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Transkript:

Per E-Mail an: finanzausschuss@bundestag.de Deutscher Bundestag Herrn Dr. Volker Wissing MdB Vorsitzender des Finanzausschusses Platz der Republik 1 11011 Berlin Aktenzeichen Telefon Telefax E-Mail Datum See/Ro 21-12-001-01-01/10 S 07/10 030/27876-2 030/27876-799 dstv.berlin@dstv.de 02.07.2010 Öffentliche Anhörung zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU und FDP, BT-Drucksache 17/1755 dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, BT-Drucksache 17/1411 dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 17/1149 und dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 17/1765 zur Frage der Bekämpfung der Steuerhinterziehung Sehr geehrter Herr Dr. Wissing, sehr geehrte Damen und Herren, wir bedanken uns für die Gelegenheit, zu den genannten Anträgen Stellung nehmen zu können. Gerne kommen wir dieser Möglichkeit nach und freuen uns, unsere Positionen auch im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 7. Juli 2010 persönlich zu erläutern. A. Selbstanzeige 1) Abschaffung der Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige (BT-Drucks. 17/1411) Der Deutsche Steuerberaterverband e.v. (DStV) lehnt Überlegungen ab, die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß 371 AO zu streichen.

Die derzeit geführte Diskussion derartiger Pläne steht stark unter dem Eindruck der Vielzahl von Selbstanzeigen im Zusammenhang mit der Aufdeckung von bisher nicht versteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen aus Vermögenswerten, insbesondere der Schweiz und Liechtenstein. Das Ausmaß der hierdurch verursachten Schäden ist in der Tat erschreckend und verlangt eine konsequente Verfolgung der Straftaten. Darüber hinaus machen diese Fälle deutlich, wie wichtig eine funktionierende internationale Zusammenarbeit der Finanzbehörden ist. Jedoch rechtfertigt dies aus den nachfolgenden Gründen keine Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht. (a) Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt! Es wird immer wieder behauptet, Steuerhinterziehung wird in der Bevölkerung als Kavaliersdelikt wahrgenommen. Diese Behauptung ist zurückzuweisen. Bereits der Strafrahmen des 370 Abs. 1 AO macht deutlich, dass hiervon keine Rede sein kann. 370 Abs. 1 AO besitzt eine Strafandrohung von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe und gehört damit zu den mittelschweren Straftaten wie etwa Diebstahl ( 242 StGB) oder Betrug ( 263 StGB). Ebenso wie diese handelt es sich um Vergehen (kein Verbrechen; 12 Abs. 2 StGB), dass ebenso wie Diebstahl und Betrug nicht zu bagatellisieren ist. Darüber hinaus sieht 370 Abs. 3 AO durch die Benennung von Regelbeispielen einen nicht abschließenden Katalog von besonders schweren Fällen vor, die im Falle der Bejahung durch das Gericht den Strafrahmen erhöhen. Dieser sieht vor, dass ausschließlich auf Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren erkannt werden darf, wobei nicht wahlweise auf Geldstrafe erkannt werden kann. Durch die Mindeststrafe von 6 Monaten ist darüber hinaus auch die Verhängung einer Ersatz-Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe ausgeschlossen; 47 Abs. 2 Satz 1 StGB. In seinem Urteil vom 2.12.2008 (1 StR 416/08) hat der 1. Strafsenat weiterhin grundlegende Ausführungen zur Strafzumessung gemacht. Die in diesem Urteil des höchsten deutschen Strafgerichts aufgestellten Strafzumessungsregeln unterstreichen deutlich, dass von einem Kavaliersdelikt nicht gesprochen werden kann. So ist bei einem Verkürzungserfolg von mehr als 1 Mio. Euro regelmäßig Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verhängen.

