Statistisches Bundesamt (Hrsg.) In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA) Datenreport 24 Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland Zweite, aktualisierte Auflage Auszug aus Teil 2 Bundeszentrale für politische Bildung
1 Zeitverwendung Wenn man von Wohlstand in modernen Gesellschaften spricht, wird zunehmend nicht nur der ökonomische Wohlstand, der Besitz von materiellen Gütern, diskutiert, sondern auch der Besitz eines wichtigen immateriellen Gutes, nämlich der Zeit. Bereits in den klassischen Wohlfahrtskonzepten, in denen die individuelle und gesellschaftliche Lebensqualität im Vordergrund steht, wird die Verfügbarkeit von Zeit als wichtiger Indikator thematisiert. In der öffentlichen Diskussion der vergangenen Jahre hat sich zunehmend der Begriff des»zeitwohlstands«etabliert, mit dem abgeleitet aus der Ökonomie ein Aspekt von Lebensqualität umschrieben wird. Zwar ist die Diskussion noch in den Anfängen, aber es ist durchaus vorstellbar, was»zeitwohlstand«oder»zeitarmut«bedeuten kann. Vor allem vor dem Hintergrund des deutlichen Rückgangs der durchschnittlichen tariflichen Arbeitszeit in den vergangenen vierzig Jahren von rd. 44 Stunden 196 in den alten Ländern auf rd. 37 Stunden 21 (im Osten rd. 39 Stunden) (vgl. Teil I) stellt sich die Frage, wie die verbleibende Zeit genutzt wird und warum sich angeblich immer mehr Menschen in ihrem Alltag gestresst oder gehetzt fühlen. 1.1 Die Zeitverwendung der Deutschen Seit einigen Jahren gibt es für das Thema Zeitverwendung in Deutschland umfangreiche Informationen aus den vom Statistischen Bundesamt in den Jahren 1991/92 und 21/2 durchgeführten Zeitbudgeterhebungen. Im Rahmen dieser Erhebungen wurden jeweils rd. 35 Tagebücher erstellt, in denen die Befragten im 5- bzw. 1- Minuten-Takt angaben, welche Aktivitäten sie über den Tag verteilt ausübten. Dadurch wurde es erstmals möglich, systematisch die Zeitverwendung der Deutschen zu untersuchen. Da die Erwerbsarbeit (sofern sie ausgeübt wird) das strukturierende Merkmal der alltäglichen Zeitverwendung darstellt und für diese Aktivität üblicherweise die höchste Form von Verpflichtung besteht, ist es erforderlich, in den Analysen zwischen Erwerbstätigen und nicht Erwerbstätigen zu unterscheiden. Die alltägliche Arbeitszeit wird oftmals auch als»pflock«beschrieben,»um den herum«die anderen Aktivitäten arrangiert werden müssen. In Abbildung 1 wurde die alltägliche Zeitverwendung der 1991/92 und 21/2 befragten Erwachsenen danach unterschieden, ob sie an Wochentagen Vollzeit erwerbstätig waren oder nicht. Vollzeiterwerbstätige verwandten 21/2 an einem Werktag knapp 1 Stunden für Schlaf und Regeneration, knapp ein Drittel des Tages war durch die Erwerbsarbeit gebunden und für Haushalt und Familie wurde mit rd. zwei Stunden ähnlich viel Zeit verwendet wie für die. Im Vergleich zu 1991/92 wurde etwas weniger 545
Zeit für die Erwerbsarbeit sowie für Haushalt und Familie, dagegen etwas mehr Zeit für, soziales Leben und Qualifikation/Bildung verwendet. Allerdings fallen die Veränderungen zwischen den beiden Erhebungsjahren relativ gering aus. Nicht erwerbstätige Erwachsene wandten dagegen 21/2 an einem Werktag deutlich mehr Zeit für Schlafen und Regeneration (über 11 Stunden) auf und beschäftigten sich in der restlichen Zeit vorwiegend mit Tätigkeiten für den Haushalt und die Familie (über fünf Stunden), gefolgt von der (über drei Stunden). Wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, sinkt an Werktagen