Interreligiöse Kompetenz in der Flüchtlingshilfe und unser Umgang mit Rechtspopulisten Theologisch-ethische Anmerkungen Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 1
Interreligiöse Kompetenz in der Flüchtlingshilfe und unser Umgang mit Rechtspopulisten (1) Vorbemerkungen (2) Warum interreligiös kompetent? (3) Wie interreligiös kompetent? (4) Rechtspopulistisch?! (5) Wie begegnen? Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 2
(1) Was ist interreligiöse Kompetenz interreligiöse Kompetenz gelegentlich auch: interreligiöses Lernen, interreligiöser Dialog Sonderform von interkultureller Kompetenz Arbeitsdefinition: Fähigkeit sich im Dialog mit anderen Religionen und vor allem in der Begegnung mit Andersgläubigen achtsam, auskunftsstark und angemessen zu bewegen. umfasst Wissen, Handeln, persönliche Grundeinstellung Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 3
(2) Warum interreligiös kompetent? Drei Gründe 1. alltagspraktisch: Neugier : Warum machen/denken/fühlen/feiern die das? Kennen und Verstehen lernen um meiner selbst willen 2. theologisch: Strahl jener Wahrheit ( ), die alle Menschen erleuchtet (NA 2) Der Dialog [der Religionen, ALH] hat einen Platz im Heilsauftrag der Kirche; deshalb ist er ein Heilsdialog. (Joh.Paul. II) Dialog mit den anderen Religionen vertieft den eigenen Glauben Kennen und Verstehen lernen um unser aller und darin um Gottes willen Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 4
(2) Warum interreligiös kompetent? 3. humanitär: Vermutung: Religiöse Bindung als wichtige Ressource für die Lebensführung Fluchterfahrung: Entwurzelung, Traumatisierung, Sehnsucht nach Resten von Stabilität usw. Kennen und Verstehen lernen um des Flüchtlings willen Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 5
(2) Warum interreligiös kompetent? Letztlich: Interreligiöse Kompetenz kein (intellektueller) Selbstzweck sondern Beitrag allgemein: zur Humanisierung der Welt besonders: zum Heimischwerden von Flüchtlingen in einer für sie befremdlichen Welt Interreligiöse Kompetenz im Kontext der Flüchtlingshilfe folgt auf Grund der Notsituation der Geflüchteten (zunächst) vorrangig dem humanitären Grund Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 6
(3) Wie interreligiös kompetent? Leitziel: Befähigung für Begegnungen, in denen ein Hören aufeinander und ein Lernen voneinander möglich wird, das zur Entgrenzung und Bereicherung der Horizonte auf beiden Seiten führt (Lähnemann) Notwendigkeit dialogischen Lernens Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 7
(3) Wie interreligiös kompetent? Vier Dimensionen/Ebenen des Dialoges der Religionen (nach Päpstlicher Rat für InterreligiösenDialog (1992) Dialog und Verkündigung) Dialog des Lebens (Leben teilen: Freude und Hoffnung, Trauer und Angst ) Dialog des Handelns (Engagement für eine humane Entwicklung von Welt und Gesellschaft) Dialog des theologischen Austausches (wechselseitiges Verstehen vertiefen) Dialog der religiösen Erfahrung (Sensibilität und Bestärkung aus spirituellem Reichtum) Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 8
(3) Wie interreligiös kompetent? Grundhaltungen interreligiöser Dialoge (nach Karl Lehmann 2002) sich gegenseitig grundsätzlich als Ebenbürtige unter Ebenbürtigen akzeptieren; schlüssig darlegen, warum es Religionen gibt und warum Religionen dienlich sind; sich immer auch im praktischen Handeln zum Wohle der Menschen bewähren; sich selbst auf das Auseinanderfallen von Anspruch und Wirklichkeit kritisch überprüfen indirekt auch Kriterien, wo der Dialog zum in Diskurs (kritische Auseinandersetzung) werden, ggf. sogar zur Zurückweisung führen muss Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 9