(b) Strafbefreiende Selbstanzeige als systemdurchbrechende Privilegierung? Ferner wird wiederholt von Kritikern der Möglichkeit einer Selbstanzeige behauptet, deren Existenz nehme der Steuerhinterziehung die Schärfe des Gesetzes und trage zu der Klassifizierung als Kavaliersdelikt bei. Hierzu ist anmerken, dass ein Vorlagebeschluss des Amtsgericht (AG) Saarbrückens zur Verfassungsmäßigkeit des 371 AO an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als unzulässig verworfen wurde, weil das AG nicht hinreichend die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm erkennen ließ; Urteil v. 28.6.1983, BVerfGE 64, S. 251. Die vom AG Saarbrücken bemühten Argumente gehen nach Ansicht des DStV jedoch auch fehl. So wurde angeführt, dass es den Grundregeln des Strafrechts und der materiellen Gerechtigkeit widerspreche, wenn sich ein Steuerhinterzieher freikaufen könne. Hierin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG). Bei genauerer Prüfung lassen sich ohne weiteres trotz der fehlenden materiellen Entscheidung durch das BVerfG Sachgründe für eine Selbstanzeige finden. Zunächst ist zu betonen, dass es im Interesse der Allgemeinheit liegt, dass bisher nicht bekannte Steuerquellen vom Fiskus erfasst werden. Denn hierdurch werden gerade die steuerehrlichen Bürger entlastet. Im Übrigen gibt es eine vergleichbare Norm im Parteiengesetz ( 23b Abs. 2 PartG). Es kann daher keine Rede von einer besonderen Privilegierung von Steuerhinterziehern sein. (c) Schutz vor Selbstbelastung durch Selbstanzeige Allerdings ist zuzugeben, dass der Fiskalzweck also die Erschließung unbekannter Steuerquellen allein nicht geeignet ist, den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch zu rechtfertigen. Jedoch erschöpft sich die Funktion der Selbstanzeige im Steuerrecht gerade nicht in der vorbezeichneten Fiskalfunktion. Vielmehr ist als ein weiterer und entscheidender Rechtfertigungsgrund der Aspekt der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu nennen. Es ist anerkannt, dass ein normgerechtes Verhalten unzumutbar ist, wenn es dazu führt, dass sich der Betroffene selbst einer Straftat bezichtigen muss. Damit ist der als Teil der Menschenwürde verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare betroffen.

Dieser Aspekt der Selbstanzeige als Brücke zur Steuerehrlichkeit als eigenständiger und gewichtiger Rechtfertigungsgrund des 371 AO soll nachfolgend erläutert werden. Bei einer Vielzahl von Delikten ist eine Rückkehr zu einem gesetzmäßigen Verhalten ohne weiteres möglich. Wer etwas gestohlen hat, kann sich künftig rechtstreu verhalten, indem er einfach weitere Diebstähle unterlässt. Wer nach einer Begehung einer Steuerhinterziehung beispielsweise durch Anlage von Kapital im Ausland und der Nichtdeklaration der Kapitaleinkünfte in der Steuerklärung künftig seiner Steuerpflicht wieder genügen will, ist dagegen häufig gezwungen, sich gegenüber der Steuerbehörde einer Straftat zu bezichtigen. Denn das Besteuerungsverfahren ist vom Grundsatz der Wahrheitspflicht geprägt; vgl. 150 Abs. 2 S.1 AO. Eine zutreffende Deklaration der Kapitaleinkünfte in den Folgejahren wird nicht selten die Frage des Finanzamtes provozieren, wodurch diese erhöhten Einnahmen zu erklären sind. Wird diese Frage zutreffend vom Steuerpflichtigen beantwortet (wozu er verpflichtet ist), bezichtigt er sich damit selbst einer Straftat im Vorjahr (in den Vorjahren). Dem Nemo-tenetur-Grundsatz trägt im Übrigen das Besteuerungsverfahren in 393 Abs.1 AO nur eingeschränkt Rechnung. Die Möglichkeit einer Selbstanzeige löst diesen Konflikt, indem es dem Steuerpflichtigen eine Rückkehrmöglichkeit ohne strafrechtliches Risiko ermöglicht. Diese verfassungsrechtlich geforderte Möglichkeit rechtfertigt daher die Selbstanzeige gemäß 371 AO und erfordert die Beibehaltung dieses bewährten Instrumentariums. Wollte man nun dennoch aus politischen Erwägungen die Regelung der Selbstanzeige aus dem Gesetz streichen, so müsste jedenfalls aus dem Vorgenannten folgend eine gesetzliche Regelung für ein Verwertungsverbot belastender Angaben des Steuerpflichtigen im Gesetz verankert werden. In Betracht käme hier ein Verwertungsverbot der Angaben des Steuerpflichtigen in den strafbefangenen Zeiträumen. Ohne solche Regelungen erscheint die Streichung des 371 AO verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Diese Aufgabe allein der Rechtsprechung zu überlassen, wäre für Steuerpflichtige nicht hinnehmbar. Aus diesen Gründen fordert der DStV die grundsätzliche Beibehaltung der Möglichkeit einer Selbstanzeige im Steuerrecht. Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD in der BT-Drucks. 17/1411 ist daher abzulehnen.

