Diplomarbeit. Thema: Realisierung der Constraint Induced Aphasia Therapy (CIAT) durch Laientherapeuten. Verfasserin: Silke Streiftau.

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Transkript:

Universität Konstanz Mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion Fachbereich Psychologie Klinische Psychologie Diplomarbeit Thema: Realisierung der Constraint Induced Aphasia Therapy (CIAT) durch Laientherapeuten Verfasserin: Silke Streiftau Betreuer: Prof. Dr. Brigitte Rockstroh Prof. Dr. Thomas Elbert Konstanz, im November 2006

Danksagung An dieser Stelle möchte ich allen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben, herzlich danken. Zuallererst vielen Dank an Frau Prof. Dr. Rockstroh und Herrn Prof. Dr. Elbert für die Unterstützung, Betreuung und Begutachtung der Diplomarbeit. Außerdem danke ich allen Patienten sowie ihren Angehörigen für ihre motivierte Teilnahme und ihr großes Engagement. Die Arbeit mit ihnen hat mir viel Freude bereitet. Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle Dr. Marcus Meinzer. Vielen Dank für die über den üblichen Rahmen hinausgehende Begleitung, die fachliche Unterstützung, deine Geduld, die vielen Ermutigungen und Anregungen, die konstruktive Zusammenarbeit und das mehrfache Korrekturlesen. Danke auch an Daniela Djundja und Dr. Gabriela Barthel für die Unterstützung bei der Durchführung der Diagnostik und Therapie, die aufmunternden Worte und dass ihr mir jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung standet. Schließlich danke ich allen anderen, die mich während dieser Zeit unterstützt und begleitet haben, ganz besonders meiner Familie.

CIAT durch Laientherapeuten 1 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis... 3 Tabellenverzeichnis... 4 1. Einleitung... 5 2. Aphasie... 7 2.1 Definition... 7 2.2 Klassifikation... 7 2.3 Ätiologie und Lokalisation... 9 2.4 Prävalenz... 11 2.5 Verlauf... 11 2.6 Diagnose und Differentialdiagnose... 12 2.7 Prognose... 13 3. Therapie... 15 3.1 Methoden der Sprachtherapie... 15 3.1.1 Der sprachsystematische Ansatz...15 3.1.2 Der kommunikative (oder pragmatische) Ansatz...16 3.2 Eine neue Methode sprachtherapeutischer Intervention basierend auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen: Die Constraint-Induced Aphasia Therapy (CIAT)... 17 3.2.1 Grundprinzipien der Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT)...17 3.2.2 Umsetzung der CI-Prinzipien im Rahmen von Aphasietherapie...19 3.2.3 Die Behandlungsmethode CIAT...20 3.3 Therapieeffizienz... 22 3.4 Aphasietherapie durch Laien... 26 3.5 Realisierung der CIAT durch Laientherapeuten... 33 3.6 Ziele der Studie... 34 4. Hypothesen... 35 5. Methoden... 36 5.1 Stichprobe... 36 5.2 Therapiegruppen... 39 5.2.1 CIAT Kontrollgruppe...39 5.2.2 CIAT Angehörige...39 5.2.3 Besonderheit der Durchführung bei Patient 4...40 5.3 Abhängige Variablen... 41 5.3.1 Aachener Aphasie Test (AAT)...41 5.3.2 Freies Interview...42 5.4 Statistische Analyse... 42 6. Ergebnisse... 44 6.1 Einzelfallsignifikanzen AAT... 44

CIAT durch Laientherapeuten 2 6.2 Gruppenvergleich AAT... 47 6.3 Freies Interview... 50 7. Diskussion... 52 7.1 Wirksamkeit der Constraint-Induced Aphasia Therapy... 52 7.2 Umsetzbarkeit der CIAT durch Laientherapeuten... 55 7.2.1 Wirksamkeit der Laientherapie...55 7.2.2 Akzeptanz der Laientherapie...57 8. Zusammenfassung... 62 Literaturverzeichnis... 64 Anhang... 70

CIAT durch Laientherapeuten 3 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Beispiel für Constraint im Rahmen der CIMT..18 Abbildung 2 CIAT-Setting 22 Abbildung 3 Durchschnittliche Veränderung der Profilscores des AAT im Rahmen der Therapie für beide Behandlungsgruppen....47 Abbildung 4 Signifikante Verbesserungen im Rahmen der Therapie in den Untertests des AAT für beide Behandlungsgruppen.48

CIAT durch Laientherapeuten 4 Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Einflussfaktoren auf die Rückbildung aphasischer Syndrome (aus Tesak 2001).14 Tabelle 2 Empirische Studien zu Sprachtherapieangeboten durch Laien..30 Tabelle 3 Klinische und demographische Variablen der Behandlungsgruppen.37 Tabelle 4 Zusammenfassung demographischer und klinischer Variablen.....38 Tabelle 5 Anzahl von Patienten mit signifikanter Verbesserung in mindestens einem Untertest oder mindestens einer Subskala des AAT (N = Anzahl der Patienten).44 Tabelle 6 Gesamtanzahl der Untertests bzw. Subskalen des AAT, in denen nach der Therapie Verbesserungen auftraten (N = Anzahl der Untertests bzw. Subskalen)..45 Tabelle 7 Anzahl der Patienten mit Verbesserungen in den einzelnen Untertests bzw. Subskalen des AAT (N = Patienten).. 45 Tabelle 8 Leistung im AAT für beide Behandlungsgruppen vor (prä) und nach (post) der Therapie (T-Werte, einseitige Testung) mit Einzelfallsignifikanzen...46 Tabelle 9 Verbesserungen in den Untertests des AAT im Rahmen der Therapie innerhalb der Behandlungsgruppen (T-Werte, einseitige Testung) 49 Tabelle 10 Haupteffekte und Interaktionen in den Untertests des AAT im Rahmen der Therapie (T-Werte, einseitige Testung) 49 Tabelle 11 Verbesserungen in den Untertests des AAT im Rahmen der Therapie innerhalb der Behandlungsgruppen (Rohwerte, einseitige Testung)..50 Tabelle 12 Haupteffekte und Interaktionen in den Untertests des AAT im Rahmen der Therapie (Rohwerte, einseitige Testung) 50