mit zunehmendem Umfang der Erwerbstätigkeit zum einen systematisch die Zeit, die für Schlaf und Regeneration verbleibt, zum anderen aber auch der Zeitanteil, der für Haushaltstätigkeiten, Familie und eingesetzt wird. Der Zeitanteil für andere Aktivitäten, wie z. B. für soziales Leben (Gespräche, Besuche, soziale Kontakte) und Unterhaltung (Kino, Theater usw.), ehrenamtliche Tätigkeiten und informelle Hilfe (z. B. Kinderbetreuung für andere Haushalte), Teilnahme an sportlichen Aktivitäten, Hobbys und Spielen sinkt an Werktagen ebenfalls kontinuierlich in dem Maße, in dem der Umfang der Erwerbsarbeit Abb. 1a: Zeitaufwand für verschiedene Aktivitäten an einem Werktag Erwachsene 1991/1992 Persönlicher Bereich/Schlaf 9:24 11:8 Erwerbstätigkeit Qualifikation/ Bildung :12 :14 :46 8:5 2:24 5:32 :17 :34 :19 :32 1:14 1:55 in Stunden: Minuten :12 :24 1:51 2:57 Vollzeit Erwerbstätige Nicht Erwerbstätige 12 Datenbasis: Zeitbudgeterhebungen des Statistischen Bundesamtes. 546
Abb. 1b: Zeitaufwand für verschiedene Aktivitäten an einem Werktag Erwachsene 21/22 Persönlicher Bereich/Schlaf 9:43 11:23 Erwerbstätigkeit Qualifikation/ Bildung :8 :11 :29 7:31 2:1 5:7 :16 :31 1:25 1:55 :21 :34 :14 :28 Vollzeit Erwerbstätige Nicht Erwerbstätige 2:3 3:15 in Stunden: Minuten 12 Datenbasis: Zeitbudgeterhebungen des Statistischen Bundesamtes. zunimmt. Dieses Muster zeigt, dass die Erwerbstätigkeit maßgeblich den Alltag der Befragten strukturiert und von diesen Verpflichtungen für die Erwerbsarbeit die Freiräume für alle anderen Aktivitäten abhängig sind. 1.2 Zeit für Haushalt und Familie und Zeit für Besonders deutlich werden die Unterschiede zwischen Erwerbstätigen und nicht Erwerbstätigen sowie zwischen Männern und Frauen in zwei Bereichen der Aktivitäten: erstens der Haushaltsführung und Betreuung der Familie sowie zweitens der. Hier lassen sich in nahezu unveränderter Deutlichkeit im Zeitverlauf die unterschiedlichen Rollenmodelle der Geschlechter erkennen. Dies verdeutlicht auch Abbildung 2, in der die Zeitverwendung nach Umfang der Erwerbstätigkeit für 547
Tab. 1: Zeitverwendung für bestimmte Aktivitäten nach Werktagen und Wochentagen sowie nach Umfang der Erwerbstätigkeit (in Stunden und Minuten) Aktivität in Stunden: Montag bis Freitag Erwachsene nach Umfang der Erwerbstätigkeit Vollzeit Teilzeit Geringfügig Aktivität in Stunden: Samstag und Sonntag Erwachsene nach Umfang der Erwerbstätigkeit Nicht Vollzeit Teilzeit Geringfügig Mittelwert Schlaf, persönlicher Bereich 9:43 1:17 1:43 11:23 11:58 11:56 11:52 12:3 Erwerbstätigkeit 7:31 4:17 1:35 :8 1:13 :58 :42 :2 Qualifikation/Bildung :11 :1 1:8 :29 :7 :5 :22 :1 Haushaltsführung/ Betreuung der Familie 2:1 4:39 4:43 5:7 2:6 4:7 3:29 3:38, informelle Hilfe :16 :17 :33 :31 :27 :28 :27 :29 und Unterhaltung 1:25 1:33 1:58 1:55 2:49 2:4 2:59 2:38 Teilnahme an sportlichen Aktivitäten :21 :23 :27 :34 :44 :45 :43 :46 Hobbys und Spiele :14 :14 :22 :28 :27 :18 :26 :3 Massenmedien 2:3 2:1 2:24 3:15 3:2 2:3 2:46 3:3 Datenbasis: Zeitbudgeterhebung des Statistischen Bundesamtes 21/22. Nicht Männer und Frauen an Werktagen und Wochenendtagen dargestellt wird. Während der Zeitaufwand für Hausarbeit und Familienbetreuung bei Männern an Werktagen sich von 1:53 Stunden (Vollzeit erwerbstätig) mit abnehmender Erwerbstätigkeit auf 4 Stunden (nicht erwerbstätig) erhöht, so steigt er bei Frauen von einem bereits deutlich höheren Ausgangswert von 2:42 Stunden (Vollzeit erwerbstätig) auf 5:51 Stunden, wenn sie nicht