Das OHG und der Adhäsionsprozess I. Einleitung II. III. IV. Verfassungsrechtliche Kompetenzordnung Grundsätzliches zum Adhäsionsprozess Anwendungsbereich des OHG V. Zivilansprüche nach OHG VI. VII. Besonderheiten des Adhäsionsprozesses nach OHG Rückweisungen der Adhäsionsklage (Verweisung der Zivilansprüche auf dem Zivilweg) VIII. Entscheid über den Zivilpunkt nur dem Grundsatze nach IX. Fazit Seite 1
I. Einleitung OHG Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 4.10.1991 total revidiert am 23.3.2007, in Kraft frühestens Herbst 2008 Regelungen betreffend Adhäsionsklage Seite 2
II. Verfassungsrechtliche Grundlagen (1/2) Bund: Strafrecht und Strafprozessrecht, Zivilrecht und Zivilprozessrecht Kantone: Organisation der Gerichte und Rechtsprechung Entwurf Schweizerische Strafprozessordnung 21.12.2005 (E StPO) Entwurf Schweizerische Zivilprozessordnung 28.6.2006 (E ZPO) Seite 3
II. Verfassungsrechtliche Grundlagen (2/2) E StPO: Regelung der Geschädigtenrechte und der Adhäsionsklage in Art. 113 ff., insbes. für die Zivilklage in Art. 120 124 E StPO E StPO wird einschlägige Bestimmungen des OHG ersetzen Bis zum Inkrafttreten E StPO: kantonales Strafprozessrecht E ZPO: Vorbehalt örtliche Zuständigkeit Strafgerichte für Beurteilung adhäsionsweise geltend gemachter Zivilansprüche Seite 4
III. Grundsätzliches zum Adhäsionsprozess Adhäsionsprozess: Geltendmachung und Beurteilung auch der zivilrechtlichen Ansprüche aus der Straftat im Strafprozess Prozessökonomie: effiziente, d.h. vereinfachte und beschleunigte Erledigung auch der Zivilansprüche in einem einzigen Verfahren Widerspruch: Beschleunigungsgebot im Strafpunkt Gesamtbetrachtung: Beschleunigung und Aufwandersparnis Seite 5
IV. Anwendungsbereich OHG Einschlägige Regeln des OHG: nur für Adhäsionsprozess keine Vorschriften betreffend Zivilprozess über das Quantitativ keine Vorschriften betreffend separaten Zivilprozess Opfer: Person durch Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt Indirekte Opfer: Angehörige in beschränktem Mass ebenfalls geschützt Straftat in der Schweiz begangen Seite 6
V. Zivilansprüche nach OHG Zivilansprüche: Grundlage der Ansprüche im Privatrecht v.a. Ansprüche aus unerlaubter Handlung auf Schadenersatz und Genugtuung Beseitigungs- und Unterlassungsklagen, Berichtigung gegenüber Dritten, Urteilspublikation und Gewinnherausgabe? Weitere privatrechtliche Ansprüche bei Konnexität mit zivilrechtlichen Ansprüchen aus der strafbaren Handlung? Seite 7
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG A. Überblick (1/2) Verfolgung der Zivilansprüche im Strafverfahren erleichtern Spezielle Verfahrensrechte von Opfern im Strafprozess, u.a. betreffend adhäsionsweise geltend gemachte Zivilansprüche Recht der Beteiligung am Strafverfahren Recht, Zivilansprüche im Strafverfahren geltend zu machen Anfechtung mit Rechtsmitteln Information des Opfers über seine Rechte durch die Behörden in allen Verfahrensabschnitten Seite 8
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG A. Überblick (2/2) Entscheid Strafgericht auch über Zivilansprüche, solange beschuldigte Person nicht freigesprochen oder Verfahren nicht eingestellt Strafgericht kann Zivilansprüche nur dem Grundsatze nach entscheiden und das Opfer im Übrigen auf den Zivilweg verweisen, falls unverhältnismässiger Aufwand Ansprüche von geringer Höhe nach Möglichkeit vollständig beurteilen Seite 9
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess nach OHG B. Konstituierung Privatkläger im Zivilpunkt Manifestieren des Willens, Zivilklage zu erheben Legitimation als Privatkläger im Adhäsionsprozess Opfer in Sinne des Gesetzes (direktes Opfer) dem Opfer nahe stehende Personen bzw. Angehörige (indirekte Opfer) nur für ihre Zivilansprüche Zusammenhang der eingeklagten Zivilansprüche mit der angeklagten Straftat Form der Beteiligung und zeitliche Befristung für die Konstituierung: kantonal Seite 10
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG C. Rechtsnachfolge Erben eines verstorbenen Opfers gehören in Erbeneigenschaft nicht zum Kreis der Opfer Hat das Opfer jedoch zu Lebzeiten die Zivilansprüche geltend gemacht, sind die Angehörigen, die zugleich die Zivilforderung durch Erbgang erworben haben, legitimiert, diese weiter zu verfolgen Berechtigte aus Legalzession sind zur Adhäsionsklage legitimiert E StPO: explizite Regelung Rechtsnachfolge bei Versterben geschädigte Person sowie bei Legalzession Seite 11
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG D. Gerichtsstand OHG enthält keine Bestimmung zum Gerichtsstand der Adhäsionsklage Gerichtsstand Strafprozess: Straf(prozess)recht Art. 28 GestG: Vorbehalt Zuständigkeit der Strafgerichte für die Beurteilung der Zivilansprüche Art. 38 E ZPO: Gerichtsstand der Adhäsionsklage wie Art. 28 GestG Lug-Ü: zivilrechtliche Ansprüche, die vor einem Strafgericht geltend gemacht werden zuständig ist das Strafgericht, soweit dieses nach seinem Recht über zivilrechtliche Ansprüche erkennen kann Seite 12
