Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik. Behandelt werden 4 Themenblöcke

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Transkript:

Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Freie Tage Allerheiligen: 01.11.2006 Weihnachtspause: 24.12.06-06.01.07 Behandelt werden 4 Themenblöcke Ätiologie und Risiko Diagnose und Prognose Intervention Med. Informatik WS 06/07 - Vorlesung 1 - F1 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F2 Ziel der ersten Themenblöcke Klinische Epidemiologie*: Vermittlung wichtiger methodischer Grundlagen der klinischen Epidemiologie Kritische Bewertung und Interpretation der Ergebnisse von klinischen und epidemiologischen Studien Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der ärztlichen Praxis im Sinne einer evidenzbasierten Medizin Anwendung biostatistischer und epidemiologischer Methoden und Prinzipien auf Frage- und Problemstellungen der klinischen Medizin, insbesondere zur Diagnose, Prognose, Therapieentscheidungen und Outcome; sie befasst sich auch mit der Untersuchung von Ursachen, die zu bestimmten Krankheiten führen bzw. zu deren Auftreten beitragen. multidisziplinäre Wissenschaft mit erheblichen Überlappungen zu den genannten und anderen Bereichen * Fletcher et al. (1996). Clinical Epidemiology: The Essentials. rd. Ed. Williams & Wilkins, Baltimore WS 06/07 - Vorlesung 1 - F WS 06/07 - Vorlesung 1 - F4 Klinische bzw. epidemiologische Studie: Evidenzbasierte Medizin (EBM)* Systematische Untersuchung zu einer vorgegebenen Fragestellung mit vorab festgelegten, einheitlichen Definitionen zu Ein- und Ausschlusskriterien, Den in der Studie angewandten Prozeduren, Methoden für die Erhebung und Auswertung der notwendigen Daten, Ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EBM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung. Den für die Bewertung der Ergebnisse relevanten Kriterien. * D.L. Sackett et al. Editorial. Münch med Wschr 1997; 19:644-645. WS 06/07 - Vorlesung 1 - F5 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F6 1

Badische Zeitung, 0.09.2005 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F7 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F8 The Times front page, August 22nd 2005 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F9 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F Suizidversuche und Paroxetine (1) Badische Zeitung, September 2006 Zusammenfassende Auswertung von 16 Studien ergab: 7 Suizidversuche unter Paroxetine 1 Suizidversuche unter Placebo Lässt sich daraus ein siebenfach erhöhtes Risiko für einen Suizidversuch ableiten? WS 06/07 - Vorlesung 1 - F11 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F12 2

N Engl J Med, 2006;55:12-21 N Engl J Med, 2006;55:1199-209 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F1 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F14 Ziele der Vorlesung Inhaltliche Verbindung zwischen inhaltlicher Problemstellung Problemstellung und statistischem Konzept/Methode Prävalenz / Prävalenz / Inzidenz als Inzidenz einer Wahrscheinlichkeiten Erkrankung Querschnittsstudie, Schätzung von Prävalenz / Kohortenstudie Inzidenz aus einer Studie Quantifizierung der Unsicherheit bei der Schätzung von Prävalenz / Inzidenz Statistisches Konzept/statistische Methode Wahrscheinlichkeit Statistische Inferenz (Schätzung) Grundgesamtheit und Stichprobe Standardfehler Konfidenzintervall Beispiel: Nosokomiale Infektionen Hintergrund: Nosokomiale (krankenhauserworbene) Infektionen stellen national wie international ein erhebliches medizinisches Problem dar. Sie belasten die betroffenen Patientinnen und Patienten und können in manchen Fällen zum Tode führen. Durch Verlängerung der Krankenhausverweildauer und zusätzlichen therapeutischen Aufwand verursachen sie eine erhebliche ökonomische Belastung; sie stellen zudem ein Qualitätsproblem dar, da ein Teil der Infektionen als vermeidbar angesehen wird. Fragestellung: Wie häufig sind nosokomiale Infektionen und wie häufig sind Patienten auf Intensivstationen betroffen? WS 06/07 - Vorlesung 1 - F15 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F16 Beispiel: Nosokomiale Infektionen Verlauf von 5 hypothetischen Patienten auf der Intensivstation E I I E 1..04 11..04 18..04 (I: Nosokomiale Infektion, E: Entlassung, : am 18..04 noch auf der Intensivstation) Die Prävalenz einer bestimmten Krankheit ist der Anteil der Personen einer definierten Population (Grundgesamtheit), die zu einem bestimmten Zeitpunkt an dieser Krankheit erkrankt sind. Die Inzidenz einer bestimmten Krankheit ist der Anteil der Personen einer definierten Population (Grundgesamtheit), die in einem bestimmten Zeitraum an dieser Krankheit neu erkranken. WS 06/07 - Vorlesung 1 - F17 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F18