erwerbstätig sind. Dies ist damit verbunden, dass nicht wenige Frauen besonders in den alten Bundesländern (vgl. auch Teil I, Kap. 3.3) auf eine (Vollzeit-) Erwerbstätigkeit verzichten, um über mehr Zeit für die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung zu verfügen. Auch am Wochenende verwenden Frauen insbesondere nicht erwerbstätige Frauen mehr Zeit für die Haushaltsführung und die Betreuung der Familie als Männer (vgl. Abb. 2). Vollzeit erwerbstätige Männer investieren zwar ebenfalls am Wochenende mehr Zeit in den Haushalt und die Familie sowie für soziale Kontakte als an Werktagen, allerdings reicht dies gerade an den Zeitumfang heran, den Vollzeit erwerbstätige Frauen an Werktagen dafür aufwenden. Man kann somit durchaus bei Vollzeit erwerbstätigen Männern eine Kompensation der an Werktagen nicht möglichen Aktivitäten für Haushalt und Familie sowie für soziale Kontakte am Wochenende erkennen. Dennoch bleiben die geschlechtsrollenspezifischen Muster auch an den Wochenendtagen klar erhalten. Abbildung 2 zeigt ebenfalls, dass Männer an Werktagen und an Wochenendtagen mehr Zeit für verwenden als Frauen (an Wochenenden bis zu einer 548
Stunde mehr). Neben der Zeit für Arbeit ist dies die zeitintensivste Aktivität von Männern. Ein Anstieg der erfolgt ähnlich wie bei den Haushalts- und Familienaktivitäten ebenfalls umgekehrt proportional zum Umfang der Verpflichtungen für die Erwerbsarbeit. Differenziert man innerhalb der beiden großen Aktivitätsbereiche und weiter nach Einzelaktivitäten sowie nach Alter und Geschlecht (vgl. Abb. 3 und Abb. 4), so zeigt sich für die Haushalts- und Familienaktivitäten, dass vorwiegend nach dem 25. Lebensjahr, d. h. in der Zeit, in der eine Vielzahl von Personen in Partnerschaft und Familie leben, der Zeitaufwand für Haushaltsaktivitäten deutlich ansteigt. Bei Männern steigt er von rd. 45 Minuten auf 1:82 Stunden, bei Frauen von 1:3 Stunden auf vier Stunden, wobei in der Altersgruppe der 25- bis unter 45-jährigen Frauen die Kinderbetreuung mit rund einer Stunde die zeitintensivste Ak- Abb. 2a: Zeitaufwand für verschiedene Aktivitäten nach Geschlecht und Erwerbsarbeit Werktage Vollzeit Erwerbstätige 1:53 2:42 :19 :11 1:21 1:33 :2 :22 :15 :11 2:1 1:48 Nicht Erwerbstätige :35 :29 4: 5:51 :39 :31 :36 :23 1:54 1:56 3:46 2:9 Männer Frauen in Stunden:Minuten 12 Datenbasis: Zeitbudgeterhebung 21/2 des Statistischen Bundesamtes. 549
Abb. 2b: Zeitaufwand für verschiedene Aktivitäten nach Geschlecht und Erwerbsarbeit Wochenende Vollzeit Erwerbstätige Nicht Erwerbstätige :29 :21 :45 :41 :29 :23 2:45 3:3 2:47 2:52 3:14 2:39 2:39 4:16 in Stunden:Minuten :31 :29 :51 :43 :38 :25 2:43 2:35 3:7 4:5 Männer Frauen 12 Datenbasis: Zeitbudgeterhebung 21/2 des Statistischen Bundesamtes. tivität innerhalb der Haushalts- und Familienaktivitäten darstellt. Weitere zeitintensive Aktivitäten sind vor allem für Frauen die Zubereitung von Mahlzeiten, die ab dem 25. Lebensjahr an Werktagen mit rund einer Stunde zu Buche schlägt, wobei dieser Aufwand mit zunehmendem Alter auf 1:31 Stunden ansteigt. Die zeitintensivste Tätigkeit von Männern für Haushalt und Familie ist das Einkaufen. Auffallend ist, dass die Zunahme des Zeitaufwands für Haushalts- und Familienaktivitäten für Frauen in der Altersgruppe der 25- bis 45-Jährigen einsetzt, für Männer aber offensichtlich erst nach dem 65. Lebensjahr, d. h. mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben, die Hausarbeit zu einer wichtigen Aktivität wird. Eine partnerschaftliche Aufteilung dieser Aufgaben findet somit erst nach dem Eintritt ins Rentenalter statt. Dass der höhere Zeitaufwand der Männer für in erster Linie auf einen höheren Fernsehkonsum zurückzuführen ist, zeigt Abbildung 4. Allerdings wird hier 55
