Entscheidungen können nur kommuniziert werden, wenn auch die abgelehnten Möglichkeiten mitkommuniziert werden.

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Transkript:

Niklas Luhmann, Organisation als autopoietisches System oder: Wie ist Organisation möglich? 1. Organisationen im Rahmen der allgemeinen Systemtheorie 2. Organisationen als soziale Systeme, die sich aus Kommunikationen reproduzieren Unter Kommunikation versteht man eine autopoietische Operation, die rekursiv auf sich selbst vor-, und zurückgreift und dadurch soziale Systeme erzeugt. 3. Kommunikation von Entscheidungen Organisationen entstehen und reproduzieren sich, wenn es zur Kommunikation von Entscheidungen kommt und das System auf dieser Operationsbasis operativ geschlossen wird. 4. Operative Schließung auf der Basis eigener Entscheidungen: Jede Entscheidung hat als Prämisse weiterer Entscheidungen zu gelten und trägt auf diese Weise zur Unsicherheitsabsorption bei. Das System selbst definiert seine Systemgrenzen aufgrund der spezifischen Operationsweise der Kommunikation von Entscheidungen 5. Mitgliedschaftsregel als Prinzip der Inklusion in Organisationssysteme: Es gibt Erkennungsregeln, die bestimmen, wer als Mitglied des Systems angesehen wird und in welchen Rollen diese Mitgliedschaft ausgeübt werden kann. 6. Eigenheit der Kommunikation von Entscheidungen: Entscheidungen können nur kommuniziert werden, wenn auch die abgelehnten Möglichkeiten mitkommuniziert werden. Literaturangaben: Luhmann Niklas, Organisation als autopoietisches System, in: Luhmann Niklas, Organisation und Entscheidung, 2000 Luhmann Niklas, Organisation, in: Küpper Willi/ Ortmann Günther (Hg.), Mikropolitik. Rationalität, Macht und Spiele in Organisationen, 1992 Seite 1 von 5

Luhmann Niklas, Funktion und Folgen formaler Organisation, 1994 Dirk Baecker: Organisation als System oder: Wie ist Entscheidung möglich? Doppelte Schließung und einfache Komplexität. Entscheidungen als besondere Form der Kommunikation Eine Unterscheidung ist eine Form mit zwei Seiten: dies-und-nicht-etwas-anderes. Eine Unterscheidung ist etwas zunächst unentschiedenes. Sie ist eine Aufforderung etwas nämlich die eine oder die andere Seite der Unterscheidung zu bezeichnen. Die Aufforderung wird eingelöst, indem etwas bezeichnet wird. Und etwas wird bezeichnet, indem eine neue unentschiedene Unterscheidung daran angeschlossen wird. Eine Unterscheidung ist eine Unentschiedenheit, die um einer Entscheidung willen gesetzt wird. Eine Entscheidung ist eine Unterscheidung, nämlich von Aufforderung und Einlösung. Das bedeutet, eine Entscheidung ist erst dann eine Entscheidung, wenn andere Entscheidungen an sie anschließen. Eine Entscheidung allein macht noch keine Organisation, aber Entscheidungen im Hinblick auf weitere Entscheidungen (re)produzieren Organisation als autopoietisches System. Doppelte Schließung Die operationale Schließung wird ergänzt durch eine programmatische Schließung. Durch diese zweite Schließung wird der Unterschied, den die erste operationale Schließung macht, nämlich die Ausdifferenzierung eines Systems in seiner Umwelt, auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung in das System das diesen Unterschied macht wiedereingeführt ( re-entry ). Das ermöglicht eine Selbstbeobachtung des Systems und über diese eine Konstruktion der Umwelt des Systems im System. Dadurch wird die Blindheit auf der Ebene der Beobachtung 1. Ordnung teilweise kompensiert, wenngleich die Umwelt auch auf der Ebene der Beobachtung 2 Ordnung eine bloße Interpretation des Systems bleibt. Das Programm, als Ebene der Entscheidungen über Entscheidungen orientiert die Operationen des Systems, indem sie sie reguliert. Dafür stehen ihr aber nur die Operationen des Systems, Entscheidungen, zur Verfügung, und keine Elemente aus der Umwelt, und insofern kann von einer zweiten Schließung des Systems auf der Ebene des Programms gesprochen werden. Die Organisation ist somit ein doppelt geschlossenes System. Die Frage, wie Entscheidungen möglich sind, kann demzufolge beantwortet werden mit der wechselseitigen Bedingtheit von operationaler Schließung und programmatischer Schließung. Einfache Komplexität Ein System (oder die Umwelt eines Systems für das System), ist um so komplexer, je mehr Elemente es aufweist, je größer die Zahl der Beziehungen zwischen den Elementen ist, je verschiedenartiger die Beziehungen sind, und je ungewisser es ist, wie sich die Zahl der Elemente, die Zahl der Beziehungen und die Verschiedenartigkeit der Beziehungen im Zeitverlauf verändert. Seite 2 von 5