CIAT durch Laientherapeuten 5 1. Einleitung Jährlich treten bei etwa 24 000 Menschen in Deutschland infolge eines Schlaganfalls Aphasien auf (Inzidenzrate). Die Gesamtzahl der Personen mit Aphasie nach einem Schlaganfall zu jedem gegebenen Zeitpunkt (Punktprävalenz) beträgt in Deutschland 80 000. Werden auch andere ätiologische Ursachen von Aphasien wie beispielsweise Tumore, Schädel-Hirn-Traumata und Hirnentzündungen berücksichtigt, ergibt sich eine Gesamtzahl von ca. 85 000 100 000 Patienten mit erworbenen Sprachstörungen (Huber et al. 2000). Die ersten Monate nach einem Schlaganfall werden als Akutphase bezeichnet. Danach spricht man vom chronischen Stadium, in dem keine weiteren spontanen Verbesserungen der Symptomatik mehr erwartet werden. Die Patienten profitieren jedoch weiterhin von sprachtherapeutischer Intervention. Eine wichtige Voraussetzung erfolgreicher Aphasie- Therapie vor allem im chronischen Stadium scheint eine hohe Intensität zu sein (zum Überblick: Boghal et al. 2003). Insbesondere in jüngster Zeit konnten verschiedene Studien die Wirksamkeit hochintensiver Behandlungskonzepte nachweisen (Pulvermüller et al. 2001 Meinzer et al. 2005, Barthel 2005). Im Rahmen der neurologischen Rehabilitation ist eine derart intensive Therapie jedoch angesichts von Kapazitätsproblemen bei der Zuteilung von Ressourcen für Rehabilitationsmaßnahmen meist nicht zu realisieren. In der Folge können viele Patienten vor allem in späteren Phasen der Erkrankung keine optimale sprachtherapeutische Betreuung erhalten. Die traditionelle Behandlung in diesem Stadium umfasst im Allgemeinen maximal ein bis zwei Stunden Logopädie pro Woche. Nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Behandlung aphasischer Syndrome soll Sprachtherapie jedoch möglichst täglich, mindestens aber dreimal wöchentlich stattfinden. Intensive Intervallbehandlungen werden auch mehr als zwölf Monate nach dem Schlaganfall empfohlen (Ziegler et al. 2006). Vor diesem Hintergrund scheint es notwendig, für die Rehabilitation von Patienten mit chronischer Aphasie neben intensiven klinischen Maßnahmen vermehrt außerklinische Ressourcen einzubeziehen. Einen potentiell wichtigen Faktor stellen Angehörigen dar, da sie die meiste Zeit mit den Betroffenen verbringen und, da sie persönlich involviert sind, meist außerordentlich motiviert sind, sich aktiv an der Therapie zu beteiligen. Das Zurückgreifen auf angelernte Laien-Therapeuten könnte eine Lösung des Widerspruchs der Notwenigkeit

CIAT durch Laientherapeuten 6 intensiver Therapie auf der einen Seite, der jedoch eingeschränkten Ressourcen im Gesundheitssystem auf der anderen Seite darstellen. Bisher existiert in Deutschland jedoch kein Therapiemodul, das sich effektiv im Rahmen eines ökonomischen und motivational günstigen Gruppensettings von Laien nach kurzer Einarbeitungszeit umsetzen lässt. Diese Voraussetzungen erfüllt die Constraint-Induced Aphasia Therapy (CIAT). Das Intensivtraining (drei Stunden pro Tag an zehn aufeinander folgenden Tagen) basiert auf lerntheoretischen und neuropsychologischen Prinzipien. Im Rahmen von kommunikativen Sprachspielen im Gruppensetting können mehrere Patienten gleichzeitig trainiert werden. Aufgrund der klar definierten Regeln und manualisierbaren therapeutischen Verhaltensweisen erscheint es möglich, dass sich das Training im nicht-professionellen Umfeld umsetzen und als ökonomische Ergänzung konventioneller Sprachtherapie evaluieren lässt. In der vorliegenden Pilotstudie soll die Anwendbarkeit und Effizienz der Constraint-Induced Aphasia Therapy als therapeuten-unabhängiges Zusatzmodul zu konventioneller Sprachtherapie durch geschulte nicht-professionelle Therapeuten geprüft werden. Dabei werden die Ergebnisse von Patienten, die von Angehörigen trainiert werden, mit solchen, die dieselbe Sprachtherapie von erfahrenen Therapeuten erhalten, anhand eines standardisierten Sprachtests (Aachener Aphasie Test) verglichen.

CIAT durch Laientherapeuten 7 2. Aphasie 2.1 Definition Aphasien sind erworbene Sprachstörungen infolge einer Hirnschädigung (z.b. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma) nach abgeschlossenem Spracherwerb. Linguistisch werden Aphasien als Beeinträchtigung der verschiedenen Elemente des Sprachsystems (Phonologie, Lexikon, Syntax und Semantik) definiert. Die Störungen betreffen in der Regel, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung sowohl die Sprachproduktion, d.h. die expressiven Sprachfertigkeiten (Sprechen und Schreiben) als auch das Sprachverständnis, d.h. die rezeptiven sprachlichen Modalitäten (Verstehen und Lesen). Diese einzelnen Bereiche können in unterschiedlichen Ausprägungen und Schweregraden gestört sein. Die Beeinträchtigungen führen meist zu einem Verlust effektiver verbaler Kommunikation. Allgemeine kommunikative Fähigkeiten, wie beispielsweise das Wissen, wie man sich bei einer sprachlichen Kommunikation verhält, bleiben jedoch generell erhalten. Auch differenziertes Denken und Wahrnehmen sind grundsätzlich möglich (Bucher et al. 1997). Die Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit führt häufig zu sozialer Isolation der Betroffenen. Sie ist mit einem erheblichen Handicap im familiären und sozialen Leben verbunden, stellt häufig eine große Belastung auch für die Angehörigen dar sowie ein bedeutendes Hindernis für die berufliche Wiedereingliederung. In der Folge können psychiatrische Komorbiditäten wie Depressionen und Angststörungen auftreten (Huber et al. 2000). 2.2 Klassifikation Für die klinische Beschreibung der Symptomatik sind vereinfachende Klassifikationsschemata zweckmäßig. Die heutzutage gängigste Klassifikation stammt von Poeck (1983). Dabei werden vier Standardsyndrome der Aphasie (Broca-Aphasie, Wernicke- Aphasie, amnestische Aphasie und globale Aphasie) sowie vier Nicht-Standardsyndrome (Leitungsaphasie, transkortikal-motorische Aphasie, transkortikal-sensorische Aphasie und gemischt-transkortikale Aphasie) unterschieden. Mit diesem Schema ist eine Syndromzuweisung bei 80-90% der Patienten möglich (Huber et al. 1997). Bei der Broca-Aphasie (früher auch als expressive oder motorische Aphasie bezeichnet) ist die Sprachproduktion bei verhältnismäßig gut erhaltenem Sprachverständnis stark