Prävalenz als Wahrscheinlichkeit (1) Bezeichnet A ein Ereignis, so nennen wir P(A) die Wahrscheinlichkeit ("Probability") von A Idealisierte Vorstellung: Urne mit roten und schwarzen Kugeln P( { rotekugel }) 1 P( { schwarzekugel }) 2 Entspricht: Grundgesamtheit mit erkrankten und nichterkrankten Personen Prävalenz als Wahrscheinlichkeit (2) Die uns interessierenden Ereignisse sind D+ : Krankheit (Disease) liegt vor und D : Krankheit liegt nicht vor Im Beispiel Nosokomiale Infektionen bezeichnet D + das Ereignis, dass bei einem Patienten eine nosokomiale Infektion vorliegt. WS 06/07 - Vorlesung 1 - F19 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F20 Rechenregeln der Wahrscheinlichkeit (Axiome von Kolmogorov) 0 P( A) 1* für alleereignisse A S P( Ø) 0, P( S) 1 P( A) 1 P( A) P( A B) P( A) + P( B) P( A B) für alleereignisse A, B *Statt Werten zwischen 0 und 1 werden wir synonym Werte zwischen 0% und 0% benutzen Beispiel: Nosokomiale Infektionen (Nosokomiale Infektionen in Deutschland Erfassung und Prävention Stichprobe: 72 Akut-Krankenhäuser mit Abteilungen für Innere Medizin, Chirurgie und Gynäkologie (evtl. Intensivstationen Geschichtete Zufallsauswahl aus dem Deutschen Krankenverzeichnis Erfassung durch 4 trainierte Studienärzte an jeweils einem festen Stichtag pro Station Erfassung nach CDC Kriterien (Center for Disease Control, Atlanta, USA) Erfassung von insgesamt 14996 Patienten WS 06/07 - Vorlesung 1 - F21 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F22 Abbildung 4-1: Lokalisation der Studienkrankenhäuser in Deutschland Aus: Rüden H: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Erfassung und Prävention; (NIDEP-Studie); Teil 1. Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges. 1995 Abbildung 4-: Gegenüberstellung der Verteilung der Betten in Akutkrankenhäusern, bezogen auf die Größenklassen in Deutschland insgesamt sowie in den Studienkrankenhäusern Aus: Rüden H: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Erfassung und Prävention; (NIDEP-Studie); Teil 1. Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges. 1995 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F2 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F24 4