Hält man sich an diese Definition erscheint hohe Komplexität als ein Problem: Alles scheint zu unübersichtlich, es muß vereinfacht werden. Allerdings hat der Kybernetiker W. Ross Ashby darauf hingewiesen, daß ein System ein hohes Maß an Eigenkomplexität besitzen muß, soll es ein hohes Maß an Umweltkomplexität verarbeiten können. Niklas Luhmann, der diesen Standpunkt grundsätzlich teilt, hat zusätzlich angemerkt, daß die Steigerbarkeit der Systemkomplexität irgendwann an eine Grenze stößt, an der das System seine Eigenkomplexität nicht mehr bewältigen kann. Das Organisationssystem steht somit vor einem Dilemma: Haltlose Komplexitätsreduktion einerseits gefährdet die Autopoiesis der Entscheidungen, da Umweltirritationen nur unzureichend erfaßt werden können. Haltlose Komplexitätssteigerung andererseits gefährdet die Autopoiesis der Entscheidungen, da Systemprobleme nicht mehr entscheidbar sind. Für Baecker stellt die Etablierung von Formen, die Komplexität auf einfache Komplexität reduzieren, einen Ausweg aus dieser Unentscheidbarkeit dar. Einfache Komplexität bedeutet, daß die Kontingenz, also das immer auch anders möglich sein, aktuell verneint, gleichzeitig die potentielle Aufhebbarkeit dieser Verneinung aber mitrepräsentiert wird. Die Maßnahme der Kontingenznegation unter Vorbehalt funktioniert in der Organisation über Formen die erstens dafür sorgen, daß Mitglieder sich mit ihren Entscheidungen erreichen können, und zweitens die Mitglieder wissen lassen, welche Entscheidungen im Konfliktfall heranzuziehen sind, um weitere Entscheidungen zu ermöglichen. Solche Formen sind zb die Hierarchie und das Team. Sie ermöglichen die Etablierung einfacher Komplexität, die wiederrum Entscheidungen ermöglicht. Zusammenfassung Die doppelte Schließung und die einfache Komplexität der Organisation stellen Möglichkeiten dar, die Autopoiesis de Entscheidungen zu ermöglichen, die umgekehrt diese beiden Möglichkeiten erst möglich macht. Literatur Baecker, Dirk. 1999. Organisation als System. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas. 1990. Soziologische Aufklärung 5. Opladen: Westdt. Verlag. Luhmann, Niklas. 1987 [1984]. Soziale Systeme. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas. 1998 [1990]. Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas. 2000. Organisation und Entscheidung. Opladen: Westdt. Verlag. Schimank, Uwe. 1996. Theorien gesellschaftlicher Differenzierung. Opladen: Leske & Budrich. Hemma Mayrhofer: Zum Begriff der Hierarchie bei Dirk Baecker (1999) Was ist Hierarchie? eine spezielle Struktur, die es Organisationen ermöglicht, ihre Komplexität handhabbar zu machen eine Unterscheidung, sie unterscheidet allerdings nicht innen und außen, sondern oben und unten. Seite 3 von 5