CIAT durch Laientherapeuten 8 eingeschränkt. Das Sprechen ist deutlich verlangsamt und mit erheblicher Sprechanstrengung, undeutlicher Artikulation und gestörter Prosodie verbunden. Der Sprachfluss ist eingeschränkt. Ein weiteres Leitsymptom ist Agrammatismus, bei dem die grammatikalische Struktur der Sätze auf einzelne Inhaltswörter reduziert ist. Zudem werden häufig Wörter durch phonematische Paraphasien verändert. Dabei werden einzelne Laute oder Silben ausgelassen, umgestellt oder ersetzt (z.b. Spille statt Spinne). Die Kommunikation ist schwer bis mittelgradig gestört. Die Leitsymptome der Wernicke-Aphasie (früher auch als sensorische oder rezeptive Aphasie bezeichnet) sind ein meist stark eingeschränktes Sprachverständnis, Paragrammatismus, zahlreiche phonematische und semantische Paraphasien (Wortverwechslungen wie z.b. Bett statt Schrank), Neologismen (Wortneuschöpfungen) bis hin zum phonematischen Jargon (völlige Unverständlichkeit der Sprache). Der Satzbau ist stark gestört, es kommt häufig zu Satzabbrüchen und Satzverschränkungen. Sprachmelodie, Phrasenlänge und Sprechgeschwindigkeit sind meist unbeeinträchtigt. Der Sprachfluss ist unauffällig, teilweise jedoch überschießend (Logorrhö). Die Kommunikation ist bei Jargon schwer, sonst schwer bis mittelgradig gestört. Die leichteste Form der Aphasien ist die amnestische Aphasie, die oft das Endstadium im Rahmen der sprachlichen Rehabilitation, ausgehend von einer Broca- oder Wernicke-Aphasie ist. Sie zeichnet sich vor allem durch Wortfindungsstörungen aus. Diese werden meist durch Ersatzstrategien (z.b. Nennen von Oberbegriffen, Beschreiben von Eigenschaften) kompensiert. Es treten auch einige phonematische und semantische Paraphasien auf, wobei letztere meist einen engeren Bezug zum Zielwort haben (z.b. Messer statt Gabel). Der Sprachfluss ist unauffällig, es kommt jedoch häufig zu Suchverhalten und Satzabbrüchen. Die Satzbildung ist überwiegend korrekt und das Sprachverständnis nur geringfügig beeinträchtigt. Die Kommunikation ist mittelgradig bis leicht gestört. Die globale Aphasie (auch Totalaphasie genannt) stellt die schwerste Form der Aphasien dar. Sie betrifft alle Bereiche der Sprache. Sprachproduktion und Sprachverständnis sind stark beeinträchtigt. Sprachliche Äußerungen sind durch die starke Sprechanstrengung und die schlechte Artikulation schwer verständlich. Der Wortschatz ist gering, es treten viele Sprechautomatismen und Stereotypien auf. Dabei werden Floskeln situationsunabhängig perseveriert. Der Sprachfluss ist stark eingeschränkt, die Kommunikation schwer gestört. Bei

CIAT durch Laientherapeuten 9 vielen Patienten ist jedoch die Intonation erhalten, mit Hilfe derer Betroffene ihren Gesprächspartnern ihre kommunikativen Ziele verdeutlich können. Das charakteristische Kennzeichen der Leitungsaphasie ist das im Vergleich zu den anderen sprachlichen Leistungen unverhältnismäßig stark beeinträchtigte Nachsprechen. Bei gut erhaltenem Sprachverständnis entspricht die Sprachproduktion einer Wernicke-Aphasie mit vielen phonematischen Paraphasien. Die verbale Merkspanne ist stark reduziert. Der Sprachfluss zeichnet sich durch häufiges phonematisches Suchverhalten aus. Die Kommunikation ist mittelgradig gestört. Eine ausgeprägte Neigung zu Perseverationen und Echolalie charakterisieren die transkortikal-sensorische Aphasie. Spontansprache und Sprachverständnis entsprechen der Wernicke-Aphasie: Der Sprachfluss ist unauffällig, das Verstehen jedoch eingeschränkt. Patienten können häufig komplexe Sätze nachsprechen, ohne deren Sinn zu verstehen. Die transkortikal-motorische Aphasie zeichnet sich durch einen stark eingeschränkten Sprachfluss bei gutem Sprachverständnis aus. Spontansprache tritt kaum oder gar nicht auf. Lautes Lesen ist jedoch möglich. Der Sprachfluss bei der gemisch-transkorikalen Aphasie ist bei schlechtem Sprachverständnis stark beeinträchtigt. Bei allen drei transkortikalen Aphasien ist das Nachsprechen gut erhalten. Die Kommunikation ist bei allen Formen mittelgradig bis schwer gestört. 2.3 Ätiologie und Lokalisation Aphasien werden von einer Schädigung des zentralen Nervensystems (ZNS) verursacht, bei der die Sprachregionen des Gehirns betroffen sind. Inzwischen geht man allerdings nicht mehr davon aus, dass Aphasien nur durch Verletzungen in den klassischen Spracharealen, der Broca- und Wernicke-Region sowie ihrem verbindenden Fasterstrang, entstehen können, sondern auch durch Schädigungen in anderen Hirnregionen (Huber et al. 2000). Das Sprachzentrum setzt sich aus verschiedenen miteinander vernetzten sprachrelevanten Regionen zusammen. Dieses Netzwerk liegt bei etwa 90% der Menschen größtenteils in der linken Großhirnhemisphäre und beinhaltet in erster Linie die perisylvische Kortexregion einschließlich der Inselrinde sowie subkortikale Strukturen (Thalamus, Basalganglien).

CIAT durch Laientherapeuten 10 Zudem sind an bestimmten Sprachfunktionen (z.b. Prosodie Aspekte, Hörverständnis) auch rechtshemisphärische Bereiche beteiligt. Aphasien werden u.a. von Schlaganfällen, traumatischen Schädigungen, Hirntumoren sowie entzündlichen oder degenerativen Erkrankungen des Gehirns verursacht (Tesak 2001). Intermittierende oder dauerhafte aphasische Störungen können auch bei einem Anfallsleiden auftreten (Chung et al. 2002). Rund 80% aller Aphasien sind Folge eines zerebralen Gefäßinsults (Schlaganfall). Unter Schlaganfall versteht man eine plötzlich auftretende, blutgefäßbedingte Störung der Hirnfunktionen (Peuser & Winter 2000). Unterschieden werden hierbei ischämische und hämorrhagische Infarkte. Bei einem ischämischen Insult kommt es zu einem Verschluss der versorgenden Blutgefäße, z.b. durch eine Thrombose oder Embolie. Infolge der Durchblutungsstörung stirbt Hirngewebe ab. Ein hämorrhagischer Insult entsteht durch Hirnblutungen aufgrund eines Gefäßrisses (Peuser & Winter 2000). Die Läsion, die zu Aphasien führt, liegt meist im Versorgungsbereich der Arteria media cerebralis der sprachdominanten Hirnhälfte. Bei Rechtshändern ist fast ausnahmslos die linke Hemisphäre sprachdominant, ebenso bei über 60 % der Linkshänder. Eine so genannte gekreuzte Aphasie (crossed aphasia), d.h. eine Aphasie nach rechtshemisphärischer Läsion bei Rechtshändern, ist sehr selten (Schnider 1997). Folge einer längeren Unterbrechung der Durchblutung einer Hirnregion ist der irreversible Zelltod in den betroffenen Bereichen. Die Funktion vorübergehend beeinträchtigter Gebiete vor allem in direkter Nähe der Läsion kann jedoch wiederhergestellt werden. Es können allerdings auch dauerhafte Funktionsstörungen als Folge toxischer Prozesse während der anfänglichen Blutunterversorgung auftreten. Auch weit von der unmittelbaren Schädigung entfernte Bereiche können in Mitleidenschaft gezogen werden. So kann eine geschädigte Sprachkomponente mehrere mit ihm vernetzte Elemente funktional beeinträchtigen (Huber et al. 2000).