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG E. Anwendbares Verfahrensrecht (1/2) 1. Grundsatz Verfahren für die Behandlung und Beurteilung der Adhäsionsklage strafprozessuale Regeln Verfahren im Zivilpunkt: Strafprozessrecht Verweisung auf das Zivilprozessrecht sinngemässe Anwendung Zivilprozessrecht Seite 13
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG E. Anwendbares Verfahrensrecht (2/2) 2. Prozessmaximen Verhandlungsmaxime / Untersuchungsmaxime / richterliches Fragerecht bzw. richterliche Fragepflicht / Eventualmaxime Grundsatz: kantonales (Straf)Prozessrecht Informationspflicht nach OHG: Das Opfer ist in allen Verfahrensabschnitten über seine Rechte zu informieren spezifische richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht / Fragepflicht keine Sachverhaltsermittlung nach der Untersuchungsmaxime Seite 14
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG F. Rechtsbegehren Anträge zur Sache Bezifferung von Forderungen im Rechtsbegehren: kantonale Regeln Vorbehalt: richterliche Schadensschätzung gemäss OR 42 II Zulässigkeit Feststellungsbegehren? Seite 15
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG G. Substanzierung und Beweisführung Verhandlungsmaxime Behauptungs- und Substanzierungslast fehlende oder mangelhafte Substanzierung des Zivilpunkts: Abweisung der Zivilklage vs. (zusprechende) Beurteilung dem Grundsatze nach Risiko Privatklägerschaft: im Adhäsionsprozess den Zivilanspruch ganz verlieren nicht nur Rückweisung (Nichteintreten) und Verweisung auf den Zivilweg oder Beurteilung bloss dem Grundsatz nach Seite 16
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG H. Rücknahme der Zivilklage E StPO: Der bedingungslose Rückzug der Zivilklage vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens hat keine Abstandsfolge die Privatklägerschaft kann die Zivilklage auf dem Zivilweg erneut geltend machen Seite 17
VI. Besonderheiten Adhäsionsprozess OHG I. Kosten Keine kostenmässigen Erleichterungen für Opfer im Adhäsionsprozess Unentgeltliche Prozessführung bleibt vorbehalten Seite 18
VII. Rückweisung der Adhäsionsklage (1/2) (Verweisung Zivilansprüche auf Zivilweg) Strafgericht entscheidet über die Zivilansprüche des Opfers, solange die beschuldigte Person nicht freigesprochen oder das Verfahren nicht eingestellt ist OHG schliesst nicht aus, dass auch bei Freispruch über die Zivilansprüche des Opfers entschieden wird E StPO: Beurteilung der Zivilklage auch dann, wenn das Gericht «die beschuldigte Person freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist» Seite 19
VII. Rückweisung der Adhäsionsklage (2/2) (Verweisung Zivilansprüche auf Zivilweg) Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg, wenn Strafgericht die Klage mangels hinreichender Urteilsgrundlagen nicht beurteilen kann E StPO: Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg bei ungenügender Begründung oder Bezifferung Seite 20
VIII. Entscheid Zivilpunkt dem Grundsatz nach (1/2) Regel: abschliessende Beurteilung der Zivilansprüche mit dem Strafpunkt Variante: vorab Strafpunkt, in einer zweiten Etappe Zivilpunkt Ausnahme: Beurteilung jedenfalls dem Grundsatze nach (zwingend); Verweisung ad separatum für das Quantitativ, wenn «vollständige Beurteilung der Zivilansprüche einen unverhältnismässigen Aufwand» erfordern würde grosser Umfang zusätzlicher Beweismassnahmen, grosser Zeitbedarf Seite 21
VIII. Entscheid Zivilpunkt dem Grundsatz nach (2/2) Grundsatzentscheid: Entscheid über den Bestand der Zivilansprüche Bestimmung der Haftungsquote Ansprüche von geringer Höhe «nach Möglichkeit vollständig» beurteilen Zumutbare Bemühungen zur Substanzierung der Zivilansprüche Vorgängige richterliche Aufklärung und Belehrung (richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht / Fragepflicht) Seite 22
IX. Fazit (1/2) Aus zivilprozessualer Sicht: abschliessender Entscheid über die Zivilansprüche als Ziel Privatklägerschaft riskiert Klageabweisung: Auch unter der Geltung des OHG Obliegenheit der Privatklägerschaft, die Zivilansprüche zu substanzieren und zu beweisen Lücken in der Begründung oder im Nachweis führen zur Abweisung der Zivilklage mit Rechtskraftwirkung Die richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht mildert die Substanzierungslast Seite 23
IX. Fazit (2/2) Dilemma: Beurteilung der Adhäsionsklage nur im Falle eines Schuldspruchs ob ein Freispruch oder ein Schuldspruch erfolgt, steht erst am Ende des Strafprozesses fest Abhilfe: E StPO Strafgericht kann die Zivilansprüche auch im Falle eines Freispruchs beurteilen, wenn Sachverhalt spruchreif Seite 24