Im Übrigen sei an die legislatorischen Bemühungen zu 370a AO erinnert. Ende des Jahres 2001 schuf der Bundesgesetzgeber einen Verbrechenstatbestand (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren; 12 Abs. 1 StGB), der die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung regeln sollte. Dieser Versuch endete mit einem legislatorischen Debakel, da der Tatbestand nach heftiger Kritik aus Reihen der Wissenschaft und Rechtsprechung trotz teleologischer Reduktion des Wortlauts als zu unbestimmt und damit verfassungswidrig zum 1.1.2008 wieder aufgehoben wurde. Der DStV ist daher der Ansicht, dass aufgrund aktueller Ereignisse nicht vorschnell ein seit Jahrzehnten bewährtes Instrument, das darüber hinaus verfassungsrechtlich geschützte Grundprinzipien des Rechtsstaats umsetzt, abgeschafft werden sollte, zumal in der politischen Diskussion die grundgesetzliche Dimension bisher teilweise übersehen wird. 2) Teilselbstanzeige bereits heute ausgeschlossen! (BT-Drucks. 17/1755) Des Weiteren fordert der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucks. 17/1755) die Streichung der sog. Teilselbstanzeige. Straffreiheit soll nur dann eintreten, wenn der Steuerpflichtige vollumfänglich bisher nicht deklarierte Einkünfte offenlegt. Hintergrund des Antrages ist die Überlegung, dass die Selbstanzeige nicht mehr als Gegenstand einer Hinterziehungsstrategie missbraucht werden soll. Der DStV begrüßt grundsätzlich diese Erwägung. Wir möchten jedoch auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) v. 20.5.2010 (Az 1 StR 577/09) aufmerksam machen, nach dem bereits heute unter dem derzeit geltenden Recht eine derartige Teilselbstanzeige nicht (mehr) zur Strafbefreiung führt, da es hierfür nach der neuen Rechtsprechung notwendig ist, nunmehr vollständige und richtige Angaben mithin reinen Tisch zu machen. Dies folgert das Gericht aus dem Sinn und Zweck des 371 AO mit seinem derzeitigen Wortlaut. Insoweit sieht der DStV keinen Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers. Nur am Rande möchten wir in diesem Zusammenhang auf die mit dieser Rechtsprechung verbundene Problematik hinweisen, dass der reuige Steuerpflichtige kaum beweisen kann, dass keine weiteren Einkünfte vorliegen und er somit reinen Tisch gemacht hat. Zusätzlich liegt eine unwirksame Teilselbstanzeige auch schon dann vor, wenn beispielsweise nur in einem Veranlagungszeitraum bei der Abgabe der Selbstanzeige ein Fehler gemacht wird oder wenn Kleinstbeträge in der Ausnahmesituation der Vorbereitung einer Selbstanzeige vergessen werden.

