Vertiefungen zum Ausgangsfall zur Anwendbarkeit des BImSchG Kodifizierungsversuche ( Umweltgesetzbuch ) bislang gescheitert; letzter Versuch 2008/2009 nach Neuregelung der Gesetzgebungskompetenzen mit Föderalismusreform ebenfalls bis auf weiteres gescheitert lediglich Neuannahme von vier Einzelgesetzen: Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) und Gesetz zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (RGU) mit dem BNatSchG 2009 und dem WHG 2009 liegen erstmals bundesrechtliche Vollregelungen vor Unterscheidung zwischen genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen Differenzierung ist von zentraler Bedeutung und entscheidet über die anzuwendenden Regelungsmechanismen: 4 ff. BImSchG einerseits, 22 ff. BImSchG andererseits Genehmigungsbedürftigkeit richtet sich nach 4 BImSchG 1
Einschränkung nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BImSchG: mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, nur dann der Genehmigung, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen und Geräusche hervorzurufen Grund: Reichweite der Bundesgesetzgebung (wenn Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG [Recht der Wirtschaft] nicht einschlägig ist, bleibt nur Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG [Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung]) beachte: Kreis der genehmigungsbedürftigen Anlagen bestimmt sich konstitutiv nach der 4. BImSchVO; vgl. 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.v.m. 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchVO die BImSchVO ist also nicht nur für die Unterscheidung von normalem und einfachem Genehmigungsverfahren relevant, sondern vor allem für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage die im Anhang der 4. BImSchVO erfolgte Auflistung der genehmigungsbedürftigen Anlagen ist abschließender Natur die Aufnahme in der 4. BImSchVO entscheidet überdies implizit über die Anlageneigenschaft i.s.v. 3 Abs. 5 BImSchG; diese ist also nur bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen sorgfältig durchzuprüfen 2
es müssen aber immer jedenfalls implizit die Vorgaben des 1 Abs. 1 und Abs. 6 der 4. BImSchVOgeprüft werden! beachte auch 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchVO: Relevanz der Betreibereigenschaft Betreiber ist, wer als natürliche oder juristische Person die Anlage auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung führt (maßgeblich ist bestimmender Einfluss auf Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb der Anlage) beachte: Hinweis auf Erreichen oder Überschreiten einer bestimmten Leistungsgrenze oder Anlagengröße in 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchVObezieht sich auf Kriterien des Anhangs der 4. BImSchVO Vertiefungen zum Genehmigungsverfahren zur Erinnerung: BImSchG unterscheidet zwischen förmlichem ( 10) und vereinfachtem ( 19) Genehmigungsverfahren; entscheidend ist 2 Abs. 1 der 4. BImSchVO Ausgestaltung und Inhalt des förmlichen Genehmigungsverfahrens sind genauer geregelt in der 9. BImSchVO(VO über das Genehmigungsverfahren), vgl. 10 Abs. 10 BImSchG nicht vergessen! relevant insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass immissionsschutzrechtlich relevante Vorhaben oftmals einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem UVPG bedürfen 3
beachte 4 UVPG: Gesetz findet nur Anwendung, wenn in anderen Rechtsvorschriften die Prüfung der UVP nicht näher bestimmt ist oder den Anforderungen des UVPG nicht genügt 9. BImSchVO ordnet Verfahren an, dass den Vorgaben des UVPG entspricht (vgl. 1a, 2a, 4e 20 der 9. BImSchVO); Verfahren richtet sich deshalb grundsätzlich allein nach der 9. BImSchVO (als unselsbtändiger Teil des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens, vgl. 1 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchVO) aber: ob Vorhaben UVP-pflichtig ist, bestimmt sich nach dem UVPG (ähnlicher Ansatz wie im BImSchG: Anlage 1 zum UVPG listet in zwei unterschiedlichen Spalten die relevanten Anlagen auf), vgl. 1 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchVO Genehmigungsvoraussetzungen ordnungsgemäße Antragstellung durch den Vorhabenträger unter Beifügung der entsprechenden technischen Unterlagen; Geschäftsund Betriebsgeheimnisse können getrennt vorgelegt werden ( 10 Abs. 1, 2 BImSchG i.v.m. 2 der 9. BImSchVO) Beteiligung der Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird ( 10 Abs. 5 BImSchG, 11 der 9. BImSchVO) Konsequenz der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beachte: Stellungnahmen sind für die Genehmigungsbehörde nicht bindend, müssen aber berücksichtigt werden (vgl. 20 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchVO) 4