Die Unterscheidung findet innerhalb der Organisation statt, alle an der Beziehung Beteiligten sind Mitglieder der Organisation. In der Unterscheidung von unten und oben kann sich die Organisation in einer von beiden Seiten getragenen und beide Seiten einschränkenden Beziehung ordnen. Hierarchie als eine Form einfacher Komplexität: Hierarchie ist eine Möglichkeit, die Komplexität einer Organisation auf einfache Komplexität zu reduzieren. Damit gibt sie sich zugleich als gewählte Einschränkung zu erkennen. Hierarchie reduziert die Komplexität der Organisation auf einfache Komplexität, indem die vertikale Kommunikation (also Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Nachgeordneten) hochgradig reguliert wird. Kommunikation unter Nicht-Gleichgestellten wird damit zur Entscheidung stilisiert, die entsprechend der hierarchischen Unterscheidung von oben nach unten in Form der Weisungskette erfolgt. (vgl. 1999:182) Exkurs zum Hierarchiebegriff bei Luhmann: Hierarchie ist Luhmann zufolge eine Form der Strukturierung von Entscheidungszusammenhängen, indem sie Kommunikationswege festlegt (vgl. 1988:176/77). Die klassische Hierarchie als Weisungskette von oben nach unten: Die Hierarchie wurde lange Zeit als ein Ordnungsinstrument betrachtet, in dem die hierarchische Spitze der Organisation Entscheidungen trifft und nach unten als bindende Weisungen kommuniziert. Die wechselseitige Konditionierung wird damit verdeckt. Dieses klassische Verständnis von Hierarchie wurde jedoch insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusehends in Frage gestellt. Die Möglichkeit der Infragestellung dieser Ordnung ergibt sich aus dem Konzept der einfachen Komplexität selbst: In der Reduktion auf einfache Komplexität bleibt die Komplexität nämlich sichtbar, und zwar in der Offenheit der nichthierarchischen und informalen Kommunikation auf horizontaler Ebene. Deren Bedeutung für Organisationen wurde im Zuge der Entdeckung von Teams und Netzwerken neu bewertet. Hierarchie als Voraussetzung für die horizontale Entscheidungsstruktur von (Projekt-)Teams: Das Team wird mitunter als Widerpart der Hierarchie gesehen, da es explizit auf horizontaler Kommunikation beruht. Baecker führt jedoch aus, dass das Team (insbesondere als Projektteam) seinerseits von der Hierarchie abhängig ist: (185) Projektteams erhalten ihre Weisungen und ihre Ressourcen von der Hierarchie Sie sind prinzipiell befristet. Die Reduktion auf einfache Komplexität findet durch folgenden Mechanismus statt: Die Hierarchie vergibt die Ressourcen Zeit, Personal und Kapital; die Teams müssen um diese Ressourcen konkurrieren. Sie beobachten daher die Hierarchie in Bezug auf die Kriterien, nach denen die Hierarchie entscheidet, welchen Teams mit welchen Produkten und welcher Ressourcenausstattung welche Zukunftsaussichten beigemessen werden können. Da das Team diesbezüglich von der Hierarchie beobachtet wird, ist es also darauf angewiesen, ihrerseits die Hierarchie zu beobachten und alle eigenen Entscheidungen im Kontext der Hierarchie zu situieren, zu evaluieren und zu reevaluieren (1999:188). Seite 4 von 5

Sekundäre Hierarchisierung als aktualisierte Form der Hierarchie: Baecker führt für diese organisationalen Veränderungen der letzten Jahrzehnte, die mit einer modifizierten Form von Hierarchie arbeiten, den Begriff der sekundären Hierarchisierung ein (1999:221). Diese ist weiterhin von der primären Hierarchisierung nach oben und unten abhängig, wird jedoch durch eine zusätzliche Hierarchisierung von Innen und Außen ergänzt. Das Problem der Wiedereinführung der Differenz von Innen und Außen in die Organisation kann nach Baecker dadurch gelöst werden, dass die Hierarchie Strukturen einrichtet, die zur Bewältigung ihrer eigenen Komplexität gezwungen sind, laufend ihre relevanten Umwelten auf Hilfestellungen, Störungen, Allianzen etc. hin zu beobachten (vgl. 1999:188). Die Errichtung von Projektteams innerhalb der Organisation ist solch eine Möglichkeit. Von oben kommt jedoch lediglich die Aufforderung, nach außen zu schauen, um sich anschließend innerhalb der Organisation umzuschauen, welche organisationseigenen Möglichkeiten der Antwort auf die Umweltanforderungen vorhanden sind. So wird strategische Planung, einst alleinige Aufgabe der Organisationsspitze, zum situativen Alltagsgeschäft tendenziell aller Organisationsmitglieder. Über die Struktur der Projektteams soll offensichtlich vermehrt Irritation aus der Umwelt zugelassen und im Organisationssystem verarbeitet werden. So gewinnt die Innen/Außen-Differenz an Prominenz, Organisationen können dadurch besser in die Lage versetzt werden, auf Überraschungen ihrer Umwelt zu reagieren. Die Gestaltung dieser Lösung ist allerdings das nächste Problem: Man hat nur das eigene Personal, um Überraschungen nicht nur zu identifizieren, sondern auch eine kreative und innovative Antwort auf sie zu finden (vgl. 1999:225). Teamarbeit will gelernt sein!!! Die spezielle systemtheoretische Perspektive Baeckers: Baecker wählt eine relativ abstrakte Perspektive auf Hierarchie: Ihn interessieren nicht mögliche Rangverhältnisse zwischen Personen und daraus resultierende Abhängigkeiten, vielmehr richtet er sein Augenmerk auf die Funktion von Hierarchie auf der Ebene der Organisationssysteme (und nicht der Mitglieder dieser Systeme) Hierarchie wird zu einer Struktur, die das Weiterbestehen (die Viabilität) von Organisationen durch das Koordinieren von Entscheidungen sichern kann. (vgl. 1999:210 f) Literatur: Baecker, Dirk (1999); Organisation als System. Frankfurt am Main: Suhrkamp Luhmann, Niklas (1988); Organisation. In: Küpper, Willi/Orgmann, Günther (Hg.); Mikropolitik, Rationalität, Macht und Spiele in Organisationen. Opladen: Westdt. Verlag Luhmann, Niklas (2000); Organisation und Entscheidung. Opladen: Westdt. Verlag Seite 5 von 5