Abb. 3: Haushalts- und Familienaktivitäten nach Geschlecht und Altersgruppen 21/22 Zubereitung von Mahlzeiten 6 12 8 17 18 58 24 75 42 91 Instandhalten von Haus und Wohnung 13 18 11 21 17 48 25 54 4 61 Wäschepflege u. Ä. 1 3 3 5 2 5 25 36 43 Gartenarbeit 7 1 5 8 11 16 3 27 33 46 Einkaufen 13 2 19 32 24 41 38 5 49 5 Kinderbetreuung 2 2 3 1 2 9 62 5 2 in Minuten 1-18 Jahre 18-25 Jahre 25-45 Jahre 45-65 Jahre 65 Jahre u. ä. Männer Frauen Datenbasis: Zeitbudgeterhebung 21/2 des Statistischen Bundesamtes. Abb. 4: an Werktagen nach Geschlecht und Altersgruppen 21/22 Lesen 18 26 16 22 24 28 41 41 56 7 Fernsehen/Video 16 96 92 116 15 17 78 78 11 13 Radio/Musik 8 11 7 9 3 3 5 3 7 6 Computer 11 7 15 31 16 6 13 4 1 2 in Minuten 1-18 Jahre 18-25 Jahre 25-45 Jahre 45-65 Jahre 65 Jahre u.ä. Männer Frauen Datenbasis: Zeitbudgeterhebung 21/2 des Statistischen Bundesamtes. 551
auch deutlich, dass Computer ebenfalls häufiger von Männern genutzt werden, wobei die Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen Männer mit mehr als einer halben Stunde Computernutzung diejenige Gruppe darstellt, die im Alltag am meisten Zeit mit dieser Beschäftigung verbringt. Dagegen scheinen die jüngeren Frauen etwas mehr zu lesen als ihre männlichen Altersgenossen, wobei insgesamt betrachtet Männer im Rentenalter die lesefreudigste Gruppe darstellen. 1.3 Die Zufriedenheit mit der Zeitverwendung Um die tatsächlich im Alltag stattfindende Zeitverwendung danach zu beurteilen, ob sie den Wünschen und Vorstellungen der Menschen entspricht, d. h. ob man sich in manchen Bereichen mehr Zeit wünscht oder der Meinung ist, dass man für manche Aktivitäten zu viel Zeit verbringt, muss zusätzlich die Bewertung der Befragten herangezogen werden. Es zeigt sich, dass über 4 % der Befragten der Ansicht sind, dass sie im Alltag zu wenig Zeit für ihre persönliche Freizeit und die Pflege ihrer freundschaftlichen Kontakte finden (vgl. Abbildung 5), wobei besonders Vollzeiterwerbstätige diese Einschätzung abgeben (66 %). Bemerkenswert ist, dass nur knapp 4 % der Männer und knapp 3 % der Frauen der Ansicht sind, dass der Zeitaufwand, den sie für Erwerbsarbeit leisten,»gerade richtig«sei. Immerhin ein Viertel der Männer meint, zuviel Zeit für Arbeit zu verwenden, während dieser Ansicht rd. 16 % der Frauen sind, zugleich aber auch knapp 1 % der Frauen gerne mehr arbeiten würden. Hier scheint das Ungleichgewicht der Verteilung der Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern, das dem traditionellen Rollenverständnis entspricht, von beiden Seiten kritisch beurteilt zu werden. Unter denjenigen, in deren Haushalt Kinder leben, ist knapp die Hälfte der Männer und ein Viertel der Frauen der Meinung, zu wenig Zeit für Kinder zu haben. Hier schlägt sich die unterschiedliche Zuständigkeit für die Kinderbetreuung im Alltag nieder, und auch hier klagen besonders Vollzeiterwerbstätige (rd. 6 %) über zu wenig Zeit für die Kinder. Umgekehrt sind besonders Männer (rd. ein Viertel) und darunter Vollzeiterwerbstätige (43 %) der Ansicht, dass sie zu viel Zeit für den Beruf verwenden, was darauf hindeutet wie auch andere Studien ergeben haben, dass es ein gewisses Potenzial für Arbeitszeitreduzierungen oder Modelle des