Tabelle -6: Geschätzte Prävalenz nosokomialer Infektionen (gruppiert) mit 95%-Konfidenzintervall Tabelle -29: Prävalenz nosokomialer Infektionen (gruppiert) bei allen Patienten nach Fachrichtungen (absolute und relative Häufigkeit) Nosokomiale Infektionen Innere Medizin Chirurgie Gynäkologie Intensivpflege Alle Patienten Nosokomiale Infektionen Harnweginfektion Untere Atemwegsinfektion Anzahl nosokomialer Infektionen 218 7 Geschätzte Prävalenz 1.46% 0.72% Untere Grenze 95%-CI 1.21% 0.59% Obere Grenze 95%-CI 1.75% 0.87% Harnweginfektion Untere Atemwegsinfektion Postoperative Wundinfektion Primäre Sepsis 8 1.57% 4 0.6% 2 0.0% 21 0.1% 78 1.45% 16 0.0% 72 1.4% 8 0.15% 20 0.91% 2 0.09% 1 0.05% 0.14% 12 46 7 11 2.5% 9.00% 1.7% 2.15% 218 7 82 4 1.46% 0.72% 0.55% 0.29% Postoperative Wundinfektion Primäre Sepsis Andere Infektionen Patienten mit mindestens einer Infektion 82 4 92 518 0.55% 0.29% 0.62%.46% 0.4% 0.21% 0.47%.06% 0.70% 0.9% 0.81%.92% Andere Infektionen Keine Angaben Infektionen insgesamt Patienten mit mindestens einer Infektion Patienten ohne Infektion 6 0.52% 2 204 2.97% 6655 40 0.74% 5 214 204.80% 5168 6 0.27% 1 2 2 1.45% 217 4 86 78 4 1.96% 15.% 92 1 542 518 1445 0.62%.46% Aus: Rüden H: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Erfassung und Prävention; (NIDEP-Studie); Teil 1. Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges. 1995 Aus: Rüden H: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Erfassung und Prävention; (NIDEP-Studie); Teil 1. Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges. 1995 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F25 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F26 Hauptergebnisse: Die geschätzte Prävalenz insgesamt beträgt.46% mit einem 95%-Konfidenzintervall von.06% bis.92%. Die geschätzte Prävalenz auf Intensivstationen beträgt 15.% (95%-Konfidenzintervall von 12.47% bis 18.55%). Abbildung 4-4: Variabilität der Prävalenz von NI in den Studienkrankenhäusern Was bedeutet und was ist ein "geschätzte Prävalenz" "Konfidenzintervall"? Aus: Rüden H: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Erfassung und Prävention; (NIDEP-Studie); Teil 1. Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges. 1995 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F27 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F28 Statistische Inferenz: Schließen von der in der Stichprobe beobachteten Prävalenz auf die wahre Prävalenz in der Grundgesamtheit p Stichprobe : beobachtete Prävalenz ( relative Häufigkeit) Statistische Inferenz: Idealisierte Vorstellung Grundgesamtheit mit Stichprobe (-maliges zufälliges Ziehen) P( { erkrankt }) 1 # { erkrankt} P( { nicht - erkrankt }) 2 0,2 0, 0,1 0,5 Grundgesamtheit: wahre, aber unbekannte Prävalenz p (Wahrscheinlichkeit) 0,4 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F29 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F0 5

Statistische Inferenz Die Anzahl erkrankter Personen in einer Stichprobe ist eine "zufällige" Größe und kann von Stichprobe zu Stichprobe variieren. ist deshalb eine "Schätzung" der wahren Prävalenz p in der Grundgesamtheit p Anzahl erkrankter Personen r ˆ Anzahl Personenin der Studie n Die Variabilität von wird durch den so genannten "Standardfehler" (SE, Standard Error) beschrieben: SE ( ) p ( 1 p) ; In praxi berechnet man SE n ( ) n bezeichnet Umfang der Stichprobe ( 1 ) ; n WS 06/07 - Vorlesung 1 - F1 Statistische Inferenz Die Unsicherheit bei der Schätzung der wahren Prävalenz p in der Grundgesamtheit wird quantifiziert durch die Angabe eines Konfidenz- oder Vertrauensintervalls für p. Ein Konfidenzintervall ist ein zufälliges Intervall, das die wahre Prävalenz mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit, beispielsweise von 95%, enthält. Man spricht dann auch von einem 95%-Konfidenzintervall (95% CI, Confidence Interval). WS 06/07 - Vorlesung 1 - F2 Statistische Inferenz Statistische Inferenz: Idealisierte Vorstellung von 95%-Konfidenzintervall für p: 1,96 SE( ) bis + 1,96 SE( ) ( 1 ) ( 1 ) 1,96 ; + 1,96 n n Grundgesamtheit mit P( { erkrankt }) 1 P( { nicht - erkrankt }) 2 Stichprobe (-maliges zufälliges Ziehen) { } # erkrankt 0,2 0, ( geschätzte Prävalenz, n Umfang der Stichprobe) 0,1 0,5 0,4 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F WS 06/07 - Vorlesung 1 - F4 Statistische Inferenz: Idealisierte Vorstellung 95% Konfidenzintervall 0 1 Stichprobe (-maliges zufälliges Ziehen) p 1 #{ erkrankt} 0,2 Anzahl Patienten auf Intensivstationen: Anzahl Patienten mit mindestens einer Infektion: geschätzte Prävalenz: n 511 78 78 p ˆ 0,15 15,% 511 0, 0,1 Standardfehler: SE 0,15 0,847 0,6 22,6 ( ) 0, 0159 511 0,5 95% Konfidenzintervall: 0,15 1,96 0,0159 bis 0,15 + 1,96 0,0159 0,4 0,15 0,01 bis 0,15+ 0,01 0,121 bis 0,184 ( 12,1% bis 18,4% ) WS 06/07 - Vorlesung 1 - F5 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F6 6