CIAT durch Laientherapeuten 11 2.4 Prävalenz Bei etwa 25-38% der Patienten, die einen Schlaganfall erleiden, tritt in der Folge eine Aphasie auf, mehr als die Hälfte dieser Patienten leidet unter einer schweren Aphasie. Bei mehr als 40% der Patienten bleibt die Symptomatik auch Jahre nach dem Schlaganfall in unterschiedlichem Ausmaß bestehen (Pedersen et al. 1995). Die Punktprävalenz zerebrovaskulär bedingter Aphasien wird in Deutschland auf ungefähr 80 000 geschätzt, d.h. zu jedem gegebenen Zeitpunkt leiden ca. 80 000 Patienten nach einem Schlaganfall an Aphasie, was etwa einem Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Die jährliche Inzidenz neu auftretender und anhaltender Aphasien infolge eines Schlaganfalls beträgt rund 24 000. Werden auch andere ätiologische Ursachen von Aphasien wie beispielsweise Tumore, Schädel-Hirn-Traumata und Hirnentzündungen berücksichtigt, ergibt sich eine Gesamtzahl von ca. 85 000 100 000 Patienten mit erworbenen Sprachstörungen (Huber et al. 2000). 2.5 Verlauf Art und Ausmaß von aphasischen Störungen verändern sich im Verlauf. Bei vaskulär bedingten Aphasien spricht man in den ersten vier bis sechs Wochen nach einem Schlaganfall von der sog. Akutphase. Auch ohne therapeutische Intervention kann bei den meisten Patienten in diesem Stadium eine deutliche Symptomverbesserung (Spontanremission) beobachtet werden. Bei etwa einem Drittel der Patienten bildet sich in dieser Phase die Symptomatik weitgehend zurück. Nach den ersten Wochen nimmt das Ausmaß der spontanen Rückbildung immer mehr ab, die Symptomatik stabilisiert sich und es bilden sich verschiedene relativ beständige aphasische Syndrome heraus (siehe 2.2). Nach vier Monaten kommt es bei weiteren elf Prozent, nach sieben Monaten nur noch bei zusätzlichen sieben Prozent der Patienten zu einer vollständigen Remission (Poeck 1983). Diese Phase (drei bis sechs Monate nach dem Ereignis) wird im Allgemeinen als postakut bezeichnet. Unter den initial aphasischen Patienten bilden sich bei 44% der nach sechs Monaten noch Überlebenden die Aphasie komplett zurück (Pedersen et al. 1995). Sechs bis zwölf Monate nach dem Ereignis ist die Spontanremission weitgehend abgeschlossen, die Aphasie wird als chronisch bezeichnet. Spätestens nach zwölf Monaten

CIAT durch Laientherapeuten 12 setzten weitere Verbesserungen nicht mehr spontan ein, können jedoch durch sprachtherapeutische Intervention auch im chronischen Stadium der Aphasie, d.h. auch Jahre nach dem Schlaganfall noch erzielt werden (Robey 1998). Bei mehr als 40% aller Patienten bleibt die Symptomatik jedoch auch Jahre nach dem Schlaganfall in unterschiedlichem Ausmaß bestehen (Pedersen et al. 1995). 2.6 Diagnose und Differentialdiagnose Nach Wallesch et al. (1992) ist in der Akutphase eine verlässliche Diagnose von Art und Ausmaß der Aphasie meist nicht möglich. Stattdessen kann jedoch die sprachliche Stimulierbarkeit der Patienten, beispielsweise mit dem Aachener Aphasie Bedside Test (AABT, Biniek 1993) bestimmt werden. Gegen Ende der Akutphase bilden sich schließlich relativ stabile klinische Syndromausprägungen heraus. Spätestens dann ist eine ausführlichere neurolinguistische Diagnostik notwendig. Zur Diagnostik der Beeinträchtigungen sprachlicher Fähigkeiten werden zunächst aphasische von anderen Störungen, vor allem der Sprechmotorik (Dysarthrien [Störung der Ausführung] und Sprechapraxie [Störung der Planung]) differentialdiagnostisch abgegrenzt. Dies erfolgt durch ihre spezifischen sprachsystematischen Merkmale. Bei Dysarthrien ist die Sprechmuskulatur betroffen. Charakteristisch sind die langsamen, schwachen und unkoordinierten Bewegungen sowie der veränderte Muskeltonus. Neben Artikulation sind auch Phonation und Sprechatmung beeinträchtigt. Bei der Sprechapraxie dagegen ist die Funktion der Sprechorgane nicht betroffen, dennoch tritt artikulatorisches Suchverhalten auf (Huber et al. 2000). Daneben müssen Aphasien von zentral bedingten Störungen der Hörwahrnehmung, Kommunikationsstörungen bei Verwirrtheitszuständen, Demenz, dysexekutivem Syndrom (Frontalhirnsyndrom) sowie von organischen Psychosen abgegrenzt werden (Huber et al. 1997). Einen Anhaltspunkt zur Bestimmung des anfänglichen Schweregrads liefert der Token Test des Aachener Aphasie Tests (AAT, Huber et al. 1983). Differenziertere Aussagen zum Schweregrad der Störung in den verschiedenen sprachlichen Modalitäten (Sprechen, Lesen, Schreiben, Verstehen) können durch die anderen Untertests des Aachener Aphasie Tests ermittelt werden. Dieser liefert einen psychometrisch fundierten Nachweis des Vorliegens

CIAT durch Laientherapeuten 13 einer Aphasie, eine Syndromklassifikation und eine Schweregradbestimmung. Der Aachener Aphasie Test dient ferner einer zuverlässigen Erfassung der Veränderungen des Störungsbildes im Verlauf. Verkürzte Screening-Verfahren können orientierenden Aufschluss über das Vorliegen und den Schweregrad einer Aphasie ergeben, allerdings ohne die erforderliche psychometrische Absicherung (z. B. Koller et al. 1990, Kalbe et al. 2002). Die Diagnostik der psychosozialen Auswirkungen einer Aphasie erfordert Verfahren zur Erfassung der kommunikativen Fähigkeiten und Strategien eines Patienten im Alltag und der Konsequenzen für die berufliche bzw. schulische Leistungsfähigkeit. Dazu zählen in erster Linie Verhaltensproben und ADL-Listen (Activities of daily living) sowie Fragebögen zur Fremd- und Selbstbeurteilung (Glindemann et al. 2002, Bongartz 1998). 2.7 Prognose Zur Zeit wird in der Literatur der Einfluss vieler Faktoren auf den zu erwartenden Rehabilitationsverlauf diskutiert. Zu vielen Aspekten bestehen jedoch noch widersprüchliche Meinungen. Kein Faktor hat zudem eine hinreichende Vorhersagegenauigkeit, der eine individuelle Prognose bei einem einzelnen Patienten erlaubt. Es handelt sich lediglich um statistische Tendenzen. Nach Basso (1992) zählen zu den wichtigsten Prädiktoren für eine Besserung der aphasischen Symptomatik der anfängliche Schweregrad der Aphasie sowie Größe und Lokalisation der Hirnläsion. Laut Heiss et al. (1993) sind ischämisch bedingte Läsionen im Versorgungsgebiet der linken mittleren Hirnarterie mit einem größeren Volumen als 100 cm 3 ein sicherer Indikator für das Bestehen einer schweren Aphasie und ein negativer prognostischer Faktor. Verschiedene Studien weisen zudem auf die Bedeutung funktioneller Aktivierung im Bereich der linken superior-temporalen Region hin. Die Reaktivierung linkstemporaler primärer Sprachareale geht dabei mit deutlicheren Verbesserungen einher (Heiss et al. 2003, Karbe et al. 1995). Die Aktivierung sekundärer linkstemporaler Sprachareale und kontralateraler Bereiche weist dagegen auf eine schlechtere Prognose hin (z.b. Cao et al. 1999, Heiss et al. 1999, Karbe et al. 1998). In der folgenden Tabelle werden weitere potentiell relevante Einflussgrößen auf den Ausgang der Erkrankung dargestellt.