(4) Rechtspopulistisch?! Rechtspopulismus unscharfer Begriff Übergang zu Rechtsextremismus fließend Arbeitsdefinition: rechts(extreme) Einstellungen, Kern: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) Bestreitung Gleichheit aller Menschen Abwertung Anderer, Fremder über Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 10
(4) Rechtspopulistisch?! Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) (als Kern rechtspopulistischer Einstellungen) abwertende Einstellungen und Vorurteile gegenüber solchen Gruppen ( ), die als anders oder unnormal definiert werden denen ein untergeordneter sozialer Status zugewiesen wird (Zick et al 2011) Ideologie der Ungleichwertigkeit Andockpunkt für rechtsextreme Einstellungen: Gehäufte Verknüpfungen mit Autoritarismus Soziale Dominanzorientierung Ablehnung von Diversität Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 11
(4) Rechtspopulistisch?! Dimensionen (u.a. nach Zick et al 2011) Ausländerfeindlichkeit ( Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen. ) Rassismus/Sozialdarwinismus ( Wie in der Natur sollte sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen. ) Antisemitismus ( Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß. ) Islamfeindlichkeit ( Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land. ) Antiziganismus ( Sinti und Roma neigen zur Kriminalität. ) Sexismus ( Frauen sind von Natur aus das schwächere Geschlecht und bedürfen der schützenden Hand eines starken Mannes. ) Homophobie ( Homosexuelle verkehren die Natur und suchen deshalb auch junge Menschen. ) Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 12
(4) Rechtspopulistisch?! Verschiedene Erklärungsansätze Kompensation von Ohnmachtserfahrungen durch fremdaggressives Verhalten (Heitmeyer et al) Soziale und politische Deprivation Subjektives Bedrohungsgefühl und Orientierungslosigkeit Überforderung in moderner Lebenswelt Autoritäre Reaktionen tief Verunsicherter (Oesterreich; Decker et al) Mangel an Krisen-und Konfliktbewältigungskompetenz Mangelnde soziale und politische Resilienz Autoritärer Charakter (Horkheimer, Adorno, Fromm) Führer und Geführte: Unfähigkeit, auf sich selbst zu stehen, unabhängig zu sein, oder, um es anders auszudrücken, die Freiheit zu ertragen. braucht andere Menschen, um sich mit ihm zu verschmelzen, weil er, für sich selbst, seine Isoliertheit und Angst nicht ertragen könnte Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 13
(4) Rechtspopulistisch?! Verbreitung von tiefgreifenden Verunsicherungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft in einer Gesellschaft der Angst (Bude) Angst vor dem Scheitern Scheitern als Nichterfüllung von Aufstiegsversprechungen moderner Gesellschaften Angst vor dem möglichen Absturz in die Marginalität der Exkludierten Kompensation tiefgreifender Ängste gesteigerte Sicherheitsbedürfnisse: Angst vor der eigenen Exklusion schürt das Verlangen nach der Exklusivität sozialer Sicherheiten für die Angehörigen der eigenen Gruppe Fundamentalistische Versuchungen einfacher Lösungen: ideologische Reduktion tatsächlich komplexer Sachverhalte auf simpelste Formulierungen, die scheinbar alle Differenzen und Spannungen aus der Welt schaffen (Auchter) Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 14
(5) Wie begegnen? Zurückweisung durch das unerschrockene Wort die solidarische Tat Ansätze Vertrauen in andere Menschen (nahbereichliche Solidaritäten, starkes Wir usw.) Gefühl, Freundschaften schließen zu können Selbstwirksamkeitserfahrungen in gelebter Demokratie Leibhafte Kontakte mit Fremden ( Anderen ) Positive Grundhaltung und Erfahrungsräume für Diversität/Vielfalt Nb. Empirisch wenig ergiebig Religionen (wg. hoher Ambivalenz) Allgemeine Werthaltungen, die Sicherheit und universelle Normen betonen Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl 15