NIDEP-Studie ist eine "Querschnittsstudie" und damit geeignet zur Schätzung der Prävalenz Präzision der Schätzung der Prävalenz hängt ab vom Umfang der Stichprobe gesamte Anzahl Pat.: 14996 ; 95%-CI :,06% bis,92% Anzahl Pat. auf Intensivstation: 511 ; 95%-CI :12,47% bis 18,55% Übertragbarkeit auf die Grundgesamtheit hängt entscheidend ab von "Repräsentativität" und "Unverzerrtheit" der Stichprobe Beispiel: Nosokomiale Infektionen Verlauf von 5 hypothetischen Patienten auf der Intensivstation E I I E 1..04 11..04 18..04 (I: Nosokomiale Infektion, E: Entlassung, : am 18..04 noch auf der Intensivstation) WS 06/07 - Vorlesung 1 - F7 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F8 Studientypen In einer Querschnittsstudie wird bei allen Personen einer definierten Grundgesamtheit zu einem Zeitpunkt der Krankheitsstatus erhoben Schätzung der Prävalenz In einer Kohortenstudie werden alle Personen einer definierten Grundgesamtheit über einen längeren Zeitraum beobachtet und das Auftreten von bestimmten Krankheiten registriert Schätzung der Inzidenz Beispiel: Virusbedingte respiratorische Infektionen bei Kindern Hintergrund: Virusbedingte respiratorische Infektionen sind der häufigste Grund für die Konsultation eines Arztes bzw. einen Krankenhausaufenthalt bei Säuglingen und Kleinkindern. Verursacht werden diese Infektionen hauptsächlich durch RSV(Respiratory Syncytial Virus) PIV (Parainfluenza Viruses) IV (Influenza Virus) Wünschenswert wäre eine Prävention durch Immunisierung. WS 06/07 - Vorlesung 1 - F9 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F40 PRI.DE-Studie (Pediatric Respiratory Infections in DEutschland PRI.DE-Studie: Studienzentren Prospektive Kohortenstudie (Nov. 1999 Sept. 2001) in einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe von Kindern bis zu Jahren zur Häufigkeit von LRTI (Lower Respiratory Tract Infections) in Kinderkliniken Pädiatrischen Praxen im jeweiligen Umfeld der Klinik Einschlusskriterien: Bronchitis, Bronchiolitis, Pneumonie, Krupp (Apnoe bei Kindern bis zu 6 Monaten) Fragestellung: Wie häufig treten durch Viren hervorgerufene respiratorische Infektionen bei Kindern auf? Freiburg Kliniken: St. Josefs-Krankenhaus Freiburg Universitäts-Kinderklinik Freiburg Universitäts-Kinderklinik Dresden Universitäts-Kinderklinik Bochum Kinderklinik Wilhelmstift Hamburg WS 06/07 - Vorlesung 1 - F41 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F42 7