CIAT durch Laientherapeuten 14 Tabelle 1 Einflussfaktoren auf die Rückbildung aphasischer Syndrome (aus Tesak 2001) 1. Merkmale der Hirnschädigung 2. Kennzeichen der Sprachstörung 3. Eigenschaften des Patienten Positive Prognose Kleine Läsion Anteriore Läsion Traumatische Ätiologie Umschriebene Hirnschäden Reaktivierung linkstemporaler Sprachareale Kurze Zeit nach dem Ereignis Verständliche Sprachäußerungen, gutes Verstehen Geringer Schweregrad Wenige Automatismen Sprachtherapie Komorbiditäten (z.b. Gedächtnis) Keine Depression Weibliches Geschlecht Linkshänder Hoch motiviert Familiäre Unterstützung Hohe prämorbide Intelligenz, hohe Schulbildung (> 12 Jahre) Jünger (< 50 Jahre) Negative Prognose Große Läsion Posteriore Läsion Zerebro-vaskuläre Ätiologie Diffuse Hirnschäden Kompensatorische rechtshemisphärische Aktivierung Längere Zeit nach dem Ereignis Unverständliche Sprachäußerungen (Jargon), schlechte Verstehensleistung Hoher Schweregrad Viele Automatismen Keine Sprachtherapie Keine Komorbiditäten Depression Männliches Geschlecht Rechtshänder Wenig motiviert Kaum familiäre Unterstützung Niedrige prämorbide Intelligenz, geringe Schulbildung (< 12 Jahre) Älter (> 50 Jahre)

CIAT durch Laientherapeuten 15 3. Therapie Primäres Ziel der Therapie von Aphasien ist die Verbesserung der Sprachfertigkeiten und der Kommunikationsfähigkeit im Alltag. Es existiert eine große Vielfalt verschiedener Therapieformen, die versuchen, dieses Ziel zu erreichen. So konzentrieren sich traditionelle sprach-orientierte Ansätze auf das Training spezifischer Defizite (z.b. Stimulation durch verschiedene Hilfsmittel [Schuell 1974, Duffy 1986, Shewan & Bandur 1986]). Neuropsychologische oder neurolinguistische Ansätze wenden dagegen informationsverarbeitende Modelle für die Diagnose und Behandlung von Sprachstörungen an (Nickels 2002). Andere Ansätze wiederum konzentrieren sich auf kompensatorische Strategien (z.b. Reduced Syntax Therapy, REST [Schleck et al. 1995]) oder auf Strategien, die die Kommunikation zwischen Patient und Angehörigen über verbale oder nonverbale Mittel verbessern sollen (Bongartz 1998). Im Folgenden werden die zwei Hauptgruppen, in die sich die verschiedenen Therapieansätze vereinfacht einteilen lassen, kurz vorgestellt. 3.1 Methoden der Sprachtherapie Vereinfacht können die verschiedenen Methoden der Sprachtherapie zwei großen Subgruppen zugeordnet werden: sprachsystematischen und kommunikativen Therapieformen (Pulvermüller et al. 1992). Im Gegensatz zu sprachsystematischen Therapien wird im Rahmen kommunikativer Therapieformen der funktionale Sprachgebrauch, d.h. die Verwendung von Sprache im Alltag, geübt. 3.1.1 Der sprachsystematische Ansatz Bei diesem Ansatz sollen durch sprachsystematische Wiederholungsübungen die betroffenen Sprachstrukturen im Gehirn wieder aufgebaut werden. Dabei werden die einzelnen betroffenen sprachlichen Fähigkeiten wie Nachsprechen, Lesen, Schreiben oder Benennen trainiert, jedoch nicht primär hinsichtlich ihrer Anwendung im Alltag. Die Sprachbehandlungen sind somit v.a. defizitorientiert, wobei der Kontext, in dem die sprachlichen Einheiten verwendet werden, oftmals vernachlässigt wird. Ein generelles Problem beim Training von isolierten Sprachhandlungen besteht allerdings vor allem in der oft fehlenden Generalisierung der Trainingseffekte in die alltägliche Kommunikation.

CIAT durch Laientherapeuten 16 Deshalb gibt es vermehrt Bemühungen, Sprachinterventionen der alltäglichen Kommunikation anzupassen. Grundprinzip dieser pragmatischen oder kommunikativen Therapien, die im Folgenden dargestellt werden, besteht darin, dass die Sprechhandlungen, die in der Therapie geübt werden, alltäglicher Kommunikation ähneln. 3.1.2 Der kommunikative (oder pragmatische) Ansatz Das Hauptziel kommunikativer bzw. pragmatischer Verfahren der Sprachtherapie besteht in der Minderung der kommunikativen Beeinträchtigungen der Erkrankung und der Verbesserung der Fähigkeit des Patienten, sich im Alltag zu verständigen. Der direkte Bezug zu alltagsrelevanten Sprachhandlungen wird hergestellt, indem die Verwendung einzelner Sprachelemente im Leben des Patienten außerhalb des Sprachtrainings, d.h. der funktionale Sprachgebrauch berücksichtigt wird. Die Patienten sollen in der Therapie Kommunikationshandlungen ausführen, die für den alltäglichen Sprachgebrauch von Bedeutung sind. Dabei werden sowohl sprachliche als auch nicht-sprachliche Mittel (Prosodie, Gestik, Mimik) eingesetzt. Zum einen werden die verbliebenen verbalen Fähigkeiten weiter gefördert und die Kommunikation durch externe Hilfen wie Notizbücher erleichtert, zum anderen können mangelnde Fertigkeiten kompensatorisch durch nonverbale Kommunikationsstrategien (z.b. sprachersetzende Symbolsysteme, Zeichensprache) ersetzt werden. Um den Transfer des Gelernten in den Alltag zu gewährleisten, sollte das therapeutische Setting alltäglicher Kommunikation so ähnlich wie möglich sein. Bei Pulvermüller et al. (1991) werden einige Prinzipien kommunikativer Sprachtherapie genannt. Diese sollten beachtet werden, um in der Therapie Situationen zu schaffen, die Alltagskommunikation ähneln. Neben dem Setting sollte auch die Struktur der Konversation mit Kommunikationsformen im Alltag vergleichbar sein. Das Verhältnis von Wissen und Information zwischen den Interaktionspartnern sollte dem in alltäglichen Interaktionen entsprechen. Zudem sollte das Ziel der Konversation sowie die damit zusammenhängenden Strategien mit dem in alltäglicher Kommunikation übereinstimmen. Außerdem sollte der Patient die Möglichkeit haben, die kommunikativen Handlungen wiederholt zu trainieren. Eine Therapieform, die sich an Prinzipien kommunikativer bzw. pragmatischer Aphasietherapie orientiert, ist die Constraint-Induced Aphasia Therapy, die im Folgenden beschrieben wird.