Soll auch künftig die Selbstanzeige einen Anreiz zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit bieten, dürfen die Anforderungen an den Steuerpflichtigen nicht überspannt werden. 3) Vorverlegung der Sperrwirkung für Selbstanzeigen Der DStV steht dem weiteren Vorschlag der Bundesregierung in der vorbezeichneten BT- Drucksache grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. In der Tat verlangt der Charakter der Strafbefreiung des 371 AO als Ausnahmevorschrift eine restriktive Anwendung, so ausdrücklich BGH v. 20.5.2010. In diesem Sinne ist das Abstellen auf das Zustellen einer Prüfungsanordnung bei Steuerpflichtigen als Zeitpunkt des Eingreifens des 371 Abs. 1 Nr. 1 a) AO überlegenswert. Im Übrigen erlauben wir uns auch hier den Hinweis, dass der BGH in dem genannten Beschluss vom 20.5. d. J. die Sperrgründe des 371 Abs. 2 AO gegenüber seiner bisherigen Auslegung deutlich enger interpretiert. Der DStV regt daher an, diese neuere Rechtsprechung bei einer möglichen Überarbeitung des 371 Abs. 2 AO zu berücksichtigen. 4) Vorteilsabschöpfung Weiterhin sieht der vorgenannte Antrag der Regierungskoalition vor, dass der Steuerhinterzieher gegenüber den bloß säumigen Steuerpflichtigen nicht bevorteilt sein solle. Hiermit wird eine Anhebung der Hinterziehungszinsen des 235 AO gefordert. Nach der bisherigen Regelung werden die von dem Steuerpflichtigen hinterzogenen Steuern mit 0,5 % pro Monat verzinst; vgl. 235, 238 AO. Der säumige Steuerpflichtige muss hingegen Säumniszuschläge in Höhe von 1 % pro Monat entrichten; 240 AO. Säumniszuschläge fallen aber immer erst dann an, wenn ein entsprechender Steuerbescheid ergangen ist und der Steuerpflichtige die darin ausgewiesene Steuerschuld nicht zahlt. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung besteht jedoch demgegenüber in dem Nichterklären der Einnahmen. Dies führt dazu, dass entsprechende (Hinterziehungs-) Zinsen anfallen. Eine zusätzliche Belastung soll nach dem System der Abgabenordnung nur dann eintreten, wenn Steuern festgesetzt worden sind, dann jedoch nicht bezahlt werden. Sinn und Zweck des Säumniszuschlages ist es, den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anzuhalten. Die Belastung des Steuerhinterziehers bereits von vornherein mit 12 Prozent Zinsen p. a. würde demnach einen Systembruch innerhalb der Abgabenordnung darstellen. Es besteht aus Sicht des DStV auch kein Bedürfnis dafür, höhere Zinsen anzusetzen, weil bereits durch die

Hinterziehungszinsen der Nachteil durch die verspätete Festsetzung abgegolten wird. Ferner würde eine derartige Regelung die Anreizfunktion der Straffreiheit deutlich reduzieren. Der Vorschlag ist daher abzulehnen. B. Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen Der DStV unterstützt seit jeher Maßnahmen, die die Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen. Wir bekräftigen die Ansicht, dass Steuerhinterziehung als ein die Allgemeinheit schädigendes Delikt wirksam bekämpft und geahndet werden muss. Die ergriffenen Maßnahmen müssen jedoch rechtsstaatlichen Anforderungen genügen und insbesondere auch mit europarechtlichen Vorgaben im Einklang stehen. Aufgrund der Tatsache, dass Steuerhinterziehungsdelikte häufig grenzüberschreitender Natur sind, versprechen nationale Alleingänge keinen nachhaltigen Erfolg. Auf der anderen Seite schaden sie vielmehr dem Wirtschaftsstandort Deutschland und gefährden Arbeitsplätze im Inland. Um hier nachhaltige Erfolge zu erzielen, sind international abgestimmte Vorgehensweisen notwendig. Die insbesondere in letzter Zeit geschlossen bilateralen Übereinkommen über einen Informationsaustausch in Steuersachen sind der richtige Weg. In diesem Zusammenhang ist auf das BMF-Schreiben vom 5.1.2010 hinzuweisen, nach dem kein Gebiet oder Staat als unkooperativ im Sinne der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung qualifiziert ist. Ein weiterer wirksamer Beitrag für eine Bekämpfung der Steuerhinterziehung wäre die Einführung zeitnaher Betriebsprüfungen. Die Finanzverwaltung würde hiermit in die Lage versetzt, kurzfristig Missstände aufzudecken und die steuerlichen Konsequenzen zu ziehen. Gleichzeitig hätte eine zeitnahe Betriebsprüfung für Steuerpflichtige den Vorteil, in angemessener Frist durch eine abschließende Überprüfung Rechtssicherheit zu erlangen.

Abschließend fordert der DStV im Übereinstimmung mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der BT-Drucks. 17/1765, die personelle und sachliche Ausstattung der Steuerfahndung und Betriebsprüfungsabteilungen der Finanzverwaltung angemessen auszugestalten. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen gez. StB/WP Dipl.-Kfm. Hans-Christoph Seewald (Präsident des DStV)