Job-Sharing u. Ä. geben könnte. Umgekehrt würden immerhin knapp 1 % der Frauen und knapp 16 % der Teilzeiterwerbstätigen gerne mehr arbeiten, was auf eine bekannte Ungleichverteilung der Erwerbsarbeit hindeutet: Eine große Gruppe von Menschen arbeitet nach diesen Daten mehr als sie eigentlich möchte und eine andere Gruppe von Menschen würde gerne mehr (oder überhaupt) einer Erwerbsarbeit nachgehen. Mehr Zeit für den/die (Ehe-)Partner/in rangiert bei Frauen, die in Partnerschaft leben, dicht hinter dem Wunsch nach mehr persönlicher Freizeit und mehr Zeit für Freunde (rd. 4 %). Etwa 4 % der Männer mit Familie wünschen sich mehr Zeit für die Partnerin sowie für Freunde und persönliche Freizeit. Mehr Zeit für Kinder zu haben (rd. 5 %) ist jedoch für sie der vordringlichste Wunsch. Es ist zu erkennen, dass (Vollzeit erwerbstätige) 552
Abb. 5: Einschätzung des eigenen Zeitaufwandes für bestimmte Aktivitäten 21/22 Männer Beruf/Ausbildung Hausarbeit Persönliche Freizeit (Ehe-)Partner/in Kinder Freunde Frauen Beruf/Ausbildung Hausarbeit Persönliche Freizeit (Ehe-)Partner/in Kinder Freunde Zu wenig Gerade richtig Zu viel Trifft nicht zu in % 7 38 25 31 28 54 6 13 44 49 6 1 31 4 1 28 24 25 1 5 44 49 1 6 8 2 6 67 9 29 16 46 22 6 14 4 43 51 4 1 25 34 1 39 17 32 2 49 43 5 1 6 7 2 4 7 Datenbasis: Zeitbudgeterhebung 21/22 des Statistischen Bundesamtes. Männer vor allem die mangelnde Zeit für familiäre Aktivitäten beklagen. Allerdings muss an dieser Stelle auf die Diskrepanz zwischen den Klagen der Männer über zu viel Zeitaufwand für Arbeit bzw. zu wenig Zeit für Partnerschaft und Kinder und gleichzeitig die geringe Teilhabe von Männern an Teilzeitarbeit oder Erziehungsfreistellung hingewiesen werden. Was überraschend erscheinen mag, ist die Tatsache, dass nicht nur die Mehrheit der Männer, sondern auch die Mehrheit der Frauen der Ansicht ist, dass der Zeitaufwand für Hausarbeit gerade richtig sei. Allerdings würden rd. 14 % der Frauen (18 % der Teilzeiterwerbstätigen, 29 % der Frauen in Paarhaushalten mit Kind) diese Tätigkeiten gerne reduzieren, woran zu erkennen ist, dass bei einer Kumulation der Aufgaben, wie sie bei Teilzeit erwerbstätigen Müttern zu beobachten ist (»Doppel- bzw. Mehrfachbelastung«), die Hausarbeit zu den Aufgaben zählt, die man gerne reduzieren würde. Von»Zeitarmut«im Sinne von zu viel Zeit für bestimmte Aktivitäten und zu wenig Zeit für andere Aktivitäten scheinen vor allem Vollzeiterwerbstätige und darunter Männer 553
und Frauen mit Familie betroffen zu sein. Wenn man umgekehrt unter»zeitwohlstand«versteht, dass viele Befragte angeben, der Zeitaufwand für die genannten Aktivitäten sei»gerade richtig«, dann scheint dieses Ziel nach Beendigung der Erwerbsarbeit eher realisierbar zu sein, da unter den Rentner/innen diese Anteile mit Abstand am höchsten sind. Die häufig praktizierte (männliche) Vollzeiterwerbstätigkeit bzw. (weibliche) Teilzeiterwerbstätigkeit führt dazu, dass die sozialen Kontakte und familiären Aktivitäten offensichtlich zu kurz kommen. Da durch verlängerte Ausbildungszeiten und früher einsetzende Verrentung (Altersteilzeitmodelle, vorzeitiger Ruhestand) die so genannte»rush hour of life«, in der die Erwerbs- und die Familienphase zusammentreffen, immer kürzer geworden ist, scheint eine Lösung dieses Dilemmas nur durch neue Arbeitszeitmodelle und ein Umdenken auf dem Arbeitsmarkt realisierbar. (Caroline Kramer) Weitere Informationen zum Thema Zeit siehe Teil I, Kap. 6, zum Thema Teil I, Kap. 4.6. 554