CIAT durch Laientherapeuten 17 3.2 Eine neue Methode sprachtherapeutischer Intervention basierend auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen: Die Constraint-Induced Aphasia Therapy (CIAT) Die Constraint-Induced Aphasia Therapy (im Folgenden als CIAT bezeichnet) wird zu den kommunikativen Sprachtherapien gezählt. Sie wurde aus der Kombination einer Therapie motorischer Bewegungsstörungen nach Schlaganfall (Constraint-Induced Movement Therapy, CIMT, Überblick siehe Taub et al. 2002) und Grundideen kommunikativer Sprachspiele (Pulvermüller 1990) entwickelt. 3.2.1 Grundprinzipien der Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT) Die Constraint-Induced Movement Therapy (im Folgenden als CIMT bezeichnet) ist ein Ansatz zur Behandlung chronischer motorischer Funktionsbeeinträchtigungen bei Schlaganfallpatienten. Die CIMT besteht aus mehreren Techniken zur Verhaltensmodifikation, die auf der Grundlage des operanten Konditionierens beruhen (Überblick siehe Taub et al. 2002). Grundlage ist das Konzept des gelernten Nichtgebrauchs. Nach einem Schlaganfall tritt eine vorübergehende Bewegungsunfähigkeit als Folge des kortikalen Schocks auf. In dieser Phase führt der Gebrauch der betroffenen Extremität zu Misserfolgen (z.b. ergriffener Teller fällt zu Boden), wird somit bestraft. Nach der ersten Erholungsphase sind motorische Fähigkeiten in einem bestimmten Umfang wieder möglich. Dennoch wird die betroffene Extremität nicht mehr angemessen benutzt, weil gelernt wurde, dass deren Gebrauch nicht erfolgreich ist. Gleichzeitig lernen die Patienten, dass es erfolgsversprechender ist, die gesunde Extremität zu benutzen, deren Gebrauch wird somit belohnt. Nach den Prinzipien der kortikalen Reorganisation werden dadurch jedoch die erhaltenen efferenten Funktionen der betroffenen Extremität weiter abgebaut. Das Rehabilitationspotential der betroffenen Extremität wird durch den kompensatorischen Gebrauch der gesunden Extremität eingeschränkt. Der gelernte Nichtgebrauch steht somit einer im Rehabilitationsverlauf möglichen Verbesserung motorischer Funktionen entgegen. Damit könnte der gelernte Nichtgebrauch bei Menschen nach einem Schlaganfall für chronische motorische Bewegungsstörungen verantwortlich sein. Die CIMT hilft den Patienten, ihre lerntheoretisch bedingte Bewegungsunfähigkeit, den gelernten Nichtgebrauch bzw. die konditionierte Unterdrückung von Bewegungen, zu überwinden. Dabei wird der Einsatz der betroffenen Extremität durch Einschränkung der

CIAT durch Laientherapeuten 18 gesunden Gliedmaße (z.b. durch Tragen einer Schlinge, siehe Abbildung 1) erzwungen ( constraint ). Der Gebrauch der beeinträchtigten Extremität wird nach den lerntheoretischen Prinzipien intensives Üben ( massed practice : mehrere Stunden pro Tag an zehn aufeinander folgenden Tagen) und shaping trainiert. Beim shaping werden erwünschte Verhaltensweisen schrittweise durch zunehmende Komplexität bzw. Schwierigkeit der Übungen erreicht. Anfangs werden einzelne Schritte honoriert. Für weitere Belohnung muss dann eine zunehmend komplexere Leistung erbracht werden. Die therapeutischen Übungen werden in ihrem Schwierigkeitsgrad dem Niveau des Patienten angepasst. So kann immer an deren oberer Leistungsgrenze trainiert werden. Das Prinzip der Verhaltensrelevanz wird durch alltagsnahe Übungen umgesetzt (z.b. Besteck benutzen). Durch dieses an lerntheoretischen und neurowissenschaftlichen Prinzipien orientierte Training konnten deutliche Verbesserungen der Bewegungsstörungen nach einem Schlaganfall, auch über die Therapiesituation hinaus nachgewiesen werden (zum Überblick siehe Taub et al. 2002). Es wird vermutet, dass die intensive afferente Stimulierung der CIMT zu einer Reorganisation kortikaler Repräsentationsareale führt (z.b. Liepert et al. 1998 & 2000). Abbildung 1 Beispiel für Constraint im Rahmen der CIMT

CIAT durch Laientherapeuten 19 3.2.2 Umsetzung der CI-Prinzipien im Rahmen von Aphasietherapie Die gleichen Prinzipien, die der CIMT zugrunde liegen, können auch auf Aphasien und deren Therapie angewendet werden. Auch hier findet das Konzept des gelernten Nichtgebrauchs Anwendung: viele Patienten können nach einem Schlaganfall nicht oder kaum sprechen. Zur Kompensation ihrer sprachlichen Defizite nutzen sie verstärkt nonverbale Kommunikationskanäle (z.b. Gestik, Mimik, Zeichnungen) und verwenden bei verbalen Äußerungen Formulierungen, die ihnen wenig Mühe bereiten. Dieses Verhalten wird verstärkt, wohingegen Versuche, sich verbal mitzuteilen, bestraft werden (z.b. der Patient wird nicht verstanden). Langfristig verhindert dies jedoch eine im Erholungsverlauf mögliche Verbesserung der Sprachfunktionen. Deshalb sollten bei einem nach CI-Prinzipien aufgebauten Training dysfunktionale Ersatzstrategien wie nicht-sprachliche Kommunikation weitgehend vermieden und verbal expressive Sprache intensiv trainiert werden. Langfristig führt dies zu einer Überwindung des gelernten Nichtgebrauchs und zu einer Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, vermutlich über kortikale Reorganisationsprozesse (Meinzer et al. zur Publikation eingereicht). Die Grundprinzipien massed practice, constraint, shaping werden in der analog zu CIMT entwickelten Constraint-Induced Aphasia Therapy (CIAT, Pulvermüller et al. 2001) wie folgt umgesetzt: 1) Die Patienten trainieren an zehn aufeinander folgenden Tagen drei Stunden täglich in Gruppen von zwei bis drei Patienten ( massed practice ). 2) Kommuniziert wird über gesprochene Wörter und Sätze. Non-verbale Kommunikation durch Zeigen einer Karte wird dagegen weitgehend unterbunden ( constraint ) 1 3) Die Anforderungen werden an das Leistungsniveau der Patienten angepasst ( shaping ) durch: 1 Es ist darauf zu achten, dass die Einschränkungen ( constraints ) nicht zu eng gehandhabt werden. Nicht jede kompensatorische non-verbale Kommunikation (z.b. Gestik) soll vermieden werden. Patienten sollen primär zu verbal expressiver Kommunikation ermutigt werden anstatt andere Kommunikationskanäle oder einfache Äußerungen, die ihnen leicht fallen, zu nutzen. So soll z.b. eine vollständige Vernachlässigung der Sprache unterbunden wird. Unterstützende non-verbale Hilfen sind jedoch erlaubt (s. auch Meinzer et al. eingereicht zur Publikation).

