den druckfesten Multifunktionsmast mit dem UAV VOLANS 48 November 2011 Strategie & Technik
Aus der Marine (Foto: PIZ/M) (Foto: PIZ/M) FK-Schießen vor Südafrika Auf der Schießbahn Overberg Toetsbaan (OTB) vor Südafrika absolvierten kürzlich die Fregatten SACHSEN und SCHLESWIG-HOLSTEIN bei der Übung Missile Firing Exercise F124 2011 ein Flugkörperschießen mit den Flugkörpern (FK) Standard Missile 2 (SM-2), Evolved Seasparrow Missile (ESSM) sowie NATO Seasparrow Missile (NSSM) und Rolling Airframe Missile (RAM). Für den FK-Schießabschnitt wurden anspruchsvolle Szenarien zusammengestellt, um einer breiten Palette von Bedrohungen aus der Luft begegnen zu können. Dabei wurde u.a. nachgewiesen, dass die SACHSEN als Luftverteidigungsfregatte der Klasse 124 befähigt ist, sich selbst und andere Einheiten im Verband gegen schnell anfliegende FKs zu schützen. Alle eingesetzten FKs konnten zeitgleich und erfolgreich zur Wirkung gebracht werden. Die SCHLESWIG-HOLSTEIN feuerte einen Doppelschuss NSSM zum Auch die deutschen U-Boote der Klasse 212A können Spezialkräfte für eine begrenzte Zeit einsetzen tifunktionsmast TRIPLE M möglich, der als Demonstrator seine Funktionsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat. Leider ist die Nachrüstung aus schiffbaulichen Gründen zumindest auf den U-Booten des ersten Loses U212A nur mit erheblichem Aufwand realisierbar, so dass eine über die Trash Disposal Unit (Abfallschleuse) ausbringbare Drohne wie die amerikanische SOTHOC durchaus eine konzeptionelle Alternative darstellen könnte. Während andere Nationen ihre SOF vom U-Boot aus mit Midget Submarines oder SDV verbringen, können die Kräfte von U212A aus eigener Kraft oder mit Schwimmhilfe zum Einsatz kommen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Kommandos außerhalb des Sensorhorizontes des Gegners an der Wasseroberfläche abzusetzen, so dass sie sich mit schnellen Schlauchbooten überraschend ihrem Ziel nähern können. Einmal abgesetzt, wird das U-Boot so lange in der Nähe bleiben, bis die SOF eine sichere Ausgangsposition für ihren weiteren Einsatz bezogen haben. Im Einsatz selbst sind die Möglichkeiten, die SOF zu unterstützen, sehr gering. Mit einem lichtwellengeleiteten Lenkflugkörper wie dem IDAS wäre es durchaus möglich, vom U-Boot auf Zieldaten zu schießen, die ein Spotter übermittelt hat. Hierdurch könnte die Gefährdung und der Umfang des abgesetzten Personals, das sich bislang mit drahtgelenkten Panzerabwehrflugkörpern abschleppen muss, reduziert werden. Leider ruht derzeit das Vorhaben IDAS aufgrund knapper Haushaltsmittel, wobei die beteiligte Industrie mit eigenen Mitteln weiterhin Entwicklungsarbeit leistet. Nach Beendigung des Auftrages sind die Kampfschwimmer wieder abzuholen (Extraction). Sofern der Rückzug nach Abschluss des Angriffes nicht mehr ver- deckt durchgeführt werden muss, wäre es durchaus denkbar, die eigenen Kräfte in Abhängigkeit von der Bedrohung auch mit Hubschraubern zurückzuführen. Ist das nicht der Fall, muss das U-Boot die Kräfte wieder aufnehmen. Dabei bildet das Rendezvous mit den Kampfschwimmern eine besondere Herausforderung. Es ist schon schwer genug, nachts den Kopf eines Schwimmers im Wasser von der Brücke eines Überwasserfahrzeuges auszumachen, noch schwieriger ist es mit dem Sehrohr eines U-Bootes. Hier können technische Hilfsmittel, wie z.b. kommerziell verfügbare und von Berufstauchern genutzte Homing Aids (Sender/Empfänger, die das Einpeilen eines Tauchers ermöglichen) durchaus hilfreich sein. Einsatzvielfalt von U-Booten U-Boote sind in ihrer Funktion ein operatives Seekriegsmittel und ein unverzichtbares Instrument im Werkzeugkasten einer Expeditionary Navy. Durch die Zusammenarbeit von Spezialkräften und U-Booten werden bestimmte Operationen erst ermöglicht, indem akute Bedrohungen im Vorfeld des eigentlichen Einsatzes ausgeschaltet oder Risiken minimiert werden können Die Aufgabe von U-Booten beschränkt sich abweichend von der in Deutschland immer noch weit verbreiteten Meinung nicht nur auf das Schiffeversenken, auch wenn sie dieses Metier hervorragend beherrschen. Aufklärungsaufgaben und die Unterstützung von Spezialkräften gewinnen weiter an Bedeutung. Diese Aufgaben sind in den aktuell von der NATO durchgeführten U-Boot-Einsätzen profilbestimmend und stehen daher derzeit bei der Weiterentwicklung U212A im Vordergrund. L Nachweis der verbesserten Flugabwehrfähigkeit für das Waffensystem F123. Die beim FK-Schießen gewonnenen System- und Telemetriedaten der FK-Systeme werden vom Kommando Truppenversuche der Marine ausgewertet. Die Ergebnisse der Erstauswertung deuten darauf hin, dass die Schießübung den bislang noch endgültigen Nachweis der vollen Einsatzfähigkeit des Waffensystems F124 einen entscheidenden Schritt näher gebracht hat. (ds) Strategie & Technik November 2011 49