PRI.DE-Studie: Einschluss-Diagnosen Die Prävalenz einer bestimmten Krankheit ist der Anteil der 60 Personen einer definierten Population (Grundgesamtheit), 50 die zu einem bestimmten Zeitpunkt an dieser Krankheit 40 erkrankt sind. 0 20 0 Klinik Praxis Die Inzidenz einer bestimmten Krankheit ist der Anteil der Personen einer definierten Population (Grundgesamtheit), die in einem bestimmten Zeitraum an dieser Krankheit neu erkranken. Krupp Apnoe Pneumonie Bronchitis Obstr. Bronchitis Bronchiolitis WS 06/07 - Vorlesung 1 - F4 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F44 Inzidenz als Wahrscheinlichkeit Das uns interessierende Ereignis ist das Auftreten einer Erkrankung (D + ) in einem vorgegebenen Zeitraum. Im Beispiel der PRI.DE-Studie bezeichnet D + als Auftreten der LRTI, evtl. aufgegliedert nach den verursachenden Viren. Da nicht alle Mitglieder der betrachteten Grundgesamtheit über den gesamten Beobachtungszeitraum gleichmäßig unter Risiko stehen, wird die Inzidenz meistens auf "Personenjahre" bezogen ("Inzidenzrate"). PRI.DE-Studie: Praxispopulation RSV A/B: 82 (26.9%) Kinder 0- Jahre in der BRD 1999: 2,74,600 Patienten unter Risiko: 812 Kinder-Jahre Mit Einverständnis: 1480 (6.4%) Mit Nasensekret: 1418 (95.8%) Patienten mit LRTI: 26 PIV 1/2/: 185 (1.0%) Ohne Einverständnis: 856 (6.6%) IV A/B: 54 (.8%) WS 06/07 - Vorlesung 1 - F45 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F46 PRI.DE-Studie: Inzidenz von LRTI (1) Jährliche Inzidenz von LRTI (Praxispopulation) Anzahl neuerkrankter Kinder mit LRTI Anzahl Kinderjahre 26 28,7% pro Jahr 812 ( 28,7 pro 0 Kinder pro Jahr) Standardfehler der geschätzten jährlichen Inzidenz SE( ) ( 1 ) n 0,287 0,71 0,005 812 95%-Konfidenzintervall: 0,287 1,96 0,005 bis 0,287 + 1,96 0,005 0,277 bis 0.297 27,7% bis 29,7% WS 06/07 - Vorlesung 1 - F47 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F48 8

PRI.DE-Studie: Inzidenz von LRTI (2) Jährliche Inzidenz RSV-bedingter von LRTI (Praxispopulation) Jährliche Inzidenz von LRTI Anteil RSV-bedingt PRI.DE-Studie: Inzidenz von LRTI () Auch von Interesse: Monatliche Prävalenz von LRTI (bzw. von RSV-bedingter LRTI) 28,7% 0,269 7,7% pro Jahr Anzahl erkrankter Kinder mit LRTI ineinembestimmtenmonat Anzahl Kinder in der Praxispopulation ( 7,7 pro 0 Kinder pro Jahr) 95%-Konfidenzintervall: 6,7 % 8,9% WS 06/07 - Vorlesung 1 - F49 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F50 PRI.DE-Studie: Monatliche Prävalenz von LRTI (Praxispopulation) PRI.DE-Studie: Monatliche Prävalenz von RSV (% von LRTI 6 5 4 2 1 0 Feb 00 Nov 99 70 60 50 Praxisfällen): Kinder 0 12 Monate 40 0 20 0 Aug 01 Mai 01 Feb 01 Nov 00 Aug 00 Mai 00 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F51 Sep 01 Jul 01 Mai 01 Mrz 01 Jan 01 Nov 00 Sep 00 Jul 00 Mai 00 Mrz 00 Jan 00 Nov 99 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F52 Konkrete Lernziele der Vorlesung Lernziele des Seminars 1. Prävalenz und Inzidenz sind Wahrscheinlichkeiten, die die Häufigkeit des Auftretens von Erkrankungen beschreiben. 2. Information über Prävalenz/Inzidenz kann aus Querschnitts- bzw. Kohortenstudien gewonnen werden (Schätzung).. Statistische Inferenz erlaubt das Schließen vom beobachteten Wert in der Stichprobe auf den wahren, aber unbekannten Wert in der Grundgesamtheit. 4. Der Standardfehler beschreibt die Variabilität der Schätzung von Inzidenz/Prävalenz; das Konfidenzintervall erlaubt die Quantifizierung der Unsicherheit bei der Schätzung der wahren Prävalenz/Inzidenz in der Grundgesamtheit. 1. Lesen einer englischsprachigen Originalarbeit über eine Studie zur Prävalenz/Inzidenz. 2. Extraktion der für die Studie wesentlichen Methoden und erzielten Resultate.. Kritische Einordnung und Bewertung der in der Arbeit berichteten Resultate. WS 06/07 - Vorlesung 1 - F5 WS 06/07 - Vorlesung 1 - F54 9

WS 06/07 - Vorlesung 1 - F55