CIAT durch Laientherapeuten 20 a) die Schwierigkeit der Therapiematerialien (z.b. hoch- und niederfrequente Wörter), b) die geforderten verbalen Äußerungen (z.b. kompletter Satz, Höflichkeitsformulierungen), c) die Leistung, die für soziale Verstärkung (Lob) durch den Therapeuten erforderlich ist. 3.2.3 Die Behandlungsmethode CIAT Grundlage dieser sprachtherapeutischen Intervention ist das Karten-Hergeben-Spiel von Pulvermüller (1990), in dem Aufforderungskommunikation systematisch und wiederholt trainiert wird. Die Sprachtherapie wird im Rahmen eines Kartenspiels umgesetzt. Ein Spiel besteht aus einem Satz von 30 Karten, wobei jedes Motiv zweimal existiert. Es gibt somit 15 Kartenpaare, auf denen einfache Objekte, fotografische Abbildungen, Situationen und schriftsprachliche Items dargestellt sind. Die Teilnehmer sitzen hinter einem Sichtschutz, damit die Karten der Mitspieler für die anderen nicht sichtbar sind (Abbildung 2). Die Karten werden so verteilt, dass keiner der Mitspieler zwei gleiche Karten besitzt. Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Kartenpaare zu sammeln. Dazu erfragt ein Teilnehmer zu einer eigenen Karte das Gegenstück bei einem Mitspieler, ohne die Karte zu zeigen. Besitzt dieser die Karte, antwortet er passend und übergibt sie. Hat er sie nicht, verneint er die Frage mit den entsprechenden Worten. Im Folgenden finden sich zwei Beispiele für die verbalen Handlungsmuster des Sprachspiels. Beispiel 1 für einen Spielzug: Teilnehmer 1: Hast du das Auto? Teilnehmer 2: Ja, ich habe das Auto. Teilnehmer 1: Gibst du mir bitte das Auto? Teilnehmer 2: Ja, ich gebe dir das Auto. Beispiel 2 für einen Spielzug: Teilnehmer 1: Ich suche einen Baum. Herr X, haben Sie den Baum? Teilnehmer 2: Nein, ich habe den Baum leider nicht.

CIAT durch Laientherapeuten 21 Entsprechend dem Grundprinzip shaping variieren die geforderten verbalen Äußerungen. Dies richtet sich nach den jeweiligen sprachlichen Fertigkeiten der Patienten. Dabei soll immer am oberen Leistungslevel der Patienten trainiert werden. So kann anfangs bei einem sprachlich schwer beeinträchtigten Patienten das korrekte Benennen (z.b. Buch) genügen, später wird der Name des angesprochenen Spielers gefordert (z.b. Peter, Buch? ) bis, wenn möglich hin zum Bilden eines kompletten Satzes (z.b. Peter, hast du das Buch? ). Bei sprachlich weniger beeinträchtigten Patienten können z.b. Höflichkeitsformulierungen oder komplexere Variationen der verbalen Handlungsmuster (z.b. Kannst du mir bitte die Karte mit dem blauen Auto über den Tisch reichen? ) gefordert werden. Therapieelemente aus der herkömmlichen Sprachtherapie wie Benennen, Verstehen und Üben von neuen Äußerungen werden auch hier trainiert. Die Therapie findet jedoch in der Gruppe statt. So kann wiederholt ein bestimmtes verbales Verhalten im Kontext eines interaktiven und kommunikativen Gruppensettings geübt und gefördert werden. Durch das Gruppensetting wird auch eine hohe Alltagsrelevanz erreicht. Zwischen den Teilnehmern findet ein Informationsaustausch statt. Durch die Spielsituation entsteht eine Interaktion, die alltäglicher Kommunikation ähnelt und dadurch von vielen Patienten als motivierender erlebt wird als das Training isolierter defizitärer Sprachfähigkeiten. Zudem besteht dadurch eine Kontrollmöglichkeit, ob der angesprochene Mitspieler richtig verstanden hat, indem er die richtige Karte übergibt. Erfolgreiche kommunikative Handlungen bieten zudem für die Patienten, für die Kommunikation nicht mehr selbstverständlich ist, einen starken Verstärker. Aufgabe der Therapeuten besteht darin, das Sprachspiel zu leiten, gegebenenfalls auf die Einhaltung der Regeln hinzuweisen (z.b. einen ganzen Satz bilden), die Patienten bei Problemen zu unterstützen (z.b. bei Wortfindungsstörungen den ersten Buchstaben vorsagen) und durch Lob erwünschte kommunikative Handlungen zu verstärken.

CIAT durch Laientherapeuten 22 Abbildung 2 CIAT-Setting 3.3 Therapieeffizienz Heute ist die Ansicht, dass Aphasietherapie effektiv und sinnvoll ist, allgemein akzeptiert. Verschiedene Studien weisen deutlichere Verbesserungen sprachlicher Leistungen bei behandelten Aphasikern im Vergleich zu Unbehandelten nach (z.b. Basso et al. 1979, Holland et al. 1996, Poeck et al. 1989, Wertz et al. 1986). Beispielhaft werden im Folgenden einige Studien vorgestellt. Die Ergebnisse von zwei Metaanalysen von Robey (1994 und 1998, 21 und 55 Studien) weisen die Wirksamkeit von Sprachtherapie im Vergleich zur Kontrollbedingung ohne Behandlung nach. Behandelte Aphasiker erzielten im Vergleich zu unbehandelten Patienten in allen Phasen der Rehabilitation bessere Ergebnisse. Patienten mit akuter Aphasie wiesen zwar stärkere Verbesserungen auf als chronische Aphasiker (Effektstärken: d = 1,15 bzw. d = 0,66), dennoch sind auch in diesem Stadium noch deutliche Therapieeffekte möglich. Denkbare Einflussfaktoren auf den Therapieerfolg sind laut Robey (1998) neben Aphasiesyndrom und Schweregrad Art und Beginn der Therapie sowie Intensität, Dauer und Gesamtanzahl der Therapiestunden. Mit der Therapie sollte möglichst früh nach dem Ereignis begonnen werden. Zudem sind die Verbesserungen umso größer, je intensiver die Behandlung ist. So ergaben im chronischen Stadium Interventionen über mindestens fünf Stunden pro Woche größere Effektstärken als Behandlungen mit zwei bis drei Stunden wöchentlich (d = 0,55 bzw. d = 32; Weiteres zum Einfluss von Intensität s. unten).

CIAT durch Laientherapeuten 23 Auch andere Übersichtsarbeiten belegen die Wirksamkeit von Aphasietherapie und zwar in jeder Phase der Aphasie (z.b. Holland et al. 1996, Boghal et al. 2003). Die lange vorherrschende Meinung, dass Sprachtherapie nur unmittelbar nach dem Ereignis sinnvoll und effektiv ist, gilt als überholt. Verschiedene Studien belegen, dass auch im chronischen Stadium der Erkrankung, selbst bei jahrelang bestehender Aphasie noch bedeutende Verbesserungen durch sprachtherapeutische Behandlung möglich sind (z.b. Carlomagno et. al. 2001, Pulvermüller et al. 2001, Aftonomos et. al. 1999, Elman & Bernstein-Ellis 1999, Katz & Wertz 1997). Verschiedene Untersuchungen belegen die Wirksamkeit unterschiedlicher Therapieverfahren (z.b. sprachsystematische, kommunikationsorientierte Verfahren) sowie des therapeutischen Settings (Einzel-, Gruppensetting) (z.b. Hinckley et al. 1998, Springer et al. 1993, Poeck et al. 1989, Holland 1980, Aten et al. 1982). Gruppentherapie unterscheidet sich in einigen Merkmalen von einer Einzelbehandlung und bietet im Vergleich verschiedene Vorteile. Gruppentherapie stellt die kostengünstigere Intervention dar, ein Aspekt, der vor dem Hintergrund der abnehmenden finanziellen Mittel im Gesundheitssystem immer mehr an Bedeutung gewinnt. Patienten können so mit gleichem finanziellen Aufwand mehr Therapiestunden erhalten. Zudem findet in einer Gruppentherapie alltagsnähere Kommunikation zwischen den Teilnehmern statt. Die Möglichkeit der Interaktion mit anderen Aphasikern erlaubt vielfältigere kommunikative Handlungen als in einem eins-zu-eins Setting (Patient versus Therapeut), in dem nur die Kommunikation mit einem Sprachgesunden möglich ist. So eignen sich besonders Kommunikationsübungen für die Gruppentherapie. Zudem bietet der Kontakt mit anderen Betroffenen psychosoziale Unterstützung (z.b. Angstabbau, Senkung der Hemmschwelle, zu sprechen). Das Kennenlernen der Stärken und Schwächen der anderen Teilnehmer ermöglicht die Neubewertung der eigenen verbalen Fähigkeiten. Die gegenseitige Empathie und die Wettbewerbssituation ermutigen die Patienten zu neuen, komplexeren Sprachversuchen. Unterstützt durch die Erfahrung, sich wieder mitteilen zu können, positives Feedback, Anerkennung und Empathie der anderen Teilnehmer sprechen die Patienten häufig auch im Alltag mehr. Dadurch können Rückzugstendenzen im alltäglichen Leben entgegengewirkt und so die psychosozialen Folgen der Aphasie gemindert werden. (z.b. Bollinger et al. 1993, Elman & Bernstein-Ellis 1999, Pulvermüller et al. 2001).