öffentliche Bekanntmachung ( 10 Abs. 3, 4 BImSchG): in Amtsblatt, Internet, Tageszeitungen etc. mit den von 10 Abs. 4 BImSchG und 9 der 9. BImSchVO geforderten Angaben; ist dies nicht oder nicht vollständig geschehen, keine Präklusion Erörterungstermin gem. 10 Abs. 6 BImSchG, 1 Abs. 2, 14 bis 19 der 9. BImSchVO; Klagebefugnis hängt aber nicht von Beteiligung am Erörterungstermin ab, zumal die Norm seit 30.10.2007 eine Kann- Vorschrift ist, d.h. Erörterung nicht mehr zwingend schriftliche Genehmigungserteilung gem. 10 Abs. 7 BImSchG, kann durch öffentliche Bekanntmachung gem. 10 Abs. 8 BImSchG ersetzt werden beachte die Konkretisierungen der 9. BImSchVO (z.b. hinsichtlich der genauen Angabe von Fristbeginn und -ende, vgl. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) Genehmigungswirkungen Gestattungswirkung: präventives Verbot gem. 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG wird durch Genehmigung positiv konkretisiert Bestandsschutz: Gestattung kann nur noch nach Maßgabe der 17, 20 f. BImSchG beseitigt werden Konzentrationswirkung: Genehmigung schließt gem. 13 BImSchG andere anlagenbezogene öffentlich-rechtliche Genehmigungen (die gemäß 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG von der Immissionsschutzbehörde mitgeprüft werden) mit ein 5
Präklusionswirkung des Genehmigungsverfahrens Präklusionswirkung des Genehmigungsverfahrens: gem. 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG sind mit Ablauf der Einwendungsfrist (2 Wochen, vgl. 10 Abs. 3 S. 4 BImSchG) alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen beachte: Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen (gemeint sind alle vertraglichen Ansprüche sowie dingliche Ansprüche am Betriebsgrundstück, insbesondere aus Eigentum, Nießbrauch oder Dienstbarkeiten, nicht aber Ansprüche aus allgemeinem Nachbarrecht oder Deliktsrecht), sind gem. 10 Abs. 3 Satz 6 BImSchG (seit 30.10.2007) auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen (vor Gesetzesänderung vgl. 10 Abs. 6 S. 2 BImSchG) (P): lediglich formelle Präklusion, d.h. keine Zulassung zum Erörterungstermin gem. 14 Abs. 1 der 9. BImSchVO ohne Verlust des Klagerechts, oder auch materielle Präklusion, d.h. Entzug des Abwehranspruchs und damit Verlust der Widerspruchs-und Klagebefugnis? hm: materielle Präklusion ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, da der Rechtsweg nicht unzumutbar erschwert wird; Betroffene haben es in der Hand, durch rechtzeitige Einwendungen ihre Rechte zu wahren; für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt wurde jedenfalls eine atomrechtliche Parallelbestimmung (BVerfGE 61, 82 <109 ff.>) ob materielle Präklusion zur Unzulässigkeit oder zur Unbegründetheit von Widerspruch und Klage führt, ist str. 6
jedenfalls bei offensichtlicher Präklusion fehlt Klagebefugnis; im Übrigen wohl sinnvoll, erst auf Ebene der Begründetheit eine Verletzung in eigenen Rechten zu verneinen privatrechtsgestaltende Wirkung der Genehmigung: zivilrechtliche Ansprüche auf Einstellung des Anlagenbetriebs sind gem. 14 BImSchG ausgeschlossen Vertiefungen zu den materiellen Genehmigungsvoraussetzungen Betreiberpflichten des 5 Abs. 1 BImSchG Schutzgrundsatz ( 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG) Vorsorgegrundsatz ( 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) Abfallvermeidungsgrundsatz ( 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG) Energienutzungsgrundsatz ( 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BImSchG) 7
beachte: bzgl. der unbestimmten Rechtsbegriffe des 5 Abs. 1 BImSchG hat die Genehmigungsbehörde keinen Beurteilungsspielraum Anwendung der Betreiberpflichten unterliegt der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen i.s.v. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.v.m. 3 Abs. 1 BImSchG erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen maßgeblich ist, ob Beeinträchtigungen das der Allgemeinheit oder den Nachbarn zumutbare Maß übersteigen Frage der Zumutbarkeit richtet sich nicht nach dem Empfinden des individuell Betroffenen, sondern nach dem des normalen Durchschnittsmenschen erforderlich ist umfassende Güter-und Interessenabwägung, in deren Rahmen auch die Art des im Einwirkungsbereich liegenden Gebiets zu berücksichtigen ist erfasst sind in räumlicher Hinsicht alle Personen, die sich im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten (relevantes Kriterium ist Zurechnung der individuellen Emissionen an konkrete Anlage) 8
für Zugehörigkeit zur Nachbarschaft ist qualifiziertes Betroffensein erforderlich, d.h. besondere persönliche oder sachliche Beziehung zum Einwirkungsbereich (regelmäßig vermittelt über Kriterium der Dauerhaftigkeit der Betroffenheit); gegeben bei Eigentümer, Mieter, Pächter, oder im Einwirkungsbereich Beschäftigte, nicht aber Besuchern oder Spaziergängern) zur Erinnerung: schädliche Umwelteinwirkungen werden konkretisiert durch TA Luft und TA Lärm; liegen zu den darin festgelegten Immissionsgrenzwerten Angaben vor, muss die Frage der Zumutbarkeit der schädlichen Umwelteinwirkung nicht detailliert geprüft werden (in jedem Fall erforderlich ist aber ein kurzes Eingehen auf die Rechtsnatur und -wirkung der auf Grundlage von 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften) 9