CIAT durch Laientherapeuten 24 Wie oben erwähnt, scheint ein wichtiger Faktor für Therapieerfolg, vor allem im chronischen Stadium eine hohe Behandlungsintensität zu sein (zum Überblick: Bhogal et al. 2003). Verbesserungen der sprachlichen Fertigkeiten finden sich vor allem bei Studien mit hoher Behandlungsintensität innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeitbereiche (Intensität: Ø 8,8 Stunden pro Woche; Dauer: Ø 11,2 Wochen) im Vergleich zu wenig intensiver, zeitlich ausgedehnter Therapie (Intensität: Ø 2 Stunden pro Woche; Dauer: Ø 22,9 Wochen) (Bhogal et al. 2003). Verschiedene Studien variieren jedoch zum Teil beträchtlich bezüglich der Angaben zu Intensität und Therapiedauer. Einige Autoren halten eine verhältnismäßig lange Dauer der Intervention (mehrere Monate) für nötig (Robey 1994, Holland 1996, Basso et al. 2001, Bhogal et al. 2003). Wie im Folgenden dargestellt wird, zeigen dagegen aktuelle Untersuchungen, dass Verbesserungen schon innerhalb eines kurzen Zeitraums erreicht werden können: Eine Studie von Pulvermüller et al. (2001) belegt die Überlegenheit eines massierten Trainings gegenüber einer zeitlich gestreckten Therapie. Es traten deutlichere Verbesserungen der Sprachfertigkeiten bei intensivem Training innerhalb von zwei Wochen auf als mit derselben Therapiestundenanzahl über einige Wochen ausgedehnt. An dieser Studie nahmen 17 Patienten mit chronischer Aphasie (mindestens zwölf Monate nach dem Ereignis) teil und wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeordnet. Die Patienten der Experimentalgruppe erhielten Constraint-Induced Aphasia Therapy (CIAT). Die Kontrollgruppe bekam eine logopädische Standardbehandlung mit vergleichbarer Gesamtstundenzahl. Allerdings erhielten die Patienten der CIAT-Gruppe die Therapie massiert innerhalb von zwei Wochen, die Therapiestunden der Standardtherapie waren dagegen über einen längeren Zeitraum (drei bis fünf Wochen) ausgedehnt. Die Patienten beider Gruppen verbesserten sich signifikant im Aachener Aphasie Test (AAT). In der CIAT- Gruppe wurden signifikant mehr Verbesserungen als in der Kontrollgruppe nachgewiesen. Zudem wurde über vermehrte Alltagskommunikation, gemessen mit dem Communicative Activity Log (CAL, Selbst- und Fremdrating der Quantität kommunikativer Handlungen, Pulvermüller et al. 2001) in der CIAT-Gruppe berichtet, d.h. es fand in dieser Gruppe eine Übertragung des in der Therapie Gelernten auf den Alltag statt. Eine weitere Studie von Meinzer et al. (2005) repliziert die unmittelbare Effektivität der CIAT. Bei 27 Patienten konnten innerhalb von zehn Tagen signifikante Leistungssteigerungen im AAT, CAL und CETI (Communicative Effectivness Index, Angehörigenfragebogen zur Untersuchung der Qualität der Alltagskommunikation)

CIAT durch Laientherapeuten 25 nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde die Stabilität der erreichten Leistungssteigerungen in einer follow-up Untersuchung nach sechs Monaten belegt. Während dieser Zeit traten allerdings keine weiteren Verbesserungen auf, obwohl die Patienten ambulant Sprachtherapie erhielten, jedoch im Schnitt nur zwei Stunden pro Woche. Eine aktuelle Studie von Barthel et al. (2005) vergleicht die CIAT mit einer logopädischen Standardbehandlung mit entsprechender Therapieintensität. Die Patienten beider Gruppen zeigten vergleichbare signifikante Verbesserungen im Aachener Aphasie Test. Dies legt nahe, dass für Therapieerfolg, insbesondere im chronischen Stadium der Aphasie, vor allem eine intensive Behandlung entscheidend ist (Meinzer et al. 2005). Gestützt werden diese Erkenntnisse auch durch Befunde aus anderen Bereichen der neurologischen Rehabilitation (z.b. unilateraler Neglect, Hemiparese), die in aktuellen Studien ebenso die Effektivität hochintensiver Behandlung nachweisen konnten (Taub et al. 2002, Frassinetti et al. 2002). Im Rahmen der neurologischen Rehabilitation ist eine intensive Therapie jedoch angesichts von Kapazitätsproblemen bei der Zuteilung von Ressourcen (Verfügbarkeit von Logopäden, finanzielle Ressourcen des Gesundheitssystems) für intensive Rehabilitationsmaßnahmen meist nicht zu realisieren, so dass viele Patienten vor allem in späteren Phasen der Erkrankung keine optimale sprachtherapeutische Betreuung erhalten können. Die traditionelle Behandlung in diesem Stadium umfasst im Allgemeinen maximal ein bis zwei Stunden Logopädie pro Woche. Nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN, Ziegler et al. 2006) zur Behandlung aphasischer Syndrome soll Sprachtherapie jedoch möglichst täglich, mindestens aber dreimal wöchentlich für je 60 Minuten stattfinden (Bauer et al. 2002). Nachweisbar wirksam ist Sprachtherapie bei einer Intensität von fünf bis zehn Therapiestunden pro Woche (Boghal et al. 2003), eine Intensität von zwei Wochenstunden oder weniger ist nicht ausreichend (Boghal et al. 2003, Robey 1998). Intensive Intervallbehandlungen werden auch mehr als zwölf Monate nach dem Schlaganfall empfohlen (Ziegler et al. 2006). Vor diesem Hintergrund scheint es notwendig, für die Rehabilitation von Patienten mit chronischer Aphasie neben intensiven klinischen Maßnahmen vermehrt außerklinische Ressourcen einzubeziehen, um die Therapieintensität zu erhöhen. Eine Möglichkeit stellt eine Umsetzung von Sprachtherapie im Rahmen von Selbsthilfegruppen dar. Alternativ könnten auch Angehörige als Laien-Therapeuten eingesetzt werden.